Max Schumann und Ines Thoma waren mit einer bunten Reisetruppe bestehend aus Ludo May, Markus Bauer, Nathalie Schneitter und Reiseleiterin Noga Korem zum Biken in Israel unterwegs. Auf den Spuren dieses kulturreichen Landes entdecken sie Trails, Land und Leute. Was Donald Trump damit zu tun hat und warum es sich lohnt, Israel auf die Wunschreise-Liste zu schreiben, lest ihr in dieser XXL-Fotostory!
In wenigen Stunden startet unser Flieger in Richtung Tel Aviv. Wir fahren durch die Dunkelheit und blicken leicht besorgt auf die schneebedeckte Fahrbahn vor uns. Nicht, weil das Schneetreiben ein wirkliches Problem darstellt, sondern weil die Nachrichten alle 30 Minuten heißlaufen: Ausgerechnet heute hat der twitternde Trump angekündigt, die US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen und Jerusalem damit faktisch als Hauptstadt Israels anzuerkennen. Das könnte den Nahost-Konflikt drastisch verschärfen. Und möglicherweise unsere Reisepläne kurz vor Abflug kippen.
Vier Monate zuvor an einem heißen Tag ummittelbar vor dem EWS-Rennen in Whistler wurden die Reisepläne geschmiedet. Als unsere israelische Enduro-Freundin Noga Korem bemerkte: „Nie kommt ihr mich mal jemand besuchen!“ war schnell entschieden, wohin unsere Bikereise im Winter gehen sollte. Nach Israel. Ein Land, dessen Orte, Geschichten und Mythen uns aus der Bibel so vertraut scheinen und das doch eine ganz eigene Kultur hat. Wir können es nicht erwarten.
Unsere kleine Reisegruppe ist seither gewaltig angewachsen und so reisen wir nun zur Vorweihnachtszeit mit acht Freunden durch das kleine aber turbulente Land. Wir, das sind unsere treuen Reisebegleiter James Shirley (Schottland) und Ludo May mit dessen Freundin Nancy (Schweiz). Dann begleitet uns Markus Bauer, ein alter Freund aus Cross Country-Zeiten, der zudem gerade amtierender Deutscher Marathon-Meister ist. Eine weitere Schweizerin, Nathalie Schneitter, kennen wir auch aus dem Cross Country-Zirkus. Sie ist aber bereits aus dem Profisport zurückgetreten und mittlerweile spaßeshalber bei Enduro-Rennen am Start. Und dann natürlich unsere lokale Reiseleitung Noga Korem.
Das Auswärtige Amt hat auf Trumps Erklärung reagiert und eine Reisewarnung für Jerusalem herausgegeben. Und da wollen wir hin? Ob es irgendwelche Bedenken bezüglich unserer Reisepläne gibt, fragen wir sie und bekommen ein „Noooo, it’s all normal here!!“ zurück. Na dann.
Angekommen am Flughafen in Tel Aviv ist wirklich alles entspannter und ruhiger als gedacht. Zwar sind die vielen bewaffneten Soldaten und Zivilisten in Israel für uns erst einmal ungewöhnlich. Aber da hier alle Männer und Frauen nach der Schulzeit 3 bzw. 2 Jahre zum Militär gehen, gibt es einfach sehr viele davon.
Man merkt erst einmal nicht viel vom internationalen Medientrubel um Jerusalem. Die Israelis sind an die angespannte Situation gewöhnt und bleiben entspannt. So beschließen wir unsere geplante Reiseroute beizubehalten und machen uns auf die 1,5-stündige Autofahrt nach Jerusalem. Auf dem Weg halten wir für den ersten nahöstlichen Lunch-Stop in einem Libanesischen Restaurant. Und es gibt natürlich Hummus.
Nach dem Einchecken ins Hotel bleibt noch jede Menge Zeit für einen Abendspaziergang durch die Altstadt Jerusalems. Unsere Unterkunft liegt direkt an den Mauern der Altstadt, welche die Kultur und Geschichte dreier Weltreligionen birgt. Noga hat uns, wohlwissend unseres Geschichtsinteresses, einen Touristenführer organisiert, der uns durch die Heiligtümer Jesusalems führt. Es scheint doch unglaublich, dass die Religionen von Millionen von Menschen gerade hier zusammenfinden und alle hier ihre hochheiligste Stätte ansiedeln.
Wir schreiten über die Dächer der Basare, vorbei am jüdischen Viertel mit dem legendären Blick auf das goldene Dach des Felsendoms. Eine wahnsinnig spannende Stadt – hier hätten wir gerne noch Tage verbracht. Vor der Klagemauer erwarten uns Metalldetektoren wie am Flughafen. Wir teilen uns auf wie es sich gehört. Frauen nach rechts. Männer nach links. Und jeder betet für seine innere Mitte.
Am Freitag werden aufgrund von Trumps Ankündigung nach dem Gebet Proteste der Palästinenser erwartet. Wir verlassen Jerusalem nach dem Frühstück und fahren eine gut ausgebaute Straße stadtauswärts Richtung Osten. Beim Überqueren einer Art Grenze in das Palästinensergebiet wirkt alles weiterhin entspannt. Es wird nur sporadisch kontrolliert und wir passieren ohne Probleme. Uns erwartet der erste Tag auf dem Bike und gleich einer der Highlight-Trails des Landes. Der sogenannte Sugar Trail, benannt nach einer alten Handelsroute, schlängelt sich inmitten einer atemberaubenden Landschaft aus Geröll und Wüste hinab.
In Jerusalem hat man nicht wirklich das Gefühl, „oben“ zu sein. Aber der Trail zieht sich in die Länge und das Tote Meers liegt einfach ungewöhnlich tief. Es ist der tiefste, nicht von Wasser oder Eis bedeckte Ort der Erde und liegt 420 m unter dem Meeresspiegel. Am Ende der Tour werden wir über 1100 Tiefenmeter zurückgelegt haben. Unser Fremdenführer des Vorabends ist ein Bikefreund und überrascht uns auf dem Trail. Es gibt eine kleine Geschichtsstunde zu den Bräuchen und Traditionen der Gegend sowie typischen Tee und Gebäck.
Freudig und erschöpft erreichen wir das Tote Meer kurz vor Sonnenuntergang und können es trotz kühler werdender Temperaturen nicht lassen noch hineinzuspringen und zu probieren wie es sich anfühlt, „auf dem Wasser zu schweben“. Tatsächlich ungewöhnlich entspannend. Dass das „ölige“, mineralhaltige Wasser außerdem schön machen soll, klingt außerdem sehr verheißungsvoll. Wir gönnen uns ein ausführliches Bad.
Doch es bleibt nicht viel Zeit für Entspannung. Nur wenige Minuten entfernt findet die Desert Challenge statt. Ein fröhliches Sportfestival, welches Läufer und Mountainbiker über drei Tage an unterschiedlichen Wettkämpfen am Toten Meer willkommen heißt. Am heutigen Abend wartet noch der MoonRun, am nächsten direkt Morgen ein kleines Marathon-Rennen. „Reiseleiterin“ Noga hat unsere Absicht, den Trailbike-Trip gleich als Trainingslager zu nutzen, ernst genommen und sorgt für ein entsprechend sportliches Programm. .
Das Marathon-Rennen am Folgetag wird in Zweierteams ausgetragen. Wir nehmen es mit unseren Enduro-Bikes relativ entspannt. Im direkten Vergleich untereinander will aber doch jedes Team die Nase vorn haben. Und da es aber überraschend viele Kategorien gibt, gehen wir am Ende sogar mit einigen Siegen und Medaillen nach Hause. Es war sehr nett und unterhaltsam, Teil des Events gewesen zu sein. Die israelische Bike-Community ist super offen und freundlich. Alle waren stolz, ihr Land und ihre Trails uns internationalen Fahrern präsentieren zu können.
Nach dem Rennen ist vor der nächsten Badesession. Jetzt scheint die Sonne. Wir treiben im Salzwasser dahin und legen entspannt die Beine hoch. Am späten Nachmittag geht die Reise weiter. Wir fahren ca. 4 Stunden südlich in die Negev-Wüste nach Mitzpe Ramon. Noga hat uns für die eine Woche nicht nur ein sportliches, sondern ein das ganze Land umfassende Programm zusammengestellt.
Das örtliche Bikehotel empfängt uns herzlich und die Landkarten und Trailbeschilderung deuten auf einen ausgedehnten Biketourismus in dieser Region hin. Beim Abendspaziergang entdecken wir noch eine ganze Herde Steinböcke, die sich auf den steilen Felsenklippen eindeutig zuhause fühlen. Die Trails sind flach und felsig und bieten eine atemberaubende Aussicht auf den „Grand Canyon von Israel“. Unsere Tour enden wir angenehm erschöpft nach einer knapp 60 km langen Runde bei einer kühlen Coke an der Bar. Wüstenradfahren macht durstig. Und wir sind absolut froh, dass wir zur kühlsten Jahreszeit unterwegs sind.
Quer durch Land reisen wir nun gen Norden, wo wir die folgende Tage in einer grüneren, hügeligeren Landschaft verbringen wollen. Die Route schlängelt sich östlich des Gaza-Streifens entlang. Wir lassen Tel Aviv über breite Autobahnen hinter uns und folgen den Schildern Richtung Haifa. Unser Ziel ist das Hügelland nord-östlich der Hafenstadt, denn dorthin hat uns Nogas Familie zum traditionellen Hanukkah-Essen eingeladen.
In lustiger Gesellschaft werden uns klassisch „ölige“ Speisen aufgetischt. Die Großeltern der Familie stammen aus Polen und die Einrichtung des Hauses könnte genauso auch zu einer gutbürgerlichen deutschen Familie passen. Es gibt sogar Glühwein zum Essen. Wir erfahren die Geschichte des jüdischen Lichterfestes, das hier ähnlich wie unser Weihnachtsfest ein guter Grund für eine nette Familienzusammenkunft ist.
Die Trails der folgenden beiden Tage unterscheiden sich sehr von der Wüstenlandschaft der ersten Touren. Die lichten Kiefernwälder rund um Misgav und Mischmar Ha’Emek bieten schnelle und flowige Trails mit Sprüngen und gebauten Anliegern. Die Vegetation erinnert an die Toskana: trockene und harte Erdenmit dem Geruch, der uns an Italien-Urlaube der Kindheit erinnert.
Wir bekommen die einmalige Chance den letzten Kibbuz zu besuchen, der heute noch im Sinne einer traditionellen sozialistischen Struktur arbeitet und bereits seit 1922 existiert. Unsere Tour startet direkt im Kibbuz bei Gewürzkaffee im zugehörigen Bikeshop. Unsere Guides leben und arbeiten in der Siedlung und sind absolut überzeugt von deren Struktur und dem Zusammenhalt, der unter den 1200 Einwohnern herrscht.
Das letzte Highlight steht an: Tel Aviv – eine absolut faszinierende Stadt. Sandstrände neben modernen Hochhäuser, die sich als Glaspaläste Richtung Himmel strecken und inmitten davon die antike Hafenstadt Jaffa mit ihren engen Gassen, lauten Märkten und bunten Obstständen. Wir erreichen die Stadt weit nach Einbruch der Dämmerung und schlendern Kebab-essend mit Blick auf die nächtliche Skyline an der Promenade entlang.
Unseren letzten Tag in Israel wollen wir dann aber natürlich auch noch auf dem Bike verbringen. Das touristische Sightseeing-Programm wird auf das Wesentliche reduziert und so düsen mit den Bikes nur einen Vormittag durch die Stadt, trinken Kaffee und genießen das multikulturelle Flair.
Am Nachmittag treffen wir einige begeisterte Enduristen in Tzora, einem auf den ersten Blick unscheinbaren Treffpunkt an einer Tankstelle knapp eine Stunde außerhalb von Tel Aviv. Verrückterweise entpuppt sich gerade dieser Ort als israelischer-Trail-Geheimtip mit einer Vielzahl an felsigen und technischen Abfahrten, die von den Locals sogar mit Downhill-Bikes befahren werden.
Am Morgen wird geräumt, gepackt und das letzte Mal zum Strand spaziert. Dann reihen wir uns in die lange Schlange an den Sicherheitskontrollen am Flughafen ein, die uns jetzt gar nicht mehr so beängstigend vorkommen. Vielen Dank Noga für die geniale Woche! #nogatours
Die Geschichte in Bildern
Die Trails der Reise
Sugar Trail: Von Jerusalem ans Tote Meer, 25 km flowiger Allmountaintrail durch die Wüste. Trail wird im Regelfall geshuttelt. (Trailforks: „Sugar Trail“)
Totes Meer: Kurs der Desert Challenge
Mitzpe Ramon: Flache XC-Trails, gut beschildert, große Runde (ca. 50km) (Trailforks: „Hava“)
Misgav: Trails, Pumptrack, Sprünge, Anlieger, Dichtes Netz von XC-Trails (Infos im Bikeshop, Trailforks: „Misgav“)
Mischmar Ha’emek (Kibbutz): Flowige Enduro-Trails, direkt am Kibbuz (Infos und netter Kaffee im Bikeshop, Trailforks: „Mishmar HaEmek“))
Tzora: Technische Enduro-Trails in einem unscheinbaren Waldgebiet (Trailforks: „Tsor’a“)
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