Hilfsangebot aus dem Forum: Kostenloses FEM-Hilfspaket – Corona-Hilfe für Bike-Entwickler!

Hilfsangebot aus dem Forum: Kostenloses FEM-Hilfspaket – Corona-Hilfe für Bike-Entwickler!

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IBC-User Onkel_Bob hat nicht nur schon ein aufwändiges Bike der Woche selbst konstruiert, sondern verfügt auch sonst über höchste Expertise, wenn es um FEM-Berechnungen geht. Nun erhielten wir ein spannendes Hilfsangebot von ihm, von dem speziell Bike-Entwickler und -Konstrukteure in Deutschland profitieren sollen.

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Hilfsangebot aus dem Forum: Kostenloses FEM-Hilfspaket – Corona-Hilfe für Bike-Entwickler!
 

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Re: Hilfsangebot aus dem Forum: Kostenloses FEM-Hilfspaket – Corona-Hilfe für Bike-Entwickler!
...:
Für den Privatmann bin ich aber skeptisch, ob er den Vorteil braucht oder nicht. Daher ist das von mir erstmal als reines Entwicklungsprojekt zu sehen.
...
Unbedingt bauen!
Liest sich super und wer kann schon so viel Geld für vermeintlich Unnützes ausgeben, wie der passionierte Hobbyfahrer....
 
Hallo zusammen,

auch ich betreibe Rahmenbau, wie der ein oder andere hier, nicht kommerziell. Ich sehe das Ganze entsprechend so, wie StefanLaile: Firmen, die in diesen Zeiten oder auch generell durch dieses tolle Angebot unterstützt werden können, haben Vorrang.

Da bisher, soweit ich den Thread überblicke, noch nicht allzu viele Bewerbungen eingegangen sind, werfe ich mein Projekt mal in den Ring.

In meiner Diplomarbeit habe ich mich mit dem Thema ‚manufaktureller Rahmenbau‘ beschäftigt. Das Ergebnis hier als kleine Impression.

DSC02915_b.jpg


In meinem aktuellen Projekt geht es um ein Pinion-Enduro-Fully mit HighPivot, in Stahl gebaut und gelötet.
Ein zentraler Punkt soll ein performanter Hinterbau sein, der haltbar und dauerhaft leichtgängig ist. Daher möchte ich zum einen große Lager einsetzen, vor allem aber auch den kinematische Bereich der Umlenkung möglichst steif ausführen. Eine angenehme Portion Flex (für off-camber, Wurzel- und Steinfelder etc.) soll dabei aus dem Hinterbaudreieck generiert werden.

(Bilder sind nicht ganz auf dem aktuellen Stand)

Enduro.jpg


Enduro_2.jpg


Mit diesem Ziel habe ich mich auch nochmal an das Rocker-Design gemacht. Der ursprünglich dreiteilige Aufbau soll nun einteilig aus Aluminium gefräst werden. Ich habe unmittelbaren Zugang zu einer 4Achs-CNC und, über eine kleine Zerspanungsfirma eines Bekannten, auch zu einer 5Achs-CNC Fräse.

Über meine Arbeit kann ich Fusion 360 - generatives Design (ähnlich zu Topologieoptimierung unter Berücksichtigung mehrerer Lastfälle, Material und des gewünschten Fertigungsverfahrens) nutzen.

Also wurden kurzerhand (ganz so kurz geht das dann doch immer nicht :D ) Freiräume, zu behaltende Volumen, Ausgangsgeometrie, Lasten etc. definiert.

CC_Enduro_Freiräume_Rocker v16_2.jpg


GenerativesDesign.jpg


Das Ergebnis habe ich nachmodelliert und dann laienhaft, da nur autodidaktische Kenntnisse, in FEM überprüft bzw. bunte Bildchen erzeugt.

Rocker_Vorlage v22.jpg


Ich fände es mega spannend zu den Überlegungen, dem Entwurf, professionellen Input zu bekommen bzw. ihn in der Realität zu testen.
 

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  • GenerativesDesign.jpg
    GenerativesDesign.jpg
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Zuletzt bearbeitet:
Hallo an alle!

Gestern war nun also "Redaktionsschluss" und ich freue mich über die vielen Rückmeldungen.

Da der Thread mittlerweile doch etwas unübersichtlich geworden ist, habe ich mir die Mühe gemacht und die Aufgabenstellungen hier noch einmal zusammengefasst.

Vorab noch einmal ein herzliches "Danke schön" an die Firma EFBE, die angeboten hat, uns mit Lastannahmen und Bauteilprüfungen zu unterstützen:

@EFBE_Marcus: #27
Hilfsangebot von der Firma EFBE


Hier nun also die Aufgabenstellungen:

@StefanLaile: #40
Privater Entwickler
iog_uhp-fr_mk1-png.1017730.png


@giaco77: #45
Firma 77designz, HPP-Enduro „Kavenz“
improvements-kavenz-jpg.1017820.jpg


@BommelMaster: #96
Firma Intend, Kurbel mit Freilauf zum Kettenblatt
1587131467699-png.1020403.png


@Naloo_Bikes: #97
Firma Naldo, leichte Kinderbikes
(Ohne Bild, Rahmenoptimierung im Bereich Yoke/Frästeil)

@MantaHai: #98
Privater Entwickler (noch), Nabe für Getriebebikes, geringer Einrastwinkel
screenshot-17-png.1021994.png


@flufo: #99
Privater Entwickler, Stahl-Rahmen, Optimierung Knotenblech am Tretlager
bb-blue-jpg.1021993.jpg


@matheo_b: #103
Privater Entwickler, Rocker für Pinion-Enduro, Topologie-Optimierung
rocker_vorlage-v22-jpg.1022858.jpg




Insgesamt sind es 7 Aufgabenstellungen - eigentlich wollte ich meine Aktion auf 5 Pakete begrenzen. Aber was soll's ... machen wir 7 daraus.

Ich werde mich heute im Laufe des Tages mit allen Teilnehmern in Verbindung setzen und wir müssen sehen, wie wir die einzelnen Projekte zeitlich eintakten.

Für das Forum: es wird jetzt vieles im Hintergrund ablaufen. Das wird voraussichtlich etwas dauern (insbesondere, wenn Prototypenbau und Versuch noch dazu kommen). Zu gegebener Zeit gibt es hier ein Update.

Viele Grüße

Onkel_Bob
 
Wir sind genauso gespannt und werden die Ergebnisse der Aktion natürlich auch nach Möglichkeit mit @Onkel_Bob artikeltechnisch begleiten! :)

Hallo @Hannes ,
vielen Dank, das hört sich gut an :daumen:

Bei den Videos zu den einzelnen Hilfspaketen würde ich mich eher im Hintergrund halten, da sollen die Teilnehmer zu Wort kommen. Natürlich werde ich nach Bedarf Bildschirm-Fotos / -Videos zur Verfügung stellen - so ähnlich wie beim Kavenz:

Bis es soweit ist, wird es noch etwas dauern. Mit meinen FE-Berechnungen bin ich recht schnell (es gibt aktuell schon für 5 der 7 Projekte ein oder mehrere Rechenmodelle und einige "bunte Bilder"). Aber dann sollen ja noch Prototypen entstehen und Versuche bei EFBE durchgeführt werden. Darauf habe ich natürlich keinen Einfluss und ich schätze, dass sich das doch über Wochen und Monate hinziehen wird.

Damit es hier im Thread nicht langweilig wird, könnte ich unabhängig von den Projekten "aus dem Nähkästchen plaudern". Rund um die Berechnung gibt es viele interessante Themen - ich denke mir bis nächste Woche etwas aus.

Viele Grüße
Onkel_Bob
 
Aus dem Nähkästchen geplaudert #1: Wie genau ist eine FE-Berechnung?

Mit der FEM Berechnung ist es eben so eine Sache.
...
Wer die Story bei 77Design kennt, der sieht wie das Tool gut zur Fehlersuche und Behebung verwendet werden kann. Aber FEM ist auch nur so gut wie die Datenlage an der Realität liegt.
@Reitermaniac hat es in seinem Beitrag schön auf den Punkt gebracht: die Ergebnisse einer FE-Berechnung können auch nur so gut sein wie die Eingangsdaten. Aber wie genau (oder ungenau) sind diese eigentlich?

Wir haben drei Zutaten: Geometrie, Material und Lastfälle

Geometrie
Bei der Geometrie gehen wir davon aus, dass Rohrdurchmesser und -wandstärken vergleichsweise genau sind. Nehmen wir diese Daten also als „exakt“ an.

Material
Betrachten wir das Material. Aus dem Tabellenbuch entnehmen wir Werte für E-Modul, Zugfestigkeit und Streckgrenze. Solche Werte werden durch Materialproben ermittelt und natürlich gibt da eine gewisse Streubreite. Hier reale Daten aus einer Materialprüfung:
Nähkästchen #1 Bild1.png


Welchen Wert nimmt man nun für die Berechnung? Den Mittelwert? Eher nicht, dann würde die Hälfte der Bauteile versagen. Also den schlechtesten Wert? Fast richtig. Hier hilft eine statistische Betrachtung:
Nähkästchen #1 Bild2.png


Statistik – da war doch noch etwas … die Gaußsche Normalverteilung („Glockenkurve“). Die meisten Messwerte bewegen sich im Bereich des Mittelwertes (gepunktete grüne Linie). Je weiter man sich vom Mittelwert wegbewegt, desto unwahrscheinlicher wird ein Messwert.

Für die Berechnung verwendet man einen „charakteristischen“ Kennwert, dem eine gewisse Überlebenswahrscheinlichkeit (z.B. 97,5%) zugrunde liegt. Das ist dann die dunkelgrüne Linie bei etwa 100 MPa. Dieser Wert ist statistisch abgesichert – trotzdem erreicht ein kleiner Prozentsatz von Materialproben diesen Wert nicht.

Lastfälle
Bei den Lastfällen ist es ganz ähnlich und vielleicht auch etwas anschaulicher. Ein leichter, vorsichtiger Fahrer wird nur geringe Kräfte in einen Rahmen einleiten. Und dann kommt Fabio Wibmer …
Nähkästchen #1 Bild3.png


Der überwiegende Teil der Fahrer(innen) ist durchschnittlich schwer und droppt durchschnittlich tief ins Flat (gepunktete rote Linie). Die Lastfalldefinition (rote Linie) wird so gewählt, dass sie den „Worst Case“ in der Praxis mit hoher Wahrscheinlichkeit abdeckt – das ist letztlich auch das Know-how von EFBE.

Wenn wir die Diagramme übereinander legen, ergibt sich folgendes Bild:
Nähkästchen #1 Bild4.png


Die rote Belastung (man nennt das auch „Einwirkung“) ist kleiner als die grüne Materialfestigkeit („Widerstand“) und damit sollte ein Versagen ausgeschlossen sein.

Sicherheiten
Die Zusammenhänge sind vereinfacht dargestellt, denn es werden beim Material und bei den Lastfällen noch verschiedene (Sicherheits-)Faktoren angesetzt. Diese berücksichtigen z.B.:
  • Größe des Bauteils
  • Oberflächenrauheit
  • Beschichtungen
  • Temperatur
  • Statische/dynamische Last, Mittelspannung
  • Besondere Behandlung von Schweißnähten
  • Chemische Einflüsse
  • Alterung
  • Allgemeine Sicherheit oder auch Kombination von Lastfällen
Einige Dinge sind universell, aber jede Branche hat ihre eigenen Vorschriften und Richtlinien. Die Faktoren können dabei je nach Sicherheitsbedürfnis sehr hohe Werte annehmen.

Kommen wir zur Ausgangsfrage zurück: Wie genau ist eine FE-Berechnung?
Eigentlich ist die Frage falsch gestellt. Wir sollten eher fragen: was will ich mit der FE-Berechnung erreichen? Dazu zwei Beispiele:

Beispiel 1: statische Berechnung für ein Bauwerk
Die Struktur wird nur einmal gebaut, Tests gibt es nicht. Es muss halten – unter allen Umständen. Dazu muss die statische Berechnung von einem Prüfstatiker abgenommen werden. Alle Instanzen wollen ruhig schlafen können. Und die Berechnungsvorschriften zielen natürlich auch genau darauf ab: Sicherheit. Bei meiner letzten Berechnung von dieser Sorte mussten die materialseitigen und lastseitigen Sicherheitsfaktoren multipliziert knapp 4,0 erreichen.

Beispiel 2: Versuchsbegleitende Berechnung an einem geschweißten Fahrradrahmen
Ähnlichkeiten mit einem kürzlich hier im Forum vorgestellten Projekt sind rein zufällig :)

Hier hat man ohne Umwege direkte Erfahrung am lebenden Objekt. Aus dem Versuch ist bekannt, nach wie vielen Lastspielen eine Struktur versagt.

Da macht es schon Sinn, alle Abminderungs- und Sicherheitsfaktoren über Bord zu werfen. Denn die Anforderungen an den Leichtbau sind gerade im Mountainbike-Sektor extrem. Das Ziel ist klar: man will auf dem Prüfstand die geforderte Lastspielzahl (gerade so) erreichen. Man berechnet den Ist-Stand als Referenz, verbessert die Struktur und vergleicht die Spannungen. Anhand einer Wöhlerkurve lässt sich eine Aussage über die Lebensdauer treffen (aber das gibt noch ein eigenes „Nähkästchen“).

Dabei muss man sich aber im Klaren sein, dass ein Versuch an EINEM Rahmen keine verlässliche Basis ist. Dazu müsste man wie bei den Materialproben viele Versuche durchführen und eine statistische Bewertung durchführen – das ist natürlich nicht bezahlbar. Deshalb bleibt letztlich eine Restunsicherheit.


Viele Grüße
Onkel_Bob
 
Aus dem Nähkästchen geplaudert #1: Wie genau ist eine FE-Berechnung?


@Reitermaniac hat es in seinem Beitrag schön auf den Punkt gebracht: die Ergebnisse einer FE-Berechnung können auch nur so gut sein wie die Eingangsdaten. Aber wie genau (oder ungenau) sind diese eigentlich?

Wir haben drei Zutaten: Geometrie, Material und Lastfälle

Geometrie
Bei der Geometrie gehen wir davon aus, dass Rohrdurchmesser und -wandstärken vergleichsweise genau sind. Nehmen wir diese Daten also als „exakt“ an.

Material
Betrachten wir das Material. Aus dem Tabellenbuch entnehmen wir Werte für E-Modul, Zugfestigkeit und Streckgrenze. Solche Werte werden durch Materialproben ermittelt und natürlich gibt da eine gewisse Streubreite. Hier reale Daten aus einer Materialprüfung:
Anhang anzeigen 1043144

Welchen Wert nimmt man nun für die Berechnung? Den Mittelwert? Eher nicht, dann würde die Hälfte der Bauteile versagen. Also den schlechtesten Wert? Fast richtig. Hier hilft eine statistische Betrachtung:
Anhang anzeigen 1043145

Statistik – da war doch noch etwas … die Gaußsche Normalverteilung („Glockenkurve“). Die meisten Messwerte bewegen sich im Bereich des Mittelwertes (gepunktete grüne Linie). Je weiter man sich vom Mittelwert wegbewegt, desto unwahrscheinlicher wird ein Messwert.

Für die Berechnung verwendet man einen „charakteristischen“ Kennwert, dem eine gewisse Überlebenswahrscheinlichkeit (z.B. 97,5%) zugrunde liegt. Das ist dann die dunkelgrüne Linie bei etwa 100 MPa. Dieser Wert ist statistisch abgesichert – trotzdem erreicht ein kleiner Prozentsatz von Materialproben diesen Wert nicht.

Lastfälle
Bei den Lastfällen ist es ganz ähnlich und vielleicht auch etwas anschaulicher. Ein leichter, vorsichtiger Fahrer wird nur geringe Kräfte in einen Rahmen einleiten. Und dann kommt Fabio Wibmer …
Anhang anzeigen 1043146

Der überwiegende Teil der Fahrer(innen) ist durchschnittlich schwer und droppt durchschnittlich tief ins Flat (gepunktete rote Linie). Die Lastfalldefinition (rote Linie) wird so gewählt, dass sie den „Worst Case“ in der Praxis mit hoher Wahrscheinlichkeit abdeckt – das ist letztlich auch das Know-how von EFBE.

Wenn wir die Diagramme übereinander legen, ergibt sich folgendes Bild:
Anhang anzeigen 1043147

Die rote Belastung (man nennt das auch „Einwirkung“) ist kleiner als die grüne Materialfestigkeit („Widerstand“) und damit sollte ein Versagen ausgeschlossen sein.

Sicherheiten
Die Zusammenhänge sind vereinfacht dargestellt, denn es werden beim Material und bei den Lastfällen noch verschiedene (Sicherheits-)Faktoren angesetzt. Diese berücksichtigen z.B.:
  • Größe des Bauteils
  • Oberflächenrauheit
  • Beschichtungen
  • Temperatur
  • Statische/dynamische Last, Mittelspannung
  • Besondere Behandlung von Schweißnähten
  • Chemische Einflüsse
  • Alterung
  • Allgemeine Sicherheit oder auch Kombination von Lastfällen
Einige Dinge sind universell, aber jede Branche hat ihre eigenen Vorschriften und Richtlinien. Die Faktoren können dabei je nach Sicherheitsbedürfnis sehr hohe Werte annehmen.

Kommen wir zur Ausgangsfrage zurück: Wie genau ist eine FE-Berechnung?
Eigentlich ist die Frage falsch gestellt. Wir sollten eher fragen: was will ich mit der FE-Berechnung erreichen? Dazu zwei Beispiele:

Beispiel 1: statische Berechnung für ein Bauwerk
Die Struktur wird nur einmal gebaut, Tests gibt es nicht. Es muss halten – unter allen Umständen. Dazu muss die statische Berechnung von einem Prüfstatiker abgenommen werden. Alle Instanzen wollen ruhig schlafen können. Und die Berechnungsvorschriften zielen natürlich auch genau darauf ab: Sicherheit. Bei meiner letzten Berechnung von dieser Sorte mussten die materialseitigen und lastseitigen Sicherheitsfaktoren multipliziert knapp 4,0 erreichen.

Beispiel 2: Versuchsbegleitende Berechnung an einem geschweißten Fahrradrahmen
Ähnlichkeiten mit einem kürzlich hier im Forum vorgestellten Projekt sind rein zufällig :)

Hier hat man ohne Umwege direkte Erfahrung am lebenden Objekt. Aus dem Versuch ist bekannt, nach wie vielen Lastspielen eine Struktur versagt.

Da macht es schon Sinn, alle Abminderungs- und Sicherheitsfaktoren über Bord zu werfen. Denn die Anforderungen an den Leichtbau sind gerade im Mountainbike-Sektor extrem. Das Ziel ist klar: man will auf dem Prüfstand die geforderte Lastspielzahl (gerade so) erreichen. Man berechnet den Ist-Stand als Referenz, verbessert die Struktur und vergleicht die Spannungen. Anhand einer Wöhlerkurve lässt sich eine Aussage über die Lebensdauer treffen (aber das gibt noch ein eigenes „Nähkästchen“).

Dabei muss man sich aber im Klaren sein, dass ein Versuch an EINEM Rahmen keine verlässliche Basis ist. Dazu müsste man wie bei den Materialproben viele Versuche durchführen und eine statistische Bewertung durchführen – das ist natürlich nicht bezahlbar. Deshalb bleibt letztlich eine Restunsicherheit.


Viele Grüße
Onkel_Bob

Mich würde interessieren wie die Materialalterung in die Berechnung eingeht. Gerade bei Aluminium ist das Thema Auslagerung ganz spannend. Hier sind natürlich je nach Material die Eigenschaften nach einer Beschichtung durch Pulvern kritisch.

Ist hier ein Ansatz mit variabler Streckgrenze abfallend entsprechend der Lastspiele denkbar/sinnvoll.
 
@Onkel_Bob
In deiner Zutatenliste fehlt z.B. noch der Einfluss der Vernetzung. Elementgröße, Elementtyp, Integrationstyp etc etc. Hier kann man sich viel kaputtmachen.
Ebenso stellt sich die Frage, wie werden Schweißnähte modelliert?
Geometrie, Material und Lastfälle...dann wäre die Welt schön einfach.
Ich finde das bunte Beispielbild des Kavenz unglücklich. Gesmoothte Darstellung ohne Netzinfo. Es wird interpoliert, so dass etwaige Unstetigkeiten nicht erkannt werden. Bitte nicht falsch verstehen. Vermutlich ist das Modell sauber, aber eine ungeschönte Illustration lässt erst gar keine potentiellen Fragen aufkommen.
 
Eigentlich habe ich diese Woche Urlaub :), trotzdem ein kurzes Feedback:

Mich würde interessieren wie die Materialalterung in die Berechnung eingeht. Gerade bei Aluminium ist das Thema Auslagerung ganz spannend. Hier sind natürlich je nach Material die Eigenschaften nach einer Beschichtung durch Pulvern kritisch.

Ist hier ein Ansatz mit variabler Streckgrenze abfallend entsprechend der Lastspiele denkbar/sinnvoll.

Unterscheiden wir zwischen Alterung im Sinne von "es steht einfach nur da, ohne dass sich etwas bewegt" und einer Alterung im Sinne einer Zeitfestigkeit.

Für den ersten Fall kann ich zumindest für Aluminium keine Zahlen anbieten - solche Abminderungsfaktoren kenne ich z.B. bei Verklebungen. Bei der Zeitfestigkeit rechnet man über eine Wöhlerkurve für ein Lastniveau eine zulässige Lastspielzahl aus. Mit jedem Lastspiel nähert man sich dieser zulässigen Lastspielzahl und dem theoretischen Versagen. Das ist sicher auch noch ein "Nähkästchen" wert.

Die Streckgrenze abmindern entsprechend der Lastspiele - interessante Idee! Das geht in Richtung Bruchmechanik ... führt aber hier vielleicht doch etwas zu weit.

@Onkel_Bob
In deiner Zutatenliste fehlt z.B. noch der Einfluss der Vernetzung. Elementgröße, Elementtyp, Integrationstyp etc etc. Hier kann man sich viel kaputtmachen.
Ebenso stellt sich die Frage, wie werden Schweißnähte modelliert?
Geometrie, Material und Lastfälle...dann wäre die Welt schön einfach.
Ich finde das bunte Beispielbild des Kavenz unglücklich. Gesmoothte Darstellung ohne Netzinfo. Es wird interpoliert, so dass etwaige Unstetigkeiten nicht erkannt werden. Bitte nicht falsch verstehen. Vermutlich ist das Modell sauber, aber eine ungeschönte Illustration lässt erst gar keine potentiellen Fragen aufkommen.

Guter Einwand - die Vernetzung ist natürlich ein wichtiges Thema und das hatte ich auch noch für ein "Nähkästchen" geplant. Soviel vorab: die Teilnehmer (wie auch sonst meine Kunden) bekommen eine Berechnungsdokumentation, die auch eine Beschreibung des Rechenmodells beinhaltet. Das Netz wird auf Detailbildern eingeblendet. Das Netz ist aber in der Regel so fein, dass es in einer Gesamtansicht einfach nur noch stört. Und auch bei den Spannungsplots macht ein eingeblendetes Netz nur Sinn, wenn ich sehr nahe zoome - sonst verdeckt es zuviel.

Schweißnähte - ganz heiße Kiste. Und sicher auch noch ein Nähkästchen wert. Ich werde noch etwas sagen zum Thema Kerbspannungskonzept/ Nennspannungskonzept. Ob eine buchstabengetreue Berechnung z.B. nach FKM-Richtlinie zielführend ist? Mal sehen ...

Gruß
Onkel_Bob
 
Unterscheiden wir zwischen Alterung im Sinne von "es steht einfach nur da, ohne dass sich etwas bewegt" und einer Alterung im Sinne einer Zeitfestigkeit.

Für den ersten Fall kann ich zumindest für Aluminium keine Zahlen anbieten - solche Abminderungsfaktoren kenne ich z.B. bei Verklebungen.
Für das Thema gibt es nichts belastbares, mir ist außer bei Aluminium der 7000er Serie, im besonderen 7020, eigentlich keine Legierung bekannt bei der Zeit alleine eine Rolle spielt. Und auch bei 7020 stehen alle Probleme in der Regel im Zusammenhang mit Eigenspannungen.

@Onkel_Bob Danke für den interessanten Beitrag. Ich würde mich sehr über einen Beitrag zum Thema Schweißnahtbewertung beim Fahradrahmen freuen. Wenn ich daran denke das jemand bei den Rohrdurchmessern und Wandstärken das mit Kerbspannungskonzept macht klingt das für mich nach stark frustrierender Vernetzung.
 
... Wenn ich daran denke das jemand bei den Rohrdurchmessern und Wandstärken das mit Kerbspannungskonzept macht klingt das für mich nach stark frustrierender Vernetzung.

Hallo @esta,
das trifft es wohl auf den Punkt. Ich stelle mir gerade vor, wie ich 2 Jahre lang einen kompletten Rahmen superfein mit Solids vernetze und dann nochmal 2 Jahre auf die Ergebnisse warte :lol:
Kerbspannungskonzept taugt natürlich nur für Details oder eben Probekörper.
Gruß
Onkel_Bob
 
Aus dem Nähkästchen geplaudert #2: Lebensdauer auf 900% gesteigert – oder doch nur 899%?

Im Zusammenhang mit den versuchsbegleitenden FE-Berechnungen für das Kavenz wurde eine Verbesserung der Lebensdauer auf 900% erwähnt – in die Glaskugel geschaut oder ist das eine fundierte Aussage?

Wenn wir ein Bauteil einer schwingenden Belastung aussetzen, wird es irgendwann versagen. Die erreichbare Lastspielzahl ist dabei abhängig vom Lastniveau: eine hohe Belastung führt vielleicht schon nach wenigen 1000 Zyklen zum Bruch, eine niedrige Belastung kann viele Mio. Lastspiele erreichen.

Der Zusammenhang zwischen Spannung und ertragbarer Lastspielzahl lässt sich mit folgender Formel ausdrücken:
Nähkästchen #2 Bild1.png


Das Wöhlerdiagramm

In einem doppelt-logarithmischen Diagramm stellt sich die Kurve als Gerade dar, wobei der Parameter k die Neigung der Gerade beschreibt.
Nähkästchen #2 Bild2.png


Eigentlich ist es noch etwas komplizierter: bei kleinen Lastspielzahlen begrenzt die statische Festigkeit die Kurve und bei hohen Lastspielzahlen erreicht man irgendwann die „Dauerfestigkeit“. Man versucht die Realität durch mehrere gerade Segmente anzunähern (obwohl die „echte“ Kurve nicht so eckig ist):
Nähkästchen #2 Bild3.png


Dann unterscheidet man noch zwischen Normalspannungen und Schubspannungen, zwischen Stahl und Aluminium, zwischen geschweißt und nicht geschweißt …

Und letztlich sind die Steigungsparameter auch nicht in jeder Norm/Richtlinie gleich.


Zurück zur Ausgangsfrage: wo kommen die 900% Lebensdauer her?

Die für uns interessanten Lastspielzahlen bewegen sich in der Regel vor dem ersten Knickpunkt N_D. Daher lässt die oben gezeigte Formel umstellen, um zu einem Verhältnis der Lastspielzahlen zu kommen. Hier gleich mit eingesetzten Werten:
Nähkästchen #2 Bild4.png


Der Faktor 8,9 (oder großzügig gerundet 900%) ist aus den Spannungen vor/nach der Konstruktionsänderung berechnet. Zur Genauigkeit von FE-Berechnungen im Allgemeinen habe ich im Nähkästchen #1 schon etwas gesagt – und bei Lebensdauerbetrachtungen wird das nicht besser, im Gegenteil. Die Streuung bei den Versuchsergebnissen ist recht groß.

Außerdem führt die Exponentialfunktion schon bei kleinen Spannungsänderungen zu großen Effekten bei der Lastspielzahl:
Nähkästchen #2 Bild5.png


Nur 15% weniger Spannung und es hält doppelt so lange … wobei auch der Neigungsparameter k nicht in Stein gemeißelt ist. Für Aluminium kenne ich Werte zwischen 3 und 5 (bei Schubspannungen sogar bis 8).

Fazit: bei der Lebensdauer versucht man die Realität bestmöglich in Formeln zu packen, aber die Ausgangsdaten sind recht ungenau. Außerdem arbeiten die verfügbaren Normen und Richtlinien in Bezug auf Referenzpunkte und Steigungen der Wöhlerkurven auf der sicheren Seite. Man bekommt eine sehr gute Tendenz – aber das Versagen auf den Punkt genau vorherzusagen wird nicht gelingen.


Lebensdauer im Schnelldurchlauf: das Einstufenkollektiv


Beim Lebensdauertest werden die Probanden richtig gequält: 100.000 Lastwechsel mit sehr hohen Kräften. Manchmal werde ich gefragt: „Ist denn das realistisch? So hohe Kräfte treten doch in der Praxis nur selten auf.“

Was passiert in der Praxis mit einem Mountainbike-Rahmen? Kurzer Antritt mit 400 Watt, sehr lange Auffahrt mit 200 Watt, beim Zielsprint noch ein Wiegetritt mit maximaler Last.

Im folgenden Diagramm ist das Geschehen in mehrere Stufen eingeteilt, daher der Name: Mehrstufenkollektiv. Die Zyklenzahl ist logarithmisch dargestellt, damit die kleinen Stufen mit sehr hohen Zyklenzahlen im Verhältnis nicht zu breit werden.
Nähkästchen #2 Bild6.png


Natürlich könnte man so ein Mehrstufenkollektiv auch auf dem Prüfstand nachfahren. Das wäre aber aufwändig und vor allem würde es aufgrund der hohen Gesamtzyklenzahl auch sehr lange dauern.

Nun der Trick: mithilfe einer Wöhlerkurve rechnet man die einzelnen Stufen auf das Lastniveau der höchsten Stufe um. Eine hohe Stufe mit kleiner Zyklenzahl bewirkt die gleiche „Schädigung“ wie eine niedrige Stufe mit hoher Zyklenzahl. Für die nun gleich hohen Stufen werden die Zyklenzahlen addiert und hier ist es, das Einstufenkollektiv:
Nähkästchen #2 Bild7.png


Hier fließen natürlich viele Erfahrungswerte ein. So ein Einstufenkollektiv soll die Realität bestmöglich im Zeitraffer abbilden. Damit ein Rahmen, der den Versuch übersteht auch draußen auf dem Trail überlebt.

Viele Grüße
Onkel_Bob
 
Zuletzt bearbeitet:
Aus dem Nähkästchen geplaudert #3: Vernetzung
Damit im FE-Programm eine Berechnung stattfinden kann, muss die Geometrie erst einmal vernetzt werden. Meist ein zeitraubendes und eher langweiliges Prozedere (Aus Ozeans 13, Al Pacino: „Die Wehen interessieren mich nicht, ich will das Baby!“). Die meisten hier im Forum werden sich auch nicht wirklich für die Vernetzung interessieren – und diejenigen, die es interessieren könnte, wissen selbst wie es geht.

Damit es wenigstens ein bisschen spannend wird, erzähle ich für ein paar ausgewählte Elemente, was im Hintergrund abläuft und welche Tools die Arbeit erleichtern. Und vielleicht ist ja auch für die Freaks der eine oder andere interessante Aspekt dabei.

Bar-Elemente (1D)
Fangen wir mit etwas einfachem an: Bar-Elemente. Ein einfacher Stab, in der normalen Visualisierung nur zwei Knoten und ein Strich dazwischen. Über die Eigenschaften können verschiedene Querschnitte zugewiesen werden: Rundstab, Rundrohr, Rechtecke, …, individuelle Querschnitte.

Für gleichmäßige (auch gekrümmte) Stäbe und Rohre erkennt das FE-Programm die Querschnitte und nimmt viel Arbeit ab:
  1. Die importierte 3D-Geometrie
  2. Das System hat Mittellinien und -kurven erzeugt und die Querschnittsdaten sind als Information angehängt.
  3. Die Kurven werden mit finiten Elementen vernetzt und das System greift auf die erzeugten Querschnittsdaten zurück.
  4. Eine Visualisierungsfunktion zeigt die Querschnittseigenschaften der finiten Elemente und man kann die Übereinstimmung mit den CAD-Daten prüfen.
Nähkästchen #3 Bild1.png

Bar-Elemente können Kräfte und Momente übertragen und es werden an ausgewählten Stellen Spannungen berechnet. Allerdings sind die Querschnitte in sich starr und die Möglichkeiten für eine Spannungsauswertung daher begrenzt. Bei einem Fahrradrahmen verwende ich sie gerne, um mit wenig Aufwand die Steifigkeit anzunähern.

Plate-Elemente (2D)
Dünnwandige Bauteile sind häufig zu finden: herstellungsbedingt oder aus Gewichtsgründen sind Wandstärken dünn im Vergleich zu den Bauteilabmessungen. Hier bieten sich 2D-Elemente für die Vernetzung an.
Und auch hier unterstützt das FE-Programm die Modellierung:
  1. Die importierte 3D-Geometrie
  2. Tangentenstetige Oberflächen werden erkannt. Das System erzeugt Mittelflächen (halbe Wandstärke als Offset) und merkt sich die Wandstärke.
  3. Die Mittelflächen werden mit finiten Elementen vernetzt und das System greift auf die Wandstärke als Parameter zurück.
  4. Eine Visualisierungsfunktion zeigt die (flachen) finiten Elemente inklusive der zugewiesenen Wandstärke und man kann die Übereinstimmung mit den CAD-Daten prüfen.
Nähkästchen #3 Bild2.png


Tetraeder-Elemente (3D)
Komplexe Fräs- und Schmiedeteile vernetzt man üblicherweise mit 3D-Elementen. „Schöne“ Netze aus Hexaedern benötigen weniger Rechenzeit - aber dafür meist viel Handarbeit bei der Vernetzung. Eine automatische Tetraeder-Vernetzung ist in der Regel effektiver. Lineare Tetraeder sind zu steif, daher werden hier parabolische Elemente mit Mittelknoten verwendet.
Ein Tetraeder-Netz gibt es auf Knopfdruck (zumindest wenn man einen sauber modellierten Solid-Körper als Basis hat).
  1. Die importierte 3D-Geometrie
  2. Ein automatisch erzeugtes Tetraeder-Netz. Bei einigen Freiformflächen bildet das Netz die Geometrie nicht sauber ab.
  3. Jetzt wird manuell nachgeregelt: auf Kurven oder Flächen wird die Elementanzahl und damit die Genauigkeit erhöht. Bis zu einer gewissen Größe geht das sogar „live“, d.h. mit jedem Klick wird das Netz neu aufgebaut und man sieht gleich, ob es passt.
  4. Das fertige Netz für den Rocker hat ca. 80.000 Elemente und bildet die Freiformflächen recht genau ab. Ggf. wird in hochbelasteten Bereichen noch feiner vernetzt.
Nähkästchen #3 Bild3.png

Ein kritischer Punkt ist die Netzgröße. Bei 1D- und 2D-Elementen ist das nicht ganz so wild. Aber bei 3D-Elementen kommt man sehr schnell in eine Größenordnung, die den Rechner lahm legt. Eigentlich möchte man sehr fein vernetzen, um eine hohe Genauigkeit zu erreichen. Aber pauschal eine kleine Elementkantenlänge festzulegen kann schnell zu Modellen mit 1 Mio. Elementen und mehr führen. Irgendwann sieht man nur noch die Sanduhr.

Wie findet man die richtige Elementgröße? Ein paar Tipps:
  • In einem kritischen Radius sollten 5-6 Elemente über 90° vorhanden sein.
  • Wenn man die Ergebnisse mit verschiedenen Einstellungen für die Mittelung darstellt (Mittelwert / Maximum) sollten sich die Farbwerte nicht mehr stark ändern.
  • Ein Netz „konvergiert“, wenn sich die Ergebnisse bei noch feinerer Vernetzung nicht mehr wesentlich ändern.
Plate-Elemente (2D) mit modifizierter Dicke
Wann nehme ich 2D-, wann 3D-Elemente? Eigentlich klar, aber es gibt Bauteile, die einem die Entscheidung doch schwer machen. Die „Brücke“ vom Kavenz ist so ein Teil. In der Hauptsache ein schalenförmiges Teil. Aber es gibt Bereiche mit lokaler Verstärkung, außerdem einige T-Stöße mit Verrundungen innen und außen.

Ich habe mit Tetraeder-Netzen experimentiert – für die dickwandigen Bereiche ok, für die dünnwandigen eher nicht. Mit mehreren Schichten war ich bei 1,5 Mio. Elementen. Also doch lieber 2D!
  1. Die importierte 3D-Geometrie
  2. Das Mittelflächenmodell wurde im CAD-Programm erzeugt, denn hier ist doch etwas mehr „Handarbeit“ gefragt.
  3. Die fertige Vernetzung basierend auf dem Mittelflächenmodell.
  4. Jetzt der Trick: im FE-Programm wird zusätzlich zum Mittelflächenmodell das Solid-Modell geladen und mit speziellen Funktionen ist es möglich, für jedes Element automatisch Dicke und Offset an ein Solid-Modell anzupassen.
Nähkästchen #3 Bild4.png

Eine recoursensparende Methode und bei kleineren Änderungen (Wandstärken, lokale Verstärkungen) lässt sich das Rechenmodell schnell anpassen.

Connectoren
Meist hat man es nicht mit Einzelteilen, sondern mit (Schweiß-)Baugruppen zu tun. Jedes Einzelteil bringt sein eigenen Netz mit und diese Netze müssen miteinander verbunden werden.
  1. Die „Old-School“-Variante: beim durchgehenden Rohr wird das Netz unterbrochen und an das angesetzte Rohr angepasst. Die beiden Netze haben an der Nahtstelle identische Knoten und werden dadurch verbunden.
  2. „New-School“: das durchgängige Rohr wird gleichmäßig vernetzt und weiß erst einmal nichts von dem angesetzten Rohr.
  3. Jetzt werden Connectoren (Verbinder) gesetzt. Das durchgängige Rohr erhält eine flächige Verbindungsregion (rot), das angesetzte Rohr eine kurvenbasierte Verbindungsregion (grün). Die beiden Regionen werden mit einem Connector „verklebt“.
  4. Nach der Berechnung kann die Verbindung geprüft werden, indem man die „Total Glue Force“ anzeigt.
Nähkästchen #3 Bild5.png

Der Vorteil von Connectoren? Die Vernetzung ist wesentlich einfacher und die Netze werden gleichmäßiger. Außerdem können die Connectoren geometriebasierend festgelegt werden und sind damit unabhängig vom Netz. Man kann also z.B. ein Bauteil feiner vernetzen und trotzdem bleibt die Verbindung bestehen.

Ok, das war jetzt etwas trocken. Das nächste Mal wird es um Schweißnähte gehen – ein heißes Thema :)

Viele Grüße
Onkel_Bob
 
Aus dem Nähkästchen geplaudert #3: Vernetzung
Damit im FE-Programm eine Berechnung stattfinden kann, muss die Geometrie erst einmal vernetzt werden. Meist ein zeitraubendes und eher langweiliges Prozedere (Aus Ozeans 13, Al Pacino: „Die Wehen interessieren mich nicht, ich will das Baby!“). Die meisten hier im Forum werden sich auch nicht wirklich für die Vernetzung interessieren – und diejenigen, die es interessieren könnte, wissen selbst wie es geht.

Damit es wenigstens ein bisschen spannend wird, erzähle ich für ein paar ausgewählte Elemente, was im Hintergrund abläuft und welche Tools die Arbeit erleichtern. Und vielleicht ist ja auch für die Freaks der eine oder andere interessante Aspekt dabei.

Bar-Elemente (1D)
Fangen wir mit etwas einfachem an: Bar-Elemente. Ein einfacher Stab, in der normalen Visualisierung nur zwei Knoten und ein Strich dazwischen. Über die Eigenschaften können verschiedene Querschnitte zugewiesen werden: Rundstab, Rundrohr, Rechtecke, …, individuelle Querschnitte.

Für gleichmäßige (auch gekrümmte) Stäbe und Rohre erkennt das FE-Programm die Querschnitte und nimmt viel Arbeit ab:
  1. Die importierte 3D-Geometrie
  2. Das System hat Mittellinien und -kurven erzeugt und die Querschnittsdaten sind als Information angehängt.
  3. Die Kurven werden mit finiten Elementen vernetzt und das System greift auf die erzeugten Querschnittsdaten zurück.
  4. Eine Visualisierungsfunktion zeigt die Querschnittseigenschaften der finiten Elemente und man kann die Übereinstimmung mit den CAD-Daten prüfen.
Anhang anzeigen 1061675
Bar-Elemente können Kräfte und Momente übertragen und es werden an ausgewählten Stellen Spannungen berechnet. Allerdings sind die Querschnitte in sich starr und die Möglichkeiten für eine Spannungsauswertung daher begrenzt. Bei einem Fahrradrahmen verwende ich sie gerne, um mit wenig Aufwand die Steifigkeit anzunähern.

Plate-Elemente (2D)
Dünnwandige Bauteile sind häufig zu finden: herstellungsbedingt oder aus Gewichtsgründen sind Wandstärken dünn im Vergleich zu den Bauteilabmessungen. Hier bieten sich 2D-Elemente für die Vernetzung an.
Und auch hier unterstützt das FE-Programm die Modellierung:
  1. Die importierte 3D-Geometrie
  2. Tangentenstetige Oberflächen werden erkannt. Das System erzeugt Mittelflächen (halbe Wandstärke als Offset) und merkt sich die Wandstärke.
  3. Die Mittelflächen werden mit finiten Elementen vernetzt und das System greift auf die Wandstärke als Parameter zurück.
  4. Eine Visualisierungsfunktion zeigt die (flachen) finiten Elemente inklusive der zugewiesenen Wandstärke und man kann die Übereinstimmung mit den CAD-Daten prüfen.
Anhang anzeigen 1061676

Tetraeder-Elemente (3D)
Komplexe Fräs- und Schmiedeteile vernetzt man üblicherweise mit 3D-Elementen. „Schöne“ Netze aus Hexaedern benötigen weniger Rechenzeit - aber dafür meist viel Handarbeit bei der Vernetzung. Eine automatische Tetraeder-Vernetzung ist in der Regel effektiver. Lineare Tetraeder sind zu steif, daher werden hier parabolische Elemente mit Mittelknoten verwendet.
Ein Tetraeder-Netz gibt es auf Knopfdruck (zumindest wenn man einen sauber modellierten Solid-Körper als Basis hat).
  1. Die importierte 3D-Geometrie
  2. Ein automatisch erzeugtes Tetraeder-Netz. Bei einigen Freiformflächen bildet das Netz die Geometrie nicht sauber ab.
  3. Jetzt wird manuell nachgeregelt: auf Kurven oder Flächen wird die Elementanzahl und damit die Genauigkeit erhöht. Bis zu einer gewissen Größe geht das sogar „live“, d.h. mit jedem Klick wird das Netz neu aufgebaut und man sieht gleich, ob es passt.
  4. Das fertige Netz für den Rocker hat ca. 80.000 Elemente und bildet die Freiformflächen recht genau ab. Ggf. wird in hochbelasteten Bereichen noch feiner vernetzt.
Anhang anzeigen 1061677
Ein kritischer Punkt ist die Netzgröße. Bei 1D- und 2D-Elementen ist das nicht ganz so wild. Aber bei 3D-Elementen kommt man sehr schnell in eine Größenordnung, die den Rechner lahm legt. Eigentlich möchte man sehr fein vernetzen, um eine hohe Genauigkeit zu erreichen. Aber pauschal eine kleine Elementkantenlänge festzulegen kann schnell zu Modellen mit 1 Mio. Elementen und mehr führen. Irgendwann sieht man nur noch die Sanduhr.

Wie findet man die richtige Elementgröße? Ein paar Tipps:
  • In einem kritischen Radius sollten 5-6 Elemente über 90° vorhanden sein.
  • Wenn man die Ergebnisse mit verschiedenen Einstellungen für die Mittelung darstellt (Mittelwert / Maximum) sollten sich die Farbwerte nicht mehr stark ändern.
  • Ein Netz „konvergiert“, wenn sich die Ergebnisse bei noch feinerer Vernetzung nicht mehr wesentlich ändern.
Plate-Elemente (2D) mit modifizierter Dicke
Wann nehme ich 2D-, wann 3D-Elemente? Eigentlich klar, aber es gibt Bauteile, die einem die Entscheidung doch schwer machen. Die „Brücke“ vom Kavenz ist so ein Teil. In der Hauptsache ein schalenförmiges Teil. Aber es gibt Bereiche mit lokaler Verstärkung, außerdem einige T-Stöße mit Verrundungen innen und außen.

Ich habe mit Tetraeder-Netzen experimentiert – für die dickwandigen Bereiche ok, für die dünnwandigen eher nicht. Mit mehreren Schichten war ich bei 1,5 Mio. Elementen. Also doch lieber 2D!
  1. Die importierte 3D-Geometrie
  2. Das Mittelflächenmodell wurde im CAD-Programm erzeugt, denn hier ist doch etwas mehr „Handarbeit“ gefragt.
  3. Die fertige Vernetzung basierend auf dem Mittelflächenmodell.
  4. Jetzt der Trick: im FE-Programm wird zusätzlich zum Mittelflächenmodell das Solid-Modell geladen und mit speziellen Funktionen ist es möglich, für jedes Element automatisch Dicke und Offset an ein Solid-Modell anzupassen.
Anhang anzeigen 1061678
Eine recoursensparende Methode und bei kleineren Änderungen (Wandstärken, lokale Verstärkungen) lässt sich das Rechenmodell schnell anpassen.

Connectoren
Meist hat man es nicht mit Einzelteilen, sondern mit (Schweiß-)Baugruppen zu tun. Jedes Einzelteil bringt sein eigenen Netz mit und diese Netze müssen miteinander verbunden werden.
  1. Die „Old-School“-Variante: beim durchgehenden Rohr wird das Netz unterbrochen und an das angesetzte Rohr angepasst. Die beiden Netze haben an der Nahtstelle identische Knoten und werden dadurch verbunden.
  2. „New-School“: das durchgängige Rohr wird gleichmäßig vernetzt und weiß erst einmal nichts von dem angesetzten Rohr.
  3. Jetzt werden Connectoren (Verbinder) gesetzt. Das durchgängige Rohr erhält eine flächige Verbindungsregion (rot), das angesetzte Rohr eine kurvenbasierte Verbindungsregion (grün). Die beiden Regionen werden mit einem Connector „verklebt“.
  4. Nach der Berechnung kann die Verbindung geprüft werden, indem man die „Total Glue Force“ anzeigt.
Anhang anzeigen 1061679
Der Vorteil von Connectoren? Die Vernetzung ist wesentlich einfacher und die Netze werden gleichmäßiger. Außerdem können die Connectoren geometriebasierend festgelegt werden und sind damit unabhängig vom Netz. Man kann also z.B. ein Bauteil feiner vernetzen und trotzdem bleibt die Verbindung bestehen.

Ok, das war jetzt etwas trocken. Das nächste Mal wird es um Schweißnähte gehen – ein heißes Thema :)

Viele Grüße
Onkel_Bob


Schöner Beitrag :)

Zum Netz und der Verfeinerung fällt mir ein, dass die Dimension der Belastung auch eine Rolle spielt.
So kann ein Element mit Mittelknoten einen Quadratsischen Ansatz der Berechnung liefern.

--> eine Lineare Belastung kann auch ohne feinem Netz mit einem quadratischen Berechnungsansatz exakt gelöst werden.
--> ein Quadratische Belastung kann mit einem quadratischen Berechnungsansatz nicht exakt gelöst werden und somit ist eine Netzverfeinerung notwendig.

Ein quadratischer Berechnungsansatz benötigt natürlich auch mehr Zeit. Also muss man für lineare Belastungen abwägen ob eine Verfeinerung oder ein quadratischer Ansatz schneller ist.
 
Schöner Beitrag :)

Zum Netz und der Verfeinerung fällt mir ein, dass die Dimension der Belastung auch eine Rolle spielt.
So kann ein Element mit Mittelknoten einen Quadratsischen Ansatz der Berechnung liefern.

--> eine Lineare Belastung kann auch ohne feinem Netz mit einem quadratischen Berechnungsansatz exakt gelöst werden.
--> ein Quadratische Belastung kann mit einem quadratischen Berechnungsansatz nicht exakt gelöst werden und somit ist eine Netzverfeinerung notwendig.

Ein quadratischer Berechnungsansatz benötigt natürlich auch mehr Zeit. Also muss man für lineare Belastungen abwägen ob eine Verfeinerung oder ein quadratischer Ansatz schneller ist.

Hallo @Reitermaniac ,
vielen Dank für Dein Feedback :bier:

Kannst Du mir die "quadratische Belastung" genauer erklären? Das bekomme ich nicht so richtig einsortiert. Ist damit eine zeitabhängige Belastung gemeint?

Viele Grüße
Onkel_Bob
 
Ich denke er meint eine Belastung, die einen Spannungsverlauf im Bauteil erzeugt, welches besser mit einer quadratischen Funktion als mit einer linearen beschrieben wird. Also äquivalent zum Verformungsansatz bei den Elementen.
 
Hallo @Reitermaniac ,
vielen Dank für Dein Feedback :bier:

Kannst Du mir die "quadratische Belastung" genauer erklären? Das bekomme ich nicht so richtig einsortiert. Ist damit eine zeitabhängige Belastung gemeint?

Viele Grüße
Onkel_Bob

Hallo,

ein Quadratische Belastung ist z.b ein Speiche. Die wirkende Fliehkraft durch die Rotation des Rades, wenn ich mich nicht täusche. Hier ist es so das diese mit zunehmender länge die Masse und auch die Rotationsgeschwindigkeit und auch der Hebelarm sich verändert.

Zumindest war das damals in der Vorlesung das genannte Beispiel.
 
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