Israel 2010 oder der wärmste Winterpokalauftakt seit Beginn der Aufzeichnungen

Mars Needs Women

Das auch. Aber vor allem fehlen dem Negev Juden und Wasser, so meinte es zumindestens Ben Gurion, Israels Staatsgründer. Der neugegründete Staat sah sich mit der Herausforderung konfrontiert, dass im östlichen Teil der Halbinsel Sinai, welche beinahe die Hälfte der gesamten Landesfläche einnimmt, sich wie ein riesiger Keil von der Mittelmeerküste bis an das Rote Meer, leeres, unfruchtbares, unwegsames und menschenfeindliches Land schiebt; seit Jahrtausenden nicht mehr bewohnt, glühend heiߟ und fast wasserlos.

Und obwohl britische Berichte, aus der Mandatszeit besagten, dass fehlendes Wasser, Sandstürme und Gluthitze diese Wüste zu ewiger ߖdnis verdammen, wurde 1921 Veteranen der Jüdischen Legion, jüdische Freiwillige die auf Seiten der Briten im ersten Weltkrieg gegen das Osmansiche Reich gekämpft hatten, erlaubt, in der Wüste ihr Glück zu versuchen. In der Nähe des heutigen Arad wagten 9 Männer und 2 Frauen das Experiment, suchten Wasser, versuchten eine Siedlung zu etablieren und kehrten nach 4 Monaten der Wüste den Rücken. 4 Jahrzehnte und einige weltpolitische Umwälzungen später, startete der zweite Versuch, diesmal als Teil einer groߟangelegten Siedlungsstrategie: Die Wüste fruchtbar machen, im Negev siedeln.

Arad ist somit Teil, dieser weniger umstrittenen isaraelischen Siedlungsstrategie und während man sich durch die endlose Wüste quält, lässt wenig vermuten, was sich hinter den Hügeln am Horizont verbirgt. Nach der Zeit im Nichts, ohne Schilder oder Markierungen, nur einem angedeutetem Weg folgend, erreichten wir eine Straߟe. Kurve um Kurve, serpentinierten wir uns wieder auf 500 Meter über dem Meeresspiegel (oder 900m ü.d. Meer, denn das Tote Meer war noch nicht vergessen).

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Einige Antennen auf den Hügeln wiesen uns den Weg, dann war auch schon das Plateau erreicht und eine Stadt mit 20.000 Einwohnern hatte ihren überraschenden Auftritt. Wie in allen Wüstenstädten, und meine Erfahrungen beschränken sich hierbei auf Las Vegas, wird alles unternommen um den Eindruck, dass hier auf Sand gebaut wurde, zu wiederlegen: Die Versiegelung ist komplett, Beton und Grünanlagen beruhigen das Gemüt.

Zuerst wurde Selas Radshop aufgesucht und nach Hilfestellung und nettem Geplauder wurden wir an Rachel weitervermittelt, die, so hieߟ es, ein Zelt für die Nacht bereithalten würde. Wir befanden uns auf den Spuren des Shvil Israel, einem Fernwanderweg der Israel von der nördlichsten Spitze bis ans Rote Meer durchzieht und für deren Bewältigung Wanderer mindestens einen Monat benötigen.

Rachels Haus befand sich am Stadtrand, das Zelt war ein Zimmer und dass ihre Zielgruppe eher Wanderer waren, stellten wir in dem Augenblick fest, als ganz überrascht auf unser Ansinnen die Fahrräder von der Straߟe zu holen, reagiert wurde. Ich möchte gar nicht wissen, was sie bis zu diesem Zeitpunkt von den Helmen auf unseren Köpfen und dem für Wanderer eher leichtem Gepäck hielt.

Unsere Gastgeberin Rachel, Uni-Professorin, Vertreterin der zweiten Gründergeneration (geboren Anfang der 50er Jahre, im Kibutz aufgewachsen, "barfuss durch die Wüste zur Schule“) war ein wahres Energiebündel, sehr sympathisch, die viel erzählte und viel fragte. Zuerst einmal galt es die Abfolge aus Duschen, Essen und Sachen waschen zu klären. Als wir uns bei der Planung eine Spur zu unorganisiert zeigten, fiel der wunderbare Satz: „You germans should know something about order!“. ߄hnlich gelagerten Spott, niemals bösartig, sollte nicht das letzte Mal im Verlaufe dieser Reise zu hören gewesen sein. Von Deutschen hat man eine klare Vorstellung im Ausland und scheut sich nicht diese Meinung kundzutun. Wir sind keine Belgier. ;)

Im Wohnzimmer stand ein riesiger Plasmabildschirm, auf dem Dach eine groߟe Schüssel und hunderte Programme wurden uns präsentiert. Es wäre augenscheinlich sehr unhöflich gewesen, keine Wünsche zur Programmgestaltung zu äuߟern und so hatte ich meinen Jehova-Moment als ich BBC News für die Nachrichten vorschlug. Der anschlieߟende Vortrag („biased“) endete damit, dass sich ironischerweise auf FOX News („Fair and balanced“) geeinigt wurde. Der Fremdschämfaktor war mir bald zu hoch und so gelangten wir zum Sport. Erst Basketball, dann Fuߟball und da Sonntag war, erinnerte ich mich, dass Sebastian Vettel an diesem Wochenende um die WM fuhr. Formula 1 zu finden war nicht so einfach und so blieben wir erst einmal bei NASCAR hängen. Ich hatte gerade meine Ausführungen zum Unterschied von Open Wheel-Racing vs. Farmers running in circles beendet, als ein fülliger Mann in Avondale, Arizona zur Intonierung des Star Spangled Banner ([nomedia="[MEDIA=youtube]1RuJtSpUUiM[/MEDIA]"]‪Kristin Chenoweth singing the Star Spangled Banner‬‏ - YouTube[/nomedia]) ansetzte ... Rachels Patriotismus und die Bedeutung der Special Relationship zu Amerika übernahmen die Kontrolle und es wurde erst einmal aus vollem Herzen mitgesungen. Wir blieben also erst einmal bei NASCAR, EP war mit Duschen fertig und unterhielt sich mit Rachel über die DDR, Deutschland und was da alles so dranhängt. Bald erweiterte Rachels Ehemann unsere Runde und ein ehelicher Streit über die Fuballmannschaft Tel Avivs entspann sich (rechte Anhängerschaft, geht gar nicht vs. Du hast keine Ahnung!).

Das mag jetzt alles sehr putzig und distanziert klingen, festzuhalten bleibt, wir hatten einen groߟartigen Abend bei einer interessanten und warmherzigen Gastgeberin und zur Feier des Tages kam auch noch der Rabbi vorbei. Wir wurden als Gäste aus Berlin vorgestellt und der Tora-Gelehrte fasste voller Begeisterung anerkennend EPs Waden an.

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Flughafen gefunden, es kann losgehen ...

Am nächsten Tag sollte es weiter Richtung Makhtesh Ramon gehen: Grob Richtung Süden, das wird schon irgendwie funktionieren, Startpunkt müsste ein Flughafen am Rande der Stadt sein. Bald hatten wir Arad hinter uns gelassen, die Wüste enttäuschte ein weiteres Mal nicht und veränderte wieder völlig ihr Antlitz: die Canyons wurden imposanter, das Geröll garstiger. Die letzten Spuren von Zivilisation waren eine Gruppe von Jungs, die über Esel und dürres, knochiges milchgebendes Viehzeug wachten. Die Frage, für den diese Begegnung bizarrer war, muss unbeantwortet bleiben.

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Aufeinandegestapelte terrassenartige Wege an den Hängen boten unzählige Möglichkeiten sich zu verirren. Unser einziger Hinweis waren unregelmäߟig auftauchende Markierungen an den Steinen. Ein Verlust des Weges wurde mit einer Trennung und halbstündiger Suche nach der nächsten Markierung aufgelöst. Alles im Allen: Groߟartige Eindrücke und der Zeitplan war mal wieder hochgradig in Gefahr ....

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Die Karawane bellt. Wir ziehen weiter.


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Unser Ziel klar vor Augen .....;)
 
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@will & @eispickel

Von wegen Wüste Negev,Ihr seid doch Scharlatane!!!
Das ist eindeutig Brandenburger Sandland kurz hinter KW
auf Euren Fotos !!!
Und die @Schnecke und @Runterrauf in Kamelkostüme zu stecken
ist auch nicht die feine Art !!!

axl:winken:
 
Ich sehe keinen Sand, nur Stein. Wie in Steinwüste.:aetsch:

Maximal würde ich zugestehen, dass die Gegend eine Simulation dafür liefert, wie das Zittauer Gebirge zum 60. Jahrestag der DDR ausgesehen hätte. Die Tagebaue und die Chemische Industrie des nordböhmischen Beckens in Tateinheit mit den weiterhin filterbefreiten Kraftwerken Boxberg und Hirschfelde schaffen Weitblicke. In den 80ern Jahren war man auf dem besten Wege ....

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EP geht an der Hochwaldtreppe aktiv und optimistisch dem XVI. Parteitag entgegen!

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So so - 9 Männer und 2 Frauen. Kein Wunder, dass die Besiedlung der Wüste schief ging...
Gibts auf dem Mond wirklich Esel und Kamele? Und wohin führte diese Startbahn? :confused:
 
Wie hieß noch gleich der Reiseveranstalter, der Euch von dem angeblich gut ausgebauten israelischen Radwegenetz erzählt hatte? :p:D

Exodus-Reisen. Unser Reiseführer war das 2. Buch Mose: Ein Tag am Roten Meer.

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Am Tag begleitete der Herr sein Volk wie eine Wolke, nachts wie eine Feuersäule. Wenn sich die Wolke oder die Feuersäule bewegten, folgten ihr die Israeliten. Standen Wolke oder Feuersäule still, wussten sie, dass es Zeit war zu rasten.
 
Churchills erster Band "Der zweite Weltkrieg" erschien 1948. Damit liege ich gut in der Zeit.

Anderseits erkenne ich das Problem an.;)
 
Der Bericht ist eben von den Fotos und der Schreibe her das Beste, was mir hier im Forum begegnet ist!
Stuntzis Liveberichte sind zwar unterhaltsam, aber fallen Dieses und wohl auch nächstes Jahr leider aus, so wie es den armen Kerl erwischt hat.
 
Mein lieber Will, der nächste Winterpokal steht angeblich bereits vor der Tür und du krepelst immer noch in der Negev Wüste rum.. :rolleyes:

Ich hatte kurz überlegt, mit der Anekdote von dem Armenischen Kuhhirten mit dem wir über die aktuell modernsten Möglichkeiten der Parkraumbewirtschaftung im Eriwaner Hinterland, die Vor- und Nachteile von ehemaligen und zukunftigen Diktatoren dieser Welt und der Diskussion über den kürzesten Weg in die Negev ohne auch nur Ansatzweise über gemeinsame Sprachkentnisse zu verfügen auszuhelfen aber dann habe ich mich doch dafür entschieden maximal was über die Armenische ADFC Pannenstatistik des Jahres 2011 zum Besten zu geben... :)

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Ich bin ja mal wirklich gespannt, wie lange es noch dauert bis wir zu dem Teil kommen als Du das Rote Meer für unsere direkte Weiterfahrt nach Ägypten teilen wolltest und es letztendlich nur an dem mit der Situation vollständig überforderten Typen mit der Knarre scheiterte der permanent irgendwas von nem Fotoverbot faselte... :spinner: Der Mossad konnte den Knaben anscheinend so schnell nicht vor dir und Deinem latent nervösen Auslösefinger warnen...
 
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The great Reboot

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Schreiende Farben, Bat-Nippel, furchtbare Dialoge; nach Joel Schumachers Batman & Robin war das Franchise auf Jahre verbrannt. Es musste ein Jahrzehnt vergehen, bevor der Staub sich verzogen hatte und Warner Brothers ein Reboot wagte. Batman Begins etablierte ein neues Universum und vermied jeden Bezug auf seinen unrühmlichen Vorgänger.

Derweil im wärmsten Winterpokal aller Zeiten, in dem nicht alles schlecht, aber die Luft schon ein wenig raus war, soll es weiter gehen. Deshalb, weniger radikal, in unserer Erzählung, ein gewagter postmoderner Sprung an das andere Ende des Winterpokals 2010/11. Ein wenig Erfrischung, ein wenig Ablenkung für den Neuanfang. Die Verweigerung der linearen narrativen Abfolge, leitet den Ort der Handlung in den Milford Sound über.

Viele Reisende werden zu diesem Naturschauspiel, auf der Südinsel Neuseelands, mit sonnigen Postkartenmotiven vom achten Weltwunder auf die lange Anreise gelockt, nur um vor Ort festzustellen, dass es sie in eine der regenreichsten Gegenden der Welt verschlagen hat. Ein bedröppeltes Schicksal mit dem Eispickel, vom Stamme der Solarbiker, das ein oder andere Mal auf der Südhalbkugel haderte, aber niemals so herzzereißend, wie gerade hier. Das gelobte Land Israel, Ort ewiger Sonne und kurzer Hosen, wurde beschwörend angerufen.

Aber erfolglos, wie sich an diesem Februarmorgen zeigen sollte. Die Temperaturen waren einstellig, es regnete und wir hatten die Early Bird-Kajak-Tour gebucht. Es war die längste und anspruchvollste Tagestour im Angebot (wen wundert diese Wahl wirklich?), die uns durch den etwa 20km langen Fjord bis in die tasmanische See führen sollte.

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Special Guest JPK

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Solarbiker


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Gut aussehen und alles tragen können, das ist die Kunst;)


Der Milford Sound ist von über tausend Meter hohen Felswänden umgeben. Die höchste Erhebung ist der Bischofshut mit 1700 Metern, so erzählte man uns, denn der Blick reichte nicht so weit. An den Hängen klammert sich Regenwald. Gelegentlich fehlen durch Abgänge, einige hundert Meter des Grüns. Jeder längere Regenfall schafft vorübergehende Wasserfälle an den umgebenden Steilhängen. Den höchsten aller Wasserfälle konnten wir nur erahnen. Das weiße Band ergoss sich mit majestätischer Wucht am Bergrücken entlang; seinen Ursprung über Wolken und Nebel, tausend Meter über uns, verleugnend. Ein Schauspiel welches uns bei Kaiserwetter entgangen wäre. Immerhin.

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Das Fotoboot verlor öfter mal den Anschluß. ;)

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Dieser Kollege bewachte den Zugang zum letzten Stück der Tour. Der Zugang zur tasmanischen See oder das Tor nach Australien:p, die Wellen wurden höher und wir mussten noch auf ein Boot umsetzen .... da verschwand der Fotoapparat, welcher mehrere Stunden Dauerregen, Salzwasser von unten und Lagerung in einer Pfütze klaglos überlebt hatte:daumen:, lieber im Sack.




... das dürfte genug Regen gewesen sein, demnächst geht es trocken weiter. Und nicht verwirren lassen!

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Immer, wenn garnichts auf den anderen Kanälen läuft, freue ich mich auf dieses Programm. Sonst natürlich auch.

Twobeers
 
Sag mir, wo Du stehst!


Ein Mann steht an einer dunklen Straߟenecke des besetzten Nachkriegsberlin. Ungeduldig wartet er auf seinen Kontakt. Der vereinbarte Treffpunkt, eine flüchtige Beschreibung wies ihm den Weg, liegt im französischen Sektor. Er riskiert viel, schlieߟlich hat er seine Uniform der Roten Armee erst vor einer Stunde abgelegt, aber bisher lief alles glatt. Sichtbare Grenzen gibt es schlieߟlich noch nicht. Eine dunkle Limousine hält neben ihm, und nach kurzem Zögern steigt er ein. Der Wagen bringt ihn nach kurzer Fahrt zu einer imposanten Villa, in der er von seinen Gastgebern in amerikanischem Englisch begrüߟt wird.

Sein Name mag Juri oder Wladimir sein, das Jahr 1946 oder 1948. Es spielt keine Rolle, die Szene spielte sich einige Dutzend Male in den ersten Nachkriegsjahren ab. Juri ist vielleicht Ingenieur in Leningrad, er hört gerne Jazz und lauscht begeistert den Erzählungen zurückgekehrter Soldaten über das helle Licht in West-Berlin. Das Angebot eines Bekannten, wenn er den richtigen Westen einmal kennenlernen wolle, lieߟe sich sicher etwas machen, lässt ihn also keinen Augenblick zögern. Als Nächstes ist er mit einer Armee-Delegation zur Inspektion der ostdeutschen Industrie in Berlin und bekommt sodann Ort und Zeit für ein Treffen zugespielt.

Die Amerikaner sind sehr freundlich und bitten ihn, von sich selbst zu erzählen. Ein Offizier fungiert als Dolmetscher. Bereitwillig beginnt er, zu berichten. Doch nach einiger Zeit bemerkt er eine Unzufriedenheit seiner Gastgeber. Schliesslich unterbricht ihn der amerikanische Major und sagt im akzentfreien Russisch: "€žGenug, das reicht! Erzählen Sie uns von Ihren Kontakten mit amerikanischen Agenten in Leningrad!"€œ

Natürlich war Juri kein Spion, nur ein Opfer der Paranoia, wonach Tausende amerikanische Spione auf sowjetischem Territorium agierten, welche es auszuräuchern galt. Geraten war er in die Pawlowski-Falle, entwickelt von Oberst Iwan Pawlowski, Chef der Spionageabwehr in London, ein Freund komplizierter strategischer Spiele. Sein Berliner Verfahren war die Variation einer Technik, welche die Spionageabwehr üblicherweise innerhalb der Sowjetunion anwandte, indem sie einem Verdächtigen vorgaukelte, im Kontakt mit dem Vertreter eines ausländischen Geheimdienstes zu sein. Legte der derart Verführte eine antisowjetische Haltung an den Tag, und daran konnte allein durch die Tatsache der Kontaktaufnahme eigentlich kein Zweifel bestehen, endete die Sache meist im Gulag.

Pawlowskis Falle in Berlin machte sich die komplizierte politische Geographie des in 4 Sektoren geteilten Berlins zu Nutze. Der Treffpunkt im Westen Berlins, nahe der Linie wo sowjetischer und französischer Sektor zusammenstieߟen, war in Wirklichkeit noch im sowjetischen Teil Berlins; eine Tatsache, die keinem frisch eingetroffenen Sowjetbürger auffallen konnte. ߜbernommen wurde er dort vom "€žamerikanischen Team"€œ der Operation, welches mehr oder weniger perfekt Englisch sprach. Ort des Gesprächs und vorläufiger Endpunkt der Fahrt in den Westen war Schloss Dammsmühle bei Oranienburg, dessen beeindruckender Bau den luxuriösen Rahmen für ein Gespräch unter Freunden bieten sollte.

Das Programm lieferte zwar viele Verhaftungen, aber kaum verwertbare Ergebnisse und wurde daher 1949 eingestellt. Pawlowski, ein Jude, der ständig in Angst lebte, Opfer der stalinistischen antisemitischen Säuberungswellen zu werden, verstrickte sich schlieߟlich in seinem eigenen Netz und endete in der Psychatrie. Eine Figur, eines John le Carre-Romans würdig.

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Die israelische Erzählung befindet sich derweil immer noch in der Wüste Negev. Arad liegt hinter uns und es geht eher schleppend voran. Alle Träume, heute noch Mitspe Ramon und damit den Krater zu erreichen, zerbarsten wie ein Schnemann in der Wüste auf einer Mine. Wenn es nicht felsig, verblockt an ungesicherten Abgründen vorbeiging, bauten sich unfahrbare und nicht einsehbare Schotter-Canyons vor uns auf. Erste Umplanungen lieߟen uns den neuen Fokus auf den Ort Dimona legen, wo vielleicht ein Bus fahren würde. Endlich hatten wir, mit den letzten Strahlen der Sonne, eine Straߟe erreicht und waren dem Niemandsland zumindestens erst einmal entkommen. Wir fanden unsere Kreuzung auf der Karte und beschlossen, wenn es schon heute nichts mehr mit dem majestätischen Machtesch Ramon Krater werden würde, uns wenigstens einen anderen Krater anzuschauen. Auf unserer Karte war dieser nur einen Katzensprung entfernt. Ein Bild, welches in einer Gegend, in der eine Katze keinen Tag überleben würde, vielleicht nicht ganz passend ist.

Wir verlieߟen also die relative Sicherheit der gerade erreichten asphaltierten Straߟe wieder, weiter ging es auf einem angedeuteten Weg, immer wieder einige Dutzend Höhenmeter hinauf und hinunter. Die Sonne verabschiedete sich, die Berge glühten in allen denkbaren Rottönen. Für Ablenkung war also gesorgt, aber zunehmend machte sich das Gefühl breit, das Informationen, Eindrücke und Karte nicht mehr so recht zusammenpassen wollten: die Topographie, soweit man das auf unserer ߜbersichts-Karte, auf der eigentlich nur Straߟen waren und die Wüste, ähnlich "Berlin (West)" auf DDR-Karten, nur ein leerer Fleck war, und die weit entfernte Straߟe, welche sich am Horizont in den Hügeln schlängelte, lagen komisch, ja geradezu falsch. Und auch unser Krater kam einfach nicht, obwohl wir inzwischen schon ewig unterwegs waren. Wegweiser und Schilder gibt es ja aus Prinzip nicht, als Einziges wurde gelegentlich eine "€žRecreation Area"€œ angekündigt.

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Inzwischen wurde es endgültig dunkel und wir waren immer noch im Nichts. Parole war weiterhin, dass hinter dem letzten Hügel unser Krater sein müsste, welcher ja letztlich auch nur ein Zwischenziel sein würde. Da tauchten am Horizont Scheinwerfer auf, eine Chance nach dem Weg zu fragen, würde sich also auftuen.

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Wir legten die Räder ab, genossen das Panorama und warteten auf den Wagen. Dieser entpuppte sich als sandgrauer Hummer SUV, und es gibt nun wirklich wenige Orte, wo dieser Wagen nicht lächerlich wirkt. Wir waren an solch einem, und das Gefährt war sogar standesgemäߟ mit zwei Gestalten des Militärs bestückt.

Nun wird es lustig, und auch kurz: Wir waren völlig falsch, und alles hatte damit angefangen, dass wir die Stelle an der uns die Wüste wieder ausgespukt hatte, falsch verortet hatten; alle späteren Fehler resultierten daraus.

Sag mir, wo Du stehst!

Unser Weg, sowieso reichlich suspekt, breit und relativ glatt, aber so sinnlos, hätte uns zu einer Basis der IAF, Israel Air Force, geführt. Recreation Area, alles klar! Auch die Richtung war falsch, wir waren inzwischen wieder auf dem Weg zum Toten Meer gewesen.

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Nunja, passiert den besten Weltreisenden; Plan B war gefragt. EP genehmigte sich erst einmal einen platten Reifen, wir montierten die Lichter und konnten uns in der folgenden Lagebesprechung entscheiden ob wir uns nach Dimona oder zurück nach Arad kämpfen wollten. Für Arad sprach, dass wir Rachel als sichere Bank hatten; was schlieߟlich den Ausschlag gab. Es war dunkel, aber angenehm warm, vor uns lagen über 30km und einige Hundert Höhenmeter, aber uns war nicht bange ...

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Ankunft in Arad:daumen:
 
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Der Begriff Fernweh bekommt für mich gerade ganz neue Dimensionen. Und beim nächsten Smalltalk kann ich mit Geschichtskenntnissen zur Pawlowski-Taktik glänzen.:daumen:
 
Mal eine Frage: Wenn man so einen Tag lang mit dem Fahrrad durch die Wüste fährt und dabei einen Krater von 40 km Durchmesser verfehlt und abends feststellt, dass man versehentlich eines der umliegenden Meere angesteuert hat, verschwendet man da einen Gedanken an die Anschaffung eines Kompasses, einer topografischen Karte oder gar eines Navigationsgerätes? Oder ist das alles nur Teufelszeug? ;)
 
Na ich hab mal nachgesehen. Der Pfad Gottes von Arad zum Machtesch Ramon, was wohl das nächste Ziel war, ist immerhin ca. 100 km lang. Und das durch eine Wüste, in der vielleicht kaum Menschen, geschweige denn McWasserlöcher sind. Brandenburger Verhältnisse eben. :D
Da möchte man doch einigermaßen zielstrebig unterwegs sein. Dachte ich.
 
Eine Reise durchs heilige Land ist doch kein Etappenrennen. Reisen bedeutet für mich erleben, entdecken und überraschen lassen. Wäre jedes Detail vorher bereits genau festgelegt würde es mich langweilen. Du weißt doch, dass ich mich viel lieber vom Bauchgefühl treiben lasse als mir von einem Navi sagen zu lassen wo ich entlangzufahren habe ;)

Ausserdem ist es ziemlich blauäugig zu glauben, dass in einem Land welches vom Mossad gesteuert wird ein Kompass oder Navi hilfreich wären... :D
 
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