Beim Aufstehen heute schmerzten uns alle Glieder. 2 Renntage in den Beinen und ich fühle mich steif und unbeweglich wie ein Stück altes Brot. Egal ob ein Etappenrennen drei oder acht Tage dauert, Tag drei ist meistens der schlimmste.

Vorzeichen eines tollen Tages!
# Vorzeichen eines tollen Tages! - Foto: Rémi Fabregue

Heute wurden wir um 6.45 Uhr alle in Busse verfrachtet und 50 Kilometer weiter nördlich mitten in der Pampa wieder abgesetzt. Etappen, die von A nach B gehen haben den Vor- oder Nachteil, dass sie nicht unbedingt gleich viel Höhenmeter rauf wie runter gehen. Heute war es unser Vorteil: 400 Höhenmeter konnten wir im Verhältnis mehr bergab fetzen als rauf – wirklich sehr nach meinem Geschmack.

Entspannt, aber mit kleinen Augen nach einer kurzen Nacht im Beduinenzelt, auf dem Weg zum Start.
# Entspannt, aber mit kleinen Augen nach einer kurzen Nacht im Beduinenzelt, auf dem Weg zum Start.

Nach dem Krämpfe-Desaster des Vortages hielten wir heute morgen Krisensitzung und beschlossen, den Tag entspannt anzugehen. Kein unnötiges dicke-Gänge-drücken in der ersten Rennstunde, nichts auf Biegen und Brechen erzwingen. Heißt: Uns einfach auf unser eigenes Rennen konzentrieren, anstatt gegen die Gegnerteams kämpfen und uns nervös machen lassen. Ja, auch alte Renn-Häsli wie ich lernen die Basislektionen immer wieder neu!

Irgendwo in der Pampa starteten wir in den dritten und letzten Renntag.
# Irgendwo in der Pampa starteten wir in den dritten und letzten Renntag.

Am Start ging es gleich richtig zur Sache: Es wartete eine topfebene, 7 Kilometer lange Kiesstraße inklusive Passagen mit tiefem Sand. Da bei Etappenrennen meistens alle Kategorien zusammen starten, geht da echt die Post ab. Stellt euch mal vor, wie sich meine Beine anfühlen, wenn ich mit den Elite-Männer um die Wette sprinten muss. Aua. Wir sahen das Mixed Siegerteam des Vortages mit der ersten Gruppe davon ziehen und waren bisschen überrascht, dass Weiblein von Männlein in jeder möglichen als auch unmöglichen Situation geschoben, gezogen, oder angeschubst wurde. Dies ist an sich absolut legal und keiner Regel wiedersprechend. Mein Problem ist nur mein großes Ego. Ich will mein eigenes Rennen fahren und dauernd geschoben zu werden ist gegen meinen Stolz. Schon als kleines Kind habe ich meine Mama damit genervt, dass ich alles immer selber machen wollte.

In den Abfahrten ließen wir es richtig krachen!
# In den Abfahrten ließen wir es richtig krachen! - Foto: Rémi Fabregue

Im Fall von Michi und mir ist die Lage sowieso anders. Nachdem er auf dem schnellen flachen Kurs des Prologes bedeutend stärker war, hat sich das Kräfteverhältnis bei den langen Etappen gedreht. Ich bin darauf bedacht, keinen Antritt zu viel zu machen, sodass er das an meinem Hinterrad eben auch nicht macht. Die Kräfte sollen ja ein paar Kilometer weiter reichen als noch am Vortag. Die Rennerfahrung und den Instinkt, den ich mir über die letzten 15 Jahre angeeignet habe, kann er (zum Glück) nicht innerhalb von zwei Tagen wettmachen. Die Option, dass bei uns Weiblein Männlein anschubst, haben wir zwar kurzzeitig für den Krampf-Notfall in Erwägung gezogen, aber schnell wieder verworfen. Michi ist zirka 15 Zentimeter grösser und 20 Kilo schwerer als ich. Physikalische Gesetze erklären schnell, dass ich bei dieser Option Superwoman sein müsste, um dies längerfristig durchzustehen.

Die Cleveren lassen sich für die Verpflegung genügend Zeit. Denn: Ist der Tank leer, macht auch der Motor keinen Wank mehr.
# Die Cleveren lassen sich für die Verpflegung genügend Zeit. Denn: Ist der Tank leer, macht auch der Motor keinen Wank mehr.

Wir machten also unser eigenes Ding und ich war für das Pacing zuständig. Ich erwischte einen wirklich guten Tag und so fuhren wir bei Kilometer 25 in einer rutschigen Abfahrt auf das andere Mixed Team auf und überholten sogleich. Bei Kilometer 29 stoppten wir dann in der Feedzone, um unsere Flaschen zu füllen und etwas Banane und Datteln rein zu drücken. Natürlich attackierten die anderen gleich, als sie uns in der Verpflegung stehen sahen. Ich freute mich eigentlich über den Zweikampf. Aussicht genießen ist toll, aber richtig Rennen fahren eben auch. Ich trat so richtig richtig in die Pedale und schaute nicht mal zurück, als wir wieder an ihnen vorbeischossen. Zwischendurch gab es einen Kontrollblick, ob Michi noch am Hinterrad dran ist, aber sonst gab es nur die Flucht nach vorne.

Die ersten paar Minuten war ich im Ziel vor lauter Sauerstoffmangel nicht ansprechbar.
# Die ersten paar Minuten war ich im Ziel vor lauter Sauerstoffmangel nicht ansprechbar.

Bei Kilometer 45 erreichten wir dann eine längere Asphaltstraße mit Gegenwind. Da musste Michi dann auch mitführen. 7 Kilometer später ging es wieder ins Gelände und seine Kräfte ließen nach. Ich spielte mal wieder die Rabenschwester, blaffte ihn so richtig an, dass er sich auf sich selber konzentrieren soll und nicht auf ein mögliches Resultat und futterte ihm ein Gel. Dieser Joker funktioniert auf kurze Zeit immer, vor allem auch mental. Vor der letzten Abfahrt hatten wir das Gegnerteam hinter uns in Sichtweite, aber das Loch war ziemlich groß. Michi war dadurch wieder wie beflügelt. Wir überquerten die Ziellinie als Tagessieger. Puh – ich war fix und fertig. Nun startete aber das Zählen der Sekunden. 3 Minuten und 37 Sekunden lagen wir in der Gesamtwertung nach Tag 2 zurück. War unsere Tagesleistung gut genug, um das Blatt nochmals zu drehen?

Mit einem großen Lachen im Gesicht zuoberst auf dem Podest.
# Mit einem großen Lachen im Gesicht zuoberst auf dem Podest. - Foto: Rémi Fabregue

Mit 55 Sekunden Vorsprung sicherten wir uns die Gesamtwertung. Nach 3 Tagen Achterbahnfahrt der Emotionen ein tolles Gefühl und ein Resultat, dass unsere Erwartungen bei weitem übertrifft. Hat es Spaß gemacht? JA – sehr! Mich zusammen mit Michi durch die Wüste zu kämpfen war mega. Wollen wir bald wieder? Na klar: Wir planen schon das nächste Abenteuer. Und wie findet der Fußballer nun Mountainbikerennen? Er war überrascht, wie hart es ist. Selber machen ist halt doch immer schwieriger als nur zugucken.

Drei Schweizer und drei Franzosen freuen sich im Finisher Trikot über die tolle Zeit in der Wüste. Von links nach rechts: Michi, Rémi Fabregue (Fotograf, Agence Kros), Gael Hansen (Scott Ambassador), Kevin Miguel (Rennfahrer bei Commencal), Jeremie Z
# Drei Schweizer und drei Franzosen freuen sich im Finisher Trikot über die tolle Zeit in der Wüste. Von links nach rechts: Michi, Rémi Fabregue (Fotograf, Agence Kros), Gael Hansen (Scott Ambassador), Kevin Miguel (Rennfahrer bei Commencal), Jeremie Z - Foto: Rémi Fabregue

Das Samarathon-Etappenrennen war eine wahnsinnig tolle Erfahrung. Mountainbiken in der Wüste kann ich jedem und jeder, der gerne ungewöhnlich Sachen erlebt, sehr ans Herz legen. Ich würde es sofort wieder machen!

Morgen gibt es hier auf MTB-News.de den Rückblick zu meiner Israel-Reise.

Bis dann, Nathalie

Weiterlesen? Alle Berichte von Nathalie zum Israel-Trip findet ihr hier:

Über unsere Gast-Bloggerin

Nathalie Schneitter startete ihre internationale Mountainbike-Karriere im Jahr 2004 mit dem Gewinn des Cross-Country-Weltmeistertitels bei den Juniorinnen. Seither ist sie Vollgas auf den Rennstrecken dieser Welt unterwegs. In Jahr 2008 qualifizierte sie sich für die Olympischen Spiele in Peking und 2010 sicherte sie sich den Heimsieg beim Cross-Country-Weltcup in Champéry. Seit 2015 ist sie für das Team «Rose Vaujany fueled by UltraSports» unterwegs. Vollgas gibt Nathalie auch neben der Rennstrecke: Sie lacht viel, ist bisschen verrückt und tanzt in jeder möglichen Situation. Seit Herbst 2016 ist sie im Organisationsteam der Bike Days in Solothurn und des Urban Bike Festival in Zürich tätig.

Fotos: Nathalie Schneitter, Rémi Fabregue/ Agence KROS
  1. benutzerbild

    Gastautor

    dabei seit 05/2012

    Beim Aufstehen heute schmerzten uns alle Glieder. 2 Renntage in den Beinen und ich fühle mich steif und unbeweglich wie ein Stück altes Brot. Egal ob ein Etappenrennen drei oder acht Tage dauert, Tag 3 ist meistens der schlimmste. Es hieß ein letztes Mal: alles geben!


    → Den vollständigen Artikel „Nathalie Schneitter live aus Israel – Tag 3: Kämpfe, Krämpfe, Gesamtsieg!“ im Newsbereich lesen


  2. benutzerbild

    Berrrnd

    dabei seit 04/2008

    es wäre toll, wenn ergebnisse nicht schon im threadtitel erwähnt werden.

  3. benutzerbild

    Jabberwoky

    dabei seit 08/2013

    Schöner Bericht und klasse Ergebnis, Gratulation

  4. benutzerbild

    Mueman

    dabei seit 04/2016

    Respekt und Glückwunsch!

  5. benutzerbild

    Geisterfahrer

    dabei seit 02/2004

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