30.06. 16:30 Hochwassercamp in der Zalung Karpo Nordschlucht, 4280m
Nebem dem kleinen Wolfsproblem stellt mir die Abfahrt vom Zalung Karpo La noch ein anderes Problem in den Weg: Tiefer unten lässt Schmelzwasser vom vergletscherten Kang Yaze (6400m) den Fluss im Tal immer weiter anschwellen. Auf der drüberen Seite war's eher eine Rinnsal, aber hier im Norden hole ich mir bei den zahlreichen notwendigen Querungen ziemlich nasse Füße. Der Bach ist schon lange zu tief und zu reißend, als das da barfuß noch irgendwas gehen würde.
An einer besonders engen Stelle (nicht im Bild) trau ich mich gar nicht mehr über den Fluss und folge statt dessen einem "Umgehungspfad" bergauf. Nach fast zweihundert Höhenmetern Extrageschiebe muss ich allerdings einsehen, dass dieser Pfad wohl eher ein Gipfelanstieg zum Kang Yaze denn eine Hochwasseralternative darstellt. Bin inzwischen viel zu hoch oben, denn tendentiell und nach Karte verläuft der Abstieg schon immer direkt im Flussbett. Aber weiss der Geier... vielleicht geht das ja erst im Hochsommer?! Und der Juniweg führt über andere Berge und Pässe irgendwo aussen rum?
Bin mir im Moment da etwas unsicher, aber ich probiers nochmal unten im Flussbett. Immerhin hab ich dann durch das Geschleppe und die etwas wilde Querfeldeinabfahrt die schwierige Engstelle überwunden.
Unten angekommen, steh ich allerdings schon bald vor dem nächsten Wasserproblem. Verdammt. Bin kurz gepäcklos reinmarschiert: Das freundliche gurgelnde Bächlein geht mir bis über die Oberschenkel. Nicht zu schaffen mit nem Bike auf dem Buckel bei der starken Strömung, da könnt ich mich auch gleich kopfüber reinschmeissen. Was tun?!
Genauere Spurensuche in der näheren Umgebung lässt mich vermuten, dass ich doch noch auf dem richtigen Weg bin. Scheinbar ist die Pferdekarawane gestern hier durch, es muss also auch irgendwie weiter gehen. Freilich... so ein hunderte Kilo schwerer Pferdebrocken hat mit vier Beinen sicher einen deutlich besseren Stand im Wasser als ein armer Zweibeiner. Soll ich's doch riskieren?!
Nö, tu ich nicht. Erst mal nicht jedenfalls. Ist eh schon halb fünf am Nachmittag und ich hab noch genug Futter im Sackerl, die Entscheidung kann daher auf den nächsten Morgen vertagt werden. Schmelzwasserbäche sollten in der früh ja eigentlich deutlich weniger Wasser führen oder? Also ist die beste Option wohl erst mal abwarten und Tee trinken, bevor ich mich entweder kopflos in die Fluten stürze oder einen Umweg über einen Extrapass am Kang Yaze in Kauf nehme... das wären dann 1500hm Schlepperei zusätzlich, falls man da überhaupt durch kommt. So ganz vollständig ist OpenStreetMap in dieser Ecke dann doch nicht, wäre mehr auf "raten" angewiesen.
Wie auch immer, meine Vorräte reichen noch für zwei Tage und das besiedelte Markha-Valley ist nur noch zehn Kilometer talabwärts. Da bleibt schon noch etwas Spielraum für Experimente. Wäre zwar gerne heut Abend noch dorthin gerollt um mir was gescheites in die Pfanne hauen zu lassen und den Wölfen zu entkommen... aber hey... ein Tag Nudeln und eine Nacht Geheule mehr oder weniger machen das Kraut jetzt auch nicht fett. Vielleicht ergibt sich der Weiterweg morgen ja von ganz alleine.