Heisst es eigentlich Arzgebirg? Ein Kurzreisebericht...

Runterrauf

Weitwinkelpabst
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Berlin
Heisst es eigentlich Arzgebirg? – Ein Kurzreisebericht


Mal keine Pläne. Erstmal den EBM überstehen, durchatmen, Kaffee trinken. So sitzen Schnegge und ich bei den Nussknacker-Schnitzern in Seiffen und schauen ins bewölkte Tal. Wie die Hänge, sind auch meine Gedanken vernebelt und ich grolle immer noch mit „Klaus“, dieser, ja das ist sicher, polnische Unbekannte, der den Caddy ins Herstellerland überführen wollte, und mir seit sechs Wochen den Aktionsradius einschränkt.

So sehr wir die Erzgebirgskarten auch drehen und wenden, wir können keine Alpen entdecken. Süden oder ganz doll Süden gibt’s nicht. West oder Ost – das ist die Frage. Die Erkenntnis, dass ich noch nie auf dem Fichtelberg war, ließ das Pendel nach Links, also nach Westen ausschlagen. Also packen wir spontan die Osterzgebirgskarte ein, füllen die Rucksäcke im ortsansässigen Penny auf und lassen die zahlreichen Edelhelfer in ihren Helfershirts zurück, die noch die EBM-Nudelbude einpacken oder den Albrecht-Lautsprecher vom Gerüst holen.



Erstmal `n Kaffee



Schnegge packt: Alles wird in die Luft geworfen, und was im Umkreis von einem Meter des Rucksacks landet, kommt mit. – oder so ähnlich. :)
Vom Schotter brauchen wir nichts mitnehmen.


Wir entschließen uns zunächst für den Fernwanderweg E3, der vielversprechend als Schlengellinie westlich von Olbernhau abgedruckt ist


Der E3 verläuft große Strecken auf dem Erzgebirgskamm, will aber nicht so richtig fetzen, liegts am Spaßkompensationsschotter?
Nu, genießen wir erstmal die Aussicht. Da nüber ist Tschechien.


Wer einmal durch eine menschengestaltete, durch Bergbau und Forstwirtschaft modelierte Landschaft fahren möchte, sollte hier mal unbedingt vorbeikommen.
Wir fahren auf Harvesterbreite durch das schöne Arzgebirg und entdecken, na?... einen Trail. Wir sind im Schwarzbachtal.


Die Bezeichnung rührt vom rostbraunen Wasser


Oberhalb des Flusses am sog. „Grünen Graben“ im 17. Jahrhundert zur Versorgung von Berbgbaubetrieben gebaut.
Bekannt auch aus dem Harz – dort UNESCO-Weltkulturerbe. Hier 5km Spaß.




Zwischen Marienberg und Jöhstadt umfahren wir nördlich ein Militärübungsgelände und fahren auf Annaberg-Buchholz zu.
Die Sonne röstet uns gemeinsam mit dem auf den Feldern stehenden Hafer. In Mildenau fahren wir auf den Lerchenhübel.
Der Huckel ragt als Kuppe etwa 80hm aus der Landschaft und wurde gerade mit einer frischen Teerstraße als Auffahrt grausam entweiht. Uns haut es aus den Satteln.



Von oben haben wir totzdem schöne Aussicht: rechts Pöhlberg, in der Mitte über dem Baum der Bärenstein und dazwischen schwach erkennbar der Fichtelberg, unser Reiseziel.


Wir schlängeln auf der Landstraße nach Annaberg-Buchholz nauf. Die Schatten sind schon lang. Noch Abendbrot einkaufen, duschen, Schlafplätzchen suchen.





Mal wieder Penny, wird langsam Zeit für die Kundenkarte.
Wenn man diese Banane ausdrückt und lange genug in der Sonne stehen lässt, erhält man eine original Runterrauf-Bananenmilch. Mit zusammengeklebten Salzstangen umrühren – und schon fertig.


Wir wollen auf dem Pöhlberg (ca. 890m) oberhalb Annaberg-Buchholz schlafen. Leider ist uns die Dusche im Berghotel auf dem Kamm zu teuer.
Wir fahren etwas unterhalb an eine sommerverschlossene Skihütte und finden eine noble Biwakfläche mit freiem Blick nach oben und Terrassenbett für Schnegge. Aber erst mal pumpen, wo es rauspfeifft guck ich morgen...





Fortsetzung folgt...
 
Kriene Kließ und Semmelbrie, min Arzgebirg wie bist du schie!

:D
Hab's bestimmt ziemlich falsch getippt, aber ich glaub, es kommt raus, was ich sagen möchte. :cool:

Hoffe auf morgigen Fortsetzung. :) Sehr schöne Erinnerung an letzte Woche! :daumen: Freu mich schon, wenn wir zin Zeltplatz dingnunner fohrn. ^^
 
Na da bin ich mal gespannt, wie ihr die Nacht verbracht habt, ob Biwakfläche und Terrassenbett bequem waren - und natürlich auch, wie es am nächsten Tag weiter geht :)
 
Tag 2: Pöhlberg – Fichtelberg – Königswalde

Heute geht es hoch zum Fichtelberg. Er liegt uns quasi schon zu Füßen. Auf der Straße wären es noch ca. 23km. Wo wir heute abend stranden werden ist noch offen.




Sonnenaufgang nach einer sternenreichen Nacht



Schnegge war schon im Feld und hat Frühstück gemacht.


Meine Küchenempfehlung des Morgens: Weißkrautsalat. Ohne Plasiklöffel geht nichts auf einer Rucksacktour.


Wir verlassen den Pöhlberg Richtung Königswalde.

Die Leute in der Gegend sind ausgesprochen herzlich und interessiert. So habe ich ganz unkompliziert beim Fleischer den Plastiklöffel bekommen.
Am Ortseingang von Königswalde begegnet uns ein Schubkarrenmann. Wir erklären erstmal wo wir herkommen, wirklich herkommen, und wo wir hinwollen. – wir suchen den „Kulturpfad“. Mmh, der wurde da und da ausgebaut – die Mundwinkel gehen nach unten- Wir bekommen auch noch eine Wegeempfehlung: „Wenn ihr ganz gut drauf seit, könnt ihr da hoch u.s.w.“ Naja. Wir fahren erstmal zur Kirche, Wasser tanken, Essen kaufen. Und ich brauche einen Kaffee.


Heimatkuchen. Hier gibt’s auch Kaffee



Auf dem Kulturpfad wird geschoben


Nächstes Ziel ist der Bärenstein (898m). Die letzte nennenswerte Erhebung vorm Fichtelberg







Blick vom Bärenstein auf die Talsperre Cranzahl. Im Hintergrund der Fichtelberg.

Die Talsperre Cranzahl versorgt den Raum Annaberg-Buchholz für ca. 80.000 Einwohner mit Trinkwasser. An der Staumauer erinnert eine Säule an den Aufbau von 1949-1954 durch die FDJ. Die Abfahrt zur Staumauer ging zu unserer Freude sogar über einen weitestgehend naturbelassenen Waldweg.
Wir fahren weiter Richtung Westen und halten uns an den Kammweg, immer eine Handbreit Schotter unterm Stollen.


Puh, nochmal Glück gehabt. Neben der Asphaltstraße ist die Wiese gemäht. Vorm Anstieg gehts erst nochmal runter.


Auffahrt zum Fichtelberg. Oberwiesenthal liegt auf 900m. So sind es kurze 300 hm bis nach oben.


Oben gibt’s den ersten Schauer des Tages.



Wir sind gegen 17.00 Uhr vom Fichtelberg runter in Oberwiesenthal. Für die Rückfahrt durchs Gelände scheint die Zeit zu weit fortgeschritten. Wir fahren über die Strasse zurück nach Königswalde. Wir wollen zum Campingplatz duschen, und ggf. ein Dach für die Regenvariante finden.

Der Himmel zieht immer mehr zusammen und die zuständige Dienststelle in Berlin bestätigt, dass eine grosse Gewitterfront zu uns unterwegs ist. Wir werden hektisch und fragen nach dem Weg: Wir müssen zur Strasse nunner. Anna Einfahrt vorbei. Am Fluss nüber, noch 20-30m. aaah da issa: Der Campingplatz. An der Einfahrt begrüßt uns Vater Campingplatz himself.

Wir erklären, that wir nur duschen wollen und ein Dach brauchen, wegen da oben (Schnegge deutet auf die schwarze Fläche über uns). So wie es aussieht, müsste es schon aus Kannen gießen.

Vater Campingplatz heißt Helmut und bietet uns den vergessenen Allgäuer Campinganhänger und Dusche für 15,00 Euro für uns beide zusammen an. Wir können nicht ausschlagen und sitzen – im trockenen.

Ankunft am kleinsten Campingplatz Sachsens.



In der Allgäuer Campinghöhle. Schnegge ist schon mal auf Trailsuche für morgen. Gute Nacht.
 
Zuletzt bearbeitet:
den dritten Tag möchte ich euch nicht vorenthalten...:)

Tag 3: Helmuts Campingplatz - Seiffen

Es hat bis weit in die Nacht geregnet. Die Sonne ist zu dieser Jahreszeit aber noch kräftig und hat unsere Klamotten am Morgen schon getrocknet. Wir frühstücken am Waschhaus und bewundern Helmuts Heldenschrein neben der Werkstatt. Helmut ist preisgekrönter Holz-Design-Schnitzer und durfte an der Instandsetzung der Dresdner Frauenkirche mitarbeiten.

Der Campingplatz ist sein neues Hobby, nachdem er gesundheitsbedingt nicht mehr so dolle ins Holz kerben kann. Trotzdem: Da kennt der echte Löffel- und Kunstschnitzer nüscht, nach`m Zähneputzen wird erstmal die Kettensäge gezogen. So sind`se. Im Vergleich zu unserem Zeltplatzkumpel von Seiffen sind aber noch mehr Finger dran. ;)




Guten Morgen Campingplatz.


Es ist zwar noch früh am Morgen. Gegenüber werden trotzdem schon die Sonnenblumen aufgehangen.


Helmut rechts neben mir fachsimpelt über Kirchenemporen und das der Pfarrer neben der Kirch wohnt.


Joah wo machma heute hi? Auf Alle Fälle zor Kirch nauf. Uand mia haaam Zeit.

Wir wollen den Steilweg nach Osten raus.


Boah. Ob das ne gute Idee war? Der Weg ist extrem ausgewaschen. Und es ist tropisch warm und feucht – warum schwitz` ich schon wieder?


Diesen Geheimtipp hat Schnegge auf`m Trailradar gefunden. Hinter Schmalzgrube (nein.. nicht Stulle) geht’s durch den Tropenwald nach Satzung.
Hier wurden wir erstmal massig von Mücken akupunktiert. Kein Schotter ist auch keine Lösung :D


Hinter Satzung besuchen wir den Basaltfächer im benachbarten Hirtstein. Erkaltete Lava vom Steinbruch freigelegt.


Wir hatten uns entschlossen über die tschechische Seite zurückzufahren. Die Grenze ist gleich nebenan. Nur kurz übers Wasser gehüpft.


Hüpf


Der tschechische Weg sieht auch in echt so aus, wie auf der Karte: ein 4cm langer gerader Strich. :D


Wir tragen es mit Fassung. Und üben uns in Mittelerzgebirgsch-Sächsisch:

da samma hia – da samma da, da samma dort
müssma nüber – müssma nunter – müssma nauf


Das die Tschechen die Waldwege asphaltieren, kenne ich schon aus dem Isergebirge. Sei`s drum.
Die Landschaft fühlt sich trotzdem irgenwie an, als wäre man in Kanada oder Norwegen.


Von Rübenau fahren wir am Grenzfluß unspektakulär bis nach Olbernhau und fahren durch den Mortelgrund nach Seiffen. Der Mortelgrund ist eigentlich ein ganz hübscher Weg. Irgendwie müsste man den mal in den EBM einbauen.
Wir sind unterkunftsmäßig noch nicht klar. Es sieht schon wieder nach Regen aus. In Dittersbach entdecken wir eine Jugendherberge – die wir für den nächsten EBM vormerken- fahren aber weiter. Wir stellen uns eher nur ein einfaches Dach vor, um –im Falle- den klaren Himmel genießen zu können.


Schwartenbergpanorama - letzter Berg für heute



Der Himmel will sich heute nicht festlegen. Ich baue mein Zelt auf dem Campingplatz Seiffen auf. Als Notunterkunft quasi. Während Schnegge sich draußen den Schlafsack von den nackten Kolleginnen eingelen lässt. Na dann gute Nacht.

Morgen sagen wir Seiffen erstmal tschüss....
 
... na da habt ihr ja wieder was tolles erlebt, Radeln in wunderschöner Natur und neue Gegenden entdeckt. Während wir uns hier über das schöne warme Wetter gefreut haben, war es für euch bei der Anstrengung sicherlich ein wenig hinderlich. Aber immer noch besser als kalt und nass.

Jedenfalls ein sehr schöner und interessanter Bericht mit wunderschönen Fotos, danke !!! :daumen::daumen::daumen:

Liebe Grüße, sprotte. :winken:
 
Schön, das es dem ein oder anderen gefällt... vielleicht noch ein paar Worte und Bilder von der Erzgebirgszugabe am vierten Tag.

Fortsetzung:

Tag 4: Tschüss Seiffen und auf in den Tharandter Wald

Animiert von den heldenhaften und bildreichen Berichten von Altglienicker wollten wir am letzten Tag noch einen Abstecher in den Tharandter Wald machen. Quasi als Zwischenstopp auf dem Heimweg Richtung Brandenburg.

Wir packen unsere Sachen aufm Campingplatz in Seiffen zusammen, pressen nochmal die Rucksäcke im lokalen Penny voll, packen die Räder in den Werkstattersatzkleinwagen und trödeln Richtung Tharandt los. Eine Stunde später parken wir an der Weißeritz. Bevor wir auf den Trail einbiegen, gibts erstmal Sightseeing.




Der Altglienicker-Blick


Tharandt (entschärft)



Beeindruckende Kulisse. Irgendwo da oben sollen Trails versteckt sein.


Tharandter Burg. Hallo jemand zu Hause?


Aah - Ein Trail. Wir biegen auf den Bruderweg, und genießen den schmalen Streifen Richtung Freital.



Schnegge hat eine Gasse freigeschlagen...


Bieranstich mit dem Bürgermeister-Double. Warum?


Der echte Bürgermeister? VEB Daimler-Benz? Freital wirft Fragen auf.


In Freital fahren wir auf den Windberg zum König Albert-Denkmal.
Ein beliebter Sachsenkönig Anfang des 20. Jahrhunderts, der auf dreibeinigen Pferden reiten konnte.


ausgeschildert mit „Wanderweg“ wir folgen einfach... im Hintergrund der Windberg.
Wir fahren zurück nach Tharandt. Nach einem Bad in der Weißeritz packen wir und fahren in den Sonnenuntergang nach Hause.

Fazit: Nach dem tollen Seiffen-Rennwochenende ging es in das Harvester-Aktivgebiet des mittleren Erzgebirgs Richtung Fichtelberg. Nennenswerte Trails gibt’s leider hier kaum. Entgegen dem Harz oder vielleicht auch Thüringer Wald gibt es hier keine Wanderkultur. Wer auf Schotter-Gruselpfade steht sollte hier unbedingt mal her. Umso mehr bekam ich immer mehr eine Ahnung, das Albrecht für den EBM schon das beste rausgeholt hat.
Der Tharandt-Tag hat uns dafür richtig entschädigt, dank auch Schnegges Trailradar ist es gelungen bis nach Freital nahezu 100% auf schmalen Wegen durchzuschlängeln- einfach traumhaft. Das ist auf alle Fälle wiederholungswürdig.


Brandenburg.
 
Ich hab nachgeschaut: Der Bürgermeister von Freital heißt tatsächlich Double. Herr Double.

;) ;)

Vielen Dank, Runterrauf, für den Bericht, die Worte, die Bebilderung! Die Mühe, die Arbeit, womöglich auch das Vergnügen, unsere Reise festzuhalten. :) :daumen:

Werde mich gern an die warmen (und mückenfreien!) Nächte zurückerinnern...

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Und an diese unglaubliche Herzlichkeit der Menschen. Selbst auf dem Penny-Parkplatz wurde mir fremder Tourist ein guter Morgen gewünscht! Auf dem Netto-Parkplatz in Tharandt war das im Übrigen nicht mehr so. Da war die Hektik und das einander nicht anschauen wieder da.
Zurück zur Herzlichkeit: Das Entgegenkommen, das freiwillige Helfen, das auf dem Friedhof beim Treffen der Rollatorenfahrer angelächelt werden - besonders in Königswalde - war wirklich scheeeeeen. :)

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Paparazzi am besten Standort

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Heiße Teerblase in Tschechien

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Herrlich kalte Wilde Weißeritz kurz vor der Abfahrt nach Hause

Und noch als Bonus:
Unbenannt-1.jpg

(Runterrauf, Du hattest offenbar auf den Videoaufnahme-Knopf gedrückt... zum Glück war ich nicht wirklich am Drücken ^^ - so, jetzt aber genug!)
 

Beeindruckende Kulisse. Irgendwo da oben sollen Trails versteckt sein.

Die interessanteren Trails sind imho südlich von Tharandt. Trotzdem schön, dass Ihr die Gegend mal besucht habt. Übrigens bei Herbstfärbung besonders empfehlenswert!


Tharandter Burg. Hallo jemand zu Hause?

Also nur für den Fall, dass hier mal jemand hergoogelt: Das ist natürlich nicht die Tharandter Burg. Von der (bzw. deren Ruine) aus hast Du ja das Foto gemacht. Es ist das Schloss Tharandt. Es wurde in einem orientalischen Phantasie-Stil erbaut und hat eine wechselvolle Geschichte mit diversen Eigentümern. Unter anderem wohnte dort der Betrüger Franz Tausend, der behauptete, auf chemischem Wege Gold herstellen zu können. Und ja, es ist jemand zu Hause! Das Schloss wird restauriert und ist teilweise auch schon wieder bewohnt.

Danke für Eure Reiseberichte!
 
Super Bericht. :daumen:

Wieder was auf der To do Liste.

Eine Ecke um die ich immer drum herum gesteuert habe.

Vielen Dank fürs mit nehmen.

VG Andreas
 
Immer wenn ich eure Berichte lese, muss ich ernüchtert feststellen, dass ich einfach zu wenig rum komme. :heul:

Gewohnt tolle Fotostory. Freue mich schon auf die nächste. :daumen:
 
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