Seit einigen Jahren halten Gleitlager am Mountainbike an mehr und mehr Stellen Einzug. Sie ersetzen Wälzlager, geben Konstrukteuren neue Möglichkeiten und verändern Produkteigenschaften. Möglich machen das neue Kunststoffe, die sich selbst schmieren, und so einige Potentiale eröffnen. Besonders am Pedal sind uns in den letzten Wochen einige Gleitlager aufgefallen.

e13 setzt seit einiger Zeit auf Gleitlager - in den LG1 Race Pedalen
# e13 setzt seit einiger Zeit auf Gleitlager – in den LG1 Race Pedalen

Während wir das bemerkenswert flache Straitline AMP letztes Jahr im Test hatten und inzwischen Langzeiterfahrungen damit gesammelt haben, geht das e13 LG1 Race Pedal, das sich Dave Weagle ausgedacht hat, in die nächste Generation. Einen Blick in eine noch etwas entfernte Zukunft wirft der Chemie-Riese BASF: Für sein Projektbike „1865“ wurde Bike-Konstrukteur Stefan Stark beauftragt, ein ganz besonderes Pedal zu konstruieren – dazu später mehr.


# Das BASF Concept 1865 – Ein E-Hochrad fast ganz aus Kunststoff

Besondere Bekanntheit auf dem Fahrradmarkt erlangten Gleitlager der Firma IGUS und die sogenannten Huber Bushings. Während Gleitlager zunächst gegenüber Kugel- oder Walzlagern den Nachteil aufweisen, dass ihre Reibung leicht erhöht ausfällt, weil eben Gleitreibung statt Rollreibung vorliegt, was zu höheren Drehmomenten führt, wissen Sie mit anderen Argumenten zu überzeugen. Zunächst einmal können sie sehr kompakt gebaut werden, da viel weniger Teile benötigt werden: Prinzipiell liegt zwischen den beiden zu lagernden Teilen einfach das Gleitlager. Durch die Passung wird bestimmt, welche der beiden Komponenten sich gegenüber dem Gleitlager nicht bewegt, und welche darauf gleitet.

Es gleitet also tatsächlich Metall auf Kunststoff, und zwar (im Falle der an Mountainbikes verbreiteten Lager) trocken. Trocken heißt: Kein Öl, keinerlei Schmierung. Dass dabei keine unangenehmen Geräusche entstehen, sich Spiel entwickelt oder übermäßig hohe Drehmomente benötigt werden, liegt an den besonderen Werkstoffeigenschaften. Der Vorteil der trockenen Lagerung: Kein Schmiermittel kann verloren gehen, also muss auch nichts nachgeschmiert werden. Im Idealfall kann eine solche Konstruktion wartungsfrei ausgelegt werden, genau wie es bei gedichteten Industriekugellagern der Fall sein kann.


# Ein Kugellager besteht aus vielen Komponenten und ist dadurch schwerer und größer als Gleitlager. Quelle: Niabot

Während bei einem Kugellager nur über einzelne Punkte Kraft übertragen werden kann, nämlich dort wo die Kugel den Außenring gegen den Innenring abstützt, sind Gleitlager innen und außen in Kontakt (im Englischen auch: „Contact Bearings“, siehe Rocky Mountain Bikes). Dadurch steht eine große Fläche zur Kraftübertragung zur Verfügung – die Flächenpressung sinkt, das Lager ist höher belastbar. Anders ausgedrückt ist für die gleiche Belastbarkeit ein geringerer Lager-Durchmesser nötig – und hier kommen die Pedale ins Spiel, denn die sollen möglichst dünn sein. Der Vorteil in Sachen Belastbarkeit fällt übrigens besonders dann ins Gewicht, wenn das Lager gerade nicht gedreht wird. Je nachdem, wie die Kugeln dabei positioniert sind, kann ein Kugellager bei Stillstand leichter beschädigt werden, als in Rotation. Wenn man jetzt darüber nachdenkt, in welchen Fahrsituationen Pedale am höchsten belastet werden (Drops, Steinfelder, …) erscheint die Nutzung von Gleitlagern äußerst sinnvoll.


# IGUS Gleitlager mit Bund – eines der am häufigsten verkauften Modelle ist das hier gezeigte „Iglidur G“. Foto: igus.de

Seit Jahren versuchen Pedal-Hersteller ihre Produkte so dünn wie nur irgend möglich auszuführen. Die Motivation: Mehr Bodenfreiheit, ein direkteres Fahrgefühl, ein geringeres Risiko nach vorne oder hinten vom Pedal zu „rollen“. Nach einigen Ansätzen, bei denen das Lager groß blieb, aber ganz dicht an die Kurbel rückte (z.B. Truvativ Holzfeller), haben mehr und mehr Hersteller das Potential von Gleitlagern entdeckt. Bei gleicher Achsdicke lassen sich hier ein paar Millimeter gewinnen, was sich durchaus schon spüren lässt. Und einen Vorteil gibt es obendrauf: Weil Kunststoffe nun mal geringere Dichten als Stahl aufweisen, lässt sich durch den Wechsel auch noch etwas Gewicht sparen.

Der Chemie-Konzern BASF baute jüngst ein Konzept-Fahrrad, um die Einsatzmöglichkeiten von nicht weniger als 24 seiner Kunststoffe aufzuzeigen. Wenig überraschend, dass auch die Pedale aus Kunststoff gefertigt wurden. Dann aber doch überraschend: tatsächlich sind an dem ganzen Fahrrad nur noch Achsen, Motor und Bremse aus Metall gefertigt. Doch das BASF-Pedal aus dem etwas sperrig „Ultrason® KR 4113“ genannten Kunststoff geht weiter. Statt mit einem Gleitlager einen Pedalkörper auf einer Achse zu lagern, wird einfach der gesamte Pedalkörper aus einem selbstschmierenden, reibungsarmen Kunststoff gefertigt.

Kurbel aus Plastik, und ein Pedal das sein eigenes Gleitlager ist
# Kurbel aus Plastik, und ein Pedal das sein eigenes Gleitlager ist

„Durch den Einsatz von Ultrason® KR 4113 konnten Vollkunststoff-Pedale aus einem Stück realisiert werden. Die Lager sind
wartungsfrei und verschleißarm aufgrund des herausragenden Gleitreibeverhaltens und der guten Dimensionsstabilität dieses Materials.“ BASF Pressemeldung

Ich würde sagen: Fixies sind ziemlich unhip hiermit.
# Ich würde sagen: Fixies sind ziemlich unhip verglichen hiermit.

Pedale ganz aus Plastik – ist das Zukunftsmusik? Keinesfalls. Im BMX- und Streetbereich sind Pedalkörper aus Kunststoff, die gleichzeitig als Lagerung funktionieren und sich auf einer Metall-achse drehen, längst beliebt. Die Vorteile: Recht leicht, gut um damit auf Geländern herum zu rutschen, und billig in der Herstellung. Für sonstige Einsatzbereiche hat sich das Prinzip noch nicht durchgesetzt, hier wird mehr Wert auf solide einschraubbare Pins gelegt, vermutlich spielt auch die hochwertigere Optik eine Rolle.

Sandwich: Auch oben und unten sind Kunststoff-Platten angebracht
# Sandwich: Auch oben und unten sind Kunststoff-Platten angebracht

Eine solche kann man dem bereits erwähnten LG1 Race Pedal auch attestieren – und das, obwohl es sich auch hier um ein Produkt handelt, das größtenteils aus Kunststoff besteht. Denn neben den Gleitlagern finden sich auch auf der Ober- und Unterseite Platten aus Polycarbonat. Die Argumentation hierfür fällt ganz ähnlich aus, wie es bei den Street-Bikern und BMXern der Fall ist: Die Platte soll leichter über Hindernisse rutschen, falls man mal aufsetzt. Und wenn sie dabei kaputt gehen, lässt sie sich billiger ersetzen, als wenn das ganze Pedal hin wäre. Ein letztes Feature der LG1 Pedale hat übrigens nicht direkt mit der Gleitlagerung zu tun: Die „Spin-Control“ erlaubt es, durch Vorspannung einzustellen, wie leicht sich das Pedal dreht. So können alle, die in der Luft gerne mal die Füße vom Pedal nehmen, sicher stellen, dass sich das Pedal nicht ausversehen verdreht. Eine derartige Vorspannung ist aber auch mit Wälzlagern denkbar.

Die Wartung der Pedale soll Dank Gleitlagern einfach fallen - Angie macht's vor.
# Die Wartung der Pedale soll Dank Gleitlagern einfach fallen – Angie macht’s vor. – Foto: Daniel Roos

Leicht, günstig, hoch belastbar, selbst schmierend, sie ermöglichen dünnere Pedale – klingt ganz, als ob Gleitlager die Zukunft im Pedal wären. In der Praxis eröffnen sich jedoch einige Herausforderungen: Was bereits bei der ersten Ausfahrt mit den Straitline AMP-Pedalen aufgefallen ist: Der Stick-Slip-Effekt. Da die Haftreibung höher ist als die Gleitreibung, spürt man ein leichtes Rucken, wenn sich das Pedal zu drehen beginnt. Nicht schlimm, aber spürbar. Nach einem Jahr ohne Wartung im Dreck hat sich das Pedal zudem angeeignet, während der ersten fünf Minuten jeder Tour leise zu quietschen – auch das muss nicht sein. Und selbst wenn sich das Lager dreht: Das minimal höhere Drehmoment bleibt wegen der Gleitreibung erhalten. Ob sich hier wirklich Unterschiede spüren lassen und Energie im Pedal verpufft? Schwierig zu sagen – wirklich warm werden die Pedale jedenfalls nicht.


# Ganz schön dünn – das Gleitlager sieht man in den oberen beiden Bildern nur den Bund; es ist in den Pedalkörper eingepresst und dreht sich nur auf der Achse.

Ärgerlich wird die Sache jedoch, wenn die Lager wider Erwarten doch schnell verschleißen. Dies ist dann der Fall, wenn der Hersteller nicht präzise genug arbeitet: Für eine spielfreie, reibungsarme und langlebige Lagerung müssen nämlich nicht nur die Gleitlager selbst, sondern auch die Achse und der Lagersitz äußert präzise gefertigt werden. Neben den richtigen Durchmessern ist hier vor allem die Oberflächengüte entscheidend – ohne die verschleißen auch die besten Gleitlager, es stellt sich Spiel ein und eine größere Beschädigung wird immer wahrscheinlicher.

Wir sind überzeugt, dass sich Mountainbike-Produkte, insbesondere Pedale, durch neue Werkstoffe weiter entwickeln werden. Unsere bisherigen Erfahrungen mit Gleitlagern waren aber nicht ungetrübt – deshalb würden wir gern von euch wissen: Welche Erlebnisse hattet ihr mit Gleitlagern, vor allem in Pedalen?

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Redaktion: Stefanus Stahl

Mehr über das BASF Kunststoff-Konzeptrad 1865
Informationen zum e13 LG1 Pedal – das es jetzt übrigens auch mit Titanachse (spart 90g) gibt – hier.
Fahrbericht zum Straitline AMP Pedal

  1. benutzerbild

    TTT

    dabei seit 11/2004

    Zusätzlich stellt sich aber auch die Frage, welche Technologien
    man einsetzten kann, damit die Herstellung wirtschaftlich bleibt.
    Das größte Ziel eines jeden Unternehmens ist es auch, dass die
    Maschinen und Sonstiges so lange genutzt werden können, wie
    es geht.

    Die eigentliche Frage wäre jedoch: "Was passiert, wenn Firmen
    sofort das technologisch fortschrittlichste und Qualitativ beste
    auf den Markt bringen"? Hierbei gibt es dann das Problem, dass die
    Konkurrenz eine innovativere oder bessere Alternative haben kann.
    Im schlimmsten Fall auch noch günstiger. Wenn man gerade alle
    Maschinen für die Herstellung der Produkte ausgetauscht hat, ist
    dies natürlich eine Katastrophe.

    Ich bin zu lange aus dem Serienmaschinenbau draußen um mir jeder meiner Aussagen sicher zu sein, glaube aber nicht, daß diese Überlegungen eine Rolle spielen. Auch mit 15 Jahren Abstand zu Mittel- und Großserienprodukten und einem genauen Gespür für die Herstellkosten vermute ich die Gewinnmargen von den Großen Shimano, Sram, Fox, Avid, etc auf um die 1000%. Maschinen sind da schnell amortisiert. Ich hasse Monopolstellungen aber die technologische Dominanz von Shimano nötigt auch mir Respekt ab! Die beherrschen den Markt so locker in vielen Bereichen, daß sie blöd wären, aktuell ausgereizte Highendprodukte auf den Markt zu bringen. Diese würden innerhalb kurzer Zeit kopiert und die Innovationen für die nächsten Jahre müßten wirklich hart erkämpft werden. Manchmal begehen sie dabei einen Fehler:
    Dual Control war so einer. Der Versuch neben der technologischen und preislichen Marktführerschaft auch noch ein Monopol über Inkompatibilitäten mit anderen Herstellern zu schaffen ging zum Glück für uns Verbraucher total in die Hose. Sram hätte sonst nie seine heutige Stellung erlangt. Zugleich zeigt es aber auch, daß Shimano jederzeit kontern kann und locker einen Gang hochschalten kann, wenn nötig. Die aktuellen Bremsen zeigen, daß keine Monopolstellung nötig ist. In meinen Augen sind diese sowohl von der Funktion alsauch vom Preis/Leistungsverhältnis konkurenzlos. Die Gewichte können die sich als Innovationen immer noch für die nächsten Jahre in Reserve halten, da sich die Konkurrenz hinreichend mit exorbitanten Preisen für anfällige Systeme selber disqualifiziert...
  2. benutzerbild

    TTT

    dabei seit 11/2004

    Aber um auf das eigentliche Thema Gleitlager in Pedalen zurück zu kommen. Für das untere und im Spezialfall mittleren Qualitätssegment können diese bei entsprechender Ausführung eine Option sein. Für das Highend-Segment sind sie gegenüber Wälzlagern in entsprechender Ausführung wie von mir angesprochen und von Dr_Stone näher ausgeführt keine Alternative! Ein Pedalkörper braucht nun einmal eine gewisse Bauhöhe und in diesen läßt sich ein Nadellager ohne Innenring einbringen. Damit entfallen alle technischen Vorteile des Gleitlagers für diese Anwendung.

  3. benutzerbild

    Hansharz

    dabei seit 09/2012

    meine straitlines haben soviel Reibung, dass sich das Pedal raustaumelt, dem ist schier nicht beizukommen..
    mit austauschbaren Kugellagern waer mir mehr gedient, harziges fet rein unf gut ist

  4. benutzerbild

    US.

    dabei seit 04/2006

    Welche Erlebnisse hattet ihr mit Gleitlagern, vor allem in Pedalen?

    Straitline AMP habe ich für eine Saison gefahren.
    Dabei haben sich einige Problemstellen gezeigt:
    -Pedale neigen zum Quietschen. Ist abstellbar, kommt aber immer wieder.
    -Der Schuh steht auf der Anlaufscheibe und hindert diese am Rotieren. Dadurch gräbt sich der Seegerring, der alles zusammenhält, tief in die Anlaufscheibe ein.
    -Reibung ist zu hoch. Dies führt zu ständigem Lockern der Pedale. Müssen mit Locktite reingeklebt werden, zumindest bei Kurbeln mit Stahlinsert.
    -Standfläche ist relativ klein. Gut; das sieht man auch vorher ;-)

    -Heftiges Spiel nach einer Saison ohne Regenfahrten (!) und ohne Dampfstrahler. Wackelt wie ein Kuhschwanz und vibriert
    -Rebuilt Kit (25€‚¬) hat das Problem nicht beseitigt, da die Titanachse hinüber ist ("Bissl Spiel ist normal")
    Gut; auch das hätte man vorher wissen können. Titan ist als Lagermaterial für ein Gleitlager schlichtweg ungeeignet.

    Als Garantiefall nicht anerkannt.
    Gruß, Uwe
  5. benutzerbild

    _Alex_

    dabei seit 05/2012

    Fahre seit ca. 1,5 Jahren die Straitline AMP mit CroMo Achse bisher bis auf das gelegentliche quitschen keine Auffälligkeiten. Nehme diese aber vorsorglich gelegentlich auseinander um die Lageraussenseiten vom Schmutz zu befreien. Die Demontage des Körpers von der Achse finde ich gut gelungen und schnell machbar.

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