Während unseres USA- und Kanada-Trips hatten wir in Vancouver auch einen Besuch im Kona-Hauptquartier vereinbart. Bei der Planung im Hotel fiel uns auf, dass Kona quasi um die Ecke lag – Yodas Stimme leitete uns im Auto Richtung Hafendistrict. In der Email von Mitchell stand, dass wir nach der „orangenen Hausfront“ Ausschau halten sollten. Als diese dann links von uns auftauchte, waren wir uns dennoch nicht sicher. Wieder mal kein Firmenschild, nur das Gesicht des Mannes der gerade zu seinem Auto ging kam mir bekannt vor… Nach dem wir das Auto geparkt hatten, schüttelten wir Doug Lafavor, auch bekannt als „Dr. Dew“, die Hand. Wir waren richtig.
Dr. Dew empfängt uns
Die Gegend hier in der Nähe des Güterbahnhofes sei nicht unbedingt die beste und so möchte man nicht groß auffallen mit einem glänzenden Firmenschild. Hinter der Tür tut sich das Hauptquartier von Kona auf – früher wurden hier auch Bikes zusammengebaut, jetzt dient das Gebäude als Lager für alte Schätze, für die Flotte der Messebikes und für Sondergeschichten, die nicht den normalen Vertriebsablauf gehen. Zusätzlich sitzt hier in der Railway Road auch die „Chefetage“ von Kona – die Gründer Jacob Heilbron und Dan Gerhard – zusammen. Kona wurde 1988 als „Cascade“ gegründet, musste den Namen aber kurz darauf ändern, seitdem heisst das Unternehmen Kona.
Dr. Dew hob im Eingangsbereich eine Machete hoch. Die liegt hier einfach so rum, „für den Fall der Fälle“, erklärte er uns grinsend. Links stand ein Teil des Lagers offen. Wir folgten dem Doc in den Keller. Überall hingen Bikes. Wieder mal ein komplettes Kontrastprogramm, wenn wir uns an das cleane Firmengebäude von Norco erinnern. Nur hier bei Kona stimmte die Vorstellung mit dem aktuellen Bild überein.
Ein Kona Prototyp an dem aktuell gearbeitet wurde – designed by Stefan Stark aus Germany
Ein Weltmeister-Trikot von Fabien Barels
Beim nicht ganz so typischen Hausbesuch erfahren wir viel über die Geschichte von Kona und Dr. Dew plaudert aus dem Nähkästchen…
Hier das Video zum Hausbesuch – Film ab:
Zu Besuch bei Kona von Thomas auf MTB-News.de
Nachdem wir bei Kona alles gesehen hatten, fuhren wir mit zu Dik – einem der Mitarbeiter. Er lud uns ein zu sich nach Hause. In seinem fahrenden Wohnzimmer glitten wir Richtung DeepCove am Mt Seymoure.
Von dort aus machten wir uns gleich auf den Weg auf seine Cross-Country-Hausrunde. Was Cross-Country hier in Kanada bedeutet, entsprach nicht unbedingt der Vorstellung, die wir aus Deutschland davon hatten!
Mit den beiden Hunden im Schlepptau ging es los. Dik nahm uns mit auf „die leichteste“ Crosscountry-Hausrunde hier am Berg. Er fährt sie seit über 20 Jahren, wie er meinte.
Nach einer Stunde extrem technischem Uphill (teils mit Schieben und Tragen) erreichten wir den Streckeneinstieg zu „Sticks and Stones“ („Stock und Stein“). Sehr treffend gewählter Streckenname. Dik düste davon. Er kennt hier jeden Stein und jede Wurzel persönlich – mit Vornamen. Ich versuchte dran zu bleiben, was in diesem Gelände wirklich schwierig war. Die Strecke war schwer einsehbar und nach so mancher Kurve ging es plötzlich in einen kurzen Gegenanstieg. Man war sehr oft am Schalten und der Sattel blieb am besten in einer niederen, mittleren Position.
Wir flogen zwischen Wurzeln, Steinen, riesigen Bäumen und Farnen dahin. Sonnenlicht flackerte durch das dichte Laubdach. Diks Hunde jagten mit uns durch den sehr alt wirkenden Wald über den Trail oder neben uns durchs Dickicht. Die Zeit stand still, während wir uns dem Flow auf dem Trail hingaben. Wir konnten nicht sagen, wie lange wir schon unterwegs waren. Auch wenn Dik zeitlich knapp bemessen war, machten wir hin und wieder Fotostops.
Die Kombination aus Bikern und Hunden wirkte in diesem Wald fast unecht. Während einer Pause sahen wir uns ungläubig um – wir saßen inmitten des wahrhaftig gewordenen Bikermekkas. Diese Bilder sah ich das erste Mal vor vielen Jahren auf einer VHS Kassette mit der Aufschrift „Kranked“ und nun fuhren wir selbst durch diese Szenen. Wahnsinn!
Bei einem der Stops klärte uns Dik auf, dass das hier eine offizielle Crosscountry Runde sei, die er auch immer mit der Schulklasse fahre, welche er betreut. Um die 400 Kinder fahren hier in der Gegend bei wöchentlichen Rennen mit!
Crosscountry…? Okay, es gibt kein durchgängiges Gefälle – aber was den Untergrund angeht, konnte man die Strecke durchaus mit Bad Wildbad vergleichen. Auf dem Rückweg trafen wir im Wald noch zwei Locals. Einer schob sein Rad mit einer Hand. Bei einem Sturz hatte er sich gerade an der Hand verletzt, ein gebrochener Knochen stand aus dem blutigen Handrücken heraus. Dik klärte kurz ab ob sie sich auch auf dem schnellsten Weg zum Parkplatz befinden und wir zogen mit einem mulmigen Gefühl weiter. Die ständig nassen Wurzeln und Steine fordern anscheinend ihren Tribut.
Dik leitete am gleichen Tag noch ein Schul-Mountainbike-Projekt und musste direkt nach unserer Tour noch mal für zwei Stunden los. Wir waren etwas länger unterwegs als geplant und so erklärte er uns kurzangebunden, dass seine Frau gerade weiter oben auf dem Berg Schneeschuhlaufen ist und wir so lange allein im Haus sind. Wir sollen duschen und es uns bequem machen. Bier sei in der Kühlbox neben dem Haus, im Kühlschrank fänden wir was zu essen, wir sollen uns einfach selbst bedienen. Wenn wir Internet bräuchten sollten wir an den iMac im Erdgeschoss gehen – alles kein Problem.
Man hatte zwar davon gehört dass in Kanada Haustüren nicht verschlossen sind, aber als wir das nun wirklich erleben ist das schon ein wenig irritierend. Ganz ehrlich. Wer würde zwei Leuten, die er am gleichen Tag das erste Mal gesehen hat, direkt das ganze Haus zur Verfügung stellen?
Wir schnappten uns ein Dosenbier und schlenderten runter zur Pier. Während wir die letzten Sonnenstrahlen genossen, fuhren die Bewohner der küstennahen Häuser ihre Einkäufe mit dem Boot nach Hause. Anscheinend hatte es niemand so richtig eilig, denn alle machten einen grundentspannten, freundlichen Eindruck.
Nach eineinhalb Stunden machten wir uns auf den Rückweg und als wir die Haustür öffneten, sah uns Diks Tochter an. „Oh you’re coming in my house? My father must have invited you – he does this all the time.“
Wir blieben noch zum Abendessen und konnten unsere Blicke bei Käsepasta und Roastbeefsandwiches kaum von der Bucht lösen.
Das Angebot, noch über Nacht zu bleiben, mussten wir leider ablehnen, schliesslich mussten wir am kommenden Morgen zum Flughafen und unser Zeug lag noch im Hotel. Völlig erledigt fuhren wir nach einem sehr langen Tag zurück nach Vancouver.
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