Ergonomie ist ein spannendes, aber auch ein schwieriges Thema: Nicht nur, dass jeder Mensch verschieden ist – nein, es sind auch noch die Vorstellungen, was man mit einem Mountainbike macht und welche Geometrie man dafür braucht, unterschiedlich. Kurz haben wir über Mass-Customization, Maßrahmen für alle, nachgedacht. Ganz kurz. Die Lieferzeiten und Preise wollten wir euch dann aber doch nicht anbieten.

Größenverteilung ICB20
Nachdem sich in der ersten Geometrie-Tabelle ein Fehler beim Radstand eingeschlichen hatte, und wir die immer noch heftigen Diskussionen gelesen haben, stand fest: Der erste Wurf war es noch nicht ganz. Deshalb treten in dieser Stichwahl jeweils zwei Varianten für jede Größe an. Der jeweilige Gewinner wird gebaut.

Auswahl

Diese 10 Varianten stehen zur Wahl, 5 davon werden gebaut. Um die Geschichte überschaubar zu halten, haben wir hier eine Übersicht, mit den bestimmenden Werten. Wer es ganz genau wissen will, findet alle anderen Maße etwas weiter unten.

Geometrie Übersicht Stichwahl
# Geometrie Übersicht Stichwahl

Ein paar Worte zu den vorgenommenen Anpassungen: Die Längen sind etwas moderater, die Höhen etwas breiter gefächert. Der XS-Rahmen wird als Bike für Jugendliche und extrem kleine FahrerInnen gedacht, kriegt deshalb 26″ und wird in einer Einsteiger-Spezifikation angeboten.

 

Abstimmung

Zur Umfrage gelangt ihr durch einen Klick auf diesen Link oder die Umfrage unten. Wir fragen dieses Mal optional auch eure Schrittlänge ab, daraus sollen dann Größenempfehlungen werden, für alle, die sich nicht so tief mit der Materie beschäftigt haben.

Die Umfrage läuft bis Freitag mittag, 18.07.14, 13:59 . Um doppelte Abstimmungen zu vermeiden, werden IP-Adressen zwischengespeichert. Nach dem Aussortieren werden diese gelöscht.

Die Umfrage ist geschlossen und wir baldmöglichst ausgewertet. Weil gerade die Sonne scheint, kann das aber noch ein wenig dauern. J

Geometrie

Jedes Maß an einem Bike beeinflusst das Fahrverhalten – die Gesamtheit der Geometrie muss stimmen. In unserem ersten Schritt haben wir uns für einen Lenkwinkel von 67°, eine Kettenstrebenlänge von 425 mm und eine Innenlagerhöhe von -24 mm bzw. -20 mm (je nach Rahmengröße) entschieden.

Die heutigen Maße betreffen in erster Linie die Fahrerhaltung, tragen aber ebenfalls ganz entscheidend zum Fahrverhalten bei. Viele der Maße beeinflussen sich direkt: Ein längerer Reach bedeutet immer auch einen längeren Radstand und ein längeres Oberrohr, ein höherer Stack ein längeres Steuerrohr, und so weiter. Auf diese Art und Weise genügen 4 Werte, um den Rahmen heute vollständig zu definieren: Reach, Stack, Sitzwinkel und Sitzrohrlänge. Wie sich diese auswirken?

Sitzrohrlänge

Viele Mountainbiker kaufen ihr Rad einzig nach dieser Länge – was offen gesprochen eine zu starke Vereinfachung des Themas Ergonomie ist. Klar ist: Je länger das Sitzrohr, desto höher kann ich den Sattel stellen, je kürzer es ist, desto niedriger. Insofern besteht tatsächlich ein direkter Zusammenhang mit der Schrittlänge, aber nur ein indirekter mit der Körpergröße (Stichwort: Sitzriesen und Langbeiner!).
Unsere Umfrage hat gezeigt, dass sich normal und insbesondere klein gewachsene Biker tendenziell niedrigere Rahmen wünschen, was unter anderem durch die kaum noch wegzudenkenden Teleskopstützen begründet sein dürfte: Durch ihre zusätzliche Bauhöhe lässt sich der Sattel nicht mehr so weit absenken – folglich sollte der Rahmen diese Bauhöhe kompensieren. Außerdem besteht die Möglichkeit, dass durch insgesamt niedrigere Rahmen die Option besteht, bei Bedarf einen längeren Rahmen zu fahren


# Die wichtigsten Maße, über die heute abgestimmt wird, auf einen Blick.

Reach

Der Reach-Wert ist erst auf den zweiten Blick intuitiv, ist er doch nicht einfach die Länge eines bestimmten Rohres am Rahmen. Stattdessen handelt es sich dabei um den horizontalen Abstand von Tretlager bis Steuerrohr-Mitte oben. Auf gut Deutsch also: Den horizontalen Abstand vom mittleren Kontaktpunkt der Füße bis zum Kontaktpunkt der Hände. Er gibt an, ob ein Bike eher lang oder kurz ausfällt, der Fahrer darauf leicht nach vorne oder eher aufrecht sitzt. Gleichzeitig verlängert mehr Reach auch den Radstand, was mehr Laufruhe erzeugt. Die Sitzposition kann vom Reach unabhängig natürlich noch durch Vorbau und Lenker beeinflusst werden. Wer gern einen kürzeren Vorbau fahren will, sollte einen längeren Reach wählen – und umgekehrt.

Stack

Ganz ähnlich zum Reach ist der Stack definiert, nur eben der vertikale Abstand von Tretlager und Steuerrohr-Mitte. Damit beschreibt er die Höhe der Front eines Bikes, beeinflusst somit nicht nur die Körperhaltung (aufrecht/flach) sondern auch die Sattelüberhöhung. Mehr Stack bedeutet eine aufrechtere Sitzposition, und dass das Bike leichter aufs Hinterrad zu ziehen ist. Ein niedrigerer Stack gibt etwas mehr Druck aufs Vorderrad und mehr Sattelüberhöhung. Am Stack kann mittels Spacern, Vorbau und Lenker geschraubt werden.

Sitzwinkel

Der Sitzwinkel definiert gemeinsam mit Sitzrohrlänge und Sattelstütze schließlich, wo der Sattel sich befindet. Damit hat er eigentlich nur auf die Sitzposition, nicht aber auf das Fahrverhalten im Stehen einen Einfluss. Ein steilerer Sitzwinkel sorgt für ein kürzeres Oberrohr und dafür, dass der Schwerpunkt weiter nach vorne rückt. Bergauf steigt damit das Vorderrad später. Ein zu steiler Sitzwinkel führt allerdings dazu, dass man nicht mehr den richtigen Druck auf die Pedale kriegt, weil man leicht von vorne tritt. Aus diesen Gründen gibt es hier keine großen Unterschiede am Markt, einzig Enduros kriegen häufig einen steileren Sitzwinkel spendiert, weil der Fahrer bergauf durch den Sag sonst sehr über dem Hinterrad hinge. Bei unseren 130 mm Federweg und einem Sitzwinkel, der auch tatsächlich so steil ausfällt (vergleiche G und H) sehen wir hier aber keine Probleme auf uns zukommen.

ICB-Newsletter

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Auswertung

Das Ergebnis ist eine ganz schön knappe Kiste, insbesondere bei den Größen XS, L und XL:


# Das Ergebnis der Stichwahl.

Würden wir immer den – teils knappen – Gewinner bauen, würden wir bei folgender Reach-Aufteilung landen: 395 – 415 – 435 – 440 – 460.

Das wäre für den Großteil der Herren hier (175-190) eine Länge, zwei Höhen. Gleichzeitig würde ein wirklich langer XL-Rahmen fehlen, und die Abstufung wäre ganz schön schwer zu verkaufen: Warum wird L nicht länger? Das lässt sich kaum begründen, vor allem nicht, wenn die Entscheidung so knapp war.

Deshalb werden wir gewichtete Mittelwerte bilden: Wo das Ergebnis eindeutig war, wird das auch so übernommen. Wo es ausgeglichen war, wird ausgeglichen.

Gewichtetes:

  • XS1 (1 %) und XS2 (1.4 %): 389 mm Reach (Sitzrohr: 360 mm)
  • S1 (1 %) und S2 (8 %): 413 mm Reach (Sitzrohr: 400 mm)
  • M1 (16 %) und M2 (23 %): 429 mm Reach (Sitzrohr: 435 mm)
  • L1 (20 %) und L2 (15 %): 446 mm Reach (Sitzrohr: 470 mm)
  • XL1 (8 %) und XL2 (7 %): 469 mm Reach (Sitzrohr: 510 mm)

Wahlergebnis und Körpergröße

Wir haben – vor der Entscheidung – untersucht, ob bei der Wahl zwischen den jeweiligen Alternativen (1 oder 2) ein Trend bei den Körpergrößen zu erkennen war. Dies ist eingeschränkt der Fall. (Die XS-Grafik ist wegen einer zu geringen Stichprobengröße nicht aussagekräftig, daher hier nur die Illustration von S – XL.

Es ist zu erkennen: M2-Wähler sind durchschnittlich minimal größer als M1-Wähler, um etwa 2 cm. S2 scheint einen größeren Querschnitt als S1 anzusprechen, wurde insgesamt aber deutlich öfter gewählt.

Welche Körpergröße wählt welche Rahmengröße (1/2)
# Welche Körpergröße wählt welche Rahmengröße (1/2)

In der L/XL-Grafik ist zu erkennen: L2-Wähler sind durchschnittlich minimal größer als L1-Wähler, XL2-Wähler sind größer als XL1-Wähler.

Welche Körpergröße wählt welche Rahmengröße (2/2)
# Welche Körpergröße wählt welche Rahmengröße (2/2)

Vorbaulänge

Gibt es bei den Wünschen für die Vorbaulänge einen erkennbaren Trend? Wollen größere BikerInnen einen längeren Vorbau? Mit Nichten. Stattdessen ein mehr oder weniger steiler Gipfel über 40 – 50 mm Länge. Was jedoch erkennbar war: Wer den längeren Reach gewählt hat, hat einen kürzeren Vorbau gewählt.


# Vorbaulänge nach Rahmengröße

Ergebnis

Hier sehr ihr die finale Geometrie, die durch das Wahlergebnis, gewichtete Mittelwerte und Runden der Zahlenwerte entstanden ist.


# ICB Geometrie Final

Die Geometrie kann als „langer Hauptrahmen, kurzes Heck“ bezeichnet werden. Durch die verfügbaren Sattelstützen glauben wir, dass für die allermeisten Biker (Größe: 180 – 190 cm) aber eine schöne Wahlfreiheit herrscht. Der Reach von M und L liegt eher nah beisammen, dafür unterscheidet sich die Sitzrohrlänge deutlich. Damit kommen für die meisten wohl 2 Rahmengrößen in Frage, und es kann nach persönlichen Vorlieben oder genauer Ergonomie gewählt werden. Zu den Extremgrößen wird die Abstufung größer, um auch extremen Körpergrößen einen adäquaten Rahmen zu geben.

  1. benutzerbild

    foreigner

    dabei seit 04/2009

    Tja, und wenn ich mich beschwere, weil die Sitzrohre mir zu lang sind, dann kommt von dir was in der Richtung "Stell dich nicht so an, so weit muss doch kein Mensch den Sattel versenken"... Hmmm, ist das jetzt weniger Blödsinn oder sonstwie besser? smilie
    Hab ich nie und zu keinem Moment je behauptet.smilie

    Wenn man sich mal die modernen Rahmen anschaut, dann geht viel in Richtung "langer Reach, kurzer Vorbau". Ich finde nicht alles gut, was "modern" oder "trendy" ist (tiefe Tretlager finde ich z.B. ganz schrecklich), aber das passt mir ganz gut, weil es sich einfach für meinen Geschmack gut fährt.

    Ich hab überhaupt nix gegen Bikes mit langem Reach im allgemeinen. Würde sofort ein Orbea Rallon mit 445mm Reach nehmen, oder bei einem neuen Strive CF zur "Race"-Geo greifen. Aber die würde ich einfach als schnelle Enduro-Bikes zum Ballern sehen und da passt´s. Beim Trailbike, das verspielt und ohne Kraftaufwand über kleine Wurzeln springen soll, ist das halt was anderes.
    Und einer wenigen richtig guten Trends der letzten Jahre sind tiefe Tretlager.smilie Könnten von mir aus auch gerne noch ein Stück runter, nichts anderes an der Geo beeinflusst Kurvenverhalten und Stabilität positiver. Von daher finde ich den Canyon Shapeshifter für mehr Bodenfreiheit zum bergauf treten sehr geil. Mir fällt gerade auf, ich lobe die gerade ganz schön, die haben aber im letzten Jahr aber durchweg sehr viel richtig gemacht. Schadet aber auch nicht da mal was positives zu sagen, ich hab hier im Forum in der Vergangenheit auch ganz schön auf deren Bikes herum gehackt.smilie
  2. benutzerbild

    beutelfuchs

    dabei seit 06/2012

    Jedenfalls hat scheinbar jemand den XS-Reach repariert, obwohl das kurz vorher noch ausgeschlossen wurde. Mal schau'n, wie lang sich der jetzige Wert halten kann smilie

    Was man mit besonders langem Reach gerade an einem Spassbike will, auf welchem man sich bewegen koennen muss, ist mir eh nicht ganz klar. Je steiler es wird, desto schlechter kann man so ein Gefaehrt aufgrund der überstreckten Arme steuern.

  3. benutzerbild

    Susette

    dabei seit 08/2010

    Und da kommen wir zur Krux der Sache. Da scheint es 2 echt unterschiedliche, verhärtete Fronten zu geben, @beutelfuchs.
    Da wir hier nur wenige Stimmen schreiben sehen, welche laut zur einen oder zur anderen Seite tendieren und deren Fahrstil nicht genauer analysieren können um zu sehen, was denn wohl dem Gros der Leute eher passen würde, wird's hier echt schwierig ne allgemeingültige Aussage zu treffen.

  4. benutzerbild

    SebT-Rex

    dabei seit 09/2013

    braucht ihr auch nicht, die Geo steht! jetzt können wir uns über andere sachen streiten!

  5. benutzerbild

    Trail Surfer

    dabei seit 03/2004

    Was ich mir auf jeden Fall mal gönnen mag, ist das ICB 2.0 mal gegen mein bald erwartetes Whyte T-129 S zu er-fahren und mir somit klar darüber zu werden, ob hier geotechnisch eher heiße Luft oder heißes Eisen verkauft wird...

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