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Cannondale Simon – elektronische Dämpfungssteuerung auf der Interbike vorgestellt

Das Cannondale für Innovationen gut ist, wissen wir schon seit langem. Auf der Eurobike wurde deutlich, dass die Innovationskraft des Unternehmens nun vorerst in Richtung XC-Racing und Stadträder gehen würde, wie im Video (LINK) gut zu sehen ist. Dahingegen genehmigt sich der Gravitybereich in der kommenden Saison eine Verschnaufpause (Bericht).

Wer nun denkt, nach dem Flash hätte es auf der Interbike in Las Vegas, die momentan fleißig am Laufen ist, keine weiteren Neuigkeiten gegeben, der irrt.

Unter dem Namen „Simon“ hat Cannondale nun in Las Vegas das erste auf dem Markt erhältliche elektrisch gesteuerte Dämpfungssystem präsentiert. Äußerlich ist von dem System am gezeigten Projektrad „Simon“ außer einem Tacho-ählichen LCD Display und einem Bedienelement wenig zu sehen, doch in der Lefty gibt es eine ganze Menge an technischer Raffinesse.

Ziel der Neuentwicklung war es, die Gabel sich selbstständig auf die verschiedensten Fahreinflüsse einstellen zu lassen. Ob Cannondale dabei an den ersten „Personal Computer“ gedacht hat und das Produkt deshalb Simon getauft hat, ist noch unklar. Ich finde jedoch, das Thomas mit diesem Deutungsansatz durchaus Recht haben könnte.

Im Schaft der Gabel sind Batterie, CPU und LCD Anzeige untergebracht – in der Gabel gibt es einen Beschleunigungssensor, einen optischen Sensor und einen Stellmotor, der dann letzten Endes die Dämpfung einstellt. Dabei kann der Fahrer natürlich Einfluss darauf nehmen, wie die Grundcharakteristik ausfällt oder auch komplett selbst regeln. Außerdem können vom Computer „Maps“ geladen werden, die wohl konkreten Dämpfungspräferenzen und -charakteristiken entsprechen. Unter diesen Vorgaben stellt die Gabel anhand ihrer Sensoren die jeweils am besten passende Dämpfungscharakteristik ein. Damit sie das kann, setzt die Gabel auf zwei Komponenten:

1. Das elektronische „Hochgeschwindigkeits“-System

Der „Computer“ in der Gabel kommuniziert digital mit den Sensoren des Projektrades. Dazu gehören der Durchflussmesser, der Joystick zur Vorwahl des Terrains sowie der optische Sensor. Über den Joystick, der am Lenker befestigt wird, stellt der Fahrer seine Grundeinstellung ein (DH bis XC). Im Anschluss daran vergleicht der Microcomputer die vom Untergrund eingehenden Stöße und die Rückmeldung der Gabel – und das 500x pro Sekunde. Diesen Berechnungen gerecht wird dann die „fluid control“ geregelt, um die Performance der Gabel an die Begebenheiten anzupassen. Alle zwei Millisekunden werden also die Einstellungen der Gabel verändert, was bislang nur von Hand im Stand passieren konnte. Außerdem soll das System in der Lage sein, Höchstbelastungen zu erkennen und kann dann sogar die Benutzereinstellungen übergehen. Dies soll dazu dienen, die Sicherheit und Kontrolle des Fahrers zu stärken und gleichzeitig den Rahmen vor Überbelastungen zu schützen.

2. elektrohydraulische Flüssigkeits-Kontrolle (fluid control):

Hier sollen die Flussraten des Öls berechnet und angepasst werden. Dazu kann der Elektromotor die Durchlassöffnungen in 1/1000 Millimeter Schritten anpassen. Bei allen Komponenten werde auf maximale Qualität und Zuverlässigkeit geachtet.

Wo also geht die Reise hin? Das „Simon“ System analysiert die aktuelle Fahrsituation und passt dementsprechend die Dämpfung darauf an. Sollte das System so schnell wie angekündigt funktionieren, könnte in der Tat eine enorme Verbesserung der Gabel-Performance erreicht werden, da beispielsweise eine grundsätzlich weichere Abstimmung gewählt werden könnte, die dann durch die Dämpfung trotzdem nicht zum kraftfressenden Schaukelstuhl wird. Andererseits muss man aber auch immer bedenken, dass Elektronik am Bike Elektronik bleibt und so will diese Gabel an der Steckdose betankt werden. Das könnte auf einem Alpencross aber ziemlich schwer werden und in meinen Augen ist das System so für die breite Masse nicht notwendig genug, als das ich es genial finden würde. Um die letzte Sekunden in XC-Rennen zu gewinnen sicherlich eine interessante Alternative und auch im Downhill könnten, nach leichten Abänderungen, hervorragende Einstellungen zu den verschiedenen Streckenabschnitten vorgenommen werden. Grundlage dafür wäre jedoch, dass man die Gabel auf die Strecke „programmieren“ könnte.

Das Mehrgewicht des Systems ist übrigens zu vernachlässigen – dank des ohnehin extrem geringen Gewichts der Lefty ist der mit Technik gefüllte Schaft zu vernachlässigen. Das war beim ersten Simon noch ganz anders… wer sich diesen Rechner ans Bike schraubt, würde zwar keine verstellbare Dämpfung bekommen; schneller nach unten würde es aber gehen.

Hier gibt es noch ein paar Detailbilder des Innenlebens. Der Beschleunigungssensor am Ausfallende soll binnen 70 Microsekunden (0,00007s) reagieren und der Stellmotor braucht angeblich nur 0,006 Sekunden, um von ganz geschlossener Dämpfung auf ganz offene Dämpfung umzustellen. Damit soll das System Stöße erkennen und auf sie reagieren, noch bevor der Fahrer ihn überhaupt wahrgenommen hat.

Interessant sind auch noch die vorwählbaren Einstelloptionen, die über den Joystick und den LCD vorgenommen werden können. Als Beispiele hier die Menüpunkte Fork Setup –> Downhill (DH) und –> Travel Management (TM) sowie die Grundeinstellung der Gabel (Sag etc.)

Im Anhang findet ihr das „Tech Sheet“ zum Projekt „Simon“.

Was meint ihr: Sinnvolle Innovation oder eher nutzlose Spielerei? Geht die Entwicklung in eine falsche Richtung oder ist das das, was dem unbedarften Biker das ideale Setup vermitteln kann? Könnt ihr euch vorstellen, dass die Gabel viel Rückmeldung gibt und trotzdem alles schluckt? Das wäre schon wirklich sensationell!

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