Espace-Medien 24.02.2007
Sicher vor den Viren, aber nicht vor den Bakterien
Heimtückische Zecken: Zwar haben nur wenige Tiere das Hirnentzündungs-Virus in sich, gegen das man sich erst noch impfen kann. Greifen jedoch Bakterien die Nerven an, nützt die Impfung nichts.
Das Positive vorweg: Nur 0,5 bis 3 Prozent der Zecken haben das schädliche Hirnentzündungs-Virus, das so genannte Frühsommer-Meningo-Enzephalitis-Virus (FSME) in sich. Höher ist der Prozentsatz beim Bakterien-Krankheitserreger. Zwischen 5 und 30 Prozent der Zecken sind vom Bakterium Borrelia burgdorferi befallen. Ãbertragen sie diesen Erreger auf den Menschen, so hält das menschliche Abwehrsystem in den meisten Fällen die Bakterien in Schach.
Dennoch, das Positive gibt kaum Anlass zum unbeschwerten Verhalten. Denn wer sich mit Zecken-Krankheitserregern ansteckt, kann Krankheiten durchmachen, die lästig, mitunter sogar lebensgefährlich sind. Beunruhigend ist hier vor allem, dass in den letzten zwei Jahren in der Schweiz die am FSME-Virus Erkrankten sprunghaft angestiegen sind, von ehemals 100 auf rund 260 Betroffene 2006. «Es sollten sich jene impfen, die sich gelegentlich draussen in den Gebieten aufhalten, die als Zecken-Naturherdgebiete bekannt sind», empfiehlt deshalb der Arzt Stefan Zimmerli, Infektiologe am Berner Inselspital. Verschiedene Gebiete im Kanton Bern, Neuenburg und Solothurn sind davon betroffen (siehe Text auf Seite 37). Die Impfung, welche die allgemeine Krankenkasse übernimmt, legt das Bundesamt für Gesundheit (BAG) auch jenen Personen nach, die in diesen Gebieten wohnen.
Impfung gegen Viren
Eine Impfung schützt während etwa 10 Jahren vor dem FSME-Virus. Dieser befindet sich im Speichel der Zecke und kann bereits beim ersten Stich ans Ziel gelangen. Der Speichel betäubt die Stichstelle und sorgt dafür, dass das Blut nicht gerinnt.
Die Suche nach Zecken am Körper und die Entfernung des Blutsaugers macht zwar Sinn, verhindert aber eine allfällige Ansteckung nicht. Doch, wie Zimmerli erklärt, merken die meisten Leute danach entweder gar nichts oder machen eine grippenähnliche Krankheit durch ohne zu realisieren, dass es deswegen passiert ist. Bei etwa 10 Prozent der Infizierten kommt es hingegen zu einer Entzündung der Hirnhaut oder des Hirngewebes. Eine Entzündung, die bei den meisten ohne bleibende Schäden wieder abklingt. Jedoch bei etwa 10 Prozent der Erkrankten muss mit Folgeschäden, mit Lähmungen gerechnet werden. Und es gibt Menschen, die daran auch sterben können. Mit einer Impfung lassen sich also mögliche Krankheiten, Komplikationen und Todesfälle vermeiden.
Diffuse Anzeichen
Doch Zecken übertragen auch Borrelia-burgdorferi-Bakterien â benannt nach ihrem Entdecker, dem Schweizer Arzt Willy Burgdorfer. Diese Bakterien sind heimtückisch, in doppelter Hinsicht: Der Mensch bildet dagegen im Blut Antikörper, die in gewissen Fällen aber erst nachweisbar sind, nachdem Krankheitsmerkmale der Borreliose bereits ausgebrochen sind. Zudem treffen viele der Borreliose-Anzeichen â etwa Müdigkeit, Kopfschmerzen oder Herzrhythmusstörungen â auch auf andere Erkrankungen zu.
Typisch für Borreliose ist zwar die schmerzlose Rötung, die von der Bissstelle der Zecke über die Haut wandert und oft ein paar Tage nach der Infektion auftritt. Doch nicht immer, wie Zimmerli erklärt: «Man kann durchaus eine Gesichts- oder Hirnnervenlähmung haben, ohne eine Hautrötung gehabt zu haben.» Diese Erkrankungen der Nerven, die auch einhergehen mit oft sehr schmerzhaften Reizungen im Rückenmark, sind ein weiteres Merkmal der Borreliose.
Antibiotika bei Borreliose
Borreliose wird erfolgreich mit Antibiotika behandelt, das die Ãrzte bei den ersten Erkrankungsmerkmalen verordnen. Untersuchungen an Waldarbeitern und Langläufern zeigten, dass bis zu 35 Prozent gegen diese Bakterien bereits Antikörper gebildet haben, aber nur 3,5 Prozent je an Borreliose erkrankten. Das Bundesamt für Gesundheit schätzt die Zahl der Patienten auf 3000 pro Jahr. Es gibt aber Betroffene, deren Erkrankung erst in einem späteren Stadium diagnostiziert wurde und nun chronisch darunter leiden. Ein Grund dafür ist auch, dass die Antikörper-Tests der ersten Generation zu wenig sensitiv waren (siehe auch Artikel rechts). «Wichtig ist», sagt Infektiologe Zimmerli, «dass Patienten bei nervlichen Anzeichen, wenn sie etwa tapsig zu gehen beginnen, den Arzt aufsuchen.» Vor Panik warnt er jedoch, denn das späte Stadium der Borreliose sei sehr selten.Christian Bernhart
Infos: Bundesamt für Gesundheit (
www.bag.admin.ch/themen/medizin); Pharmafirma Baxter (
www.zecke.ch ); Liga für Zeckenkranke (
www.zeckenliga.ch).
«Borrelien sind schlau»
Die Borreliose wurde bei Christian Keller zu spät diagnostiziert. Heute muss sich der Berner häufig Antibiotika spritzen lassen. Doch Schmerzen in Kopf und Gelenken
kehren immer wieder.
Ab und zu schiesst es Christian Keller durchs Hirn wie ein Blitz mit Schmerzen, die einige Minuten dauern. Oder er hat Mühe beim Atmen, als wäre er Asthmatiker. Es fehlt ihm die Kraft, oder dann ist er voll beim Bewusstsein, weiss eine Zeitlang jedoch nicht, wo er sich befindet. Kribbeln und Jucken am ganzen Körper rauben ihm den Schlaf. Wenn Christian Keller mit diesen Krankheitsmerkmalen geplagt wird, dann weiss er, dass eine weitere Kur mit Antibiotika notwendig ist, um die Borrelien-Bakterien in Schach zu halten. Und das ist, so Keller, alle sechs bis sieben Wochen notwendig. Keine Heilung möglich
«Die Zecke habe ich nie gesehen, die Symptome wurden als Borreliose zu spät erkannt, um erfolgreich in einem frühen Stadium zu therapieren», sagt Keller analytisch und folgert: «Jetzt im Spätstadium bringen Antibiotika eine Besserung aber keine Heilung mehr.» Im Wald war der heute 65-jährige Keller oft, wo ihn vermutlich die Zecke vor 16 Jahren stach und infizierte. Grippenähnliche Zustände, Müdigkeit steckte er weg. Erst die Episode nach Mitternacht, als er sich im Schlaf aufrichtete, laut zu sprechen anfing, aber auf Fragen seiner erschrockenen Frau nicht reagierte, brachte ihn zur Untersuchung ins Salemspital. Der Test der Gehirn-Rückenmarkflüssigkeit machte es klar: Er war mit Borrelien-Bakterien infiziert, und hatte zwei Jahre lang deren Krankheitsmerkmale falsch interpretiert.
«Bis jetzt habe ich die Borrelien im Körper nicht ausrotten können. Sie sind schlangenförmig und schlau», erklärt Keller, der trotz der Krankheit bis zur Pensionierung mit 62 gearbeitet hat, im Vorstand der Zeckenliga ist und in Bern die Borreliose-Selbsthilfegruppe von gut 25 Personen leitet.
Nicht immer nachweisbar
Schlau nennt Christian Keller die Bakterien, weil sie im Spätstadium nicht immer nachweisbar und die Symptome oft identisch mit anderen Krankheiten sind. Dann hätten Patienten auch Mühe, die Therapie von der SUVA bezahlt zu erhalten. Weil die Erfahrung zeigt, dass nach schlechten wieder bessere Zeiten kommen, hält sich Keller an die Devise seiner Ãrztin, die ihm rät die guten Tage zu geniessen mit Unternehmungen, für die man in schlechten Tagen zu schwach ist.
Impfung
Krankenkasse bezahlt
Die Impfung gegen den Hirnentzündungs-Virus wird von der Krankenkasse bezahlt. Sie wird ab dem 6. Altersjahr empfohlen für Leute, die sich häufig in einem Risikogebiet aufhalten (siehe Seite 37). Drei Dosen sind notwendig, die zweite Impfspritzung erfolgt nach einem Monat, die dritte je nach Produkt nach fünf bis zwölf Monaten. Bereits nach der zweiten Dose ist man zu 97 Prozent gegen geschützt. Eine Impfauffrischung wird alle zehn Jahre empfohlen. chr