Vor etwa einem Jahr kam die SRAM XX1-Schaltung wortwörtlich in die Gänge: Bei der Vorstellung der 1×11-Schaltung in Schweinfurt hatten wir ein Dauertestbike von SRAM erhalten, das wir dauerhaft und viele, viele hundert Kilometer durch Matsch, Schnee und Staub getrieben hatten. Montiert war eine der ersten Versionen der XX1. Wie die Schaltung funktioniert hat, was sonst aufgefallen ist und ob die XX1 gut durchgehalten hat, lest ihr hier.

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# Das Liteville 301 Dauertestbike mit XX1, Rock Shox-Federelementen und Co.

Der XX1-Dauertest

Wie sah der Dauertest aus? Neben meinen privaten Bikes, an denen sehr oft Testmaterial verbastelt ist und die ebenfalls regelmäßig strapaziert werden, habe ich das Liteville eigentlich immer überall dabeigehabt – von der üblichen Hausrunde über Enduro- und Downhilltrails im Mittelgebirge bis hin zu alpinen Touren rund um Innsbruck. Als Schaltung kam die reguläre XX1-Komplettgruppe bestehend aus Kurbel, Kettenblatt, Kette, Kassette und Schaltwerk mit Trigger-Schalthebel zum Einsatz.

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# Beim XX1-Pressecamp mit brandneuem Liteville 301…

Das Liteville 301 sollte für das Jahr 2013 der primäre Begleiter sein und an Service nur das Nötigste gemacht werden: Reinigung mit Wasser, Sprühstoß aus der Muc Off-Flasche und ab und an einen Spritzer Kettenöl. Das Vertrauen in das Material seitens SRAM schien gut zu sein – auch eine Ersatzkette wurde nicht mitgeliefert.

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# …und vor einigen Wochen beim abschließenden Shooting.

Vorbereitung

Insbesondere wenn man von 3×9, 3×10 oder noch eher von 2×10 kommt, ist eine Schaltung mit nur einem Kettenblatt definitiv eine Umgewöhnung: Heftigere Sprünge zwischen den einzelnen Gängen und eine gewisse Limitierung am Berg – je nach Kettenblattgröße: Mit großem Blatt ist es bergauf durchaus anstrengend, mit kleinem Blatt erreicht man schnell die maximale Trittfrequenz. Dies ist direkt auch eine nicht unwichtige Entscheidung zu Beginn: Welche Kettenblattgröße ist für mich sinnvoll?

Fahre ich viele hundert Höhenmeter Uphill am Stück oder bin ich eher in welligem Terrain zuhause, wo es ab und an kleinere Steigungen gibt? Wie hoch ist der effektive Downhill-Anteil in meinen Trails, verlaufen diese eher technisch-verblockt oder schnell-flowig? Alle diese Faktoren sollte man vorab berücksichtigen, bevor man sich für eine Kettenblattgröße der XX1 entscheidet – denn günstig sind die Blätter nicht.

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# X-Sync-Kettenblatt vorher und nachher

Ich hatte zwei Kettenblätter zur Auswahl, die ich mir nach den oben genannten Kriterien ausgesucht hatte – ein 34er Blatt für den Allround-Einsatz im Mittelgebirge und zusätzlich ein 32er Blatt, um bergauf die entspanntere Version auszuprobieren. Ist die (De-)Montage eines Kettenblattes normalerweise eine machbare, aber dennoch fummelige Arbeit, sind die XX1-Blätter bereits mit einem Gewinde versehen und werden ohne zusätzliche Gegengewinde am Kurbelstern verschraubt. Das dauert nur wenige Augenblicke, sodass ich zwischendurch öfter wechselte.

Auf dem Trail

Die erste Ausfahrt beim XX1-Presselaunch in Schweinfurt war gerade rund 5 Minuten alt, als mein Schaltwerk seltsam schleifende Geräusche von sich gab – die Spannschraube am nagelneuen XX1-Modell war gebrochen [Maxi ereilte dieses Problem an seiner XX1-Gruppe ebenfalls – auch er fuhr die Gruppe aus einer der ersten Produktionen]. Beim Rollen auf der Straße. Ein denkbar schlechter Start des Dauertests, der mit dem Einsatz einer neuen Schraube nach zwei Minuten jedoch unverzüglich weitergehen konnte. Ein seltener Materialfehler, der in Anbetracht der Situation zeitlich nicht blöder hätte laufen können. Vorab: Es sollte der einzige wirkliche Defekt im Dauertest bleiben, auch die flugs eingesetzte Ersatzschraube hält bis zum heutigen Tag problemlos. Den Fahreindruck aus besagter erster Testfahrt lest ihr hier, nun möchten wir uns um die Erfahrungen im Anschluss kümmern.


# Beim Schnee-Nightride in Innsbruck

Bereits auf der Rückfahrt von Schweinfurt gab es den ersten Schnee – optimale Bedingungen für eine Schaltung, wenn sie richtig gefordert werden will. Die kommenden Wochen ging es primär auf die Hometrails. Hier hieß es zumeist: Matschig bergauf, noch matschiger hinunter. Oft genug waren Schaltwerk und Kassette schon nach einer Stunde Fahrtzeit ordentlich zugekleistert. Der Performance tat das kaum Abbruch – selbst mitten im Matsch schaltet die XX1 weiter präzise und schnell hoch und runter, das Schalten geht generell sehr knackig und direkt von der Hand.

Bringt durchaus Vorteile: 2fach hätte hier mehr Probleme
# Zwar nicht unser Testmodell – dieses sah allerdings öfter ähnlich aus.

Die üppige 420%  Übersetzungsbandbreite ist spürbar und wie schon beim Pressecamp stellt sich ein befriedigendes Gefühl beim Schalten ein: Der Daumen schaltet oben, der Daumen schaltet unten. Die Gänge klicken leise durch, die linke Hand verbleibt durchgehend am Lenker – gerade als vorheriger 2×10-Fahrer ist es enorm elegant, nicht mehr auf zwei Kettenblätter achten zu müssen! Wie sehr einem das auffällt, demonstrierten sowohl die welligen Trails Schweinfurts wie auch die nicht minder hügeligen Pfade in der Umgebung: Die Kette fliegt von Gang 1 bis zu Gang 11 und wieder hinunter, ohne dass man groß nachdenken muss. Dies lässt einem im Endeffekt auch schlichtweg mehr Konzentration für den Trail und die jeweiligen Hindernisse übrig.

Uphill

Für welliges Terrain perfekt, für alpines Terrain mit leichten Defiziten„Insbesondere die kurzen, knackigen Anstiege und ruppige Downhills sind das Lieblingsterrain der XX1, hier spielt das System seine Vorteile aus. Schwieriger wird es, wenn es richtig steil wird – da gilt es, den passenden Kompromiss zu finden. 11-fach-Schaltung ist nicht für jeden die sinnvollste Wahl, keineswegs – denn: gerade im alpinen Bereich gibt es oft lange, kräftezehrende Anstiege, wo ein leichter Gang zum entspannten Klettern gefragt ist. „Entspannt“ wird es bei einem 34er XX1 allerdings nur dann, wenn wirklich ordentlich Schmalz in den Waden steckt – oder man Nino Schurter heißt [Info von Maxi: Fabien Barel bestritt die gesamte Trans-Provence mit einem 38er XX1-Blatt].

Wechselt man stattdessen auf ein 32er Blatt, sind wiederum die Defizite im Downhill deutlich: Wird es schnell, ist das kleinste Ritzel der XX1-Kassette nur allzuschnell erreicht und man tackert wie eine Nähmaschine. Optimales Terrain sind also wie gesagt Mittelgebirge und Co. Empfehlenswert sind hier die Kettenblattgrößen 30/32 (mit Fokus Uphill) bis 34/36 (mit Fokus Downhill). Als bester Kompromiss hat mir die Größe 34 am besten gefallen, hiermit lässt es sich berghoch wie bergab gut leben.

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# Hannes gibt dem XX1 die Sporen.

So oft es ging, habe ich die XX1 getriezt und versucht, sie absichtlich und zugegebenermaßen etwas rücksichtslos an die Grenzen zu bringen – aber ich wollte es nunmal wissen: Fiese Gangwechsel über fünf, sechs Gänge unter Last, bis es krachte und man schon insgeheim seine Kniescheibe im Vorbau parken sah, schnelles Hoch- und Runterschalten am Berg und heftiger Wiegetritt mit viel Kraft. All dies entlockte der Schaltung höchstens ein müdes Lächeln – sobald die Schaltung optimal eingestellt ist, funktioniert sie tadellos und rastet zuverlässig in wirklich jeden Gang ein.

Downhill

Die XX1 ist sehr leise, es klappert nichts. Da auch die Geräusche einer Kettenführung entfallen, verbleibt nur das Abrollgeräusch der Reifen. Selbst in knackigeren Passagen, in denen die Kette normalerweise rhythmisch den Lack der Kettenstrebe massakriert, hört man nur das leise Reifensurren. Das „Clutch“-System des Schaltwerk arbeitet vorzüglich und die XX1-Konstruktion sorgt dafür, dass die Kette tatsächlich auch ohne Führung auf dem Kettenblatt bleibt.

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# Vollgas mit dem 301

Ist man zunächst noch skeptisch gewesen, gewöhnt man sich zunehmend daran, es auch in technischem und ausgesetztem Gelände laufen zu lassen, Schalten und Pedalieren sind ebenfalls ohne Probleme machbar. Hatten wir mit Sram-Carbonkurbeln noch auf der 24-Stunden-Strecke in Finale weniger Glück (siehe Scott Spark-Test), so blieben die Kurbeln am Testbike bis jetzt ohne Fehler.

XX1 Langzeit-Erfahrungen

So gut die XX1 funktioniert – einige kleine Probleme gab es dann doch, die nachfolgend beschrieben werden.

Das verflixte kleine Ritzel

Nach einigen Monaten ereignete es sich, dass der kleinste Gang erst sehr, sehr spät einrastete – bei einem 34er Blatt je nach Strecke einigermaßen ärgerlich. Woran es lag, konnten wir nicht genau lokalisieren – erst nachdem ich (entgegen der eigentlichen Vorgehensweise, bis auf Kettenöl so wenig Pflege wie möglich einfließen zu lassen) das Schaltwerk ausgebaut und geschmiert, den Zug neu geölt und die Röllchen sauber gemacht hatte, konnte wieder schneller auf das kleine Ritzel geschaltet werden – auch wenn die Performance vom Anfang nicht mehr erreicht wurde.

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# Kassette vorher und nachher: Das kleine Ritzel machte bei unserem Testbike Probleme.

Dies teilte ich auch Frank Ripper von SRAM mit – dieser verwies darauf, dass die an den Testrädern verbaute, sehr frühe XX1-Serie damit zu tun haben könnte. In den darauffolgenden Produktionsmargen soll die Kassette nochmals leicht angepasst worden sein, sodass das Problem nicht mehr auftreten würde. Dies kann ich insofern bestätigen, als dass die mittlerweile auch über 600km gefahrene XX1-Schaltung an meinem privaten Bike bisher keinerlei dieser Probleme aufwies.

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# Steilstufe mit dem 301

Kettenspannung

Gemessen habe ich es nicht – dennoch drängte sich nach einigen hundert Kilometern der Eindruck auf, dass die Kette nach einer gewissen Zeit nicht mehr die hohe Spannung aufwies, die sie noch am Anfang besaß. Dies äußerte sich im durchaus öfter vorkommenden Kettenklappern in wurzelreichen Sektionen, wo ungedämpfte Schaltwerke längst abgewunken hätten. Hier rappelte auch die XX1-Ketten nach einer Weile recht ordentlich, was sich allerdings nur hörbar bemerkbar machte – die Funktion beeinträchtigte dies grundsätzlich nicht. Im direkten Vergleich mit der am ICB montierten XX1-Schaltung konnte ich diese Probleme allerdings, wie auch beim Problem mit dem kleinen Ritzel, bisher nicht bestätigen.

Wir haben es geschafft…

…und auf einmal war die Kette unten. Wie das passieren konnte und ob dies unter Umständen doch an der Kettenspannung lag, kann ich im Nachhinein nicht beurteilen. Ein Bild direkt nach der Situation habe ich dennoch gemacht und dabei festgestellt, dass man bei einem Einfach-Kettenblatt im Race-Modus in diesem Falle durchaus etwas aufgeschmissen wäre. Ein Zurückschalten aufs kleine Kettenblatt ist natürlich nicht möglich, so dass man die Kette manuell neu auflegen muss – im Rennen ein Verlust von wertvollen Sekunden.

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# Und da war die Kette ab.

So oft ich es allerdings auch später noch probiert haben – der Kettenabwurf blieb auf dem Testbike und auch auf meinem eigenen ICB ein Einzelfall. Und doch es ist anzunehmen, dass die Kette im Race-Einsatz durchaus herunterfliegen könnte –  für den sicherheitsbedachten Racer ist demnach eine leichte Kettenführung eine durchaus sinnvolle Option, im „Normalgebrauch“ passt es definitiv auch ohne.

Langzeit-Fazit

Nicht umsonst hat die XX1 auch ohne Langzeit-Testbericht in unserem Product Of The Year-Voting zu Weihnachten den zweiten Platz gemacht – die Schaltung funktioniert bestens und die Probleme scheinen primär auf die erste Serie zurückzuführen sein. Im direkten Vergleich zur XX1-Schaltung an meinem Privat-Bike gab es da bisher keine Probleme. Für alle Fahrer ist die Schaltung, wie Chris Hilton von SRAM schon bei der Vorstellung in Schweinfurt erwähnte, ausdrücklich nicht gedacht: zu gering ist für manche Fahrer schlichtweg die Bandbreite der Schaltung, zu speziell die Abstufung der 11 Gänge – insbesondere für Alpinisten könnte eine 2×10-Schaltung passender sein.

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# Definitiv eine Empfehlung: 1×11 als optimal funktionierender Allround-Antrieb ohne Schnickschnack und Kettenführung.

Wer hingegen primär in Mittelgebirgs-Terrain zuhause ist und keine stundenlangen Anstiege bewältigen muss, wird mit der XX1 seine Freude haben: An das aufgeräumte Konzept mit einem Schalthebel, einem Kettenblatt und dem im Normalfall fast geräuschlosen Arbeitsbetrieb gewöhnt man sich so schnell, dass man ungern wieder wechseln möchte. Haltbarkeit und Verschleiß sind nach einem Jahr immer noch im grünen Bereich, wir werden die Gruppe aber natürlich weiterhin testen.

Alles gut? Naja, fast – frei nach Keith Bontragers Grundsatz „Strong. Light. Cheap. Pick Two“: Es bleibt der immer noch saftige Preis der Komplettschaltung. Dieser ist mittlerweile zwar auf unter 900€ gesunken, für eine Schaltung dennoch kein Schnäppchen. Die von uns ebenfalls schon probegefahrene X01-Gruppe funktioniert ähnlich gut und kostet online bereits unter 800€ – Preisregionen, in denen beide Gruppen mittlerweile für mehr Fahrer attraktiv sein könnten. Unser Fazit? Trotz hohem Preis eine absolute Empfehlung und für viele 2×10 und 3×10-Fahrer definitiv eine Maßnahme, die sich lohnt.

Weitere Informationen

Alle Einzelheiten gibt es auf der Website: http://www.sram.com/de/sram/mountain/family/xx1

UVP: 1.183,00 €, günstigster Onlinepreis (Stand 09.01.2014, Google Shopping): 849,00 €

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Redaktion: Johannes Herden
Fotos: Johannes Herden, Sebastian Schieck, Tobias Stahl, Jens Staudt

  1. benutzerbild

    Ehrenfeld

    dabei seit 10/2001

    Wie lang hält die Kette denn nun in Vergleich zu anderen?
    Kann ich nicht sagen, mir ist sie bei irgendeinem unglücklichen Schaltvorgang gerissen. Haltbarkeit bis dahin war gegeben, mir wurde die Kette nur im Anschluss zu kurz - deswegen habe ich sie erneuert.
  2. benutzerbild

    xrated

    dabei seit 06/2001

    fahre xx1, xtr und 105er kette im wechsel ohne das man wirkliche unterschiede merkt....
    von der längung her liegt die xtr leicht vorne und macht aber wie alle anderen wenn man sie neu drauf macht die ersten kilometer bissl mehr geräusche.

    Die XX1 längt sich gleich schnell wie eine HG600? Ist ja schon erstaunlich.
  3. benutzerbild

    hulster

    dabei seit 12/2012

    Bei mir hält sie ungefähr doppelt so lang wie ne XT. XT bei mir 1200 -1300 km, die X1 (nicht XX1) ca. 2500 km.
    Meine X01 Kassette hält bisher ca. 5000km, aber ohne viel Schlammeinsatz. Da ich das Rad jetzt aber doch im Schlamm einsetzen muß, habe ich auf GX1 Kassette und 28Z Stahl DM gewechselt.

  4. benutzerbild

    xrated

    dabei seit 06/2001

    Also lohnen würde sich die XX1 dann schon. Ist dann noch die Frage ob die HG60x kürzer als die HG70x hält.

  5. benutzerbild

    Sickgirl

    dabei seit 07/2004

    An meinem Randonneur möchte ich demnächst eine Testreihe beginnen, die Kette aus 4 Teilen zusammensetzten, geplant habe ich eine Taya, die Sram XX1, eine Campa Chorus und die Shimano 105er. Allerdings fahre ich das Rad mit 2x11.

    Wird wohl ein wenig Dauer, die aktuelle XT steht jetzt bei 4000 km und ist noch im grünen Bereich.

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