Mitreißende Rennberichte von 12 h und 24 h Rennen, geschrieben mit Herz und ganz nah dran an dem, was auf der Strecke passiert: Kai Saaler hat uns in den letzten Jahren immer wieder vor dem heimischen Computer mitreißen und begeistern können. Gerade haben wir gemeinsam diskutiert, warum man nie ein 24 h Rennen fahren sollte und warum wir es am Ende doch immer wieder tun. Nun haben wir mit Solo-Experten Kai 12 spannende Fragen zu 24 h Rennen diskutiert – um vielleicht im Ansatz zu verstehen, was es bedeutet, als Solo-Fahrer eine solche Herausforderung in Angriff zu nehmen. Viel Spaß mit dem Interview.
24 h, 12 Fragen: Kai Saaler
MTB-News.de: Kai, Du hast uns regelmäßig mit spannenden Rennberichten von 24 h Rennen unterhalten – welches war das beste/schönste/spannendste Rennen, das Du je gefahren bist?
Kai Saaler: Das schönste und beste ist auf jeden Fall das 24 h Rennen in Finale Ligure! Ich stehe einfach auf Singletrails und davon hat die Strecke wirklich viel. Das Rennen ist mitten in den Bergen, mit Blick aufs Meer und dann eben noch in Italien. Wie Urlaub nur mit Schmerzen. In Deutschland war das schönste Rennen in Offenburg, in den Weinreben und auf Teilen der alten UCI World Cup-Strecke. Das spannendste Rennen, das ich je gefahren bin, war in Stuttgart. Torsten Weber und ich haben uns bis eine Stunde vor Rennende gebattelt, bis wir beschlossen, die letzte Stunde gemeinsam zu fahren. Leider hat er dann heftige Muskelkrämpfe bekommen.
Dein Training: Kurz zusammengefasst – wie sieht dein Training für ein 24 h Rennen aus?
Naja, nur mit der üblichen Runde zur Eisdiele ist es leider nicht getan. Über den Winter jogge ich sehr viel. Teilweise bis zu 70 km ohne Pause (5:00 min pro km). Richtig aufs Rad steige ich meistens erst im Frühjahr. Zunächst auf dem Rennrad und dann natürlich auf dem Mountainbike. Zudem viele Stabiübungen, ab und zu Schwimmen, Treppentraining, Sprünge und natürlich auch Krafttraining. Nun würden die meisten natürlich denken, dass ich nur Ausdauer trainiere, aber zu meinem Training gehören natürlich auch harte Intervalleinheiten. Meist wechseln Ausdauereinheiten und Intervalle täglich. Es gehört aber auch die Regeneration dazu.
Dein Körper: Kondition und Fahrtechnik lassen sich trainieren, aber wie bereitest Du Dich darauf vor, 24 h konzentriert auf einer technisch anspruchsvollen Mountainbike-Strecke, wie beispielsweise in Finale Ligure, unterwegs zu sein?
Das ist die größte Herausforderung. Richtig trainieren kann man das aber denke ich nicht. Mir persönlich machen technisch anspruchsvolle Strecken, wie in Finale Ligure einfach mega Spaß.
Deine Ernährung: Der Ernährung kommt bei einem so langen Rennen größte Bedeutung zu, denn Du kannst die verbrannte Energie kaum nachführen. Wie sieht dein Ernährungsplan vor, während und nach dem Rennen aus?
Nach dem Rennen gibt’s Sekt und später entweder Pizza oder Burger. Alles andere ist so einfach nicht zu beschreiben. Aber vereinfacht gesagt, sind die 3–4 Tage vor dem Rennen entscheidend. Da werden vorwiegend Kohlenhydrate gegessen und ca. 3–5 Liter pro Tag getrunken. Bei der 12 h Europameisterschaft im vergangenen Jahr habe ich 16 Liter getrunken und musste nicht einmal Wasser lassen, deshalb wird der Körper die Tage zuvor schon einmal daran gewöhnt. Während dem Rennen versuche ich auf Pulver und Gels zu verzichten. Bei mir ist alles sehr natürlich. Zu essen gibt’s zum Beispiel “Basler Leckerli” (Honig-Mandelgebäck mit 75 % Kohlenhydraten), selbst gebackene Haferflockenriegel, Laugenbrötchen mit Käse und ab und an auch einen normalen Riegel. Zu Trinken bekomme ich Trauben- und Apfelschorle, O-Saft mit Instanthaferflocken und Kokosmilch, Malzbier, Cola und alle 3–4 Stunden Gemüsebrühe. In der Brühe sind Ballaststoffe, Vitamine und Salze vorhanden, die der Körper braucht. Zudem ist Nachts manchmal etwas Warmes zu trinken wirklich wohltuend. Aber was ich in welcher Reihenfolge während dem Rennen bekomme, entscheidet meine Freundin, die Bewegung & Ernährung studiert.
Dein Bike: Die Technik muss bei einem 24 h Rennen problemlos funktionieren, damit nicht noch zusätzlicher Stress hinzukommt. Inwiefern hast Du Dein Rad auf die besondere Herausforderung angepasst?
Ich verwende ein 2014er “Cannondale F29 Crabon Team”. Außer den Kurbeln und der Lefty-Federgabel wurde allerdings alles ausgetauscht. Das Ergebnis ist eine 8,12 kg leichte Rennwaffe (rennfertig). Entlackt, neu grundiert und Matt-Schwarz lackiert. Alle Leitungen wurden im Rahmen verlegt. Prototypen-Laufräder von Tune, bestehend aus Alu/Carbon-Naben, Sapim Messerspeichen und Carbonfelgen. Der Vorbau ist von Leonardi (blau eloxiert), damit ich mit der Front weiter nach unten komme. Alle Carbonanbauteile kommen ebenfalls aus dem Hause Tune. Zudem fahre ich alle meine Rennen mit einem ovalen Kettenblatt von Absoluteblack (36 Zähne) und verwende Rennradpedale. So kann ich mit leichteren Rennradschuhen fahren, welche die Kraft besser auf das Pedal übertragen. Seit diesem Jahr fahre ich mit der Piccola-Bremsanlage von Trickstuff, da ich im vergangenen Jahr einige Probleme mit meiner “Rennbremse” eines großen japanischen Herstellers hatte. Das ist nun vorbei! Die Bremse ist eine Prototypenbremse und wurde für meine Bedürfnisse aufgebaut. Das einzig schwere an dem Bike sind die Schlauchreifen, die mir allerdings einen besseren Pannenschutz garantieren. Zusammen mit Talkpulver und Latexschläuchen, habe ich damit bisher die besten Erfahrungen gesammelt.
Die Beleuchtung: Welche Rolle spielt die Beleuchtung? Was für Leuchten verwendest Du und ist mehr Licht immer besser als weniger?
Also ich bin natürlich schon der Meinung, dass man nie genug Licht haben kann. Aber vor allem kommt es darauf an, wo die Leuchte installiert ist. Am Lenker hat man das Problem, dass Kurven nicht ausgeleuchtet werden. Deshalb habe ich meine LED-Lampe immer auf dem Kopf. Zusätzlich noch eine am Lenker, falls der Akku mal leer ist. Bei meinen Lampen kann man in den Stroboskop-Modus (Blinklicht) umschalten. So kann ich auf mich aufmerksam machen, sobald ich in die Boxengasse komme, damit sich meine Betreuer zum Verpflegen bereit halten können. Ich verwende keine Markenleuchte und habe ab und an auch Probleme damit. Dennoch ist meine Leuchte super leicht und der Akku hält 5 Stunden.
Dein Team: Auf der Strecke bist Du nicht alleine, sondern wirst von einem Team unterstützt. Wie viele Unterstützerinnen und Unterstützer braucht man, um ein Solo-Rennen fahren zu können?
Wenn man nicht um die vorderen Platzierungen fahren will, braucht man eigentlich keine Betreuer. Oft gibt es für Solo-Fahrer eigene Verpflegungsstellen mit echt geilem Essen. Da ich aber im Regelfall keine Pausen mache, geht das nicht ohne Team im Hintergrund. Bei mir sind meistens zwischen zwei und teilweise 12 Personen dabei – das ist aber dann mehr aus Gaudi. Meine Freunde machen dann ein 24 h Grillfest draus, die haben echt viel Spaß dabei. Da mein Team vorwiegend aus Mädels besteht, haben die bei den vielen Lycra-Hinterteilen immer was zu schauen. Teilweise wird dann sogar das Verpflegen meinerseits vergessen.
Hand aufs Herz: Warum fährst Du 24 h Rennen?
Na, sicherlich nicht um Geld zu verdienen! Für einen Podiumsplatz in Finale zum Beispiel gibt’s eine Holzmedaille und einen Fresskorb. Auch für den Respekt ist das nichts, da man gleich als “verrückt” bezeichnet wird. Ich mag es einfach, die Grenzen meines Körpers auszutesten. Nach Marathons hatte ich im Ziel meist nach einer halben Stunde das Gefühl, dass noch mehr gegangen wäre. Nach einem 24 h Rennen kommt dieser Gedanke im Ziel nicht auf. Die totale Vernichtung für den Gewinner und den Hobbyfahrer am Ende des Feldes. Jedes Rennen ist anders und einzigartig. Man lernt seinen Körper immer wieder neu kennen und es findet eine gewisse Realitätsverschiebung statt. Dinge, die man früher für fast unmöglich gehalten hat, werden zur Normalität. Auch im Job, kann einem nichts mehr was anhaben, weil man sich immer sagt: “Wenn ich ein 24 h Mountainbikerennen fahren kann, dann schaff ich auch das !”
Welche Phase eines 24 h Rennens gefällt Dir am Besten?
Das ist der Moment, wenn es endlich zu dämmern beginnt. Es ist unglaublich, wie der Körper auf das Tageslicht reagiert. Plötzlich werden neue Kräfte mobilisiert, die während der langen Nacht verloren gegangen sind. Allerdings realisiert man dann schnell, dass es dennoch 7 Stunden bis zur Zieldurchfahrt sind. Das bremst meist die Euphorie ein wenig. Aber dann nach einigen langen Stunden kommt das absolute Highlight: die Zieldurchfahrt! Dann wird mit dem Team gefeiert. Egal ob Sieg oder hintere Platzierung.
Würdest Du bei einem 24 h E-Bike Rennen an den Start gehen?
NEIN!
Du hast in den letzten Jahren viele andere 24 h Fahrer kennen gelernt. Was haben 24 h Fahrer gemeinsam? Gibt es einen typischen 24 h Fahrertyp?
Gemeinsam haben wir wohl, dass wir schon etwas verrückt sind. Man kann wohl nicht ganz normal sein, wenn man solche Rennen fährt. Aber es war auch nie mein Ziel im Leben, so wie die Masse zu sein! Was die allermeisten Solo-Fahrer gemeinsam haben, ist, dass man sich gegenseitig nicht als Konkurrenz sieht, sondern eher als Mitstreiter. Die Hilfsbereitschaft untereinander ist wirklich enorm. Bei technischen Problemen helfen sich die Teams untereinander, es werden Nahrungsmittel ausgetauscht, oder bei Regen treffen sich alle Betreuer unter dem dichten Pavillon eines Teams. Solches sportliche Verhalten gibt es leider in anderen Sportarten immer weniger, während die Teams und die Solisten wie eine große Familie sind.
Welchen Tipp würdest Du jemanden mit auf den Weg geben, der sein erstes 24 h Rennen in Angriff nehmen will?
Ein 24 h Rennen ist ein großes Ding und sollte auch gut vorbereitet sein. Nicht auf die leichte Schulter nehmen! Zuvor sollte man auf jeden Fall mal länger auf dem Bike gesessen haben. Es empfiehlt sich, Essen und Trinken vorher zu testen. Das Rennen nicht zu schnell angehen und beim ersten Rennen auf jeden Fall Pausen einplanen. Wenn man Nachts zu erschöpft ist, kann man sich auch mal hin legen – das ist keine Schande! Allerdings fällt es dann schwerer wieder in den Tritt zu kommen. Immer genügend Essen und Trinken. Das hört sich jetzt so an, als wäre das normal, aber irgendwann kommt der Punkt, an dem man einfach nichts mehr konsumieren will. Betreuer brauch man nicht unbedingt, es ist aber auf jeden Fall empfehlenswert. Meiner Meinung nach muss sogar zumindest im Ziel jemand auf einen warten. Auto fahren ist oft nicht mehr drin und auch den Tag nach dem Rennen sollte man sich frei nehmen. Naja, der Spaß sollte natürlich auch nicht fehlen.
Kai, wir sagen vielen Dank für das Interview. Wir sehen uns beim nächsten 24 h Rennen!
Könntet ihr euch vorstellen, jemals an einem 12 oder 24 h Rennen teilzunehmen?
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Bilder: Sportograf.de, Kai Saaler
Interview: Tobias Stahl | MTB-News.de 2017
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