Ein Eisbär zwischen Fahrradketten und einem Schongarer
Was ist der größte Nachteil, wenn man fünf Stunden vor Ende der Einreichfrist eines
Wettbewerbs beginnt seinen eigenen Begleittext zu schreiben? Man ist sich eigentlich gar
nicht mehr sicher, ob man an dem Wettbewerb teilnehmen soll, wenn man die tollen Fotos
und auch die dazugehörigen Geschichten gelesen hat
Aber wie sagen die Logistiker: „alles
noch just in time“. Und genau „just in time“ ist auch der Grund, warum ich begonnen habe,
mir meine eigene Fahrradwerkstatt einzurichten. Im Vergleich zu vielen anderen von euch
bin ich wahrscheinlich erst sehr spät – mit fast 30 Jahren – zum Radfahren gekommen; zu
Beginn als Ausgleich zum Arbeiten und Hausbauen, später dann, weil mich das Fieber
gepackt hat. Ich habe also ein paar Jahre nachzuholen. Genau diese Tatsache ist auch der
Grund für den Eisbären in meiner Werkstatt: Mich schreckt weder Schnee noch Eis und ich
fahre das ganze Jahr bei Wind und Wetter. Danke an dieser Stelle an meinen treuen
Wegbegleiter Rob für den Spitznamen!
Zurück zur Werkstatt: Wer nicht nur ein Fahrrad hat, um ab und zu mit dem
Einkaufskörbchen zum Supermarkt und zurückzufahren, der weiß nur zu gut, dass immer
wieder etwas zum Servisieren ist. Corona hat dann sein Übriges getan, so dass mir das
Warten auf Termine bei den Profis für Kleinigkeiten am Rad ein wenig auf die Nerven
gegangen ist. Somit begann ich vor dreieinhalb Jahren meine eigene Werkstatt einzurichten.
Wie wir alle wissen, geht das nicht von heute auf morgen – weder finanziell noch in Bezug
auf die Technik. Als frischgebackener Amateur-Schrauber habe ich wahrscheinlich mehr
Youtube-Videos geschaut als all die jungen Leute, die heute neben mir in der U-Bahn mit
ihren großen Kopfhörern sitzen. Das Rad habe ich somit natürlich nicht neu erfunden (was
ein Wortwitz in diesem Zusammenhang
) und meine Tricks und Kniffe sind wahrscheinlich
altbewährte aus der ganzen Welt. Was mich dennoch unterscheidet: Vielleicht ist euch
aufgefallen, dass in der Werkstatt auch viel Holz verarbeitet wird. So baue ich mir
Reifenhalterungen und ähnliches meist selbst in der Holzwerkstatt im Nebenzimmer. Meine
neuste Konstruktion ist ein Holz-Kettenschmierapparat der Marke Eigenbau, den ihr sicher
auch schon auf den Bildern entdeckt habt. Ich darf also mit Stolz sagen, dass meine
Werkstatt ein zweites Wohnzimmer geworden ist, in dem ich zum Leid meiner Freundin sehr
viel Zeit verbringe. Und auch das kennen wohl alle aus der Community, denn es gibt immer
etwas zu tun.
Ich schulde euch ja noch die Aufklärung zum Schongarer und somit kommen wir auch zu
meiner persönlich kuriosesten Geschichte: Wer sich meine Bilder angeschaut hat, wird den
Schongarer wahrscheinlich schon entdeckt haben und wissen, was ich damit mache. Ich
habe nicht ohne Grund meine Freundin im letzten Absatz erwähnt, denn sie spielt in dieser
Geschichte neben dem Schongarer die Hauptrolle. Das, was für uns alle die Fahrradwerkstatt
ist, sind für sie Küchengeräte – vom Kirschentkerner bis zum Entsafter. Wie ich in einem der
zahlreichen Youtube-Videos herausgefunden hatte, kann man mit so einem Schongarer
wunderbar Wachs zum Kettenschmieren erhitzen.
Als also der Schongarer von einem namenhaften Onlineversand zugestellt wurde, war ich
gerade bei der Arbeit und meine Freundin nahm das Paket zuhause entgegen. Da sie
durchaus neugierig ist, packte sie es aus und hat sofort 1 und 1 kombiniert: „Oh, ein
Küchengerät. Das kann ja nur ein Geschenk für mich sein!“ Lieb wie sie ist, wollte sie sich
sofort erkenntlich zeigen und ihr neues Gadget für ein tolles Dinner einsetzen, um sich bei
mir für die kleine Überraschung zu bedanken. Als ich nachhause gekommen bin, duftete es
schon herrlich und ich ging voller Vorfreude in die Küche. Den Blick des Erstaunens, den ich
wohl beim Erblicken des Grundes für den herrlichen Appetitanreger auf meinem Gesicht
hatte, wird meine Freundin nicht mehr vergessen. Und so durfte mein Schongarer Gulasch
zaubern, bevor er nun die restliche Lebenszeit – nach einer Grundsatzdiskussion über
Aufmerksamkeiten in einer Beziehung
- mit Wachs zwischen Eisbär und Fahrradketten in
meiner Werkstatt verbringt.