Die Königsetappe des Cape Pioneer Treks wurde ihrem Namen absolut gerecht – die 97 Kilometer lange Fahrt auf den Swartberg-Pass wurde aufgrund heftiger Wetterkapriolen zu einem Mountainbike-Abenteur der besonderen Art. Extrem kalte Temperaturen und starker Wind auf dem Weg zum auf 1600 Meter gelegenen Ziel und Dauerregen über einen Großteil der Etappe ließen die Veranstalter dazu bewegen das Rennen für den hinteren Teil des Fahrerfelds vorzeitig abzubrechen – nicht so für uns: Wir mussten uns wie alle der schnellsten 100 Fahrer auf den legendären Swartberg-Pass hinaufquälen und froren bei der anschließenden Abfahrt nach der Überquerung der Ziellinie auf der Passhöhe so stark wie selten zuvor.
Der Morgen der vorletzten Etappe des Cape Pioneer Treks begann wieder früh. Start um 7:30 Uhr – das bedeutete, dass unser Wecker uns einmal mehr um 5:30 Uhr aus den Federn warf. Zum ersten Mal war der Start in Oudtshoorn, damit einhergend gab es auch ein neues Angebot hinsichtlich des Frühstücksbuffets. Die Veranstaltungsorte sind stets auf Geländen von den dort ansässigen Schulen, die Zelte werden dann meist auf deren Rugby-Plätzen oder sonstigen Grünflächen rund um das Schulgelände aufgebaut. Das Catering und die Bewirtung organisieren die Schulen selbst. Komplette Generationen, das heißt von der Oma bis zum Schulkind, packen alle an, damit wir Biker uns bestmöglich wohlfühlen. Als Gegenleistung erhalten die Schulen finanzielle Unterstützung von den Organisatoren der Veranstaltung.
Erstmals in dieser Woche wählen wir beide klassisches Oatmeal zum Frühstück, also eingeweichte Haferflocken. Die sollten uns die nötige Power geben für 97 harte Kilometer auf dem Weg von Oudtshoorn zum Swartberg-Pass. Die heutige Strecke hatte es in sich: Weniger die Distanz hob sich von den anderen Etappen ab, vielmehr waren es die insgesamt 2650 Höhenmeter, die für eine erhöhte Anspannung im Fahrerfeld sorgte. Nicht nur der finale Anstieg und damit die Zielankunft auf dem Swartberg-Pass mit insgesamt 800 Höhenmeter am Stück setzte uns einige Schweißperlen auf die Stirn, auch einige Rampen mit mehr als 200 Höhenmeter sollten den Beinen mächtig die Kräfte rauben.
Der Start erfolgte erneut neutralisiert – die ersten fünf Kilometer fuhren alle Teilnehmer gemeinsam im Pulk aus Oudtshoorn hinaus. Und als der Wettergott etwas gegen unsere Pläne hatte, öffnete er die Schleusen pünktlich zum offiziellen Rennstart. Zunächst nieselte es nur leicht, doch im Laufe der Etappe sollte der Regen zunehmend zum Problem werden. Zudem starteten wir bei angenehmen 17 Grad, wir hatten also keinen Grund zur Annahme am Ende des Tages zu bibbern wie ein Hund.
Nach dem offiziellen Start führte die Strecke zunächst 10 Kilometer nur leicht wellig auf einer breiten Schotterstraße. Da die Profis sich angesichts der schweren Aufgabe zurückhielten, konnten anfangs nicht nur wir, sondern fast ein Drittel des gesamten Teilnehmerfeldes folgen. Nichtsdestotrotz hielten einige Fahrer das Tempo immerhin so hoch, dass wir mit bis zu 40 Sachen über die Schotterstraße schossen. Und just als noch etwa 3 Kilometer auf dieser Straße zu fahren waren, ehe ein erster Anstieg bevorstand flog mir aus komplett unerfindlichen Gründen die Kette vorne herunter. Mir blieb keine andere Wahl als anzuhalten und die Kette mit der Hand wieder aufs Kettenblatt zu legen – die Führungsgruppe war nun aber auf und davon und unser Tagesplan damit erneut frühzeitig gescheitert.
Angesichts eher flachen ersten 40 Kilometern wollten wir bis dorthin mit den besten Fahrern mithalten. Doch daraus wurde nichts und im Nachhinein betrachtet, war dies vielleicht auch gar keine schlechte Sache: Im Laufe des Rennens überholten wir einige Teams, die genau dies versucht hatten und dann am Ende dafür büßen mussten.
Einmal mehr war dennoch zunächst eine Aufholjagd angesagt: Zunächst pflügten wir uns durch das Feld und konnten mit Mühe wieder dieselbe Gruppe aus den Tagen zuvor erreichen. Dies beruhigte uns etwas und ließ auch etwas Hoffnung zurückkehren, doch noch ein gutes Tagesergebnis einfahren zu können. Auf welligem Terrain mit einigen wirklich tollen Singletrails kamen wir als Gruppe gut voran. Auch der stets uns begleitende Nieselregen war bis dato noch kein Problem.
Ein kurzes Flachstück brachte uns dann zum ersten Gradmesser des Tages. Ein 250 Höhenmeter umfassender Anstieg auf einem Singletrail sollte die echte Kletterarbeit des Tages einläuten. Sehr steil führte der Weg aus einem wundervollen Tal hinauf, doch es blieb keine Zeit die Aussicht zu genießen. Viel zu steil ging es bergauf, mehrfach mussten wir vom Rad und schieben. Doch irgendetwas machten wir richtig dabei. So konnten wir zunächst ein Team und in der folgenden Abfahrt ein zweites Team einholen – immer mehr entwickelte sich bei uns das Gefühl, dass heute ein guter Tag werden könnte.
Doch diese Gedanken wurde abrupt unterbrochen. Aus dem Nieselregen wurde ab Waterpoint 2 bei Kilometer 64 ernsthafter Dauerregen. Zudem sanken die Temperaturen stetig nach unten. Obwohl wir dort unsere Flaschen mit neuem Trinken versorgten, dachte ich noch zu wenig an die bevorstehenden Aufgaben – ein Großteil der Anstiege stand zu diesem Zeitpunkt noch bevor. Dies sollte mich später noch etwas in Bredouille bringen.
Der einsetzende Regen veränderte die Streckenverhältnisse schlagartig. War zuvor der Untergrund noch resistent gegen den Nieselregen, so wurde die Fahrt auf den folgenden Kilometern zur wahren Rutschpartie. Viele Karrenwege mit tausenden circa 5 Zentimeter großen Steinen machten uns das Leben schwer – und wenn es mal Passagen gab, wo diese Steine nicht anzufinden waren, dann sorgte nasser sandiger Untergrund, dass wir gefühlt doppelten Krafteinsatz benötigten um vorwärts zu kommen. Doch während ich heute nicht meinen allerbesten Tag erwischte, lief es vor allem bei Tobi heute richtig rund. Berghoch konnten wir beide stets dasselbe Tempo fahren und ergänzten uns perfekt.
Die letzten 20 Kilometer der Etappe führten uns zunächst leicht ansteigend auf einer asphaltierten Straße, rund 10 Kilometer vor dem Ziel passierten wir den letzten Waterpoint und die Sammelstelle nach dem Erklimmen der Passhöhe. Wie bereits erwähnt, war ich heute nicht ganz so rücksichtsvoll bei der Ernährung und merkte etwa fünf Kilometer vor dem Waterpoint, dass ich deutlich im Rückstand lag was den Zuckerhaushalt in meinem Körper anging. Ich warf also alles was ich diesbezüglich in meiner Trikottasche verfügbar hatte in mich rein, zudem erhoffte ich mir durch zwei weitere Gels bei der Verpflegungstelle nochmals den letzten Punch zu holen. Fazit der ganzen Geschichte: Mir wurde etwas schlecht und der Anstieg zum Swartberg-Pass wurde zur richtigen Qual für mich.
Da stand er uns also bevor, 8 Kilometer lang und knappe 800 Meter Höhenunterschied auf einer Schotterstraße: Der Swartberg-Pass ist schon seit Jahren Bestandteil des Cape Pioneer Treks und gilt als einer der schönsten Pässe in Südafrika. Doch heute war davon relativ wenig zu sehen. Die Organsatoren vermeldeten beim Passieren der Verpflegungstelle am Fuß des Berges sieben Grad, im Ziel sage und schreibe minus drei Grad. Zudem versperrte Nebel die Sicht ins Tal und der Dauerregen tat sein Übriges dazu. Es half ja alles nichts, irgendwie mussten wir da hoch.
Für unsere etwas geschundenen Beine war der Einstieg in den Anstieg perfekt. Zunächst führte der Pass mit moderater Steigung bergan, ehe auf den letzten drei Kilometer die Steigungsprozente in zweistellige Bereiche wuchsen. Trotz meiner Magenbeschwerden versuchten wir ein gleichmäßiges Tempo zu fahren. Wir konnten im Vorfeld des Anstieges einige Teams etwas distanzieren und wollten den Vorsprung nicht kampflos wieder aufgeben. Und das gelang uns auch – wir fuhren beide ziemlich am Limit, doch konnten das Tempo konstant hochhalten. Einzig die letzten beiden Kilometer, bei denen zusätzlich starker Wind einsetzte, wurden zur richtigen Qual. Und da die Sicht aufgrund starken Nebels sich auf wenige Meter beschränkte konnten wir nur schwer einschätzen wie viel Strecke noch vor uns lag. Auch als uns kurz vor dem Ziel jemand an der Seite mitteilte es seinen nur noch 100 Meter ins Ziel, konnten wir dies noch nicht glauben – doch der Zuschauer behielt recht.
Wir beendeten die fünfte Etappe schließlich auf einem sehr guten 11. Gesamtrang, lediglich 20 Minuten hinter den erneuten Tagessiegern Matthys Beukes und Philip Buys überquerten wir den Swartberg-Pass. Obwohl das Rennen beendet war begann für uns dann das wohl härteste Teilstück des Tages. Jeder, der auf dem Pass ankam, musste danach wieder zurück zur letzten Verpflegungszone rollen. Wir hatten Glück und konnten einem niederländischen Betreuer vom KMCFruitToGo-Team einige Klamotten mitgeben, sodass wir uns kurz umziehen konnten bevor es wieder hinab ging. Doch die knappen 10 Kilometer bergab wurden dann zur echten Herausforderung. Extrem unterkühlt erreichten wir das Farmhaus an der Verpflegungsstation, wo wir zum Glück sofort mit Decken versorgt wurden und uns an einem offenen Feuer aufwärmen konnten.
Bibbernd saßen alle Finisher der Etappe rund um das Feuer und zunehmend wurde klar, dass die Situation den Veranstaltern keine andere Wahl ließ, als das Rennen abzubrechen. Doch auch noch mehr als eine Stunde später kamen einige Fahrer extrem unterkühlt in dem Farmhaus an, die teilweise sogar noch das Ziel erreicht hatten. Unter anderem auch die Etappensiegerinnen der Damen, Cemile Trommer und Karen Brouwer, die damit kurz vor dem Gesamtsieg des Cape Pioneer Treks stehen. Für die Gesamtwertung werden die Zeiten aller Fahrer die die Passhöhe nicht erreichten hochgerechnet.
Mit einer halbstündigen Fahrt mit einem alt-ehrwürdigen Schulbus wurden wir wieder zum Startpunkt zurückgebracht, die Fahrräder folgten unmittelbar mittels eines eigenen Transporters. Ein denkwürdiger Tag endete so für uns, der wohl allen hier Anwesenden wohl noch einige Zeit im Gedächtnis bleiben wird.
Morgen heißt es für uns das letzte Mal Vollgas durchs Karoo. Rund um Oudtshoorn stehen 64 Kilometer auf dem Programm. Wir hoffen ihr seid auch morgen zum letzten Mal dabei, wenn wir vom Westkap berichten.
Viele Grüße,
Tobi & Gabi
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Alle Artikel zu unserem Live-Blog beim Momentum Health Cape Pioneer Trek:
- Momentum Health Cape Pioneer Trek: The Big Five und Wir – 7 Tage Abenteuer in Südafrika
- Momentum Health Cape Pioneer Trek #Prolog: Feinste Trails entlang des Indischen Ozeans
- Momentum Health Cape Pioneer Trek #1: Leiden der Extraklasse zwischen Giraffen und Zebras
- Momentum Health Cape Pioneer Trek #2: Mit Vollgas entlang der Garden Route
- Momentum Health Cape Pioneer Trek #3: Singletrailspektakel durchs Western Cape
- Momentum Health Cape Pioneer Trek #4: Epische Ausblicke in der Karoo-Wüste
- Momentum Health Cape Pioneer Trek #5: Minus 3 Grad und Schneefall – Willkommen am Swartberg
- Momentum Health Cape Pioneer Trek #6: Over and out! – Das große Finale im Herzen des Kleinen Karoos
- Momentum Health Cape Pioneer Trek : Ab zum Cape Pioneer! Fazit des südafrikanischen Etappen-Spektakels
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