Die achte Enduro World Series des Jahres im schönen Finale Ligure war gleichzeitig die letzte Runde dieser Saison. Unser rasender Redakteur Oli war zum ersten Mal bei einem EWS-Rennen am Start. Wie es ihm dabei erging und wie krass der Unterschied von unseren Otto-Normal-Rennveranstaltungen zur Profiklasse ist, erfahrt ihr hier im Rennbericht.
Enduro World Series #8 2018: Finale Ligure
Die Formel 1 oder auch die Champions League des Enduro-Sports ging in die letzte Runde für das Jahr 2018. Der traditionelle Austragungsort der EWS mit seinen erstklassigen Trails bediente uns mit sonnigem Wetter, guter Stimmung, Eis, Kaffee, Wein … also allem, was für gute Laune sorgte.
„Macht das überhaupt Sinn oder Spaß?“, „Fahren mir die Profis da nicht um die Ohren?“
Ein paar Wochen vorher … Schon seit einiger Zeit hatte ich mal darüber nachgedacht, bei den schnellsten Jungs der Welt mitzufahren. „Macht das überhaupt Sinn oder Spaß?“, „Fahren mir die Profis da nicht um die Ohren?“. Das waren so Fragen, die ich mir stellte, bevor ich auf den Anmelde-Button der EWS-Homepage klickte. Allein der Aufwand, unseren kleinen Radsportverein beim BDR anzumelden um die nötige Rennlizenz, wofür ich vorher auch zu einer Untersuchung beim Arzt gegangen bin (was absolut Sinn macht), kostete mich schon einiges an Nerven. Dann musste ich trotzdem noch darauf hoffen, von der Warteliste auf die Startliste zu rutschen. Zwei Wochen vor dem Rennen kam schließlich die erleichternde E-Mail: „Congratulations Oliver, you are on the startlist for EWS Round 8 in Finale Ligure!“
Sauuugeil dachte ich mir! Mein erstes EWS-Rennen steht vor der Tür!
Vorbereitung
Nachdem ich alle Rennen fieberhaft mitverfolgte und die Tagesetappen mit den Veranstaltungen, die ich sonst gewohnt war, verglich, war mir eines klar: Dieses Rennen wird mich fix und alle machen! Denn die Abfahrtszeiten sowie die zu fahrenden Höhenmeter sind mindestens doppelt so hoch wie das, was ich gewohnt war. Da die Zeit, um dafür ernsthaft zu trainieren, knapp wurde, entschloss ich mich, das Wochenende vorher mit nach Brixen zum Mountainbike Testival zu fahren, um wenigstens meine schnell müde werdenden Hände etwas darauf vorzubereiten. Von der Kondition fühlte ich mich einigermaßen fit, da ich in letzter Zeit schon viel auf meinem Rad gesessen habe.
Bike und Equipment
Ich packe den SWAT-Kofferraum von meinem Specialized Enduro und nehme mit:
- Schlauch mit Reifenheber und Tubeless-Reparatur-Wurst
- Luftpumpe (CO2-Kartusche hab ich vergessen)
- Minitool
- ein paar Kabelbinder und ein Stück Panzertape
- Clifbar Energie-Riegel und Gummibärchen
- Neprosport Energie-Drink
Zum Rennen hatte ich dann auch ordentliche Knieschoner, Rückenprotektor, Fullface-Helm und was man eben so anzieht, angezogen. Es war übrigens Pflicht, einen Rückenprotektor zu tragen, genauso konnte man auch nicht mit einem Halbschalenhelm an den Start gehen. Das ist absolut sinnvoll und lässt auch keinen Spielraum für Diskussionen, ob zu warm oder nicht. Safety first!
Freitag – Training
Wenn man sich rechtzeitig darum gekümmert hat, durfte man die Transfers sogar shutteln
Das Training am Freitag hat schon richtig Bock gemacht. Wenn man sich rechtzeitig darum gekümmert hat, durfte man die Transfers sogar shutteln. Jede Stage durfte pro Fahrer nur einmal trainiert werden. Das war auch genug, denn so viele markante Stellen gab es dann auch nicht und die Hitze hatte die Runde ohnehin schon zu einer anstrengenden gemacht.
Helmkameras sind leider nur im Training erlaubt. Hier sind ein paar Ausschnitte von den einzelnen Stages zu sehen.
Sonntag – EWS-Finale
Nun war es endlich soweit. Sonntag früh um 6:30 Uhr klingelte der Wecker und die Nervosität fing an zu steigen. Am Vorabend schon alles zurechtgelegt und Luigi, den überfreundlichen Hotel-Hausmeister informiert, dass ich meinen doppelten Espresso morgen gerne etwas früher konsumieren würde, ging es an den Start meines ersten EWS-Rennens.
Stage 1: Border Line
Einmal bekam ich eine ordentliche Kopfnuss von einem Baum. Wenn der doppelte Espresso vom Frühstück nicht gewirkt hätte, wär ich spätestens jetzt wach geworden.
Border Line: jetzt war es also soweit. Die Uhr zählte nach unten – 5, 4, 3, 2, 1 und Goooo! Mit 20 Sekunden Abstand zu meinem schweizerischen Vordermann schlängelte ich mich durch die ersten technischen Raffinessen der Stage. Vom Training noch im Kopf: rechtzeitig einen leichten Gang für einen knackigen Gegenanstieg einlegen! Hat auch super geklappt! Dann die Krux dieser Stage: Ein Gegenspiel zwischen Bremsen und Beschleunigen. Es war wirklich sau eng! So eng, dass es schwierig wurde richtig schnell zu fahren, ohne mit Kopf, Schulter oder Lenker an irgendeinem Baum hängenzubleiben. Einmal bekam ich eine ordentliche Kopfnuss von einem Baum. Wenn der doppelte Espresso vom Frühstück nicht gewirkt hätte, wär ich spätestens jetzt wach geworden. Gegen Ende wurde der enge Singletrail dann etwas breiter und hielt ein paar technische Passagen mit abrupten Richtungswechseln für die Fahrer bereit. Die Staubwolke vom Vordermann wurde immer dichter, bis ich die letzten Meter am Hinterrad von meinem Schweizer Vordermann klebte. Ordentliche High Fives gab es direkt im Anschluss. Die Nervosität war auch längst verschwunden, denn die Stimmung war sehr relaxt – fast entspannter als bei allen Rennen, die ich bisher mitgefahren bin.
Stage 2: Roche Gianche
Nach einem Stopp bei einer üppig ausgestatteten Verpflegungsstation und einem einstündigen Transfer stand ich dann am Start der zweiten Stage. Die Zeiten für den Transfer waren übrigens sehr entspannt ausgelegt, sodass man vor jedem Start noch immer genügend Zeit hatte, um mit den anderen Fahrern zu quatschen oder sich seine Knieschoner zurechtzurücken.
Stürmisch war es am Gipfel des Roche Gianche, welcher mit den technisch schwierigsten Stellen direkt am Start die vollste Konzentration forderte. Irgendwie runterfahren geht schon. Das ganze aber in einem derartigen Speed war schon nicht ohne, denn überall warteten fiese Gegenblöcke, die einige Fahrer dann auch unsanft und ohne Vorwarnung zu einer Bodenprobe einluden. Ich konnte meine Linie auch so fahren wie geplant, doch musste am Ende einer kniffligen Felsplatte mal den Fuß absetzen, da ich zu gierig reingeschürt war. Das restliche Stück wurde deswegen dann auch ein bisschen loose, denn ich konnte nicht mehr schnell genug einklicken. Ist aber zum Glück alles gut gegangen und nach einer super spaßigen Sektion kam ein kurzer Anstieg, bei dem es sich etwas staute. Links? Rechts? Irgendwo vorbeihuschen? Hat dann auch ganz gut geklappt, ohne das jemand von seiner Linie abweichen musste.
Im unteren Teil der Stage wurde das offene Gelände wieder waldiger mit coolen Anliegern und einer Menge Staub der vor mir fahrenden. Ich konzentrierte mich hauptsächlich auf die Stelle, wo ich mir im Training mein Knie aufgehauen hatte. Im Vorbeifahren beschimpfte ich den spitzen Stein dann lachend mit „du Oarschloch“!
Stage 3: Mao Crest
Hier hätte ich mir tatsächlich gewünscht, dass mein Hinterreifen nicht so sehr der Glatze von Bruce Willis ähnelte
Die auf dem Monte Mao liegende Stage mit rund 2,8 km Länge und ca. 400 Tiefenmetern war die längste des Tages. Sie war schnell, wild und kräftezehrend. Mit einer wahnsinnigen Aussicht ging es in Richtung der ligurischen Küste. „Lass mal den Blick lieber auf dem Trail Junge, Aussicht kannst du später genießen!“ Das war auch erforderlich, denn man hatte durchgehend ein richtig hohes Tempo drauf und überall warteten Büsche und loses Geröll auf Fahrer, die nicht zu 100 % fokussiert waren. Hier hätte ich mir tatsächlich gewünscht, dass mein Hinterreifen nicht so sehr der Glatze von Bruce Willis ähnelte. Letztendlich bereitete mir das dann aber sehr viel Spaß, da ich einige Kurven mit wilden Drifts durchgefahren bin. Gott sei Dank hab ich auch alle halbwegs kontrolliert gemanagt.
Stage 4: DH Men
Die wohl legendärste Strecke aller Strecken. Wer kennt sich nicht? DH Men – eine Enduro-Stage, wie sie im Buche steht. Sie verlangt alle Skills, die ein Weltklasse-Endurist haben muss, ab. Hier trennt sich die Spreu vom Weizen. Hier stehen hunderte wilde Fans und bejubeln die Fahrer, die sich somit etwas mehr zutrauen als sonst. Hier gibt es die wahrscheinlich atemberaubendste Aussicht aufs Meer, die man aber beim Befahren des langen Rockgardens eher links liegen lässt.
Zu Beginn der Stage muss man nur eines beherrschen: Und zwar treten wie ein Ochse!
Bis auf eine offene 180 Grad-Kurve musste man bis zur Hälfte sonst auf nichts weiter achten. Aber dann gings zu Sache. Inzwischen ähnelte die Vegetation in meinem Mund der Sahara und ich versuchte sie zwanghaft irgendwie wieder mit ein bisschen Speichel zu benetzen. Ging nicht – egal, hab gerade Wichtigeres zu tun. Jetzt ging es nämlich ans Eingemachte. Unfassbar krass! Wie ein Tunnel markierten die Zuschauer das ca. 300 Meter lange Steinfeld, bei dem man sich besser nicht ablegt, denn die Hautflächen, die gerade nicht von Protektoren geschützt waren, würden danach der Struktur eines Streuselkuchens ähneln.
Ich hab mich gefühlt wie bei „2 fast 2 furious“
Auch wenn ich das oft behaupte: es war zweifelsohne das geilste Stück Trail, das ich bisher gefahren bin! Durchgeschürt wie eine Rakete und die Linien getroffen wie der Pfeil von Robin Hood in den zuvor geschossenen. Ein Grinsen in meinem Gesicht, so breit, dass es hinterm Kopf fast zusammenging und ein weiterer massiver High Five mit meinem Schweizer Vorfahrer, der auch einen richtig geilen Run runtergebrannt hatte!
Ein absolutes Highlight, wenn man mit Mach 1 durch das wilde Steinfeld scheppert und versucht, seine zuvor ausgesuchte Linie vom Training zu treffen. Überall schreiende Fans, die bewirken, dass der Bremsfinger etwas zurückhaltender wird also sonst. Einfach ein unglaubliches Gefühl, dort einmal mitgefahren zu sein und die Rennluft der Profis zu schnuppern. Das werde ich sicher nicht so schnell vergessen!
Mit Platz 105 und ohne Sturz war ich letztendlich auch zufrieden und wenn ich im Kopf die Sekunden, die ich an manchen Stellen noch hätte herausholen können, zusammenzähle und meine Zeit dann mit der von Richie Rude vergleiche (da steht bei mir +2:47 Minuten), muss ich leider feststellen: In diesem Leben werde ich vermutlich keine EWS mehr gewinnen. Nach dem Rennen gab mir der lässige vor mir gestartete Schweizer noch ein Bier aus. Danke dir, Simon! So sieht in meinen Augen ein perfekter Sonntag aus.
Siegerehrung
Auf dem Piazza im Herzen von Finale Ligure fand sie dann nun statt: die große Siegerehrung, bei der die schnellsten Enduro-Piloten der Welt für ihre heldenhaften Leitungen geehrt wurden. Die Gewinner des heutigen Rennens aller Klassen sowie der Gesamtsieg von Teams und Fahrern wurden hier ausführlichst zelebriert.
Den ganzen Abend lang noch herrschte Bombenstimmung auf dem Eventgelände. Klirrende Weingläser beim Abendessen, einige Cocktails und Biere rundeten die letzte Runde der EWS hier in Finale standesgemäß ab.
Hier geht es zu den Ergebnissen der EWS #8 in Finale Ligure.
Fazit – Unter Profis bei der EWS
Ok, auch wenn ich das an vielen Tagen behaupte: aber das war wirklich das geilste Rennen, das ich bisher mitgefahren bin! Die entspannten Leute, die klasse Organisation, die kulinarischen Vorzüge, die Italien bietet, und natürlich die traumhaften Trails, die ich fahren durfte. Unbeschreiblich und sicher eine Geschichte, die ich mal meinen Kindern (falls ich mal welche haben werde) erzähle. Im Vergleich zu den bisherigen Rennen war die EWS in Finale hinsichtlich der körperlichen Belastung dieses Jahr gar nicht mal so wild – sagten auch alle anderen Teilnehmer. Für mich als rasenden Reporter aber genau richtig und ich hoffe, in Zukunft wieder mal bei einer EWS am Start zu sein!
Hättet ihr auch mal Bock darauf, euch mit den schnellsten Jungs oder Mädels der Welt zu batteln?
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