Wir sahen trotz guter Laune in unserem Regenzeug alle ein wenig bedröppelt aus beim Start. Kein Wunder, dass das Wetter ein Einsehen hatte und den Regen kurz danach beendete. Wer aber meinte, trocken bleiben zu können, wurde sofort eines besseren belehrt. Mit der Durchquerung eines reißenden Stroms, kaum aus Osterode raus, bewahrheitete sich die Ankündigung als Bikepacking-Abenteuerfahrt sogleich.
Die Route ist, wie schon beschrieben, anspruchsvoll und fordert technisch sicherlich stärker als andere Routen in Deutschland. Der teilweise knöcheltiefe Schlamm machte die Angelegenheit nicht einfacher, aber irgendwann hatte ich mich daran gewöhnt. Mir hat die Fahrt bis auf vereinzelte Stellen großen Spaß gemacht und ich war am ersten Abend kurz nach 20 Uhr auf dem Brocken. Während die Auffahrt dank Südostwinds ruhig und relativ warm war, blies bei der Abfahrt kalter Regen stürmisch ins Gesicht. René, der mich schon vor Torfhaus überholt hatte, traf ich auf der Brockenstraße wieder und wir zogen unser Regenzeug über. Gemeinsam kletterten wir in der Dunkelheit über die Felsen auf dem Trail an den Zeterklippen und rollten dann runter bis Wernigerode-Hasserode. Nach einer kurzen Pause ließ ich ihn ziehen und haderte auf der Leitplanke sitzend vielleicht noch zehn Minuten mit mir. Engelchen im einen Ohr riet mir, René zu folgen und eine Hütte zu suchen, Teufelchen im anderen Ohr dazu, eine feste Unterkunft aufzusuchen und aufzugeben. Teufelchen gewann erst mal, ich war irgendwie in einem Tief. Am nächsten Morgen aber sah die Welt wieder anders aus und mit den morgendlichen Sonnenstrahlen saß ich wieder im
Sattel und fuhr durch die Stadt zurück zum Track.
Es rollte perfekt entlang der Bode, Selke und Leine bis nach Stangerode am östlichen Wendepunkt. Dort kehrte ich für eine etwas längere Pause in einem Gasthaus ein, um es anschließend wieder mit der Dunkelheit aufzunehmen. Die Strecke, seit Thale fast durchgängig trocken, wurde nun wieder schlammiger und vor Dankerode wähnte ich mich eher auf sibirischen Wegen. Das störte mich aber nur mäßig. Zu schön war die klare Mondnacht mit Bodennebel über den Wipper-Wiesen. Gedanklich rechnete ich mir schon aus, es mit wenig Schlaf am nächsten Abend bis zum Ziel schaffen zu können, da bekam ich plötzliche Magenprobleme. Eine Pause und vorsichtiges Weiterpedalieren brachten keine Besserung, so dass ich mich entschied, in Stolberg gegen 23 Uhr sicherheitshalber abzubrechen. Als ich dort zu lauter Partymusik auf dem Marktplatz einrollte (man feierte mit der Partnerstadt Stolberg (Rheinland) die Deutsche Einheit), bekam ich von einer mitfeiernden Radlertruppe sofort ein Freigetränk angeboten und man erkundigte sich, ob ich eine Unterkunft benötigen würde - zum Abschluss noch Trailmagic!
Die 150 km am zweiten Tag waren ebenso erlebnisreich wie die 120 km am ersten und ich habe die Tour sehr genossen. Klar wäre ich gern ins Ziel gekommen, aber ich freue mich, es so weit geschafft zu haben und über die vielen kleinen Erlebnisse am Wegesrand. Vor allem die südliche Route mit kilometerlangen Trails, die in der Nacht nicht immer gleich gefunden waren, und einer weiteren ziemlich abenteuerlichen Bachüberquerung hatte es mir am Abend noch einmal angetan.
Schön waren wieder mal die menschlichen Begegnungen. So mancher wunderte sich über das total verschlammte Rad. Eine ältere Dame sprach mir am Torfhaus ihre Bewunderung aus. Eine andere Dame machte mit ihrer Familie an einer Engstelle bei Wendefurth Platz und ihr stand das blanke Entsetzen im Gesicht, da sie befürchtete, ich könne nach rechts in den Bach abstürzen. Sie konnte ja nicht ahnen, dass ich sowieso abgestiegen wäre. Ein Kind sagte zu seinem Papa, was ich doch für ein altes Fahrrad hätte. Und damit waren bestimmt nicht meine 26"-Räder gemeint.
Auch die Begegnung mit den anderen Teilnehmern war eine große Freude, ob am gemütlichen Abend vorher oder unterwegs. Thomas und ich pedalierten (häufig fachsimpelnd) einige Stunden gemeinsam. Einmal wären wir bei einer Vollbremsung vor einem Abzweig fast miteinander kollidiert. Eine Panne zwang ihn dann anscheinend zum Beenden der Tour, doch am nächsten Morgen traf ich ihn zu meiner großen Freude in Elbingerode nochmals kurz wieder.
René überholte mich zunächst vor Torfhaus und später teilten wir das Schicksal einer verregneten Brocken-Abfahrt im Dunkeln bis nach Hasserode. Beide Begegnungen waren für mich inspirierend und motivierend. Thomas beeindruckte mich durch sein frohes Gemüt, das selbst ein aufgeschlitzter
Reifen nicht ins Wanken bringen konnte, und seine vor Energie strotzende Fahrweise, vor allem bergauf. Auch vor Renés Ausgeglichenheit und gleichmäßigem, pausenlosem Tritt konnte ich innerlich nur den Hut ziehen. Danke Euch beiden für die gemeinsamen Momente im
Sattel.
Bisher ist noch nicht durchgedrungen, ob es jemand ins Ziel geschafft hat. Von zwei Fahrern fehlt noch eine Rückmeldung. Die Gründe für den Abbruch waren ganz verschieden: Verstauchung, Sturz, GPS-Ausfall, Magenprobleme, Zeitmangel, Wetter. Respekt an alle, die dabei waren (oder noch sind). Die Runde ist es definitiv wert, wieder zu kommen. Erfreulicherweise war das auch bei den meisten, die aussteigen mussten, das Fazit.