Am vergangenen Wochenende wurden im italienischen Darfo Boario Terme die europäischen Titel im Cross-Country und im Eliminator-Sprint vergeben. Florian Vogel und Yana Belomoina dürfen nun ein Jahr lang in den Cross-Country-Rennen das blau-weiße Meistertrikot tragen. Im Eliminator triumphierten Tituan Perrin-Ganier aus Frankreich und Kathrin Stirnemann aus der Schweiz. Highlight aus deutscher Sicht: Manuel Fumic sichert sich nach langer Durststrecke die Bronzemedaille.
Herren – „Unterschätzt niemals die alten Herren!“
Einen Altersdurchschnitt von stolzen 35,6 Jahren auf dem Podium einer Cross-Country-Europameisterschaft gab es wohl noch nie. Mit Florian Vogel, Julien Absalon und Manuel Fumic standen nach sieben kräftezehrenden Runden in der Hitze in den italienischen Alpen drei Fahrer auf dem Podium, die bereits seit mehr als 15 Jahren das Cross-Country-Geschehen prägen. Und gerade auf der technisch anspruchsvollen und defektanfälligen Strecke in Darfo Boario Terme schien es so, dass sich die Erfahrung der älteren Athleten auszahlen würde. Denn ein Fahrer nach dem anderen wurde im Kampf um die Medaillen aus unterschiedlichsten Gründen zurückgeworfen.
Das Rennen der Herren war schon in den ersten Runden sehr taktisch geprägt. So überquerten nach dem verkürzten ersten Umlauf eine große Gruppe von mehr als 15 Fahrern den Zielstrich innerhalb weniger Sekunden. Erst in der dritten Runde gelang es dem Franzosen Stephane Tempier sich einige Meter von der Konkurrenz abzusetzen, doch die Kontrahenten blieben stets in Schlagdistanz. Und während Tempier in den letzten Runden immer mehr Mühe bekam sein hohes Tempo zu halten, drehte die Konkurrenz immer weiter am Gashahn.
Als dann der spätere Sieger Vogel drei Runden vor Schluss am Berg das Tempo erhöhte, verkleinerte sich die Verfolgergruppe Stück für Stück. Insbesondere die französischen Talente Titouan Carod und Jordan Sarrou konnten nun nicht mehr folgen. Auch der Zweite eidgenössische Fahrer in der Verfolgergruppe, Mathias Flückiger, musste die Segel streichen.
Einziger Kontrahent, der vorerst mithalten und dann sogar noch zulegen konnte, war der aktuelle Gesamtweltcupzweite David Valero. Der Spanier übernahm schließlich die Spitze von Tempier, stürzte jedoch wenige Meter später mit dramatischen Folgen: Ein schwerer Defekt wirft ihn aus dem Rennen um die Medaillen.
Von da an schlägt die Stunde des Florian Vogels, der sich in der letzten Runde noch dem stark aufkommenden Julien Absalon erwähren muss. Mit 13 Sekunden Vorsprung nach 1:24:08 Stunden Fahrzeit feierte er neun Jahre nach seinem letzten Triumph seinen zweiten kontinentalen Meistertitel vor dem Titelverteidiger Absalon.
Manuel Fumic überzeugte durch ein taktisch intelligent gestaltetes Rennen. Jederzeit befand er sich in Schlagdistanz zu den Führenden, um dann auf den letzten Metern das ersehnte Top-Resultat einzufahren und die erhoffte Medaille für den Bund Deutscher Radfahrer einzuheimsen. Der Knoten scheint nach dem überzeugenden Auftritt bei den nationalen Titelkämpfen eine Woche zuvor und der jetzigen Europameisterschaft geplatzt zu sein. Wir können gespannt sein auf die zweite Saisonhälfte!
Damen – Siegesserie von Belomoina reißt nicht ab
Schon in der ersten von sechs zu fahrenden Runden führte einmal mehr die Ukrainierin Yana Belomoina das Feld am Berg an. Konstant und ohne Anzeichen auf irgendwelche Schwächen fuhr sie ihr eigenes Rennen. Mit einem Vorsprung von 3:26 Minuten kam die Weltcupgesamtführende ins Ziel und konnte so ihren ersten internationalen Titel in der Elite-Klasse einfahren. Hinter ihr entwickelte sich zunächst ein packender Zweikampf zwischen der Schweizerin Linda Indergand und der Französin Pauline Ferrand-Prevot.
Die französische Weltmeisterin aus dem Jahr 2015 konnte nach einer langen Durstrecke erstmals wieder in einem internationalen Feld weit vorne mithalten und schien eingangs der letzten Runde nicht mehr vom zweiten Rang zu verdrängen. Doch anscheinend klebt der Lebensgefährtin von Julien Absalon aktuell das Pech an den Füßen. In einer technischen Abfahrt stürzte sie und handelte sich einen Plattfuß ein. Unglücklicherweiße lag dieses Stück direkt hinter der Wechselzone, sodass sie keine Chance hatte ihre Position zu verteidigen. Letztendlich landete sie auf dem zwölften Rang und musste zudem noch auf der Heimreise aus Darfo Boario Terme miterleben, wie ihr Rad nachts aus ihrem Wohnmobil gestohlen wurde.
Vom Pech einer Konkurrentin zu profitieren ist zwar nie ein gutes Gefühl, doch die bis dato Dritt- und Viertplatzierten Linda Indergand und Gunn-Rita Dahle Flesjå konnten das Missgeschick der Französin nutzen und die Silber- bzw. Bronzemedaille einfahren. Die Schweizerin Indergand fuhr ein verhaltenes Rennen, was sich bei den heißen Bedingungen als eine taktisch kluge Entscheidung herausstellte. Durch das Pech der Französin rutsche sie so in der letzten Runde noch auf den Silber-Rang. Noch etwas unerwarteter kam die Norwegerin Gunn-Rita Dahle-Flesjå zu ihrer Medaille. Sie lag in der letzten Runde weit entfernt von der Drittplatzierten Indergand auf dem vierten Rang und konnte sich dann überraschend doch noch über die Bronze-Medaille freuen.
Sabine Spitz verbesserte sich durch das Malheur von Ferrand-Prevot ebenfalls um einen Platz und schrammte als Vierte letztendlich nur knapp an einer Medaille vorbei. Durch einen schlechten Start geriet die deutsche Meisterin erst einmal ins Hintertreffen. Eine sehr gelungene Krafteinteilung bei den sehr hohen Temperaturen brachte sie allerdings Platz um Platz nach vorne. Lange lag sie in Sichtweite zur späteren Bronzemedaillengewinnerin Dahle-Flesjå. Ein Sturz und der daraus resultierende Zeitverlust sorgten jedoch dafür, dass die Schwarzwälderin nicht mehr in den Kampf um die Medaillen eingreifen konnte. Nichtsdestotrotz zeigte sich Spitz angesichts ihrer ansteigenden Formkurve zufrieden und blickt nun zuversichtlich auf den Weltcup nächstes Wochenende in Kanada.
Adelheid Morath fiel mit Kreislaufproblem den hohen Temperaturen zum Opfer. Sie beendete das Rennen vorzeitig.
U23-Herren – Italienische Festpspiele vor heimischem Publikum
Einen Tag nach dem Doppeltriumph der Schweizer U23-Damen (siehe unten) gelang am frühen Sonntagmorgen den männlichen Altersgenossen aus Italien dasselbe Kunststück. Vor heimischem Publikum feierte Giole Bertolini und Nadir Colladeni einen italienischen Doppeltriumph. Bronze ging an den Dänen Simon Andreassen.
Eingangs des Rennens war es der Gesamtweltcupführende Martins Blums, der für ein hohes Tempo sorgte, dem zunächst nur Simon Andreassen und Nadir Colledani folgen konnten. Blums stürzte allerdings in einem technischen Abschnitt und verlor dadurch den Anschluss an seine beiden Begleiter. Im Kampf um den Europameistertitel mischte sich dann noch der stark aufkommende Giole Bertolini ein. Runde um Runde näherte er sich Colledani und Andreassen, um dann in der letzten Runde aufzuschließen und beide zu distanzieren. Somit feierte das italienische Allroundtalent, das auch schon einen Weltcupsieg im Cyclocross vorweisen kann, seinen ersten internationalen Titel.
Mit Hoffnungen auf Medaillen angetreten, erwischten die deutschen Starter größtenteils einen schwarzen Tag. Lukas Baum belegte als bestplatzierter Fahrer den 15. Rang. Der deutsche Meister Maximilian Brandl litt bereits in der ersten Runde unter Kreislaufproblemen und beendete das Rennen vorzeitig. Die zweite Hoffnung aus der Lexware-Equipe, Georg Egger, fing sich frühzeitig einen Plattfuß ein und konnte angesichts des engen und verwinkelten Kurses in den italienischen Alpen nur wenige Plätze gut machen. Er landete letztendlich auf dem 32. Platz.
U23-Damen – Schweizer Doppelsieg für Frei und Keller
Bei den U23-Damen konnten die jungen Nachwuchsfahrerinnen aus der Schweiz ihre Dominanz einmal mehr unter Beweis stellen. Mit Sina Frei gewann die Titelverteidigerin vor ihrer Landsfrau Alessandra Keller. Die dritte verbliebende Medaille konnte sich die Niederländerin Anne Tauber sichern.
Schon von Beginn an sorgte die zuletzt sehr starke Sina Frei für ein hohes Tempo. Diesem Speed konnten Anne Tauber und Alessandra Keller in der zweiten Runde nicht mehr folgen und so gelang es der Titelverteidigerin letztendlich sehr souverän sich nach dem Sieg in der Juniorenklasse vor zwei Jahren und dem Triumph 2016 den dritten Europameisterschaftstitel in Serie zu sichern. Im Kampf um den Vize-Titel hatten erneut die eidgenössischen Fans Grund zu jubeln. Alessandra Keller sicherte sich mit 52 Sekunden Rückstand die Silbermedaille, knapp vor Tauber. Den Leistungsunterschied zwischen den ersten Dreien und den weiteren Verfolgerinnen wurde angesichts des mehr als vierminütigen Rückstands der Viertplatzierten Nicole Koller deutlich. Als beste Deutsche kam Nina Benz auf Platz 19 ins Ziel.
Eliminator – Horvath mit Sturzpech knapp an Medaille vorbei
Bevor die Einzelentscheidungen auf dem Cross-Country-Kurs in Darfo Boario Terme stattfanden, wurden zunächst die besten europäischen Sprinter auf dem Mountainbike gesucht. Die Finalläufe waren geprägt durch viele Stürze auf der Startgerade, die mit großen Baumstämmen für viele zur fahrtechnischen Herausforderung wurden. Zudem gab es durch die flüssige Streckenwahl kaum Überholmanöver.
Der deutsche Vizemeister im Eliminator, David Horvath, schaffte den Sprung ins Finale. Dort wurde er aber auf der Startgerade von zwei Kontrahenten eingeklemmt, sodass er an einem der Baumstämme schwer stürzte. Den Titel sicherte sich der Franzose Tituan Perrin-Ganier, der mit einem harten Manöver den Führenden Daniel Federspiel überholte. Federspiel wurde Zweiter, der Niederländer Jeroen van Eck Dritter.
Bei den Damen triumphierte die Eidgenössin Kathrin Stirnemann vor Barbara Prudkova aus Tschechen und Anne Terpstra aus den Niederlanden. Die deutsche Clara Brehm landete auf Rang sieben.
Team-Relay – Deutsches Quintett knapp am Podest vorbei
Erstmals wurden bei internationalen Titelkämpfen die beste Nation mit fünf Fahrern gesucht. Neuerdings traten neben den drei Herren aus der Junioren-, U23- und Elite-Klasse und einer Dame zudem eine Nachwuchsfahrerin an. Im Renngeschehen dominierten lange Zeit die Dänen, die jedoch mit einer kränkelnden Malene Degn auf der Schlussposition einen Schwachpunkt im Team zu verkraften hatten. So gelang es auch dem Schweizer Andri Frischknecht auf der finalen Runde der Staffel stolze zwei Minuten auf die Dänin aufzuholen und somit den Titel für die Eidgenossen perfekt zu machen. Drittplatziertes Staffelteam war das Quintett des Gastgebers Italien.
Das deutsche Quintett verpasste nach soliden Leistungen der einzelnen Fahrer um eine halbe Minute eine Medaille.
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