Rocky Mountain Tantalus von üblen Qualen befreit...

Edelziege

levers are for flat tires
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21. April 2004
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Schweinfurt - german Kentucky
Moin Moin,

hier möchte ich gerne eine nicht ganz alltägliche Reparatur vorstellen.
Ein schöner Rocky Mountain Tantalus hat es rostmäßig leider deutlich erwischt, so daß die drei Hauptrohre ausgetauscht werden müssen.
Vorab mußte erstmal das völlig festgegammelte UN Innenlager entfernt werden. Die üblichen Möglichkeiten mit Wärme, Kälte, Kriechöl und Natronlauge haben das gute Stück leider nicht groß interessiert und nur einen Vielzahnschlüssel ruiniert, so daß dann ausgebohrt und -geschliffen werden mußte. Drei Stunden...

Aber irgendwann war der Rahmen in der Rahmenlehre und diese konnte eingestellt und alles vermessen werden. Im Rahmen dessen, was Muffen und Gabel/Steuersatz hergaben, sollte auch das Steuerrohr verlängert werden. Muffen setzen da durch die vorgegebenen Winkel Grenzen, diese Muffen sowiso, weil sie teilweise relativ stark verschliffen waren.



Auch die Position aller Anlötteile wurde vermessen, es soll ja wieder so werden wie es war:



Dann hieß es erstmal Muffen raussägen und durch Schleifen von den Rohren befreien. Durch Erwärmung des Lotes ist das nicht gut zu machen, weil man die Muffe da grausig durchglühen müßte. Bei Messinglot ist es praktisch unmöglich, das schadenfrei zu tun. Bis alles soweit ist, gehen rund zwei Tage ins Land. Dann ist man da, wo man wäre, wenn man Neuteile aus dem Regal ziehen würde.



Dann die neuen Rohre auf Gehrung fräsen, bis alles paßt:



Im Bereich des Lötens muß noch aller Lack ab, das geschieht durch Glasperlstrahlen:





Nochmal probeweise zusammensetzen, bevor mit Flußmittel eingestrichen und gelötet wird:



Und zack, mit einem kleinen Zeitsprung ist der Rahmen fertig, alles gelötet und nachgearbeitet und auch die Anlötteile wieder dran:













Jetzt kommt nach Rücksprache noch ein Abflußloch in das Tretlager und auch die Kettenstreben bekommen Löcher zum Tretlager hin, dann kann der Rahmen zum Lackieren.

Viele Grüße,
Georg
 
Hilfreichster Beitrag geschrieben von Edelziege

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vielen Dank für die ausführliche Bebilderung und Beschreibung, ich hoffe du wirst nie die Lust verlieren hier deine Arbeit zu präsentieren.

TOP :daumen:

beste Grüße Sebastian
 
Absoluter Wahnsinn, da kann man nur den Hut ziehen vor so viel handwerklichen Geschick. Das würde ich auch gern können.
 
Ziemlich aufwendig das ganze! Was für eine Qualität der Rohre wurden den jetzt da eingelötet?

Ich habe mir erlaubt, etwas dünnwandigere Rohre zu verwenden. Original waren Tange Prestige mit Wandstärken von 1 bis 1,1mm am Ende drin, ziemliche Klopper. Jetzt sind doppelt endverstärkte Rohre mit 0,9mm Wandstärke am Ende verbaut. Sitz- und Oberrohr sind von TrueTemper, das Unterrohr von Columbus.
Auch das Sitzrohr ist doppelt endverstärkt, aber die obere Verstärkung ist auf Sattelstützendurchmesser 27,2mm ausgedreht/-gerieben. Das ist mehr Aufwand als ein normales einfach verstärktes Sitzrohr mit 0,6mm am oberen Ende zu verwenden, aber man hat die Kontrolle über die Toleranzen. Die käuflichen Sitzrohre können auch mal zu klapprigen Sattelstützen führen, wenn ungünstige Toleranzen zusammenkommen.

Viele Grüße,
Georg
 
der Ausgangsrahmen macht auf mich gar keinen so schlechten Eindruck. Ist aber nur eine Ferndiagnose
 
Ja, der Lack war tatsächlich noch sehr gut! Schade drum...

Aber der Rahmen litt an einem Loch im Oberrohr, einem Loch im Unterrohr und einem Riß an der Muffenkante am Unterrohr. Dazu steckten noch ca 15cm alte Sattelstütze tief versenkt im Sitzrohr.

Das Tretlager hatte eben keine Ablaufbohrung. Ein leider oft vorhandener Fehler auch zum Beispiel bei Fat Chance oder Yeti.

Dazu war die Tretlagermuffe zum Sitzrohr hin nicht komplett durchgelötet, so daß sich dort der Riß entwickelte. Ob das einfach ein Verarbeitungsfehler war oder nicht, ist nicht festzustellen. Fakt ist, daß viele amerikanische Rahmenbauer großen Wert auf "crisp shorelines" legen, also scharf abgegrenzte Muffenkanten. Das ist nicht ganz einfach zu erreichen, denn sobald die Muffe gefüllt ist, reicht ein zusätzlicher Tropfen Lot, um eine satte Kehle zu erzeugen. Ich gebe deshalb immer so lange Lot hinzu, bis sich eine Kehle bildet. Dann kann man ziemlich sicher sein, daß überall Lot ist. Im Zweifelsfall arbeite ich lieber nach und schleife was ab, sollte sich ein Tropfen bilden. Hat man dazu keine Lust und keine Zeit, legt aber Wert auf crisp shorelines, führt ein Fehler nicht zu Nacharbeit, sondern zur unvollständig gefüllten Verbindung.

Viele Grüße,
Georg
 
Mensch Georg,

was für eine Aktion und Respekt wie viel Arbeit du dir da gemacht hast um ein Stück Kulturgut in der Rocky-Historie wiederherzustellen... eines meiner Tantalüsse (Rahmen#0003) war ja wohl auch im Teich versenkt worden und kaum noch zu retten ... ;-)

viele Grüße
Michael
 
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