Enduro Jura 2017: Unseren rasenden Reporter Jakob hat es auch dieses Jahr wieder in das Haute Jura verschlagen, um beim Enduro Jura teilzunehmen.
Fährt man die Autobahn von Lausanne in Richtung Genf, thront auf der linken Seite das Alpenmassiv über dem Genfer See. Ein wunderschöner Anblick. Sehr bekannt und dementsprechend häufig frequentiert. Was dabei allerdings oft nicht beachtet wird, ist die rechte Seite der Straße. Dort hat es nämlich auch noch erstaunlich hohe Hügel. Und genau da hin soll unsere Reise mal wieder gehen: in das schöne Jura, genauer gesagt in den französischen Teil des Haute Jura.
Denn François Bailly-Maître (FBM) lädt erneut zum Rennen in seiner Heimat ein. Nachdem es in den beiden Vorjahren wie aus Strömen geschüttet hat (hier der Bericht 2016), verspricht uns François dieses Jahr im Vorfeld schönes Wetter. Ich persönlich kenne das Jura aus den Vorjahren nur im Regen und glaube ihm kein Wort. Doch dann das große Wunder – statt der Heizung läuft im Auto die Klimaanlage und statt der Taucherausrüstung tragen wir unsere Sonnenbrillen. Mit jeder Kehre den Berg hoch steigt die Vorfreude auf das Wochenende.
An der Startnummernausgabe gibt es neben den Nummern erst mal einen Apéro, denn das ganze „Rennen“ steht eher unter dem Motto des gemeinsamen Fahrens auf schönen Trails. Hauptsponsor Julbo spendiert eine schicke Sonnenbrille für die Teilnehmer. Wir alle sind in einem typischen Winter-Skiurlaub-Hotel untergebracht. Das ähnelt eher einer Jugendherberge, ist aber völlig in Ordnung. Für die Gastronomen sind die Biker natürlich willkommene Gäste, denn abgesehen von ein paar französischen Rentnern sieht es mit Touristen eher mau aus. Hier gibt es eindeutig mehr Kühe als Menschen.
Übernachtung, Verpflegung und alles weitere Organisatorische ist im Startgeld mit inbegriffen. Man kann sich also völlig aufs Biken konzentrieren. Nach dem Abendessen geht es auch schon ins Bett.
Am nächsten Morgen weckt uns ein tadellos blauer Himmel. Schnell die Mägen gefüllt, Briefing angehört und ab geht es. Heute stehen 6 Stages auf dem Programm, dank eines höheren Startorts und einer Rückfahrt per Bus müssen ca. 1300 Hm Liaison per Rad bewältigt werden, während gewertet ca. 1500 Tiefenmeter auf der Tagesplanung stehen. Und das alles auf dem besonderen Untergrund des Jura: waldig, steinig, wurzelig, fest, lose, teilweise komplett frisch, teilweise auf uralten Wegen. Sehr abwechslungsreich und vor allem eins – verdammt schwer einzuschätzen. Beeindruckend ist insbesondere die Landschaft: Durch das insgesamt doch eher feuchte Klima ist der Wald unbeschreiblich grün, Flechte und Moose geben das Gefühl eines richtigen Urwaldes.
Die Stages präsentieren sich genauso abwechslungsreich wie der Boden: von sehr kurz bis sehr lang, von flach und tretlastig zu sehr steil, technisch und verblockt. Auf Grund meiner relativ niedrigen Startnummer (ich habe die Glücksnummer 13) habe ich einen privilegierten Startplatz, da die Top 20 gesetzt sind. Bedeutet allerdings auch, dass lauter schnelle Jungs um mich herum sind. Groß rumkaspern ist also nicht, die Buben hier vorne wollen alle Gas geben.
Die ersten Stages sind schnell abgehakt. Was genau wir da im Wald treiben, könnte ich jetzt beschreiben, doch ich lass es lieber bleiben. Deswegen werdet ihr nur die lustigen Anekdoten des Wochenendes zu hören bekommen. Wenn ihr genaueres über die Stages erfahren wollt, müsst ihr wohl oder übel selbst ins schöne Jura.
Die dritte Stage ist die erste lange des Tages. Oben steinig und recht schnell. Ich würde von mir jetzt mal dreist behaupten, dass ich mittlerweile relativ gut Wege lesen kann, aber hier muss ich gestehen, scheitere ich des Öfteren. Einen trockenen Stein queren? Mein Hirn gibt mir selbstverständlich das Okay, aber zack, flutscht schon mein Vorderrad weg. Ich fühle mich hier eher als Flipperball denn als souveräner Radlenker. Anspruchsvoll aber sehr spaßig. Schon bald lichtet sich der Wald und es geht mitten durch ein Dorf. Für die Einwohner natürlich ein großes Event, wenn schon mal die französische Enduro Elite durch ihre Vorgärten pflügt. In Deutschland eher schwer vorstellbar, hier jedoch befinden wir uns im Vélo-Land Nr. 1. Egal ob Rennrad oder MTB, der Radsport hat einfach einen ganz anderen Stellenwert als in Deutschland.
Nach der urbanen Bespaßung unter großem Jubel der Bewohner kippt der Trail wieder den Hang hinab, gefolgt von schnelleren und steinigeren Passagen. Eine kurze Querung der Straße erfolgt neutralisiert. Dann kommt die erste wirkliche Herausforderung des Tages, denn der nächste Part hat es in sich – sehr steil, sehr eng und sehr lose. Die ersten Kehren erwische ich gut und zum ersten mal am Tag hab ich wirklich das Gefühl, gerade einen guten Lauf herunter zu brennen. Doch wie das mit dem Hochmut immer wieder ist – der tiefe Fall folgt schon sehr bald. Ein Baum übernimmt nämlich die Aufgabe meiner Dirrettissima und bremst mich etwas arg abrupt auf Stillstand. Ich krabbele wieder auf die Strecke und fahre – ohne mein Rad zu kontrollieren – weiter. Blöd nur, dass meine vordere Bremse natürlich nicht mehr da steht, wo sie sein sollte und mein Lenker auch ordentlich verdreht ist. Eine ungute Kombination für einen sehr technischen Trail. So muss ich leider ziemlich an Tempo rausnehmen und stolpere den Hang hinab. Schön, so deutlich klar gemacht zu bekommen, warum eigentlich immer das Nachdenken dem Handeln vorhergehen sollte.
Das nächste Highlight folgt auf Stage 5. Durch die geordneten Fahrer hatte ich bisher auf den Stages keinerlei Verkehr, da die Jungs um mich herum alle etwa mein Tempo fahren. Doch in dieser Stage ändert sich das. Ich merke nämlich, dass ich meinen Vordermann auffahre. Einen französischen Teamfahrer von hinten aufzurollen ist für mich ein eher seltenes Vergnügen, deswegen spornt mich das natürlich enorm an. Adrenalin geflutet nehme ich Witterung auf und komme tatsächlich immer näher an in heran. Dann allerdings passiert etwas zu viel auf einmal: Der Herr vor mir muss eine Kehre verpasst haben, sieht mich anrauschen kommen und meint wohl, wenn er einfach stehen bleibt, komme ich an ihm vorbei. Da hat er allerdings nicht mit einem übermotiviertem Jakob gerechnet. Und so kann ich jetzt von mir behaupten, mit Vollgas einen anderen Kerl umgenietet zu haben. Stolz bin ich allerdings nicht darauf. Wir beide und unsere Räder werden vom Einschlag ins Dickicht geschleudert. Ich höre wildes französisches Fluchen (fängt mit P an und hört mit utain auf) und ich selbst weiß nicht, ob ich weinen oder lachen soll. Auf jeden Fall zappeln wir beide wie Fische im Trockenen und kraxeln ineinander verhakt irgendwie wieder auf den Trail. Glück gehabt, wir beide sind wohl auf und können unsere Fahrt fortsetzen, auch wenn das Schaltwerk des Mitstreiters danach eine größere Streicheleinheit notwendig hat. Und nachdem der Puls sich wieder gesenkt hat, haben wir uns auch sofort wieder lieb.
Die letzte Stage des ersten Tages ist ein absolutes Highlight. 550 Tiefenmeter, frisch durch den Wald. Und perfekt abgesteckt. Gut ersichtlich, nie gefährlich. Dazu oben genannter Urwald, der eine ganz eigene Atmosphäre hat. Grandios, so muss das beim Blind Racing sein.
Per Bus geht es zurück ins Hotel. Nachdem wieder alle schön sauber sind, geht es zum Apéro, bevor dann das eigentliche Highlight des Wochenendes ansteht: Das Kinderbikerennen. Zwei Teams bestreiten als Staffel einen kleinen Parcours, Bier exen zu Beginn inklusive. Mein Team besteht mit Jérôme Clementz, Remy Absalon, FBM, den beiden Gehrig-Twins, Sven und noch ein paar anderen aus einer recht schlagkräftigen Gruppe (kurz überlegen wir, ob eventuell die deutschen Teilnehmer das Trinken übernehmen sollten und die Franzosen das Radeln). Sehr schön zu sehen, wie auch die absoluten Vollprofis sich nicht scheuen, bei einem Beerrace mitzumachen und sogar auch hier erstaunlich schnell sind. Aber ein Wettkampf ist und bleibt schließlich ein Wettkampf, sodass auch hier wirklich alles gegeben wird. Unser Team kann nach einem spannenden Battle den glorreichen Sieg erringen. Die Stimmung ist also dementsprechend gut, als dann das eigentliche Abendessen folgt. Gemeinsam können wir den Tag dank dem fleißigen Mediateam anhand von aktuellen Fotos und Film Revue passieren lassen, bevor es in das wohl verdiente Bettchen geht.
Tag zwei steht ganz im Zeichen von langen und physisch anstrengenden Stages. Dafür wird jeder Uphill durch einen Shuttle verkürzt. So kommen wir auf ca. 400 Hm zum erstrampeln und auf über 2000 Tiefenmeter gewerteter Stage. Nach jeder Etappe steht die super ausgestattete Verpflegungsstation auf dem Programm. Wir müssen also gar nichts anderes machen, als ein bisschen Biken zu gehen.
Am Start von Stage 1 wird einem spätestens klar, wie schön das Jura ist. Wir befinden uns auf einem ausgesetzten Grat und haben eine grandiose Sicht in die Schluchten ringsum. Von oben kommend treffen wir dann wieder auf das Städtchen vom Vortag und fahren denselben Trail noch einmal. Erstaunlich, wie man doch schneller fährt, wenn man die Wege kennt. Und ich bin endlich im Rennmodus angekommen, denn so langsam habe ich Vertrauen in den Boden erlangt.
Stage 2 ist gleich der nächste Knüller mit über 700 Tiefenmetern am Stück. Motiviert geht die Hatz los, ich fühle mich schnell und fahre ziemlich auf Attacke. Bald schon sehe ich vor mir das rote Trikot meines Vordermannes durch den Wald huschen. Für mich natürlich ein Vorteil, denn so kann ich den Trailverlauf schon viel früher erahnen. Immer näher sauge ich mich heran. Mein Opfer vom Vortag spürt meinen kalten Atem schon im Nacken und hat höchstwahrscheinlich große Angst, gleich wieder überfahren zu werden. Er fährt auf jeden Fall sichtlich ziemlich am Limit. Hilft ihm allerdings nichts, denn in einem kurzen Forstwegstück schießt er über den Weg hinaus in die Wiese. Ciao! Ich düse weiter, biege wieder in den Trail, als es am Hinterrad brachial scheppert. Keine Zeit groß darüber nachzudenken, doch schon zwei Kehren weiter spüre ich, wie mein Hinterrad anfängt zu schwimmen. F*ck, Platten! Und noch gut die Hälfte Trail vor mir. Guter Rat ist teuer. Ich beschließe, vorsichtig das Ding runterzubringen. Die Tretstücke tun verdammt weh, wenn so gar nichts rollt. Bergab geht natürlich auch nichts. Dafür falle ich auch noch hin. Nun ja, passiert. Und passiert nicht nur mir. Genau an meiner Stelle fahren sich mindestens 15 Leute einen Platten. In weiser Voraussicht haben die Streckenposten unten eine Standpumpe platziert. Besonders ärgerlich, da ich mich auf dieser Stage echt gut gefühlt habe und ich sogar trotz Platten gar nicht so langsam war. 30-40 Sekunden, ein Schlauch und ein paar Plätze sind der Preis für meine Unachtsamkeit.
Per Bus geht es hoch zur letzten Wertungsprüfung. Diese wird im Verfolgungsmodus gestartet. Jérôme geht als erster auf die Strecke, alle anderen folgen in den jeweiligen Abständen. Action ist so garantiert. Ich habe einen amerikanischen Profi sieben Sekunden vor mir, zwei schnelle Franzosen ziemlich nah hinter mir und gehe als 14. auf die Strecke. Gleichzeitig ist die letzte Stage die anstrengendste, was das Treten betrifft. 70 Hm Uphill auf der Stage können nach zwei langen Tagen ganz schön hart sein. Dazu kommt, dass ich in der Kompression bei einer Bachdurchquerung komplett ausgehebelt werde. Fühlt sich an, als hätte einer den Schleudersitz ausgelöst. Der Fotograph lobt mich immerhin danach, ich hätte den coolsten Sturz hingelegt. Yeah! Aber auch coole Stürze kosten Zeit, sodass bald Mr. Allaz von hinten angekeult kommt. Bergauf hängt er mich trotz aller Bemühen ab, bergab kann ich ihn allerdings wieder auffahren. Gemeinsam kommen wir ins Ziel. Platz 15. für mich, womit ich immerhin schnellster deutscher Referendar bin. Das passt für mich.
Fazit zum Enduro Jura 2017
Das Enduro Jura ist wahrlich ein Highlight im Rennkalender. Man merkt der Veranstaltung an, dass das Team rund um FBM wirklich mit viel Herzblut organisiert und es für alle Teilnehmer ein Fest sein soll. Und dies gelingt auch dieses Jahr wieder. Wer ein erfahrener Biker ist – denn sowohl konditionell wie technisch ist das Enduro Jura ziemlich weit oben einzuordnen – wird ein grandioses Wochenende erleben. Man kann eine enorm schöne Gegend kennen lernen und bekommt quasi durch den Streckenverlauf die besten Trails der Region auf dem Silbertablett präsentiert. Das Startgeld von 230€ ist durch die Rundumversorgung, die top Organisation und die Stimmung definitiv gerechtfertigt.
Und noch gute Nachrichten für alle, die nun mit dem Jura als Bikedestination liebäugeln, aber kein Rennen fahren möchten: die Jungs dort sind höchstmotiviert und werden ihr Trailnetz immer weiter ausbauen. Wer also seinen Horizont erweitern möchte, der biege doch mal zwischen Lausanne und Genf nach rechts ab und besuche das Jura! Wirklich empfehlenswert. Die nächst größere Stadt ist Saint-Claude, für mehr Infos könnt ihr auf Facebook der Seite „Enduro Jura“ schreiben.
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