Als Gründerin der Webplattform Girlsridetoo.de weiss „Jule“, was Frauen wollen. Im IBC-Interview erzählt sie von billigen Lady-Bikes, Frauen im Bikepark und ihren weiteren Plänen.

(Foto: Alta Rezia)

Hi Jule! Erzähl uns bitte kurz etwas zu deiner Person.

Ich heiße eigentlich Judith Lell, aber alle nennen mich nur „Jule“. Ich bin 37 Jahr alt, ein echtes „Münchner Kindl“ und eine absolute Bergziege: Biken, Bergsteigen, Skifahren, etc. – einfach alles, was man in den Bergen so treiben kann, bringt meine Schmetterlinge im Bauch zum Flattern.

Viele MTB-Ladies sind durch ihren Partner zum Bike-Sport gekommen. Wie bist du zur Geländeradlerin geworden?

Also, ich gestehe: Bei mir war das auch ein wenig so – allerdings gilt das erst für die wirkliche Bike-Virus-Infektion. Zuvor war ich schon öfters mit Freunden aus meiner Skifahrer-Clique mit dem MTB unterwegs, die sich eines Sommers plötzlich auf dieses neumodische Bikezeugs schwangen und statt auf den Gletscher plötzlich an „den See“ fuhren. Da hieß es immer: „Komm, fahr doch mal mit, probier es doch wenigstens einmal!“ – Was ich dann schließlich auch tat – und erstmal auch gar nicht so abgeneigt war. Aber damals hieß Biken noch Gardasee… Und Gardasee hieß für mich entweder einmal Arco und zurück oder rauf schieben, runter schieben. Der richtige Spaß – und dann das plötzliche Bike-Fieber kamen bei mir auf einem Schlag mit einem neuen Partner, der mit mir gleich mal auf eine Transalp-Tour gegangen ist. Wenig später hat er mich dann zum ersten Marathon angemeldet…

Wann und wie entstand die Idee zu „Girlsridetoo.de“?

Eigentlich war das erst einmal meine persönliche Website, um mich und meine Rennergebnisse vorzustellen. Denn damals war ich gerade auf der Suche nach einem neuen Team. Doch schon beim Erstellen der Seite merkte ich, dass mich eigentlich andere Themen viel mehr interessierten und dass ich eigentlich gar nicht so viel von mir, als vielmehr ÜBER etwas erzählen wollte. Denn immer wenn ich mit dem Rennrad oder meinem Bike unterwegs war, fiel mir auf, dass mir stets nur Männergruppen, mit vielleicht mal einer Quoten-Frau im Schlepptau entgegen kamen. Ansonsten war ich auf weiter Flur alleine unterwegs. Das fand ich total schade und beschloss, dagegen etwas zu tun. Irgendjemand muss den Mädels ja mal erzählen, wie viel Spaß das Biken macht! Und irgendjemand der Industrie, dass es uns auch gibt und dass es doch bitteschön herrlich wäre, ein passendes Trikot in Gr. S zu finden. So hab ich dann die Seite ganz schnell wieder umgebaut – und stückchenweise mit speziellen Inhalten für Bikerinnen befüllt. Damals ahnte ich noch nicht, wie groß das Ganze mal werden sollte…

Wie haben dir zu dieser Zeit die Lady-Specials in den Printmagazinen gefallen?

Ja, das ging damals gerade los. Auf der einen Seite hab ich mich gefreut, dass wir überhaupt mal als Zielgruppe wahrgenommen wurden. Auf der anderen Seite mich aber zugleich immer gefragt, warum wir eigene Seiten brauchen und warum wir nicht einfach ganz unkompliziert ins „normale“ Magazin mit aufgenommen wurden. Also zum Beispiel warum bei einem Hosentest nicht einfach nebeneinander Männer- und Damenmodelle vorgestellt wurden, oder bei einer Fotostrecke eben auch mal Bikerinnen statt der immer gleichen haarigen Beine zu sehen waren.

Vielleicht war es aber auch einfach der richtige Einstieg, ein vorsichtiges Herantasten von den Magazinen. Inzwischen haben die meisten ja diese eigenen Seiten auch schon wieder aufgelöst und sind nun langsam auf dem Weg, den ich mir gewünscht hatte. Aber es noch immer viel zu tun. Wir Bikerinnen sind – leider – immer noch eine Randgruppe in den Medien.

Was macht Girlsridetoo.de deiner Ansicht nach aus, dass es so beliebt bei den Mädels ist?

Ich höre oft das Lob, dass auf Girlsridetoo.de Bikerinnen endlich mal ernst genommen werden – ohne „Chi-chi und Chu-Chu“, ohne Rosa und bunten Blümchen oder Schnörkelchen… Und es hieß stellenweise auch, dass die unglaubliche Freude und Begeisterung fürs Biken von uns „Macherinnen“ so spürbar rüber kommt und zugleich auch ansteckend ist. Sowas zu hören, freut mich natürlich sehr. Denn genau das wollen wir ja erreichen.

Zugleich ist es der einzige „Online-Raum“, in dem Bikerinnen mal unter sich sein können, sich finden und kennen lernen und vor allem austauschen können, ohne, dass jemand rein redet oder blöde Kommentare abgibt. Daher ist gerade unser Forum meiner Meinung nach so erfolgreich.

Zudem finden die Mädels natürlich bei uns alle Infos zu ihrem Lieblingssport, ohne sich diese erst mühselig an den verschiedensten Stellen zusammen suchen zu müssen.

Nicht nur ihre Bike-Begeisterung ist infektiös, auch ihr Lächeln steckt an:

(Foto: Privat)

Bei welchen Produkten im Bike-Bereich hältst du spezielle Lady-Sachen für sinnvoll und wann wird erscheint es dir sinnlos?

Klar, über Bike-Bekleidung und Accessoires für Frauen brauchen wir nicht reden. Die muss einfach passen und unseren Geschmack treffen. Aber da gibt es ja inzwischen auch eine unendliche Auswahl. Und spezielle Lady-Bikes machen meiner Ansicht nach schon Sinn – einfach, weil sie die Vielfalt und die Wahlmöglichkeiten, gerade für kleine Frauen, erhöhen. Was ich aber besonders wichtig finde, sind die kleinen Details, die uns das Bikerinnen-Leben so viel leichter machen: Der Bremshebel, den ich näher an den Griff stellen und so besser mit kleinen Händen erreichen kann, oder Federelemente, die sich gut und einfach auf mein geringes Gewicht einstellen lassen. Man mag es kaum glauben – aber das findet sich selbst bei Lady-Bikes noch recht selten.

Lady-Bikes gibt es schon länger, trotzdem fahren viele Mädels mit eher die normalen Modelle. Was muss deiner Meinung nach an den Lady-Mountainbikes geändert werden, dass sie noch mehr Anhängerinnen finden?

Ich glaube, das liegt vor allem daran, dass viele Lady-Bikes immer noch eher schwer und minderwertig gegenüber den „Männermodellen“ ausgestattet sind. Blümchen und preiswerte Parts drauf – und schon ist es ein Lady-Bike. Okay, die Zeiten sind zum Glück weitgehend vorbei, aber das muss sich auch erst einmal rumsprechen. Außerdem braucht ja auch nicht jede Frau ein Lady-Bike, sondern einfach eines, das ihr passt und ihr gefällt. Ob das dann das Ladymodell ist, hängt sehr stark von der individuellen Körpergröße und vom Körperbau ab. Und über Geschmack lässt sich ja eh nicht streiten, von daher lässt sich die Frage „Blümchen oder nicht?“ wohl endlos diskutieren. Wie gesagt: Ich finde es klasse, wenn es eine Auswahl gibt und jede Bikerin das finden kann, was ihr gefällt und passt. Wenn es dann auch noch hochwertige Lady-Bikes gibt (was ja inzwischen der Fall ist), die auch die etwas sportlichere und ambitioniertere Bikerin ansprechen, dann bewegt sich das schon in die richtige Richtung.

Fährst du ein Lady-Bike oder ein normales MTB-Modell?

Ich bin 1,70 cm groß. Von daher passt mir ein normaler M-Rahmen bei den Hardtails, die ich Rennen fahren und auf denen ich von daher auch meistens trainiere eigentlich bestens. Zudem fahre ich ja seit Jahren immer in einem Rennteam – da kriegen wir die Räder eh gestellt bzw. „vorgeschrieben“.

Bei meinem „Spaßbike“ habe ich allerdings sehr viel Freude mit einem kleinen 16’’-Zollrahmen, hier mag ichs klein und handlich. Allerdings fehlen mir genau da die Fine-Tuning-Möglichkeiten für die Federung, die ich fast nicht auf mein geringes Gewicht einstellen kann. Von daher würde ich mir wohl bei meiner nächsten Shoppingtour hier auch mal die Ladybikes anschauen…

Wie hoch siehst du den Anteil der technisch stärker interessierten Bikerinnen bei Girlsridetoo.de?

Puh, das ist eine schwere Frage. Ich würde sagen, solche Bikerinnen sind existent, aber ihr Anteil ist nicht gerade riesig. Wir haben gerade im Forum schon eine kleine Gemeinde, die gerne und häufig über Parts und Tuning-Tipps konferiert und hier den Männern wohl in nichts nach stehen. Aber die echten Schrauberinnen, die gibt es, glaube ich nicht so häufig.

Whistler in Kanada gilt als Mekka für Bike-Ladies, deren Anteil dort jährlich steigt. Was muss an unseren Bikeparks gemacht, werden, dass sich dort auch immer mehr Mädels austoben?

Ich war letztes Jahr das erste Mal in einem Bikepark – in Livigno – und hatte, ehrlich gesagt, zuvor ganz schön Respekt, wenn nicht sogar Schiss davor, mich a) völlig lächerlich zu machen, b) dauernd jemandem im Weg zu stehen und c) selbst auf der einfachsten Strecke mein Bike noch tragen zu müssen. Zum Glück, hat sich kein einziger der drei Punkte bewahrheitet. Im Gegenteil: Es war einfach nur ein Mordsspaß! Denn es fuhr außer uns kaum jemand im Park, sodass gerade die leichten Tracks quasi menschenleer waren. Und wenn wir dort doch mal jemandem begegnet sind, haben sich die – männlichen- Biker entweder nicht besser angestellt als wir und/oder total gefreut, mal eine Frau im Park zu sehen.

Was ich sagen will: Ich glaube, das hängt viel mit dem Image zusammen, den Bikeparks bei uns Mädels haben. Frauen denken sicher oft so wie ich: Zum Beispiel, dass dort nur supercoole Cracks abhängen, die nix besseres zu tun haben, als sich über zitternde Anfängerinnen lustig zu machen und dass die Strecke alle extrem schwer und mit Sprüngen und Northshore-Elementen gespickt sind.

Deshalb: Je mehr leichte Strecken es gibt, um sich mal langsam an das Thema ran zu tasten, je besser und entspannter die Stimmung ist, je mehr Platz man hat (Ausweichstellen, etc.) – und je mehr das auch kommuniziert wird – umso mehr werden Bikeparks auch zum Sehnsuchtsgebiet für Bikerinnen. Denn wenn man einmal gemerkt hat, dass man nirgendwo sonst so geniale Übungsstrecken hat, die ja extra für Biker angelegt wurden – dann ist auch Frau nicht mehr zu halten!

Mit „Awesome Lands – Women Of Dirt“ kommt im Frühjahr der erste reine Lady-Bikefilm. Hat das die Szene gebraucht und wann wird es so etwas auch in Deutschland geben?

Gegenfrage: Warum sollte es so etwas nicht geben? Auch hier wieder die Frage: Warum denken wir so in Grenzen und Kategorien? Ist doch eine coole Sache und ich kann nur hoffen, dass es bald viel mehr Filme von Bikerinnen, mit Bikerinnen, mit Bikern und Bikerinnen aus Deutschland, den USA, Italien, Spanien, Usbekistan und so weiter geben wird. Vielfalt ist das Thema. Umso bunter wird doch das Leben, oder?

Ein Lady-Bike-Film sorgte diesen Winter für Aufsehen:

Letzte Saison hast du ein Girlsridetoo-Event angeboten. Was sind deine Pläne mit Girlsridetoo.de – wird es vielleicht mal ein Rennteam im Breitensport von euch geben (z.B. wie das IBC-DIMB-Racing-Team)?

Von solch einem Girlsridetoo.de-“Jederfrau-Team“ träume ich eigentlich schon lange, aber das ist leider für mich weder finanziell, noch vom Handling her zu bewältigen. Denn schließlich betreibe ich das Portal nur nebenher zu meinem normalen Job und zum Renntraining. Aber man weiß ja nie, ob ich nicht doch noch eine Möglichkeit irgendwann mal finde. Ich fände es einfach herrlich schön, wenn sich die Mädels auch außerhalb der digitalen Forums-Welt treffen! Genau darauf zielte ja auch unser „Girlsridetoo.de gets out“-Event letztes Jahr – unser erster Ausflug in die „reale Welt“. Ich denke, dass wir diesen Weg auf jeden Fall weiter gehen werden, also noch mehr Vernetzung, noch mehr gemeinsame Aktivitäten. Wobei wir auf keinen Fall ein Reisenanbieter werden! Wir sind und bleiben im Kern eine Online-Plattform.

Was ich gerne noch verstärken möchte, ist der Austausch mit der Industrie. Es wäre doch toll, wenn Bikerinnen und Hersteller gemeinsam Hand in Hand die Produkte entwickeln würden, die wirklich gewünscht und benötigt werden – und wenn wir hier seitens Girlsridetoo.de als Schnittstelle den Kontakt herstellen und den Austausch ermöglichen könnten! Auch so ein Traum von mir…

Danke für das Interview und viel Spaß auf deinem Bike weiterhin!

Weblink: www.girlsridetoo.de

An alle Mädels: Wie seit Ihr zum Biken gekommen? Welche Veränderungen in der Bike-Szene und -branche wünscht Ihr euch für die Lady-Fraktion?

  1. benutzerbild

    Lazy-Rider

    dabei seit 04/2006

    Oh man, da habe ich aber für einen Lacher gesorgt. smilie

  2. benutzerbild

    PaulaJ

    dabei seit 02/2010

    Klasse Interviewsmilie Da spricht mir jemand aus dem Herzen

  3. benutzerbild

    pommes5

    dabei seit 05/2008

    Biete den Film grad im Bikemarkt an. Meld dich wenn du Geld sparen willst.

  4. benutzerbild

    Marc B

    dabei seit 07/2001

    es gibt bikes und trickots mit schmetterlingen drauf! die blümchenalternative!

    Sehr kreativsmilie
  5. benutzerbild

    jule82008

    dabei seit 12/2004

    es gibt bikes und trickots mit schmetterlingen drauf! die blümchenalternative!

    Genau! Und zwar ab sofort von uns smilie

    Die Jule

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