Beim EWS Stopp in Petzen/Jamnica muss Anita bei ihrem ersten EWS-Rennen nach der Verletzungspause gleich mit rutschigen Bedingungen auf harten Trails kämpfen. Zudem muss sie bei diesem Rennen auf Caro verzichten, die nach einem Sturz beim Downhill Worldcup in Leogang noch einigen Wochen ausfällt. Trotzdem versprach das erste EWS-Rennen im deutschsprachigen Raum mit einigen Überraschungen und frischen Trails für Spaß zu sorgen. Anita hat das Wort!
Es scheint, als wären wir dieses Jahr getreu dem Moto „Eine raus – eine rein!“ unterwegs. Nachdem ich mir in Chile die Hand mehrfach gebrochen habe und nun endlich wieder zurück auf dem Bike bin, hat sich Caro beim Downhill World Cup in Leogang das Kreuz- und Schambein gebrochen. Da das ganze recht schmerzhaft für sie ist, hat sie sich entschieden, nicht mit mir zum EWS Rennen nach Petzen zu reisen. Ich bin also unter der Flagge „Norco Lonely Twin Racing“ unterwegs.
Als ersten Test nach der Verletzung fuhr ich das Superenduro Rennen Canazei in den Dolomiten, mit dem dritten Rang bin ich ganz zufrieden. Das Rennen gibt mir etwas Selbstvertrauen und die Sicherheit genug Kraft in den Händen zu haben, um einen ganzen Run den Lenker halten zu können. Am Montag danach geht die Reise von Italien direkt nach Österreich weiter. Im sechsten Jahr der Weltserie schaffen wir es nun endlich ein Rennen im deutschsprachigen Raum zu haben, für mich eine willkommene Abwechslung. Der Ort in Kärnten ist charmant und die Leute freuen sich ein internationales Event in der Gegend zu haben.
Training á la Enduro Wet Series
Das Training zum zweitägigen Rennen geht am Donnerstag los und ich nutze die Möglichkeit, als Zeitvertreib Europas längsten Flowtrail am Petzen zu fahren, ganze 11 Kilometer ist dieser lang. Wie eine Murmelbahn schlängelt sich der Trail durch den schönen Wald. Immer wieder stoppen wir und erhaschen einen Blick auf die am selben Berg verlaufenden Rennstages drei und sechs. Eines ist klar – mit Flowtrail haben diese nichts zu tun! Ich bin gespannt auf die vielen frisch präparierten Stages, die wir dieses Wochenende fahren werden.
Das Training startet im Singletrail Park im slovenischen Jamnica, die Fahrt ist von unserer Unterkunft nicht weit, aber ich habe das Gefühl, wir haben uns komplett verfahren. Weit und breit ist niemand zu sehen und die Gegend schaut für mich nicht nach touristischer Infrastruktur aus. Erleichtert fahren wir aber dann plötzlich auf die Kolonne von Teamfahrzeugen auf. Es kann losgehen!
Mit den Jungs vom schweizerischen Norco Team und Mechaniker Kili nehme ich das Training eingehüllt in Regenklamotten in Angriff, die Enduro Wet Series lässt grüßen! Wurzeln in alle Richtungen, lehmiger Boden und ziemlich viel zu treten, so zeichnet sich Etappe 1 aus.
Die zweite Stage ist frisch in den Wald geschnitten, viele Richtungswechsel und noch viel mehr Wurzeln stellen sich uns entgegen, dazu noch mit ständigem seitlichen Gefälle – „Offcamber“ und nasse Wurzeln – das ist das Beste für mein noch nicht vollständig genesenes Selbstvertrauen… Ich versuche die Moral nicht zu verlieren und kämpfe mich ins Ziel, das kann hoffentlich nur besser werden!
Der Abschluss des Tages befindet sich an beiden Tagen im österreichischen Petzen. Die Gondel bringt uns über 1.100 Höhenmeter bergauf. Den Petzen Thriller fahren wir zweimal im Rennen, allerdings mit Variationen. Auf 6,5 Kilometern vernichten wir sämtliche Höhenmeter. Der Untergrund am Petzen ist mit viel mehr Stein durchzogen als in Jamnica, das Kalkgestein ist jedoch genau so rutschig wie die Millionen Wurzeln, die sich noch dazugesellen. Ich habe trotzdem eine gute Trainingsfahrt und freue mich auf die Herausforderung die sich auf so einer langen Stage im Rennen stellt.
Der zweite Trainingstag startet in Mezica. Erstmals hat niemand eine Ahnung wo wir nun genau mit unseren Bikes hochfahren müssen und viele Fahrer irren etwas umher. Zum Glück finden wir den Aufstieg dann doch noch. Zu unseren Überraschung müssen wir bereits den berüchtigten Bergwerksstollen befahren. Knapp 20 Minuten geht es im stockfinsteren Tunnel voran. Die fünfte Stage „The Ridge“ erreichen wir durch einen langen Anstieg, der so steil ist, dass wir unsere Bikes mehr als eine halbe Stunde schieben. Die Abfahrt führt durch einen wunderschönen Wald, auf einem Trail mit dem schönen Namen „Freshcut“! So gute Kurven bin ich in einem Wald selten gefahren, der Waldboden ist tief und griffig. Für einige fahrttechnische Herausforderungen wurde auch gesorgt, Spitzkehren lassen grüßen.
Nochmals geht es an den Petzen-Lift, die Thriller-Variante zwei steht an. Ich habe Mühe meinen Flow zu finden und dementsprechend nur mäßig Spass, die Wurzeln sind unverzeihlich rutschig und meine wohl etwas steife Fahrweise hilft mir da gerade gar nicht. Nach zwei Tagen Training fühle ich mich schon ziemlich platt, meine Arme geben nicht mehr viel her, mit dem Gefühl bin ich aber nicht die Einzige.
Das Rennen
Am Samstagmorgen geht es von dem schön hergerichteten Eventgelände in Petzen los. Es steht ein über zweistündiger Transfer nach Jamnica per Bike an. Das Wetter hat sich auf unsere Seite gestellt und jeder ist froh um warme Temperaturen und Sonnenschein. Am Start schlägt mein Herz schon wie verrückt, ich bin ziemlich aufgeregt! Die erste Abfahrt gelingt mir gut und bis auf ein paar Steher habe ich keine grossen Zwischenfälle. Normalerweise checke ich keine Resultate nach der Stage, doch nach meiner Verletzung möchte ich wissen, wie ich mich meine Leistung einordnen kann. Ich finde mich auf dem 7. Rang wieder, damit bin ich vorerst zufrieden, hoffe aber, dass ich noch weiter aufdrehen kann.
Auf der zweiten berüchtigten Stage habe ich Mühe mich zu orientieren, der Track scheint in alle Richtungen zu gehen und es haben sich komische Linien und Löcher eingefahren. Bei den Rufen der Zuschauer muss ich schon fast lachen. „Das war super mach weiter so!“ Ich fahre wie auf Eiern, doch anscheinend wurde die Passage schon schlechter befahren … Etliche Male muss ich mit den Füßen aus dem Pedal und mich irgendwie durch den Kurs balancieren, meine Fahrweise fühlt sich scheiße an und das spiegelt sich gnadenlos im Resultat wider.
Ich bin froh, dass wir nach dem langen Rückweg nach Petzen nochmals eine Pause in den Pits haben. Auf die lange Stage freue ich mich und es kann nur besser kommen als gerade eben!
Die Strecke ist etwas trockener als noch im Training und ich habe Spaß in meinem Rennlauf. Das Gefühl, nach über 15 Minuten Abfahrtszeit komplett ausgepumpt im Ziel anzukommen, ist ziemlich intensiv. Nach dem ersten Renntag finde ich mich auf dem neunten Rang wieder. Die Zeiten sind aber noch relativ nahe beieinander, so erhoffe ich mir, dass ich mich im zweiten Renntag noch steigern kann.
Sonntags starten wir wiederum in Petzen und haben einen langen Anstieg vor uns. Casey Brown hat wie gestern ihre Musikbox eingepackt und versorgt uns mit den nötigen Beats. Die Laune ist bei allen trotz müden Beinen super. Ich bin gespannt wie sich der Track verändert hat und freue mich auf den federweichen Waldboden und lose Kurven. Ich schlage mich nicht schlecht, doch es ist mir bewusst, dass ich nicht im „Attacke-Modus“ unterwegs bin. Gleich nach dem Ziel geht es durch den Tunnel, schon lustig so eine Abwechslung im Rennen!
Die nächste Abfahrtssektion ist die kürzeste des Rennens, ich finde nicht den Speed den ich im Training hatte und haue mich dazu noch aufs Maul. Meine Motivation ist etwas getrübt… Die Pause im Pit vor der dem „Thriller“ wird schwer benötigt und ich fühle mich danach wieder erholt genug, die lange letzte Abfahrt in Angriff zu nehmen.
Im oberen Teil führt der Track über steinige Kurven, bei denen ich kaum den Grip finde, um schnell zu fahren. Der weitere Verlauf ist holprig und wiederum stürze ich, ich kämpfe mich durch und nutze die spärlichen Möglichkeiten, um meine Hände auszuschütteln. Ich bin einfach nur komplett blau und versuche mich so schnell wie möglich ins Ziel zu retten – wobei man von schnell nicht wirklich sprechen kann… Die ganzen Wurzeln und Löcher verlangen einem alles ab, ich spüre meine Arme und Hände kaum mehr! Ich überquere die Ziellinie und bin froh, mein erstes EWS-Rennen nach der Zwangspause überstanden zu haben. Erleichterung und Enttäuschung gleichermaßen, mit Rang zehn kann ich mich nicht anfreunden! Meine Hoffnung, meinen Rennmodus mit aufkommendem Druck wieder zu finden, ist nicht eingetreten und ich habe mich wie ein Tourist gefühlt. Den Biss und das Selbstvertrauen um ganz vorne bei der EWS mitzufahren, finde ich hoffentlich bis zur nächsten Runde in La Thuile. Ob Caro da bereits wieder mitmischen kann ist noch ungewiss, drückt die Daumen für eine schnelle Heilung.
Anita
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