Eine kleine Anekdote über das "erste Mal" (man verzeihe mir diese Zweideutigkeit ) nach einer gefühlt langen Winterpause....
Eine Tourimpression mit viel Selbstironie, Melancolie, einigen "Hindernissen" und einer ziemlich einfachen Selbsterkenntnis....
Heute, die Sonne strahlt, blauer Himmel, ein Hauch von Frühling macht sich breit. Mein Freund ist beruflich in der Schweiz, ich sitz zuhause.
Na primmel....
ich beschließe Biken zu geh'n. Zum Glück steht mein Spectral noch in der Garage meiner Eltern, für Notfälle. Der Rest der fahrbaren Untersätze stehn inzwischen alle in der Garage meines Freundes. Schnell die Luft an
Reifen, Gabel und Dämpfer überprüfen.... Nach langer Standzeit hat da bissi was gefehlt. Na, gut das ich ein so gewissenhafter Mensch bin und schreibe mir immer alles auf, was im einzeln überall an PSI rein muss. Ok, man kann es auch einfach nur anfängliche Demenz nennen, die mich dazu nötig alles aufzuschreiben....
Nun schnell umziehen. Und das scheint sich nun doch als etwas schwieriger zu gestalten als erwartet.... Im Laufe der Zeit sind alle langen Bikehosen im Kleiderschrank meiner besseren Hälfte gelandet. Und nun
tja, improvisieren heißt es. Meine ganze Hoffnung liegt auf die irgendwann mal gekauften, aber noch nie genutzten langen Beinlinge, die irgendwo in den Katakomben meines Schrankes liegen müssten.....gefunden
Mit ner kurzen Bib - perfekt gelöst, Bikeshort drüber - fertisch
der Rest ist ja Gott sei Dank noch ausreichend vorhanden, frau neigt ja dazu stets nie was zum Anziehen zu haben
Los, geht's....tja, leider gleich gehörig bergauf
Egal wie ich es angehe, ich muss IMMER zuerst Höhenmeter machen.... nun, 3 Monate Winterpause, nichts tun und das ausschweifende Leben einer Couchpotatoe machen sich schon nach kurzer Zeit bemerkbar! Mist! Mein Puls wird vehement nach oben getrieben und der Pudding in meinen Beinen....ach, reden wir gar nicht erst drüber. Tapfer kurbel ich den Anstieg hoch (gefühlt scheint dieser über Winter immens steiler geworden zu sein), langsam. Oben angekommen, bleib ich stehn, versuche wieder " runterzukommen", ruhig zu atmen....es raschelt im Wald....ein Rehbock und 2 Rehe... ich verharre still ( zum Glück nicht mehr laut nach Luft japsend) und beobachte die 3, welche an mir vorbei ziehen und im Dickicht verschwinden. Schön, denke ich noch, als ein weiteres Reh noch vorbei läuft. Na, dachte ich, wohl den Anschluss verpasst.... so wie ich...
Ich fahr weiter, es sind noch etliche Höhenmeter zu bewältigen, auf meiner Hausrunde, bis ich mich in meine Hometrails stürzen kann.
Die Sonne scheint und wärmt. Die Beinlinge sind gar net so schlecht. Langsam gewöhnt sich auch mein etwas träge gewordene Körper an die Belastung, ja, tatsächlich, er scheint sich dran zu erinnern
immer wieder verweile ich einen Moment und genieße die Sonne... ok, ich muss auch zwischendurch mal verschnaufen, weil doch hin und wieder ein kurzer aber knackiger Anstieg kommt und ich konditionell etwas schwächel.. .
Dann die erste Abfahrt
juchuuuu.... zumindest läuft es bergab schon mal was geschmeidiger als berghoch, wo ich versuche betont lässig hochzufahren als mich ein älteres Ehepaar auf seinen E-Bikes überholt... ach ja, das E-Bike...steht auch in der Garage des Zweitwohnsitzs. Das wäre jetzt echt ne feine Sache
und so sinniere ich noch ein wenig vor mich hin und denke drüber nach wie anstrengend doch das betont lässig sein eigentlich sein kann....
....und so fahr ich weiter und komme meinem Ziel immer näher: meine geliebten Hometrails warten auf mich
Auf diejenige, die sie letzten Herbst noch mit einer schwunghaften Eleganz, im absoluten Flow und in einem recht beachtlichen Tempo gefahren ist.... über schmale Pfade, gespickt mit Wurzeln und Steinen....
ok, das war zumindest mal so. Es kommt die Ernüchterung
und das ist dieses mal nicht meine etwa verloren gegangene Kondition oder etwa fehlendes fahrerisches Können, nein, es ist die Tatsache, das von diesen einst so schönen Trail nichts mehr übrig ist. Große schwere Harvester haben sich ihren Weg gesucht. Der Pfad ähnelt einer Waldautobahn
alles platt. Der Trail, welcher berghoch einige Anstrengung kostete und bergab gespickt mit gehörig Speed und einem breiten Grinsen voll Spaß machte, tja, den gibt's nimmer
und da fiel mir plötzlich wieder dieser etwas MTB feindliche Bericht neulich in unserer Tageszeitung ein. In dem sich Jäger, Forstleute,Waldbesitzer und Wanderer über Mtbiker recht negativ geäußert hatten.
Von Rücksichtslosigkeit und Zerstörung war da u.a. die Rede... und nach wie vor erscheint mir diese Art von Rücksichtslosigkeit und Zerstörung durch die Forstwirtschaft nicht ganz schlüssig zu sein. Schonend kann das doch auch nicht sein, wenn da tonnenschwere Maschinen mit viel Getöse ihren Weg durchs Unterholz bahnen. Aber sicherlich ist das heimische Wild an dieses Szenario gewöhnt. Und sicher auch an die Herscharen von Wochendausflüglern, Pilzesuchern, Geochacher und und und.... Mtbiker sind da natürlich total Hardcore und nur bedingt tragbar (am besten auf eigens angelegte Strecken....so hieß es damals in diesem Bericht).....
ich werde ein wenig zynisch in meinen Gedanken. ...ach, was reg ich mich da auf...ich genieße lieber diesen tollen Sonn(en)Tag!
Was die Vögel zwitschern...Schön..
.
Weiter geht's auf den Trails, die noch so sind, wie ich Sie in Erinnerung hatte. Ok, der eine hatte auch recht "Federn" gelassen. Der Trail, der sich einst durch ein dichtes Waldstück schlängelt, wirkt durch das Abforsten vieler Bäume im Laufe der Zeit recht unübersichtlich. Man kann nur noch erahnen, wo dieser mal entlang lief. Der Flow will sich irgendwie nicht einstellen. Zu sehr muss man sich konzentrieren, wo es langgeht... schade....ja, irgendwie war früher alles anders, schöner...ein wenig Melancolie macht sich in mir breit. Was bin ich diesen Flowtrail früher gefahren... und immer wieder außen herum den Waldweg zum Zugang des Trails zurück und wieder um die Bäume gezirkelt, immer ein wenig schneller, die eigenen Grenzen ausloten, haarscharf mit den Lenkerenden an den Bäumen vorbei, hin und wieder auch mal mit den Kurbelarmen aufgesetzt, weil man im Kurveninneren den falschen Fuß unten hatte. Also, noch mal zurück und wieder gefahren, bis es fahrerisch perfekt war....ja, so war das... früher...als hier oben im Wald noch alles heile war, diese eigene Unbedarftheit zu Höchstleistungen motivierte.... und nun? Die Wirklichkeit hat mich ganz schnell wieder als just in diesem Moment die Kette runterspringt
verdammt! Ich fummel das Ding wieder drauf.... anscheinend war ich in Gedanken so in der Vergangenheit , das ich wohl versuchte auf ein nicht vorhandenes 3. Kettenblatt zu schalten...es grüßt die alte 3x9 Schaltung von damals
Eine kleine Gruppe Biker biegt vor mir in den Wald und verschwindet dort, so nehme ich dann doch den direkten Weg zum nächsten Trail und düse diesen beherzt runter, schlängel mich um die Bäume und bin gerade so schön im Flow als plötzlich wie aus dem Nichts, seitlich aus dem Wald, ein Biker aus der zuvor genannten Gruppe vor mir auf den Trail fährt und mittendrin anhält, um auf seine Mitfahrer zu warten! Sch...
zu meinem Erstaunen, wenn ich schon meine Kondition nicht über den Winter retten konnte, so zumindest zum Glück meine schnelle Reaktionsfähigkeit. Ein beherztes Ausweichmanöver verhinderte schlimmeres, jedoch blieb ich bei dieser Aktion mit dem Fuß an einem Ast hängen. Ich sah mich schon durch die Gegend fliegen, doch der Ast war glücklicherweise so morsch, das er durch die Wucht krachte. Mein Bike kam kurz ins schlingern, aber ich konnte es abfangen und einen Sturz verhindern. Hinter mir hörte ich nur noch das erschrockene HUCH des anderen Mtbiker. Hui, da hatte ich noch mal Dussel gehabt
Ok, ja, ihr habt sicherlich recht, einige würden jetzt sicherlich sagen " da fährt man auch mal was langsamer, besonnener, aufmerksamer..." keine Ahnung was...aber ich war gerade so schön im Flow
...und der andere hätte ja auch etwas aufpassen können. Naja, alles noch mal gut gegangen
aber nen gehörigen Schrecken hab ich dennoch bekommen und mein Puls war enorm in die Höhe geschnellt....
So entschied ich mich mein Glück nicht nochmals herauszufordern und fuhr auf direkten Weg zu meinem Lieblingsplatz, um mal ein Päuschen zu machen. Augen zu, die Sonne und die Wärme genießen....ja, genau..... die kleinen Reste des Astes fischte ich bei der Gelegenheit mal aus meinem Schuh
Ich mach mich dann irgendwann wieder Richtung Heimat. Fahr den Höhenweg entlang, 2 kleine knackige Aufstiege fordern mich erneut, aber inzwischen haben sich meine Beine wieder ein wenig an diese noch etwas befremdliche Anstrengungen gewöhnt.
Hallo Form, da biste ja! Ok, sie steckt noch in den Kinderschuhen und ist sicherlich noch ausbaufähig
In der Ferne sehe ich die Frankfurter Skyline und auch einen Heißluftballon.... am hinteren Horizont kann man den Taunus erkennen. Ja, eigentlich hab ich ne schöne Heimat, nein, ich hab ne schöne Heimat. Man kann hier toll Biken. Ich meine, wer kann schon von sich aus gleich mit dem Bike losfahren und ist mitten in der Natur, es geht bergauf und bergab, hier gibt es tolle Trails
....und das alles vor der eigenen Haustür!? Ein wenig Stolz macht sich in mir breit, ja... zu Recht.
Ich beschließe, einen kurzen Trail noch mitzunehmen. Ein kleines Schmankerl, kurz aber schön. Schön langsam aber dieses mal, will ja mein Glück nicht nochmals heraufbeschwören
Ich lass mich in den heimischen Hof rollen, zufrieden und glücklich steige ich vom Bike....Autsch, verdammt mein Ganglion im rechten Knie macht sich bemerkbar
na toll, das gibt's ja auch noch. Hat sich wohl auch über die Wintermonate nicht in Wohlgefallen aufgelöst. Und so humpel ich, inzwischen Heißhunger auf Kuchen, zu meinen Eltern rüber, schnapp mir ein Stück von dem selbstaufgetauten gedeckten Apfelkuchen, und sitze mit unserem Hund an der Seite auf der Mauer in der Frühlingssonne....und leider Gottes kann ich diesem aufgetauten Apfelkuchen nicht wirklich was abgewinnen, aber wisst ihr was, darauf kommt es jetzt gar nicht mehr an...
...
weil sich gerade in diesem Moment in mir eine innere Zufriedenheit breit macht, ja, die Zufriedenheit über das hier und jetzt, und das macht mich glücklich....
....auch wenn der Kuchen ziemlich gewöhnungsbedürftig schmeckte, meine Kondition meinem Couchpotatoe-Dasein zum Opfer fiel (aber nicht meine Reaktionsfähigkeit
), ich dennoch dem Übermut stellenweise erlag (ok, ich nenne es FLOW
), ich der Vergangenheit ein wenig wehmütig hinterher trauerte (damals war alles besser
), meine Handykamera mal wieder streikte(daher nur ein etwas doofes Foto) und Beinlinge gar .net so schlecht sind... als mich eine warme nasse Hundeschnauze dann doch aus meiner philosophischen Selbsterkenntnis holte
In diesem Sinne wünsche ich euch allen für 2019 viele glückliche Momente....
Und danke, dass ihr alles gelesen habt
Ps: ich merk jetzt schon den Muskelkater in meinen Beinen.....