Alle nennen ihn Jim und nur wenige kennen seinen richtigen Namen. Doch dies ist Nebensache. Was zählt ist, dass Jim jedes Jahr aufs Neue verdammt gute Strecken in den Miriquidi Wald um Lengefeld baut, die dann erstmals zum Drecksau Enduro gefahren werden.
Eigentlich ist die Bike-Saison schon vorbei. Der Herbst ist in das Erzgebirge eingezogen. Seit einigen Tagen herrscht im Miriquidi (Dunkelwald) nebliges und regnerisches Wetter. Nicht so an diesem Sonntagmorgen: Die Teilnehmer des neunten Drecksau Enduro Rennens werden von einem wunderschönen Sonnenaufgang in Lengefeld im Erzgebirge begrüßt. Noch bevor das Rennen für sie losgeht, können sie sich bei einem warmen Tee aufwärmen oder einen Kaffee im Gasthof Forsthaus genießen.
Pünktlich neun Uhr startete für die 35 Teilnehmer und ca. 30 Helfer das Kultrennen. Jim und Thomas Frenzel gaben letzte Informationen zum Rennablauf. Danach führte Jim die Fahrer zur ersten Wertungsprüfung in der Nähe von Lengefeld. Außer ihm kannte bis dato niemand die fünf Wertungsprüfungen, welche vergangenen Sonntag befahren wurden. Auch die Locals, die selbst am Rennen teilnahmen, wurden nicht in den Streckenverlauf eingeweiht. Auf meine Frage hin, ob denn niemand die Strecken vorher findet, antwortete mir ein Local, dass die Trails derartig schwer auszumachen seien, dass es keinen Sinn machen würde, sie zu suchen. Erst am Renntag weisen nämlich mit Farbe besprühte Stöcke und vor allem die zahlreichen Streckenposten den Fahrern ihren Weg.
Jim wird nachgesagt, dass er in jedem Waldgebiet schnell potenzielle Linien findet. Bereits im Frühjahr ging er auf Erkundungstour und schaute, welche Waldgebiete sich für das Rennen eignen könnten. Danach befuhr er erstmals die Strecken und begann die neuen Trails dezent mit Anliegern und Sprüngen zu versehen. Kurz vor dem Rennen wurden die Strecken dann nochmal durch ihn und wenige Helfer im Geheimen auf Probe befahren. Diese Helfer gingen natürlich nicht an den Start, sondern fungierten am Renntag als Streckenposten. Dadurch waren in diesem Jahr die Strecken wieder einmal naturbelassen und absolut neu für die Teilnehmer.
Schnell wurden die Fahrer an diesem Tag munter, denn als erste Wertungsprüfung wartete eine Trial-Herausforderung auf sie. Da die Strecke technisch äußerst anspruchsvoll war, lief Jim mit den Teilnehmern die Strecke vorher ab und gab Hinweise, wo es richtig knifflig wird. Es wurde nach Trial-Regeln gefahren. Dies bedeutete, dass das Absetzen des Fußes von den Pedalen sofort von den Helfern am Streckenrand notiert und mit Strafpunkten geahndet wurde. Rutschige Felsplatten, Steilpassagen und Steinkanten mussten von den Fahrern bewältigt werden.
Bei der zweiten WP ging es dann mit Highspeed über nasse Wurzeln, rutschige Felsen, durch Anlieger und Sprünge. Den Abschluss bildete ein glitschiger Hohlweg. Den Fahrern wurde dabei durch die Streckenposten der Weg gezeigt.
Die Streckenposten spielten auch in der dritten Stage eine entscheidende Rolle, es wurde nämlich durch einen Laubwald gefahren. In diesem war für die ersten Fahrer der Trail, durch den Blätterfall der vergangenen Tage, nur schwer ausfindig zu machen. Einige Biker staunten nicht schlecht, als sie gut einhundert Meter durch ein rutschiges Bachbett mit großen Felskanten ins Ziel fahren mussten.
Nach einer Pause mit belegten Brötchen, Riegeln, Schokolade, warmen Getränken und anderen Köstlichkeiten, die von Thomas Frenzel und seinem Team extra nach Pockau gebracht wurden, ging es zur vierten Wertungsprüfung. Zunächst galt es ein flaches Waldstück zu bewältigen, doch dann führte der Trail in einen Steilhang mit Geröll. Hier wurde man verdammt schnell. Im unteren Teil dieser Stage war dann jedoch Abbremsen angesagt, denn es wurde auf blätterbedecktem Waldboden noch einmal richtig steil. Trotzdem war der Boden relativ griffig.
Um zur letzten Wertungsprüfung zu gelangen, mussten die Fahrer einiges an Höhenmetern bergauf zurücklegen. Gestartet wurde nämlich auf dem höchsten Punkt des Tages (608m). Zum Abschluss des Tages führte der Trail durch einen dunklen Wald mit einigen Sprüngen. Nach einem kniffligen Steilstück und einer Bachdurchfahrt gelangten die Fahrer ins Ziel.
Kurz vor dem Dunkelwerden kamen die Fahrer wieder bei Thomas im Forsthaus an, konnten sich mit einer leckeren Gulaschsuppe stärken und endlich aufwärmen. Die Siegerehrung fand ebenfalls im Gasthaus statt. André Wagenknecht, der auf zwei der fünf Stages die schnellsten Zeiten einfahren konnte, galt schon vor dem Start als Favorit für den Sieg. Jedoch stürzte er auf Stage drei. Da er einen Sprung zu schnell anfuhr und zu spitz auf dem Vorderrad landete, ging er über den Lenker. Dadurch sprang ihm sogar der Reifen von der Felge. Nach den vielen Sekunden, die er dadurch einbüßte, war an einen Sieg leider nicht mehr zu denken.
Am Ende gelang es Henry Ewald aus Kamsdorf mit einem knappen Vorsprung von gerade einmal einer Sekunde vor dem Eisenacher Alexander Teschner das Drecksau Enduro Rennen zu gewinnen. Dritter wurde Ronny Seifert aus Chemnitz.
Nach dem Rennen ist bekanntlich vor dem Rennen. Bald wird Jim wieder auf die Suche nach neuen Strecken gehen. Er selbst sei noch nie ein Rennen gefahren, doch er liebt es, draußen an der frischen Luft zu sein und ständig neue Linien zu entdecken. Dies gebe ihm den Ansporn jedes Jahr aufs Neue, Strecken für das Drecksau Enduro Rennen entstehen zu lassen.
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