Wir Mountainbiker sind Individualisten, manche sogar um jeden Preis. Dem Sport hängt noch etwas wildes, ungestümes an und für viele ist schlicht weg nicht nachvollziehbar, was wir auf den stolligen Zweirädern anstellen. Individualisten sind wir aber auch, weil Mountainbiken als Massensport gerade erst richtig anfängt zu boomen und dementsprechend noch keine einflussreiche Lobby etabliert ist. Kaum ein Biker weiß wirklich, wie viele andere Biker es um ihn herum gibt. Wir sind uns unserer Anzahl kaum bewusst. Fahre ich durch die gemütliche Altstadt von Radolfzell (mit Teilorten kaum mehr als 25.000 Einwohner), so sehe ich prompt zwei Dirt-Jump-Kiddies in engen Jeans durch die Straßen düsen. Wo sie fahren ist mir schleierhaft, auch wenn ich selbst so ziemlich jeden Fleck um die Stadt kenne. Wie kommt es, dass ich sie nicht kenne? An dieser Stelle muss erwähnt werden, dass wir Biker daran selbst schuld sind: Jeder geht lieber in Kleingrüppchen fahren und wenn man sich trifft, dann nur im Bikepark. Dort herrscht dann jedoch auch wieder die Angst, dass der oder sogar die Andere besser fahren könnte, den einen Sprung mehr mitnimmt oder in der einen Kurve die bessere Linie wählt. Also doch wieder Individualisten. Jeder wäre gerne mit seinem auserlesenen Mitfahrerfeld allein auf weiter Flur; verspürte gerne den Hauch von „Exklusivität“. Nur auf den erfreulicherweise immer häufiger werdenden Rennen sieht es anders aus, doch wird dort auch der Schwerpunkt auf den Wettbewerb gelegt und wer teilnimmt, will sich auch messen.

Wer jetzt schon fast auf den Antworten-Ikon einhämmern will, um mir zu schreiben, dass das so alles nicht stimmt, der sei sich gewiss: Natürlich ist das eine Übertreibung und natürlich fahren sehr viele Biker zusammen. Natürlich gibt es auch immer mehr Biker, die gemeinsam aktiv sind und wahrgenommen werden. Das ist mir sehr wohl bewusst. Schaue ich jedoch zu anderen Sportarten, so muss ich sagen, dass eben doch ein Fünkchen Wahrheit dran ist an den Aussagen; dass noch ein längerer Trail vor uns liegt, bis wir dort angekommen sind und ebenso wahrgenommen werden. Aus diesem Fünkchen Wahrheit könnte jedoch schon bald ein Flächenbrand werden, denn die Lösungen liegen auf der Hand. Wenn die Gedanken und Einstellungen sich aus ihrer veralteten Starre befreien und sich der Realität anpassen und die Wirklichkeit erreichen; wenn das Potential des Fahrrades als umweltverträgliches und -freundliches Fortbewegungsmittel nicht mehr weiter ver- sondern erkannt wird; dann… die Zukunft des Fahrrades hat gerade erst begonnen!

Der Kern dieses Beitrages soll jedoch an ganz anderer Stelle liegen. Individualität kann auch in einer anderen Dimension gedacht werden und das will ich tun. Als frei konfigurierbares Sportgerät ist das Mountainbike selbst individueller Ausdruck seiner Besitzerin / seines Besitzers und zugleich auch Verkörperung von Fahrstil und Einsatzbereiche. Knapp formuliert also eine Visitenkarte.

Um nun eben diese individuell zu gestalten, wird zu Farben, Aufklebern und Schriftzügen gegriffen, werden Teile an- und abgeschraubt und so manches in Eigenregie arrangiert. Profis wie Amateure machen es vor und die Industrie zieht nach, um ihren Teil dieser Individualität zu ergattern und an eine breite Masse zu verkaufen. Ob Schaltwerk oder Tretkurbel, ob Lenker oder Kettenblatt – die Industrie hat auf der diesjährigen Eurobike mehr denn je Mut zur Farbe bewiesen und manch einer erinnert sich vermutlich noch an die abgespacten Eloxaltöne der 80er Jahre… wer noch ein Bike aus dieser Zeit besitzt, der solle es schleunigst auf Hochglanzpolieren und mitmachen beim Retro-Eloxal-Trend, der nun auch von den größten im Wettbewerb massiv betrieben wird. Wer bislang selbst keinen Mut zur Farbe gehabt hat, bekommt nun von der Stange farblich traumhaft abgestimmte Räder im Individuallook. Nur das dieser dann eben nicht mehr individuell ist, denn für manche Mountainbikerinnen und Mountainbiker – nicht nur hier im Forum – ist „Stange“ so etwas wie ein Schimpfwort. Und schon geht sie wieder flöten, die heiß erkämpfte Individualität.

Doch das Spiel beginnt von vorne: Neue Farben, neue Styles, bislang unbeachtete Komponenten… mittlerweile gibt es kein Teil mehr, dass nicht schon eingefärbt worden wäre. Und mittlerweile wiederum auch direkt ab Werk. Vielleicht baut man einfach wieder ein komplett schwarzes Rad auf? Das wäre 2004 der letzte Schrei gewesen, doch warum nicht wieder 2009? Oder man schnappt sich die RAL Palette und schaut, was es noch nicht gegeben hat. Praktisch wäre es doch, wenn am Hallenplan der Eurobike auch eine Farbpalette zum Abreißen dran wäre. Dann könnte man jede Farbe abreißen, die man irgendwo präsentiert bekommt und was übrig bleibt, dass ist dann die Farbe der Individualität. Nur wird diese Farbe momentan vermutlich niemanden gefallen, denn eigentlich ist das gesamte Spektrum abgedeckt.

Wer wirklich individuell sein will muss noch weiter zurück gehen und selbst kreativ werden. 2k Klarlacke und Sprühfarben sind immer eine Lösung und was man mit ihnen anstellen kann findet ihr in gesammelt in diesem Thread: LINK. Eine bebilderte Anleitung anhand meines Santa Cruz Chameleon Rahmens habe ich auch auf meinem Blog zusammengestellt: LINK. Der Kreativität sind bei dieser Vorgehensweise keine Grenzen gesetzt und doch gibt es einen Haken: Die Haltbarkeit ist je nach Geduld und Vorgehensweise besser oder schlechter, meistens jedoch letzteres. Folien können noch kleine Verbesserungen erreichen, doch Farben ändern kann man auch ganz anders. Deutlich haltbarer und nebenbei leichter sind Eloxierungen. Wer hier Interesse haben sollte, findet im Leichtbaubereich des IBC eine Menge Threads, die sich mit diesem Thema beschäftigen.

Wirklich massentauglich ist aber vor allem die Pulverbeschichtung. Die Vorteile dieser Farbänderung liegen auf der Hand, denn die Beschichtung ist absolut schlagfest und haltbar und – wenn gut gemacht – nicht von einem Serienteil zu unterscheiden. Eine Pulverbeschichtung kann zwar nicht selbst gemacht werden, aber Autolackierereien und sonstige Betriebe der freien Wirtschaft können auch Fahrradteile behandeln. Einfacher geht das jedoch auch hier im Foum, einer der User bietet Pulverbeschichtungen zum Selbstkostenpreis an und hat schon viele Bikes dieser Plattform aus den Zwängen des Standards befreit. Um dem fertigen Produkt Visitenkarte dann noch den letzten Schliff zu geben, braucht man nicht mehr als einen Plotter oder erneut einen der verschiedenen User (die ich noch nicht mal alle kenne), die die Möglichkeiten zur Aufkleberumsetzung haben und ebenfalls faire Preise für Forenmitglieder bieten. Was hier im IBC schon alles an Pulverbeschichtungsarbeiten gelaufen ist, ist in diesem Thread dokumentiert. Und diesen Bewegungen werden auch die Hersteller nie folgen können. Wer rein zufällig den aufkommenden Trend der nächsten Saison getroffen hat, hat zumindest bis zur nächsten großen Welle der product-launches und Neuvorstellungen ein wirklich individuelles Rad.

Was immer auch passiert bleiben wir also Individualisten. Selbst, wenn wir eventuell bestehende Ängste überwinden und gemeinsam mit 1000 anderen Bikern auf Touren gehen würden, so bliebe uns doch der Individualismus in Form unseres Fortbewegungsmittels, dem eigenen Mountainbike. Der Visitenkarte. Möglichkeiten dazu gibt es zur Genüge, sie müssen nur genutzt werden. Was sich auch an meinen ersten Gedanken ändern wird – die Individualität im zweiten Sinn wird uns hoffentlich immer erhalten bleiben.

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Diesem Beitrag mangelt es noch massiv an Bildern… wie sehen eure selbst-individualisierten Bikes aus? Stimmt ihr mir zu, dass das Bike die Sportgerät gewordene Visitenkarte der Fahrerin/des Fahrers ist? Wie seht ihr den Trend zu den immer perfekter farblich abgestimmten Bikes der Hersteller? In meinen Augen ist das schon zu viel momentan…

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Eine wichtige Anmerkung: Der Verweis auf die Pulverbeschichtungen made by khujand soll keine Werbung für ihn darstellen. Er macht mit seiner Arbeit keinen Gewinn und bietet die Möglichkeit aus Freundlichkeit gegenüber dem Forum an. Wer also meint, dagegen wettern zu müssen, weil er auch pulvern kann oder aus sonstigen Gründen aufgebracht sein sollte, der kann gerne darauf verweisen – ohne jedoch gegen die Person zu gehen. Hier geht es darum, Mountainbikes individuell zu gestalten und anreize zu geben, wie das geschehen kann. Und wer tollen persönlichen Einsatz nicht verstehen kann, der darf sich fragen, was er von der Gesellschaft erwartet. Nicht nur hier im Forum, sondern auch im echten Leben.

  1. benutzerbild

    freigeist

    dabei seit 05/2004

    tolle videos hast'e
    smilie

  2. benutzerbild

    Deleted 23985

    dabei seit 12/2015

    standard was is des?????^^
    ein rad aus der velomanufaktur stolz, gefertigt aus feinstem 853 raynolds und dazu hartgelötet smilie nur ist die farbe leider eher von der stange smilie



  3. benutzerbild

    gurkenfolie

    dabei seit 04/2003

    mit silbernen parts wär das beik echt ein hingucker.so nicht.

  4. benutzerbild

    fone

    dabei seit 09/2003

    hellblau wär cool.

    finds schick, nur rosa ist schwierig.

  5. benutzerbild

    trek 6500

    dabei seit 03/2005

    ...ja , rosa is extrem schwierig ...smilie aber wenn´s dir gefällt ! greez , k.

    ach ja - anbei ein paar bildchen von selbst aufgebauten bikes - nur mein eines cube is "von der stange" - alle anderen nicht .

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