Julian Schelb galt jahrelang als die größte deutsche Nachwuchshoffnung des deutschen Mountainbikesports. Nach WM-Silber in der U23-Kategorie 2013 und dem folgenden Wechsel ins Multivan-Merida Team konnte man fast meinen, er hätte den Durchbruch geschafft. Doch dem war nicht so und nach einen schlechten Frühjahr 2016 unterbrach Schelb seine Rennkarriere. Nun ist er aber zurück. Gemeinsam mit drei weiteren Nachwuchsathleten aus seinem Heimatort bildet er ein Team, das sich auf die Fahne geschrieben, Studium und Leistungssport bestmöglich zu vereinen.

„STOP&GO“, eine Firma, die sich der Marderabwehr verschrieben hat, ist Namensgeber der neuen Equipe um den Rückkehrer Julian Schelb. Insgesamt vier Fahrer aus dem beschaulichen Münstertal im Schwarzwald werden dem neuen Team angehören. Neben Schelb ist mit Johannes Bläsi eine der großen deutschen Nachwuchshoffnungen im deutschen XC-Sport vertreten. Bläsi konnte bereits ein U23-Bundesliga-Rennen für sich entscheiden und machte schon mehrfach im U23-Weltcup mit famosen Aufholjagden aus den letzten Startreihen auf sich aufmerksam.

Das wahrscheinlich hoffnungsvollste Talent im neuen Team: Johannes Bläsi.
# Das wahrscheinlich hoffnungsvollste Talent im neuen Team: Johannes Bläsi.
Der Münstertäler hat bislang einen U23-Bundesligasieg und etliche Weltcupeinsätze auf seinem Konto. 2017 soll es einen weiteren Schritt nach vorne gehen.
# Der Münstertäler hat bislang einen U23-Bundesligasieg und etliche Weltcupeinsätze auf seinem Konto. 2017 soll es einen weiteren Schritt nach vorne gehen.

Neben den beiden durchaus bekannten Nachwuchstalenten verstärken zwei weitere Fahrer das Team. Niklas Sell wurde im vergangenen Jahr Zehnter bei den deutschen Meisterschaften und wird vorrangig versuchen in der U23-Bundesliga für Furore zu sorgen. Der Vierte im Bunde ist ein Quereinsteiger. Björn Ahlgrimm ist ehemaliges Mitglied des Skilanglauf-Nationalkaders und kam erst nach dem Ende seiner Langlauf-Karriere vor drei Jahren zum Mountainbikesport. Über die Freundschaft mit den anderen Teammitgliedern wurde er immer mehr mit dem MTB-Fieber infiziert. 2017 wird für ihn nach erfolgreichen Rennen im vergangenen Jahr das erste Jahr als Mountainbike-Rennfahrer sein.

Björn Ahlgrimm hat eine interessante sportliche Vergangenheit: Früher war er im Langlauf-Nationalkader unterwegs, dann spielte er höherklassig Fußball und nun will er sich für die Marathon-WM auf dem MTB qualifizieren.
# Björn Ahlgrimm hat eine interessante sportliche Vergangenheit: Früher war er im Langlauf-Nationalkader unterwegs, dann spielte er höherklassig Fußball und nun will er sich für die Marathon-WM auf dem MTB qualifizieren.
Niklas Sell konnte 2016 in der U23-Klasse immer wieder auf sich aufmerksam machen.
# Niklas Sell konnte 2016 in der U23-Klasse immer wieder auf sich aufmerksam machen.

Allesamt eint die Tatsache, dass sie Studium und Leistungssport unter einen Hut bringen müssen. Um diesem Problem weitestgehend aus dem Weg gehen zu können, möchte Hans Jörg Schelb, Geschäftsführer von STOP&GO, einen idealen Rahmen für die Sportler schaffen. Hinzu kommt, dass alle vier Sportler aus demselben Ort kommen, gute Freunde sind und so beste Voraussetzungen für ein perfekt funktionierendes Team gegeben sind. „Die Jungs sind mir richtig ans Herz gewachsen“, so Hans-Jörg Schelb.

Außerdem soll die Organisation im Team den vier Fahrern eine Lebensschule bieten. Sie müssen alles selbst organisieren von Sponsorensuche bis hin zu Rennorganisation. Diese Erfahrungen im MTB-Business sollen den Teammitgliedern schließlich in anderen Bereiche im Leben weiterhelfen. Und vor allem soll der Spaß am Sport nicht zu kurz kommen. „Das Tolle ist, man ist ständig mit seinen Freunden unterwegs, auf und neben dem Rad“, so Björn Ahlgrimm.

Back in Business: Julian Schelb ist zurück auf der Rennstrecke!
# Back in Business: Julian Schelb ist zurück auf der Rennstrecke!

Sportliche Ziele sollen natürlich auch eine Rolle spielen. Julian Schelb und Ahlgrimm werden hauptsächlich auf den Marathon-Rennstrecken zu finden sein. Für beide wird die Qualifikation für die Marathon-Weltmeisterschaft in Singen ein großes Ziel darstellen. Niklas Sell und Johannes Bläsi wollen dagegen eher auf den Cross-Country-Kursen für Furore sorgen. Insbesondere Bläsi erhofft sich eine starke Saison im letzten Jahr in der U23-Kategorie – Top-15 im Weltcup heißt das hoch gesteckte Ziel.

Was Julian Schelb angeht, blickt man am besten zurück auf den 30.08.2013: Die Weltelite der U23-Cross-Country-Fahrer geht auf die erste Runde der Weltmeisterschaft im südafrikanischen Pietermaritzburg. Keine 500 Meter nach dem Start stürzt ein Fahrer im deutschen Dress in die Gatter. Der Unglücksrabe Schelb nimmt als Letzter das Rennen wieder auf und holt sensationell Silber. Er wird gefeiert als die Zukunft im deutschen Mountainbikesport und wird vom Multivan-Merida Biking Team im Jahr darauf verpflichtet.

Julian Schelb feiert ausgelassen seine Silbermedaille im WM-Rennen von Pietermaritzburg!
# Julian Schelb feiert ausgelassen seine Silbermedaille im WM-Rennen von Pietermaritzburg! - Foto: Marius Maasewerd

Doch es beginnt eine lange Leidenszeit für den Schwarzwälder. Der Knoten bei den „Großen“ der Elite will nie so richtig platzen. Allergieprobleme, die zu Atembeschwerden führen, häufen sich. Im Jahr 2016 scheint es überhaupt nicht zu funktionieren. Nach einem verkorksten Saisonstart versucht er den Resetknopf zu finden, was aber nicht wirklich gelingt. Letztendlich zieht er einen Schlussstrich und löst den Vertrag bei Merida auf. Es scheint so, als hätte das größte deutsche Talent seit Jahren, dem XC-Rennsport den Rücken zugekehrt. Nun aber die Wende: ‚Die vier Freunde aus dem Münstertal‘ gehen auf die Jagd nach Erfolgen. Wir haben Julian getroffen und ihn gefragt, wie es ihm damals erging und was die Pläne für das neue Team sind.

Drei der vier Freunde: Björn Ahlgrimm, Niklas Sell und Julian Schelb (von links).
# Drei der vier Freunde: Björn Ahlgrimm, Niklas Sell und Julian Schelb (von links).

MTB-News: Julian, du hast dich nach fast einem Jahr Rennpause nun entschieden, doch wieder in den Wettkampfsport einzusteigen. Wie kam es dazu, dass du Anfang des Jahres trotz eines laufenden Vertrags beim Multivan-Merida-Teams einen Schlussstrich gezogen hast?

Ich hatte einfach keine Lust mehr auf Rennen fahren! Schon die Anreise zum Rennen war für mich schwierig, weil ich schon geahnt habe, es kann ja eigentlich nichts werden. Die logische Konsequenz war es dann, die Saison frühzeitig zu beenden. Wenn ich bis zum Ende des Jahres weitergemacht hätte, würde ich nun wohl nie mehr wieder auf ein Rad sitzen wollen.

In den vergangenen Jahren wartete man stets darauf, dass endlich der Knoten platzt. Du hast mehrfach angedeutet, welch großes Potenzial in dir steckt, aber bei den wichtigen Rennen klappte es nie so richtig. Im Nachhinein betrachtet, woran lag es hauptsächlich, dass du nie so richtig in Fahrt kamst?

Meine Allergieprobleme (Anm. der Red.: Schelb leidet unter Atembeschwerden in Verbindung mit Frühjahrsallergien) waren vermutlich der Auslöser für eine Kette an unglücklichen Zuständen. Man fängt an nachzudenken, man ist nicht mehr im Flow drin. Das Problem lag auch darin, dass bei Merida immer nur die „großen“ Rennen gefahren wurden. Bei den ersten Rennen standen immer nur die Besten der Besten am Start. Dann hat man Allergieprobleme und man fällt in ein tiefes Loch. Gemeinsam mit Merida haben wir versucht die Handbremse zu ziehen. Nach einigen kleineren Rennen im Ausland kam ich frohen Mutes zurück und wurde dann aber beim nächsten Rennen wieder durch Allergieprobleme zurückgeworfen.

Julian Schelb wechselte 2014 zum Multivan Merida Biking Team.
# Julian Schelb wechselte 2014 zum Multivan Merida Biking Team.

Spielte ein eventuell zu hoher Leistungsdruck im Merida-Team eine Rolle für die Schere im Kopf?

Nein, Leistungsdruck gab es bei Merida nie. Aber die Stimmung im Team war nicht mehr die Beste. Ich dachte, dass ich das ausblenden kann, musste aber feststellen, dass dem nicht so ist. Es gibt Fahrer die können das, ich leider nicht. Der Versuch mit einem Trainerwechsel (Anm. der Red.: zu Christof Weiß, Trainer von Thomas Litscher und Ondrej Cink) Ende der vergangenen Saison das Blatt zu wenden, hat leider auch nicht so funktioniert wie erhofft.

War der Wechsel zum großen Profiteam Multivan-Merida ein zu großer Schritt im Nachhinein betrachtet oder würdest du es in der damaligen Situation genauso wieder machen?

Ich hatte mehrere Angebote und Merida war eindeutig das Beste. Von Ralph Näf (Anm. der Red.: Näf war jahrelang Schelbs Trainer) habe ich gehört, dass es ein cooles Team sei und die Tatsache, in einem deutschen Profiteam unterzukommen, war natürlich perfekt. Ich würde diesen Wechsel nie bereuen.

Julian Schelb neben seinem ehemaligen Trainer Ralph Näf auf dem Podium.
# Julian Schelb neben seinem ehemaligen Trainer Ralph Näf auf dem Podium.

Nach dem Schlussstrich bei Merida kann man sich gut vorstellen, dass du erstmal auf keinem Fahrrad mehr sitzen wolltest. War das so? Und was hast du in der Zeit, bis du erstmals an eine Rückkehr gedacht hast, gemacht?

Zu Beginn wollte ich wirklich nichts von meinem Fahrrad wissen. Doch schon nach kurzer Zeit kam ich zurück aufs Bike, nicht um zu trainieren, sondern um Spaß zu haben. Erstmals stand der Spaß im Vordergrund, nicht das Training. Ich habe viele lange Touren gemacht und mich auf die Jagd nach Strava-KOM’s gemacht. Am Ende des Jahres kamen dann Björn und Niklas auf mich zu mit der Idee, gemeinsam ein neues Team auf die Beine zu stellen.

Und nun kehrst du wieder zurück ins Renngeschehen. Vor einigen Wochen konntest du bei den baden-württembergischen Landesmeisterschaften im Cyclocross sogar Christian Pfäffle schlagen. Das dürfte durchaus ein Motivationsschub gewesen sein für die kommende Saison. Wie ist die Zielsetzung für dich?

Mir geht es darum, Spaß zu haben bei dem was ich mache. Eigentlich wollte ich mit dem Renngeschehen nichts mehr zu tun haben, aber beim Rennen in Offenburg hatte ich wieder richtig Spaß. Ich möchte es vor allem ruhig angehen, damit sich nicht wieder die gleichen Fehler aus der Vergangenheit wiederholen. Zumal ich erst im März meine Prüfungen im Studium habe und erst danach den Fokus mehr auf das Training legen kann. Dann plane ich vor allem erstmal Straßenrennen und Marathons zu fahren, da kann man eher mal noch im Windschatten mitkommen. Zum Beispiel spielt der Weltcup in Albstadt überhaupt keine Rolle in meiner Rennplanung nächstes Jahr.

Der Münstertäler will 2017 bei Marathon-WM in Singen starten.
# Der Münstertäler will 2017 bei Marathon-WM in Singen starten.

Das erste größere Ziel wird dann die Qualifikation für die Marathon-Weltmeisterschaft in Singen sein. Wenn ich das mal erreicht habe, sollte ich eine gute Form haben, die ich dann natürlich nutzen möchte. Ich mache auf jeden Fall nur das worauf ich Lust habe und gehe nicht an die Startlinie, ohne das Gefühl zu haben, mithalten zu können. Ich möchte auf keinen Fall einen Schritt zu früh machen, denn dann war alles umsonst.

Zur allgemeinen Situation im deutschen Nachwuchsbereich: Aktuell gibt es viele junge U23-Fahrer, die mehrfach angedeutet haben, dass in ihnen ein sehr großes Potenzial steckt. Was würdest du mit deiner Erfahrung als großes deutsches Nachwuchstalent zu gelten, diesen Fahrern für Ratschläge mit auf den Weg geben? Ist der Sprung in ein großes Profiteam empfehlenswert?

Das ist eine sehr schwierige Frage. Ich kann ohne Spaß kein gutes Rennen fahren, andere können das. Für diese Fahrer ist der Sprung in ein großes Profiteam sicher eine Chance. Bei anderen macht es vielleicht mehr Sinn Teamleader in einem kleineren Team zu sein, um dann später aufzusteigen. Zudem gibt es ja auch die Möglichkeit, dass man in ein Profi-Team kommen kann, in dem eine geniale Stimmung herrscht oder der Fahrer einfach perfekt rein passt und sich wohlfühlt, dies ist nämlich für mich immer eines der wichtigsten Argumente für Erfolg. Problem ist, dass man irgendwann an dem Punkt angelangt, an dem das Finanzielle eine Rolle spielt. Denn die Möglichkeiten über die Sportförderung der Bundeswehr und der Bundespolizei eine finanzielle Basis zu erhalten sind begrenzt. Ich habe versucht bei der Bundespolizei einen Platz zu erhalten, was aber nicht geklappt hat. Problem bei der Bundeswehr ist, dass man nach der sportlichen Karriere, sollte man seine Zukunft nicht als Berufssoldat planen, auf der Straße steht. Seit kurzem ist es aber auch möglich, bei der Bundeswehr ein Studium zu belegen.

Insbesondere fehlt eine gewisse Planungssicherheit beim BDR. Ich wollte für das kommende Jahr auch nicht mehr im Nationalkader sein. Man erhält zwar etwas Geld von der Sporthilfe, bei einigen Punkten gibt es allerdings dringend Handlungsbedarf. Zum Beispiel ist es gerade gegenüber Sportlern wie Johannes völlig unfair, sie nie wirklich zu berücksichtigen. Jahrelang hätte er es verdient in den Nationalkader zu kommen. So was macht doch die Sportler innerlich kaputt, wenn man weiß, man gibt alles Jahr für Jahr und ist meistens besser als die Hälfte vom Nationalkader. Und letztendlich wird man nie richtig berücksichtigt.

Cool, dass du zurück bist, Julian!
# Cool, dass du zurück bist, Julian!

Alles Gute für die anstehenden Herausforderungen und vielen Dank für das Gespräch!

  1. benutzerbild

    GabiMTB

    dabei seit 04/2014

    Nach einen schlechten Frühjahr 2016 unterbrach XC-Profi Julian Schelb seine Rennkarriere. Nun ist er zurück. Gemeinsam mit drei weiteren jungen Sportlern aus seiner Heimat bildet er das neue STOP&GO-Team, dem unter anderem auch das Nachwuchstalent Johannes Bläsi angehört. Das Interview!


    → Den vollständigen Artikel "Mit Spaß wieder zurück zum Erfolg? Julian Schelb im Interview" im Newsbereich lesen


  2. benutzerbild

    __Stefan__

    dabei seit 08/2009

    Immer wieder interessant so etwas zu lesen ....

    ... nur wer hat den Jungs diese Hosen entworfen? Schaut ja aus, als wenn die alle unter Inkontinenz leiden würde. Auf dem Rad sieht man das ja nicht, aber wenn da mal einer auf dem Siegertreppchen steht?

  3. benutzerbild

    Oseki

    dabei seit 05/2015

    Aah, deswegen ist das Foto so "scharf".

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