13.09. 19:15 Rifugio Passo Jorio, 1980m
Ich probiers einfach... nochmal 1800 Höhenmeter hinauf zum Passo Jorio. Der Wetterbericht für die nächsten Tage ist grottenschlecht, je weiter ich heute komme, desto besser. Drüben runter wird sicher nix mehr, aber direkt oben am Pass soll's ein Rifugio geben, auf Nachfrage bei der Touriinfo in Dongo ist selbiges auch geöffnet. Na dann aufi aufn Berg.
Nach 500hm erwischt mich in Garzeno der erste heftige Regenschauer. Strategie: So viel wie möglich ausziehen und trocken im Rucksack verpacken, oberkörperfrei ist im Regen das beste. Irgendwann wird mir die Sintflut allerdings doch zu stark und ich flüchte mich in die letzte Kneipe im Ort. Cappuco ist angesagt und Essen wär nicht übel, gibt leider am Nachmittag nix ausser Gelati und einem verpackten Labbercroissant. Na immerhin...
Nach einer halben Stunde kommt die Sonne wieder zum Vorschein und ich strample weiter. Ein kleines Teerstraßerl zieht sich in vielen Serpentinen in die Berge hinein, später im Val Jorio dann zur Piste werdend.
Nach etwa zweieinhalbtausend Höhenmeter Uphill seit heut morgen meldet sich mein Magen ziemlich deutlich und ich schlaffe ein wenig ab. Wie jetzt... was soll der Mist? Sollten die paar Croissants vielleicht nicht ausreichen? Kommt gar nicht in Frage. Ich bin der Chef meines Körpers und wenn ich sage radle, dann hat der gefälligst zu radeln. Die Hütte ist immerhin noch ein knappes Stünderl entfernt, also stell dich jetzt mal nicht so an hier.
Es wäre wohl auch noch gegangen, aber wozu soll man sich unnütz quälen. Heute ist schließlich Sonntag, also kommen einige Picknitaliener auf Sonntagsausflug den Berg in ihren Pandas herunter. Schon das erste Pärchen ist ein Erfolg, sie haben noch was übrig vom großen Fressen:
Nie hat ein Panino besser geschmeckt! Und mit der Powerwurst komm ich auch noch 1000 Hömes weiter, wenn's denn sein muss
.
Mit frischem Wind in den Beinen nehme ich die letzten Höhenmeter in Angriff.
Oben wird's nochmal verflucht steil, dann erreiche ich nach 3100 geradelten Höhenmetern gegen halb sechs das Rifugio Jorio:
Was zur Hölle... sieht so eine offene Hütte aus?!
Pustekuchen. Die Hütte war zwar offen, allerdings nur für Tagesausflüger zum Mittagessen. Tolle Leistung liebe Touriinfo, danke für die spitzenmäßige Auskunft ihr Fuzzis!
Ich setze mich etwas zermatscht auf eine Bank und grüble über meine Optionen. Die Wurst war zwar nicht übel, aber der Hunger ist natürlich noch da, und zwar nicht zu knapp. Trotzdem hier bleiben? Kalt und hungrig, das wird keine gute Nacht.
Wieder 800hm zurück zum letzten offenen Albergo? Jo bin i denn deppert... zurück kommt gar nicht in die Tüte.
Noch ein paar Meter auf den Pass rauf, in die Schweiz rüber und auf Piste nach Bellinzona abrollen? Das ginge, aber dann würde ich den prognostizierten Traumtrail vom Monte Laura verpassen, denn dafür ists heute definitiv zu spät. Auch nicht toll.
Während der Grübelei höre ich auf einmal Geräusche von der Rückseite der Hütte. Dann startet ein Motor. Jetzt aber schnell: Ich renne ums Haus und sehe einen Panda, der gerade nach unten verschwinden will. Die Hüttenwartfamilie wollte grad hinunter nach Como: Halt, stop, ich brauch noch was!
Mille Grazie!
Die netten Leute helfen mir natürlich... und wie! Der Kofferraum mit den Resten vom Tag wird nochmal ausgepackt und ich bekomme eine lecker Brotzeit serviert: Panini mit Schinken und Käse, diverse Getränkebüchsen, Äpfel, Bananen und drei verschiedene große Leckertorten. YUMMIE!
Bezahlen darf ich natürlich nix und so schlemme ich in den kälter werdenden Abend hinein, während der Panda langsam ins Tal verschwindet.
Mit vollem Bauch und genug Reserven fürs Frühstück bin ich auch eher in der Stimmung, übers biwakieren hier oben nachzudenken. Hinter der Hütte ist ein kleiner Verschlag, zwar an einer Seite offen, aber doch ein Schutz gegen den wahrscheinlichen Regen.
Dort hinein baue mir mit meiner Folie und ein paar Brettern einen notdürftigen Windschutz.
Wird wohl trotzdem recht zapfig werden hier oben auf 2000m im September, ein Kälteeinbruch ist außerdem vorhergesagt. Aber trotzdem gefällts mit irgendwie, und man muss doch das Sommer-Strandschlaf-Equipment auch mal an seine Grenzen bringen. Ich zieh einfach alles an was ich so dabei hab, dann wird die Sache schon klappen.
Frostige Grüße in die warmen Wohnzimmer...