Unverhofft kommt oft, und so hatte ich im letzten halben Jahr drei Mal die Gelegenheit, Treks Scratch und Remedy jeweils einen Tag auf der gleichen Strecke auszuprobieren.

Prolog

Klarer Nachteil von unverhofften Testfahrten: Die Kamera fehlt, entschuldigt also die desolate fotographische Dokumentation und konzentriert euch auf die hoffentlich anschaulichen Beschreibungen.

Um ehrlich zu sein hat mich die Entscheidung von Trek, das 2009er Remedy aus dem Sortiment zu nehmen, zunächst enttäuscht und etwas verwirrt. Warum einen Bestseller abschaffen? Drei mögliche Erklärungen: 1.) Das leichte, aber potente Remedy verführte seine Besitzer zu Aktionen, denen die dünnwandige Alukonstruktion auf Dauer nicht gewachsen war. 2.) Von zwei verschiedenen Rädern lassen sich unterm Strich mehr verkaufen. 3.) Weder Fisch noch Fleisch war das 09er Remedy für jeden und niemanden nur eine lauwarme Lösung.

Fakt ist: Das Bike, das „Zu gleichen Teilen Bergauf und Bergab“ kann, gibt es nicht mehr. Stattdessen ein abgespecktes Remedy, perfekt für die neuen 150er Gabeln, so ausgestattet und promotet, dass niemand auf die Idee kommen sollte, es im Bikepark zu missbrauchen. Für die nun klaffende Lücke zum Session ein kleiner Freerider, gerade noch leicht Genug für die Auffahrt, aber nun wirklich jeder Abfahrt gewachsen.

– Soweit die Theorie –

Ausstattung

„Schee schauens aus“ – jede Menge hydrogeformte, fette Rohre, dazu ein frisches Design, scheinbar jede Schraube, die Schalthebel, das Schaltwerk, alles farblich abgestimmt. Von der fetten Optik mal abgesehen, sind die beiden Räder durchweg stimmig aufgebaut:

Am Remedy findet sich eine 150er Fox Float, das Pendant am Hinterrad ist der RP23 aus dem gleichen Haus, allerdings speziell für Trek mit einer zweiten Luftkammer ausgestattet. Gebremst wird mit Avids Elixir R in passendem Farbton, die komplette Schaltgruppe ist auf Preis/Leistung ausgelegt, sprich XT. Laufrad, Cockpit und Sattel+Stütze stammen aus der Partnerfirma Bontrager, nicht exklusiv aber funktionell. Insgesamt ergibt sich hier ein Gewicht von 13,2kg, nicht so schlecht.

Beim Scratch bin ich das Topmodell „9“ gefahren – es wiegt 15,9kg, schon daran wird deutlich, wie unterschiedlich die Bikes sind. Die Federung stammt ebenfalls aus dem Hause Fox, eine 160er 36 VAN RC2 kombiniert mit einem speziell abgestimmten RC4 Downhill-Dämpfer im Heck. Geschaltet wird mit Srams blau eloxierter XO-Gruppe, nur der Umwerfer stammt überraschenderweise aus der Shimano Deore Gruppe. Ansonsten finden sich auch hier Bontrager Parts, eine Race Face Atlas Kurbel mit zwei Kettenblättern (22/36) und Bashguard, eine Crank Brothers Remote Joplin Stütze fährt den Bontrager Sattel um 10cm hoch und runter, Avids Elixier ist mit großen Scheiben und Druckpunktverstellung verbaut.

Ausfahrt

Remedy:

Schon beim ersten Aufsitzen fällt auf, dass dieses Rad eher lang als kurz ist. Der Sattel taugt zumindest meinem Hintern gar nicht, würde meiner Meinung nach auch eher auf ein schwereres Rad passen, aber darum geht es hier nicht. Das Bike ist leicht und schnell, der Hinterbau wippt beim pedalieren fast gar nicht und durch die sportliche, aber noch bequeme Sitzposition lässt es sich gut Strecke machen. Für die Ebene und den Uphill würde ich die Haltung auf dem Rad als optimal bezeichnen, im Downhill hätte es für meinen Geschmack gerne einen flacheren Lenkwinkel, ein tieferes Tretlager und einen kürzeren Vorbau geben dürfen, aber die Priorität liegt eben nicht bergab. Was bei Schlägen im Sitzen wie im Stehen schnell auffällt: Die Federung harmoniert perfekt. Es ist den Fox-Ingenieuren wirklich gelungen, Gabel und Hinterbau ähnlich sensibel und ähnlich schluckfreudig zu gestalten, ohne seekrankmachende Schaukellagen zu erzeugen.

Lässt man es bergab laufen, funktioniert das Luftfahrwerk einwandfrei, Bremsstempeln ist nicht spürbar, die vielen Kürzel (hier ABP) scheinen nicht nur Marketing zu sein. Stößt man unterwegs auf eine Stufe, einen Drop, so ist das Bike wegen seiner Länge nicht ganz leicht darüber zu schieben, Manuals fallen ebenfalls schwer – für derartige Spielereien sind die Kettenstreben eindeutig zu lang. Außerdem bergab und beim Spielen hinderlich: Ungekürzt lässt sich die Sattelstütze nicht sonderlich weit versenken, ein durchgängiges Sitzrohr wäre für ein Bike dieser Gattung durchaus angebracht. Auf hartem Grund sind außerdem die Reifen zu grob und bremsend, sagen wir mal: Es gibt bessere Allrounder.

Positiv fällt dagegen der breite Lenker auf, das sollte inzwischen Standard sein, und auch der Hinterradausbau aus dem Drehpunkt ist erfreulich unkompliziert. Streckenmäßig ist das Rad für alles zu haben, es darf auch mal gesprungen werden, aber in seinem Element ist das Remedy hier nicht.

Scratch:

Wenn man sich in den Sag des Scratch setzt sorgt zu allererst der Hinterbau für Eindruck: Plüschig weich und vollsensibel legt er der Gabel die Latte unerreichbar hoch. Diese ist trotz passender Federhärte überraschend störrisch, federt beim aufsitzen fast gar nicht ein und wirkt über den gesamten Federweg überdämpft, durch drehen der zwei Compression-Knöpfe konnten wir die Sache nur schlechter machen. Wir haben die Bikes auf dem Berg getauscht, dass heißt für mich ging es zuerst einmal bergab – aber wie! Die niedrige Front sorgt für viel Druck auf dem Vorderrad, der Rahmen ist kompakt, handlich und lädt zum spielen ein, hier ein Wallride, an der Kante abdrücken, klasse. Wurzeln scheinen zwischen Vorderrad und Hinterrad zu verschwinden, denn während die Gabel noch spürbar Feedback gibt, saugt der RC4 am Hinterrad alles auf. Über Drops lässt sich das Rad spielerisch schieben, der Grip ist enorm. Im Downhill fühlt man sich wie auf einem Mini-DH-Bike, ist aber wesentlich agiler unterwegs, tauscht die absolute Bodenhaftung eines DH-Rades gegen mehr Feedback und Absprungmöglichkeiten. Bei Highspeed würde ich mir eine etwas flachere Front und einen breiteren Lenker wünschen – vielleicht ist das schon mit einer 170er Lyrik oder einer der neuen, 180er Fox 36 zu beheben.

Nun heißt es: Bergauf. Durch einen Zug am Hebel der Joplin fährt der Sattel hoch, was er übrigens auch tat, wenn man versucht hat, das Bike am Sattel hochzuheben (defekt?). Aufs kleine Kettenblatt geschaltet und reingetreten, es passiert… sagen wir wenig. Geometrie, Fahrwerk und Reifen saugen einiges an Energie, so dass man langsam bergauf fahren kann, es aber eigentlich nicht will.

Ausklang

Falls das 2009er Remedy weder Fisch noch Fleisch war, dann hat Trek das Problem gelöst. Das neue Remedy ist für Singletrails eine perfekte Wahl, im Bikepark, auf der Downhillstrecke, North-Shore Rampen und bei Sprüngen macht es aber keine allzu gute Figur mehr – es ist ein waschechtes (warum muss ich schmunzeln?) All Mountain Bike geworden.

Das Scratch hingegen macht auf Touren – in diesem Aufbau – nur wenig Spaß, dafür ist es auf dem Slopestyle Parcour und auf deutschen Downhill Strecken fast zuhause. Das fast würde ich durch das Verbauen einer leichten 170er oder 180er Gabel streichen.

Sehr spannend wäre für mich, wie sich das luftgefederte Scratch schlägt. Hoffentlich ist das näher dran am Alleskönner, denn ansonsten sehe ich eine Lücke in der Trek Palette, nämlich für ein Fahrrad, das 160mm Federweg hat und sowohl bergauf, als auch bergab eine gute Figur macht, ein Fahrrad, das weder Fisch noch Fleisch ist.

  1. benutzerbild

    noBrain-noPain

    dabei seit 06/2009

    kann ich nur zustimmen, bei mir war der Umbaugrund nicht der 1cm federweg, sondern eben einfach die Steifigkeit! Und das macht wirklich schon einen guten Unterschied!

  2. benutzerbild

    Nill

    dabei seit 06/2009

    Ich finde das Scratch ist das Ideale Bike für den schnellen Downhill und den Gemütlich Uphill.

    Zugegeben Uphill Sprint Passagen schaffe ich damit auch, aber nur 100 hm dann ist Schluss smilie
    Der kleine Bruder das Remedy hätte mir persönlich zu wenig Reserven bergab. Wenn man denn doch mal da neben haut smilie

    Ich merke nur immer wieder, wenn ich zu wenig trainiere wird mir das Scratch auf den Trails manchmal zu schwer.
    D.h. immer im Training bleiben, dann bleibt das Scratch auch schön Spritzig smilie

  3. benutzerbild

    Grinsekatz

    dabei seit 04/2010

    Hmm,der Gedanke von Trek ist durchaus nachvollziehbar aber leider (offensichtlich) schlecht umgesetzt.
    statt den zwei neuen Scratch-Modellen hätte Trek dem Ruf der Kunden nachgehen sollen und einfach ein stabileres Remedy rausbringen sollen.
    Das espart Marketing und Verwirrung.

    Auch wenns nicht Trek ist würde mich ein Testbericht vom Votec VF.R 2010 brennend interessieren.
    Warum? Erstens weil ichs selber besitzesmilie und zweitens meiner Meinung nach genau das ist was Trek da versucht hat.
    Nämlich ein potenter Downhiller/Freerider mit super Uphill-Eigenschaften und geringem Gewicht(je nach Aufbau natürlich) .

    Fahre nur ein Blatt und ne BoxxerWC und bin erstaunt wie gut sichs damit Touren lässt.

    Wurde oft getestet,leider wenig aussagend bishin zu Falschinformationen.

    Was meint ihr? smilie

  4. benutzerbild

    Thomas_v2

    dabei seit 08/2007

    Hmm,der Gedanke von Trek ist durchaus nachvollziehbar aber leider (offensichtlich) schlecht umgesetzt.
    statt den zwei neuen Scratch-Modellen hätte Trek dem Ruf der Kunden nachgehen sollen und einfach ein stabileres Remedy rausbringen sollen.
    Das espart Marketing und Verwirrung.

    Auch wenns nicht Trek ist würde mich ein Testbericht vom Votec VF.R 2010 brennend interessieren.
    Warum? Erstens weil ichs selber besitzesmilie und zweitens meiner Meinung nach genau das ist was Trek da versucht hat.
    Nämlich ein potenter Downhiller/Freerider mit super Uphill-Eigenschaften und geringem Gewicht(je nach Aufbau natürlich) .

    Fahre nur ein Blatt und ne BoxxerWC und bin erstaunt wie gut sichs damit Touren lässt.

    Wurde oft getestet,leider wenig aussagend bishin zu Falschinformationen.

    Was meint ihr? smilie

    Klar, das VF.R ist auch recht variabel aufzubauen. Das Rad stand bei mir auf der Suche nach einem Enduro/Freerider auch zur Wahl. Leider hatten die Leute in Wenden kein Testrad vor Ort zur Verfügung (es stand aber eins mit Boxxer im Laden, da durfte man nichtmal testsitzen, vielleicht wars ja deins?) und hatten auch sonst nicht wirklich Lust mir ein Rad zu verkaufen.
    Aber ein Kettenblatt vorne? Das schränkt die Bergauffähigkeit doch schon stark ein.

    Vielleicht gibt es aber bezüglich des Scratch nochmal einen kleinen Nachtrag zur Air-Version. Die Geometrie scheint laut diesem Bericht zumindest prinzipiell noch tourentauglich zu sein.
  5. benutzerbild

    Solidcruiser

    dabei seit 04/2011

    ich liebe mein scratch jetz schon obwohl ich erst eine woche habe smilie

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