Ich unterstelle dem Projekt nur gute Absichten. Die geographische Abgrenzung ist allerdings unscharf und aus meiner Sicht unglücklich. Außerdem stehen den aufgeführten "Vorteilen der lokalen Produktion" Nachteile gegenüber, die leider nicht erwähnt werden.
Grundsätzlich: Warum nur "Europa" und was genau ist gemeint?
"Europa" und das genannte "Asien" haben keine geografisch klar definierte Grenze, viele nennen das Uralgebirge (
https://de.wikipedia.org/wiki/Europa#Geographie). Einigermaßen einheitliche Arbeitnehmer- und Umweltschutzauflagen gibt es soweit mir bekannt in der EU (die Austrittsverhandlungen mit Großbritannien scheitern angeblich u. a. daran, dass Großbritannien diese nicht vollständig übernehmen möchte). Neben der EU wären in "Europa" dann noch Länder wie z. B. Moldawien, Weißrussland oder Russland. Handelt es sich ggf. um ein "EU Bike Project"? Es gibt weiterhin vermutlich Länder außerhalb "Europas" mit ggf. (mindestens in Teilbereichen) sogar höheren Arbeitnehmer und Umweltschutzauflagen, z. B. Kalifornien und Neuseeland - vermutlich sogar in "Asien" wie z. B. in Japan oder Singapur. Durch geographische Abgrenzung bekommt ein gut gemeintes Projekt wie dieses leider auch manchmal ungewollten Applaus von Xenophoben.
Vorteil: "Unterstützung der lokalen Wirtschaft und Unterstützung von lokalen Arbeitnehmenden?"
Dies ist für mich kein Selbstzweck. Mir ist egal, ob durch Kauf eines Produkts der Arbeitsplatz eines verantwortungsvollen Familienvaters in Deutschland, Ungarn, Moldawien oder China gesichert wird. Im Gegenzug kaufen Menschen auf der ganzen Welt ja z. B. deutsche Autos, Kraftwerke oder Dienstleistungen (u. a. beim Urlaub in Deutschland). In der Wirtschaftstheorie ist spätestens seit 1776 Konsens, dass internationale Arbeitsteilung den Wohlstand mehrt (
https://de.wikipedia.org/wiki/Arbei...oralphilosophie:_Adam_Ferguson_und_Adam_Smith). Wenn alle Menschen nur noch "lokal" einkaufen, verlieren alle.
Vorteil: "Umweltfreundlichere Produktion aufgrund gesetzlicher Vorschriften"
Vermutlich gelten in "Europa" höhere Auflagen zum Umweltschutz in der Produktion als in "Asien". Vermutlich besteht ein maximal umweltfreundliches Rad bei Betrachtung des gesamten Lebenszyklus (
https://de.wikipedia.org/wiki/Cradle_to_Cradle) allerdings aus anderen Komponenten als das "European Bike Project" (z. B. wenig Kunststoff bzw. Carbon), ggf. auch aus Ländern außerhalb "Europas". Warum nicht ein "Green Bike"? Bin sicher, hierzu gibt es schon viele Beiträge im Forum.
Vorteil: "Gute Arbeitsbedingungen"
Hierzu gehört der Erhalt des Arbeitsplatzes selbst. Arbeitnehmer in "Asien" arbeiten z. T. leider unter schlechteren Bedingungen als in "Europa". Sie ziehen diese Beschäftigung allerdings freiwillig der Arbeitslosigkeit vor. Wenn Komponenten in "Europa" statt in "Asien" hergestellt werden, entstehen Arbeitsplätze in "Europa", es verlieren aber gleichzeitig Arbeitnehmer in "Asien" ihren Job. Viele Ökonomen gehen davon aus, dass die Liberalisierung einen großen Einfluss auf den weltweiten Rückgang der Armut in den letzten Jahrzehnten hatte (
www.undp.org/content/undp/en/home/presscenter/articles/2015/02/17/china-s-success-on-millennium-development-goals-provides-an-example-for-others-to-follow-for-the-post-2015-development-agenda-says-new-undp-report0.html). Bei Arbeitsplatzverlust entsteht Armut in "Asien" in Ländern ohne oder mit nur schwachen sozialen Sicherungssystemen. Das "European Bike Project" hat leider keinen oder nur minimalen Einfluss auf Arbeitsbedingungen in "Asien".
Vorteil: "Produkte in höchster Qualität"
Dies scheint mir ein Vorurteil sein. In "Europa" wird viel produziert, was nicht "höchste Qualität" hat. Außerhalb "Europas" werden ebenfalls nicht nur aber auch "Produkte in höchster Qualität" gefertigt.
Vorteil: Einfache Kommunikation mit den Herstellern
Bei besonderen Anforderungen insb. in der Produktentwicklung ist dies sicher zutreffend. Die meisten Käufer eines Rads mit Shimano-Komponenten kommunizieren aber "einfach" mit einem Händler in Deutschland, statt in Japan anzurufen.
Vorteile "Schnelle Lieferung" und "Kurze Zeiten von Produktentwurf bis zum fertigen Produkt"
Die Transportzeit aus "Asien" nach Europa ist ein paar Wochen länger als innerhalb "Europas". Während der Produktentwicklung mit vielen Prototypen z. B. kann das nachteilig sein. Der Anteil der Transportzeit an der Gesamtzeit "vom Produktentwurf bis zum fertigen Produkt" ist aber klein.
Das Ziel, bedürftigen Menschen in "Asien" zu helfen, wird nicht genannt. Falls dieses intendiert ist, könnte man es ggf. anders erreichen als durch Kauf eines "European Bike Project"-Rads: Man kann z. B. ein gleichwertiges, günstigeres Rad mit Komponenten z. T. aus "Asien" kaufen und die Preisdifferenz zum "European Bike Project" nach Asien spenden. Mann kann auch z. B. Urlaub in "Asien" machen (am besten nach CO2-neutraler Anreise - noch so ein schwieriges Thema).
Nicht falsch verstehen: Man kann mit Geld sicher viel Schlechteres anstellen, als ein ein "European Bike Project"-Rad zu kaufen. Welt retten ist aber leider kompliziert.