Sam Hill – vor Jahren unerreicht und unerklärlich schnell. Doch auch heute noch kann Hill durch seinen Fahrstil auf sich aufmerksam machen. Der unscheinbare Australier hat es zu einem wahren Star-Status über die Grenzen der Downhill-Szene hinaus geschafft. Die Art und Weise, wie Sam die Downhill-Strecken dieser Welt hinabknüppelt, bezeichnen viele nicht ganz unbegründet als völlig gestört – ja, sogar geisteskrank. Seit einigen Jahren ist er im Rennstall von Specialized zu Hause, was eine Neuauslegung des Kult-Bikes Demo mit sich brachte.
Vom Freeride-Bike mauserte sich das Demo mit Hilfe von Sam Hill zu einer echten Race-Maschine. Doch Rennsportprodukte die nicht aus Kohlefaser bestehen, haben es heutzutage schwer. Dieser Auffassung schienen auch die Specialized-Ingenieure gewesen zu sein, und so tüftelten sie ganze zwei Jahre daran, ihr Demo auf eine wettkampfoptimierte Carbon-Plattform zu stellen. Um den Erfolg dieses Projekts gebührend zu feiern, lud Specialized zu einem exklusiven Presse-Camp der etwas anderen Art. Action, Geschwindigkeit und Rennfeeling waren dabei oberste Prämisse.
# Sam Hill beim der Streckenbegehung
Präsentation am Samstag
Samstag, 13 Uhr in Val di Sole: Mit meiner Kamera im Anschlag stehe ich an einer der anspruchsvollsten DH-Strecken, die der Downhill World Cup je gesehen hat. Durch meine Linse sehe ich die schnellsten Piloten des Planeten mich Höchstgeschwindigkeit über den tückischen Kurs flitzen. Lediglich ein Flatterband trennt mich von jenem Untergrund, den ich liebend gern selbst unter die Stollen nehmen würde. Wenige Meter über mir sich hat sich mein Kollege Jens positioniert. Auch er presst sich die Kamera ins Gesicht und versucht den Schuss des Tages zu landen. Auch wenn er noch so konzentriert erscheint, verraten seine Augen sein Verlangen – das Verlangen, die Geschwindigkeit am eigen Leib zu fühlen.
# Sam Hill – die Legende aus Down Under
Jens wischt sich den Schweiß von der Stirn, schaut den steilen Hang hinab und schreit: „Morgen, morgen sind wir an der Reihe!“ Was er mir mitteilen möchte, ist die Vorfreude auf die bevorstehende Präsentation des neues Demo Carbon – jenem Bike, auf dem Sam Hill und Troy Brosnan bereits im Vorjahr bei der WM in Champery gesichtet wurden. Die Präsentation verspricht ein paar action-geladene Tage mit dem Monster Energy Specialized-Team, allen vor Sam Hill. Der wichtigste Punkt der Tagesordnung ist daher für uns – „Test Ride“.
# 1-Sam Hills Carbon Demo S-Works im Monster Setup
Auch wenn es ein offenes Geheimnis ist, was Specialized uns am Abend präsentieren möchte, so haben es die Kalifornier dennoch geschafft ihr neues Baby von allen Kameras fernzuhalten. Nach getaner Arbeit an der Strecke begeben wir uns geradewegs zum Specialized Truck, welcher der Journalistenmeute für die kommenden Tags als Basis dienen wird. Der erste Blick unter das Zelt lüftet das Geheimnis, welches eigentlich nie eins war. Specialized greift zum ersten Mal nach der Epoche Shaun Palmer mit einem S-Works Modell auf dem DH-Markt an. Mattschwarz und feuerrot steht es vor uns. Zu schön um es schmutzig zu machen, zu verlockend es nicht zu tun. Um allen Eventualitäten vorzubeugen, haben die Jungs von Specialized vorausgedacht und für passende medizinische Versorgung aus England gesorgt. Die beiden Damen dienen mehrheitlich zur Unterhaltung, können damit jedoch beim ausstehenden Publikum punkten.
# Eigens für den DEMO Launch aus England eingeflogen: die Specialized-Krankenschwestern
Erste Ausfahrt am Sonntagmorgen
Auch wenn das Finale kurz bevorsteht und das letzte Training actiongeladene Bilder verspricht, so lassen Jens und ich Job einmal Job sein und bevorzugen es, den eigenen Gelüsten zu frönen. Voller Tatendrang stehen wir vor allen anderen in voller Montur am Sonntagmorgen am Specialized Team-Truck und warten auf dessen Besatzung. Kurz nach dem diese eingetroffen ist, legen wir in Windeseile damit los, die Carbon Demo Test-Bikes auf uns abzustimmen. Nur wenige Minuten später sitzen wir bereits im Lift, Jens mit einem Carbon Demo 1 und ich auf einem feuerroten S-Works. Beim Rollen aus der Gondelstation bemerken wir, dass die Bike wirklich brandneu sind – die Bremsen scheinen noch nicht zu wissen, was ihr Job ist. Egal – bremsen ist ohnehin nicht unser Ziel. Wir wollen Geschwindigkeit – das Briefing der Specialized-Mitarbeiter lassen wir aus und begeben uns geradewegs auf die Freeride-Strecke. Zugeben, den Top-Speed können wir bei dieser Abfahrt nicht erreichen, aber der Spaßfaktor ist dennoch auf Höchstniveau. Zweite Abfahrt – das Material weiß nun, was es zu tun hat und wir wissen, wo es lang geht. Bremsen auf und ab durch die Mitte – endlich geht es vorwärts.
# Vorbereitung zur ersten Testfahrt
Wir sind jedoch nicht die Einzigen, die sich von den restlichen Journalisten gelöst haben. Zu uns gesellen sich Brandon Sloan [Product-Manager der FSR Performance Bikes] und Sam Bendikt [Marketing International], die ebenfalls gern schnell unterwegs sind. Gemeinsam geht es über die sehr flowige Freeride-Strecke am Rande des World Cup-Tracks hinab ins Tal. Nach ein paar wenigen Veränderungen am Set Up geht es ohne Umwege wieder nach oben. Der Adrenalinspiegel steigt mindestens so wie unsere Geschwindigkeit. Bevor wir das Ziel erreichen, geht es noch über die 4Cross Strecke – die dortigen Sprünge müssen auch ohne Besichtigung gehen. Das muss fürs Erste reichen, denn immerhin steht das Finale des World Cup-Wochenendes kurz bevor und das möchte keiner von uns verpassen.
# Ehrfürchtig berührt Jens die Stelle, an der Sam Hill bei der WM 2008 zu Sturz kam.
# Kurz darauf landete Jens in besagter „Gedächtniskurve“ diesen „Top-Shot“ von Sam.
Abendessen am Sonntagabend
Das Finale liegt zurück und der erhoffte Sieg für Sam und das Monster Energy Specialized Team blieb aus. Über ein schlechtes Ergebnis kann sich jedoch niemand beklagen – mit Sams siebten Platz scheinen alle mehr oder weniger zufrieden zu sein und so ist die Stimmung beim Abendessen in einer traditionellen italienischen Pizzeria ausgelassen und fröhlich. Während die Journalisten-Meute immer noch euphorisch über das Rennen und die Leistung von Sieger Aaron Gwin debattiert, sitzt Sam mit seinem Team entspannt und ruhig ein wenig abseits. Würde er nicht ab und zu ein paar wenige Worte mit seinem Mechaniker Scott wechseln, könnte man fast auf die Idee kommen, Sam hätte sich meditierend von der Außenwelt abgekapselt. Nachdem der Hauptgang verputzt ist, schaltet der Restaurant-Betreiber den Fernseher ein – wie bestellt startet just in diesem Moment die Wiederholung des Rennens im italienischen Sportfernsehen. Die Begeisterung der italienischen Presse-Kollegen ist kaum zu überhören. Lautstark kommentieren sie das Renngeschehen. Immer wieder grölen die Italiener und bringen ihre Sympathie und Antisympathie gegenüber den US-Amerikanern und den Briten zum Ausdruck.
Dann ist es so weit – auf dem Bildschirm taucht er auf – der Name des anwesenden Stars. Noch immer verzieht Sam keine Miene, auch nicht, als er sich selbst aus dem Starthaus fahrend sieht und um ihn herum eine Art Live-Stimmung ausbricht. Auf dem Bildschirm kommen die kaum vorstellbaren Linien des kleinen Australiers erst so richtig zur Geltung, die Anwesenden können und wollen ihre Begeisterung nicht verbergen, doch Sam scheint das alles kalt zu lassen. Er würdigt die Anwesenden keines Blickes und starrt wie eingefroren auf den Bildschirm. Dann, kurz vor Schluss: man sieht, wie Sam vor dem Ziel hat eine Kurve schneidet und mit einem Wahnsinns-Tempo in den Hang fliegt. Bei der Landung bricht das Hinterrad aus und eine riesige Staubwolke steigt explosionsartig in die Luft – er rettet diese Aktion jedoch und bleibt auf dem Rad. Die Specialized-Mitarbeiter können sich kaum noch auf den Stühlen halten – für einen kurzen Moment kann sich auch Sam das Lächeln nicht verkneifen. Er selbst hat sich aus der Deckung gelockt und seine Kühlheit gebrochen. Beim Zieleinlauf springen die italienischen Kollegen auf und geben lauten Beifall, der Rest schließt sich ihnen an. Sams überschwänglicher Gefühlsausbruch ist bereits wieder eingefangen und wurde durch eine statische Körperhaltung ersetzt.
Test-Ride und Foto-Session am Montag
Der erste Blick aus dem Fenster lässt mir die Lust am Aufstehen schnell vergehen – so hatte ich mir den Montag nicht erhofft. Sintflutartige Regenfälle ergießen sich über das sonst so sonnige Tal. Für heute war das offizielle Foto-Shooting mit den neuen Bikes auf der World Cup Strecke angedacht. Ernüchtert machen wir uns auf dem Weg zum Specialized-Zelt, es wächst die Befürchtung, dass diese Foto-Session wohl ins Wasser fallen wird. Es dauert nicht lang und meinem Pessimismus steht ein gut gelaunter Fraser Britton gegenüber, der Fotograf für diesen Tag. Fraser scheint das Wetter nichts auszumachen. Über so ein bisschen Regen würde sich in seiner Heimat an der kanadischen North Shore niemand beschweren, merkt Fraser spöttisch an. Er ist hoch motiviert sich hinter die Linse zu klemmen – man merkt, dass er dieses Dreckswetter von der North Shore Vancouvers gewöhnt ist. Auch ich komme mehr und mehr in Stimmung und fange an, mich auf die bevorstehende Herausforderung zu freuen.
# Die Witterungsbedingungen verlangen nach einigen Veränderungen bei der Reifenwahl.
Mit dem Specialized Team-Bus geht es auf der engen Serpentinenstraße Richtung Start. Am Steuer sitzt Benno, der Fahrer des Specialized Factory Racing Teams. Man merkt Benno an, dass er Südtiroler ist und enge Serpentinenstraßen wohl im Blut zu haben scheint – der Bike-Hänger am Heck des Transporters scheint wohl das einzige zu sein was in davon abhält, die Kurven im Drift zu nehmen. Nachdem die Bikes entladen sind, wird kurz besprochen wer die Freeride- und wer die DH-Strecke bevorzugen würde. Beim Handzeichen zur World Cup-Strecke recken sich nur wenige Hände zögerlich nach oben.
# Every day I´m shuttling!
Auch wenn ich die Strecke vor einigen Jahren im Rennen bereits gefahren war, so anspruchsvoll hatte ich sie nicht mehr in Erinnerung. Vielleicht sind es jedoch nur die Verhältnisse, die den Ritt auf zu einem Kamikazeflug werden lassen. Die oberste Staubschicht hat sich zu einer Art Schmierseife transformiert und die zahlreichen Wurzeln scheinen wohl auch auf Kriegsfuß mit den Reifen unserer Bikes zu sein. Es ist eine Herausforderung hier mit einer halbwegs sauberen Linie hinabzukommen, geschweige denn mit Top-Speed. Nach einigen Versuchen habe ich eine Linie gefunden und versuche diese mit Geschwindigkeit zu bewältigen, schließlich möchte ich eins der edelsten DH-Bikes der Welt nicht einer Spazierfahrt unterziehen. Fraser feuert mich an und äußert Wünsche für ein gutes Foto – gesagt getan. Ich fühle mich pudelwohl und äußerst sicher auf dem S-Works. Es bedarf kaum einer Eingewöhnungsphase und schon lasse ich die Bremsen auf. Schnell stellt sich der WOW-Effekt ein. Nachdem wir die Bilder im Kasten haben, beginnt der eigentliche Spaß, eine Abfahrt nach der anderen absolviere ich und jage das Bike über die Piste. Erst als die Specialized-Fahrer keine Lust mehr haben zu shuttlen, werde ich ausgebremst. Dennoch war es ein hervorragender Tag zum Abschluss eines imposanten Wochenendes.
# Mit dem Fokus auf Spaß ging es die World Cup Stecke in Val di Sole hinab.
Sicher hat der ein oder andere User mitbekommen, dass wir in den vergangenen Monaten öfter über Specialized berichtet haben – dies hat den einfachen Grund, dass keine andere Firma dieses Jahr so viele Produktvorstellungen abgehalten hat wie die Kalifornier. Und wenn es neue, spannende Produkte gibt, ist es Ehrensache für uns, dass wir auch drüber berichten – egal, welche Marke. Dieser Artikel beinhaltet unsere Sicht des Demo Carbon-Launchs, soll euch einen kleinen Blick hinter die Kulissen geben und euch unterhalten – nicht mehr und nicht weniger.
Die Foto-Story zur Carbon Demo Präsentation
Track Walk mit Sam Hill
# Obwohl er seit längerer Zeit nicht mehr die Dominanz an den Tag legt wie vor einigen Jahren noch, so hat Sam dennoch stets das Podium im Visier.
# Selbst beim Track Walk wird Sam stets von seinem „Hofstaat“ begleitet.
Erstes Training am Donnerstag
# Volle Konzentration auch im Training
# Im Staub von Val di Sole – Sam Hill.
Die Präsentation
# Jason Chamberlain: der Entwickler des Demo und Vater des neuen Carbon Demo
# Brandon Sloan: ihm obliegt das Produkt-Management aller FSR Performance Bikes, darunter auch das neue S-Works Demo
# Specialized Carbon Demo – 499 Gramm Gewichtsersparnis
# Specialized Demo Carbon Team Replica – S-Works
# Das Specialized S-Works Demo 8 Team Replica beim Foto-Shooting mit Jens am Samstagabend.
# Specialized Demo Carbon Team Replica
# Auch die günstigere Variante konnte sich nicht vor Jens´ Linse verstecken.
# Für medizinischen Beistand war stets gesorgt.
# Ausführlich wurden die Neuerungen am Carbon Demo von Jason erläutert.
# Specialized S-Works Carbon Demo
Das Rennen
# Auch die Krankenschwestern fanden sich an der Strecke ein, um Sam die Daumen zu drücken.
# Sam Hill auf seinem S-Works Demo im Anflug auf das letzte Drittel der anspruchsvollen Strecke.
# Ein kurzer Moment des Luftanhaltens, doch Sam kann sein ausgebrochenes Heck wieder einfangen und bleibt mit letzter Mühe auf Kurs.
# Was ihm hier wohl durch den Kopf geschossen ist? An dieser Stelle stürzte Sam bei der WM im Jahr 2008.
# Für das Podium reichte es am Ende nicht, sein Top 10 Ergebnis ist jedoch zufriedenstellend.
Test Ride am Montag
# Bike Set-Up am Factory Racing Team-Truck.
# „get sick soon“ – ein kurzes Briefing vor der Abfahrt auf der World Cup-Strecke
# Ganz schön „dirty“, das neue S-Works Demo in freier Wildbahn.
# steil, steiler, Val di Sole
# Das Wetter machte den Test-Ride zu einem echten Erlebnis, aber vor allem zu einer großen Herausvorderung.
# schnell, schneller, Val di Sole
# Augen zu und durch!
# Zum gemütlichen Ausklang ein Filmchen – 3 Minutes Gaps von Clay Porter.
——————————————————————————————–
Text: Maxi Dickerhoff / Bilder: Jens Staudt, Fraser Britton & Maxi Dickerhoff
62 Kommentare