Meine erste hydraulische Scheibenbremse habe ich 2003 gekauft – eine Magura Louise FR. Mit dieser Bremse haben ich das Wheelie- und auch das Manual-Fahren gelernt und so manchen Höhenkilometer vernichtet. Als ich dann jedoch das erste Mal eine Formula The One an einem anderen Rad gefahren bin, hat das Grübeln angefangen. Was macht eine gute Bremse aus? Und wie sollte sich eine perfekte Bremse anfühlen?

Im Vergleich zu meiner Magura von damals, ist die Formula The One in ihrer aktuellen Version immer noch grundlegend anders als die meisten Bremsen, die gegenwärtig auf dem Markt angeboten werden. Nach einer kurzen Einbremsphase zeigt sich die The One als schnippische Italienerin, denn wer hier mit zwei Fingern zupackt, kann schnell Opfer einer beinahe digitalen Bremsmodulation werden: An oder Aus, dazwischen 2mm Hebelweg. Da die Bremse dennoch sehr weit verbreitet ist und folglich etwas an ihr dran sein muss, kommt hier nun der Fahrbericht.

Technische Daten

    Geberkolben
  • integrierter Ausgleichsbehälter
  • zweiteilige Lenkerklemmung
  • Flip Flop Montierbar (jeweils rechts oder links)
  • Material: Aluminium, Carbonhebel als Option (-6g)
  • Hartanodisierter Geberkolben Zylinder
  • Bremsmedium: DOT 4
  • werkzeugfreie Hebelweitenverstellung im Hebel integriert
  • FCS – Feeling Control System –> Druckpunktverstellung
  • .

    Bremszange

  • einteilig geschmiedet
  • Zwei-Kolben-System mit 24mm Kolbendurchmesser
  • Material: Aluminium
  • Beläge: Sintermetall
  • Leitungsabgang frei drehbar
  • Belagswechsel nach oben ohne demontiertes Rad möglich
  • Postmount Montagestandard
  • .

    Bremsschreiben

  • Scheibengrößen
    1-teilig: 160mm / 180mm / 203mm
    2-teilig: 140mm, 160mm, 180mm, 203mm
    2-teilig mit Centerlock Aufnahme: 160mm, 180mm
  • Optional: SpeedLock (Schnellverschuss für die Leitungen) und MixMaster (Klemmschelle für Sram Schalthebel)
  • .

    Farben

  • schwarz mit golden eloxierten Schrauben – die hier gezeigte rote Version ist nur für OEMs bestimmt und deshalb sehr selten im Aftermarket verfügbar.

Gewicht

Einsatzbereich

  • XC, All-Mountain, Enduro, Freeride, Dowhill

UVP: 498€ (Set vorne und hinten)

In der Hand
Abgesehen von den Griffen gibt es kaum ein Produkt, dass man so viel in der Hand hat, wie den Hebel einer Bremse. Aus diesem Grund ist der Hebel dann auch wieder einer der entscheidenen Faktoren, die über Lust oder Frust mit einer Bremse entscheiden. Bei der Forumla The One ist der Hebel als Zwei-Finger-Hebel ausgeführt und wie eingangs schon geschrieben sollten zwei Finger in der Regel auch reichen, um den Fahrer über den Lenker zu katapultieren. Während von älteren Jahrgängen noch berichtet wurde, dass der Hebel teilweise verbiegen könne, macht der aktuelle Hebel mit integrierter Rändel zur Einstellung der Hebelweite einen soliden Eindruck, auch wenn der Drehpunkt durchaus größer ausgeführt werden könnte. Für meine Hände liegt der Hebel sehr gut in der Hand und dank der starken Biegung im ersten Drittel liegt der Druckpunkt angenehm nah am Lenker.

Bei der Montage der Bremse fällt zu allererst auf, dass Formula an den Bremszangen nicht wie Sram / Avid auf ein kleines Sammelsurium an Unterlegscheiben setzt, sondern die Postmount-Zangen direkt mit nur einer Unterlegscheibe anschraubt. Solange die Aufnahme an Rahmen und Gabel präzise gefertigt ist, überzeugt diese Lösung – sollte eine der Aufnahmen einmal nicht perfekt sein, ist hier jedoch mit Schleifen und gegebenenfalls Quietschen (dazu später mehr) zu rechnen. Gewicht spart es auf jeden Fall, genau so, wie die winzigen Aluminiumschrauben zur Fixierung der zweiteiligen Lenkerklemmung. Durch die geklemmte Schelle können die Hebel unabhängig von den Griffen am Lenker montiert werden. Zusätzlich sind die Geberkolben so designed, dass die Bremse sowohl links, als auch rechts montiert werden kann. Das klingt relativ lapidar, doch kann durchaus interessant sein, wenn der Kumpel das Bike ausleiht und Hobby-MX-Fahrer ist ;).

Insgesamt ist die Montage der Bremse damit denkbar einfach und kann höchstens an den sehr leichten, aber vielleicht auch genau deshalb nicht perfekt rund laufenden Scheiben scheitern. Die große 200er Scheibe an unserer Vorderradbremse hat bereits aus der Packung einen minimalen aber hörbaren Seitenschlag gehabt. Toleranzen für solche Abweichungen bietet die The One nicht, denn zwischen den neuen Bremsbelägen ist kaum mehr als ein Haar unterzubringen. Zu einem gewissen Grad kann solch eine Scheibe gerichtet werden, aber Wunder passieren leider nur selten. Die optionalen, zweiteiligen Scheiben mit Aluminium-Teller sollten in dieser Hinsicht besser abschneiden, waren aber zu Testbeginn Anfang 2011 noch nicht verfügbar. Mittlerweile sind die Scheiben im Einzelhandel und Internet verfügbar.

Ist die Scheibe dann am Rad, erfolgt die Einstellung auf die persönlichen Vorlieben. Die Hebelweite lässt sich einfach und in einem sinnvollen Bereich direkt am Hebel einstellen (ohne Werkzeug). Zusätzlich bietet das FCS-Modell der The One noch die Möglichkeit, über ein „feeling control system“ genanntes System den Druckpunkt der Bremse einzustellen. Tatsächlich verändert das kleine rote (in der normalen Serie goldene) Einstellstück am Beginn der Leitung die Leitungslänge und ermöglicht es dadurch, in einem gewissen Rahmen Einfluss auf den Abstand der Beläge zur Scheibe zu nehmen. Dadurch kann wiederum der Hebelweg in einem gewissen Rahmen eingestellt werden. Ist diese Einstellung jedoch ein Mal getroffen, kann sie nur noch benutzt werden um der automatischen Belagnachstellung nachzuhelfen. Wer noch ein aktuelles Modell ohne FCS besitzt und es gerne nachrüsten würde, kann das problemlos machen.

Abseits ihrer Features betrachtet, macht die Formula The One einen sehr guten Eindruck. Alle Logos sind fein eingelasert und die Oberflächen wirken hochwertig. Unterstrichen wird dieser sehr gute haptische Eindruck von der sehr kompakten Bauweise, die das erstaunlich geringe Gewicht ermöglicht. So könnte die Bremse je nach Scheibengröße tatsächlich für eine Vielzahl von Einsatzbereichen interessant sein.

Auf dem Trail
Über ein Jahr habe ich die Formula The One FCS nun an meinem Projektbike gefahren und nach wie vor machen sie einen hervorragenden Eindruck. Am Vorderrad ist bislang ein Belagwechsel fällig gewesen, während am Hinterrad noch das erste Paar der Serienbeläge zuverlässig seinen Dienst tut. Abgesehen von den ersten Einstellungen direkt nach der Montage, habe ich keine Veränderungen an der Bremse mehr vorgenommen. Nach einer kurzen Einbremsphase hat die Bremse immer mehr als genug Bremskraft bereitstellen können und selbst in den steil verblockten Kehren hinunter vom Monte Misone (IT) habe ich zu keiner Zeit mehr als einen Finger an die Bremse nehmen müssen, um sicher zum Stehen kommen zu können. Genau so muss das sein.

Die große Bremskraft muss auch kontrolliert werden können!

Ein zweiter Punkt abseits der schieren Bremskraft ist die Modulation der Bremse. Die Frage lautet hier: Wie lässt sich die Bremskraft kontrollieren? Der Hebelweg der The One ist auch bei komplett herausgedrehtem FCS System knackig kurz gewesen und wer hier unbedarft zugreift, erlebt das „digitale Bremsgefühl“, dass ich als ersten großen Unterschied zu meiner ersten Magura Louise FR eingangs beschrieben habe. Der digitale (also von nur zwei Zuständen geprägte) Charakter trifft jedoch nur zum Teil zu, denn obwohl der Hebelweg sehr kurz ist, kann die Bremse sehr feinfühlig bedient werden. Jedenfalls wenn die Finger das mitmachen. Bei den letzten Ausfahrten in extremer Kälte und in Folge dessen kalten Fingern hat mir dieser Umstand zu schaffen gemacht, doch abgesehen davon bin ich über das Jahr hinweg stets sehr gut mit der The One gefahren. Hat man sich erst an das Hebelgefühl gewöhnt, so macht diese Bremse richtig Spaß und vermittelt genügend Sicherheit, um auch in steilen Passagen nicht über das Bremsen nachdenken zu müssen. Aus diesem Grund wird die The One auch sehr häufig in Verbindung mit Downhill und Rennen genannt. Hier zahlt sich der konstante Druckpunkt und die gute Fading-Resistenz aus. Mit meinen 75kg (inkl. Tourenrucksack) habe ich die Bremse jedenfalls nie überbelasten können.

Ein Punkt, der jedoch immer wieder den sonst sehr guten Gesamteindruck getrübt hat, ist die Quietsch-Anfälligkeit der Scheiben gewesen. Während das teilweise im Internet beschriebene Rubbeln bei mir nicht nachzuvollziehen gewesen ist, haben die Bremsen schon bei wenig Feuchtigkeit teils extrem zu quietschen angefangen. Gleiches galt für den Fall, dass ich die Absenkungsfunktion meiner Federgabel verwendet habe. Das durch Verzug im Casting herbeigeführte leichte Schleifen der Beläge ist immer wieder von einer Schwingung der Scheiben reflektiert worden, was zu teils recht nervigen Uphills geführt hat. Hier macht sich das extrem geringe Spaltmaß zu den Belägen hin negativ bemerkbar. Bei einer kurzen Runde mit einem anderen Laufradsatz und Shimano Scheiben konnte ich diese Quietschneigung nicht reproduzieren, weshalb ich davon ausgehe, dass die Geräuschentwicklung tatsächlich an den sehr leichten Formula Scheiben liegt.

Fazit
Bremsen oder nicht bremsen – das ist hier die Frage. Nicht nur mit großen 200er Scheiben beißt die Formula The One mit überzeugender Bremskraft zu und erfreut mit konstantem Hebelgefühl auch bei langen Abfahrten. Wer gerne einen etwas weicheren Druckpunkt haben will, der kann über die Druckpunkteinstellung FCS die Charakteristik ein wenig beeinflussen, doch die The One ist und bleibt eine scharfe Bremse, die sich auf Grund ihrer gewaltigen Bremskraft besonders – aber nicht nur – für den Downhilleinsatz empfiehlt.

Pro

    + hervorragende Bremskraft
    + einfache Montage, Belagwechsel und Einstellung
    + geringes Gewicht

Contra

    – hoher Preis
    – Bremsscheiben anfällig für Seitenschläge und Quietschen
    – kein Mineralöl sondern DOT als Bremsflüssigkeit

Bildergalerie zur Formula The One FCS
Formula The One FCS Review TS 08 Formula The One FCS Review TS 09 Formula The One FCS Review TS 10 Formula The One FCS Review TS 11 Formula The One FCS Review TS 12 Formula The One FCS Review TS 13 Formula The One FCS Review TS 14 Formula The One FCS Review TS 15 Formula The One FCS Review TS 16 Formula The One FCS Review TS 17 Formula The One FCS Review TS 18 Formula The One FCS Review TS 19 Formula The One FCS Review TS 20 Formula The One FCS Review TS 21 Formula The One FCS Review TS 22 Formula The One FCS Review TS 23 Formula The One FCS Review TS 24 Formula The One FCS Review TS 25 Formula The One FCS Review TS 26

Bilder von Tobias Stahl, Fabian Baretzky und Thomas Schreiber

Weitere Informationen zur Formula The One FCS (Entlüftung, Leitungen, Wartung) findet ihr auf der Homepage von Formula.

  1. benutzerbild

    Yukio

    dabei seit 09/2010

    Du bist ja ein ganz schöner Paragraphenreiter.

    Nein, es ging nur um die Einschätzung deinerseits zu Gefahrenstoffen und ist das Ergebnis einer 120 Sekunden Google-Suche.

    Zur Giftigkeit
    DOT5, aus http://images.raiffeisen.com/Raicom/sdb/444/a9r59.pdf
    4. Erste Hilfe-Maßnahmen
    4.1 Allgemeine Hinweise: Berührung mit Haut und Augen vermeiden. Benetzte Kleidung sofort wechseln.
    Dämpfe wirken narkotisch.
    4.2 Nach Einatmen: Für Frischluftzufuhr sorgen. Bei Beschwerden Arzt konsultieren.
    4.3 Nach Hautkontakt: Benetzte Haut mit Wasser und Seife abwaschen und gut nachspülen.
    4.4 Nach Augenkontakt: Augen bei geöffnetem Lidspalt mehrere Minuten unter fließendem Wasser spülen. Bei anhaltenden Beschwerden Arzt konsultieren.
    4.5 Nach Verschlucken: Kann Erbrechen hervorrufen. Reichlich Wasser nachtrinken und Frischluft zuführen.
    Unverzüglich Arzt hinzuziehen.

    Klingt nicht wirklich gut und ist auch in anderen Datenblättern zu anderen Bremsflüssigkeiten so oder ähnlich beschrieben.
  2. benutzerbild

    vitaminc

    dabei seit 08/2009

    Shimano Saint, auch bei -15 Grad ohne Probleme. DOT oder Mineralöl, mir völlig bums. Ein gutes Argument welches hier geliefert wurde: Mineralöl greift den Lack nicht an, DOT schon. Alles andere: eher unwichtig.

    Die K18 kommt auch in diesem Thread nicht gut weg, ich hab diese auch nach 1 Jahr vom Rad geschmissen. War halt seitens Formula kein ausgereiftes gutes Produkt, andere wie The One oder RX sind da wohl schon besser, und trotzdem würde ich mir einfach keine Formula-Bremse mehr ans Bike schrauben, die vorallendingen für eines steht: Leicht zu sein!

    Mit nahezu jeder Bremse schafft man es die Räder zu blockieren und über den Lenker zu fliegen. Vorhandene Reserven beim Bremsen zu spüren ist nicht ganz unsexy smilie

  3. benutzerbild

    Shughart

    dabei seit 11/2007

    Weiss jemand was der Unterschied zwischen der normalen Formula the One und der Formula the One R die am Specialized Stumjumper (Link) verbaut ist?

    ich würde einfach mal behaupten, dass der Unterschied die Farbkombination sw/rot ist beim Stumpjumper, welche im Aftermarket nicht zu kaufen gibt(nur sw/gold) smilie
  4. benutzerbild

    neo-bahamuth

    dabei seit 08/2004

    Nein, es ging nur um die Einschätzung deinerseits zu Gefahrenstoffen und ist das Ergebnis einer 120 Sekunden Google-Suche.

    Zur Giftigkeit

    Gilt auch so für das Isopropanol, mit dem ich die Bremsscheiben oder meinen Monitor reinige. Die Dämpfe machen sogar sehr schläfrig, hab das mal in einem nicht belüfteten Raum verschüttet.
    Abflussreiniger auf Natriumhydroxitbasis ist eine ganze Nummer härter, damit wasche ich auch manchmal grob verschmutztes Geschirr.

    Worauf ich hinaus will ist halt nur, dass das eben nicht wirklich schlimmer als diverse Haushaltsmittel ist, die leute aber immer gleich meinen, es ätz Hand und Rahmen binnen Sekunden weg.
  5. benutzerbild

    nico135

    dabei seit 06/2013

    Meine the one greift vorne überhaupt nicht.
    Wenn ich sie ein wenig eingefahren habe, greift sie ein wenig besser.
    Kann es sein das es an der Scheibe liegt?
    Habe nämlich eine von Saint dran.

Was meinst du?

Wir laden dich ein, jeden Artikel bei uns im Forum zu kommentieren und diskutieren. Schau dir die bisherige Diskussion an oder kommentiere einfach im folgenden Formular:

Verpasse keine Neuheit – trag dich für den MTB-News-Newsletter ein!