Als vor mittlerweile drei Jahren mit der SRAM XX1 die erste 11-fach Schaltung für das Mountainbike vorgestellt wurde, sind die Diskussionen intensiv geführt worden: Reichen 420% Gangspreizung mit der gezeigten 10–42er Kassette? Kann eine solche Schaltung ohne Kettenführung funktionieren? Was bringt es, wenn man bei der Konstruktion auf den Umwerfer keine Rücksicht mehr nehmen muss? Heute sind wir ein gutes Stück weiter: mittlerweile gibt es 1×11 auch von Shimano und mit der neu vorgestellten SRAM GX sind 11-fach Antriebe deutlich erschwinglicher geworden. Und bei e-thirteen schickt man sich an, mit der TRS+ Kassette aus 11 Gängen immerhin 489% Bandbreite herauszuholen. Wichtiger noch: die Antriebe haben sich bewährt. Dennoch geht die Entwicklung weiter und wir fragen uns, wohin die Reise gehen wird. Reichen 420% wirklich aus? Reichen 11 Gänge aus? Wie viel Spreizung ist erforderlich und ist der Verzicht auf den Umwerfer wirklich die Zukunft?

Die eigene Kassette gibt's in 10-fach und 11-fach
# Die eigene Kassette gibt's in 10-fach und 11-fach - 10-fach mit 10-40 Zähnen und 11-fach mit 10-44 Zähnen

Übersetzungen der Mountainbikes

Der Siegeszug von 1x Antrieben

Tag für Tag müssen sich Mountainbiker (= der Endverbraucher) von den diversen Neuvorstellungen und Produkttests vor Augen führen lassen, dass 11-fach Antriebe auf dem Vormarsch sind. Dass sie aktuell der einzig legitime Antrieb für ein Mountainbike sind. Es geht um schnelle Schaltvorgänge, eine sichere Führung der Kette und eine Vereinfachung des Antriebs. Wer jedoch einen genaueren Blick auf die von unseren Benutzern im Fotoalbum hochgeladenen Bilder wirft, der wird feststellen, dass insbesondere 10-fach Antriebe nach wie vor weit verbreitet sind und von der Übersetzungsbandbreite her 11-fach Systemen sehr ähnlich ausgelegt werden können. Die Bezeichnung ist jedoch häufig schwammig verwendet, da die wichtigste Gemeinsamkeit der beiden Antriebe ist, dass nur ein Kettenblatt verwendet wird. Ein 1x Antrieb ist also eigentlich das, wonach wir suchen – ob jetzt mit 9, 10 oder 11 Gängen an der Kassette. Denn worum geht es hier eigentlich? In den Umfragen zum ICB2 wird dieser Eindruck unterstrichen: knapp 50% wünschen sich einen 1×11 Antrieb und fast 13% einen 1×10 Antrieb. Damit entfallen fast 2/3 aller Stimmen auf Systeme mit nur einem Kettenblatt. Das ist des Pudels Kern: es geht dem Umwerfer an den Kragen.

Passend dazu fällt auf, dass in den letzten zwei Jahren kaum noch Topmodelle mit zwei Kettenblättern vorgestellt worden sind. Von XC über Trail bis hin zu Enduro wird fleißig auf ein einziges Kettenblatt gesetzt und in der Regel nur die günstigen Einsteigerversionen noch mit zwei Kettenblättern geliefert. Der Vorteil der Systeme ist klar: das Schaltwerk schaltet schneller als der Umwerfer und ohne Umwerfer fährt es sich besser, denn die Kette wird durch spezielle Schaltwerke mit gedämpftem / gebremstem Käfig und spezielle Kettenblätter wesentlich sicherer geführt. Außerdem ist das Setup leichter und besteht aus weniger Komponenten, die kaputt gehen können. In unseren Praxistests zeigt sich so, dass man diese Antriebe tatsächlich ohne Kettenführung fahren kann – ein Umstand, der noch vor drei Jahren kaum denkbar gewesen ist. Nur Downhiller und Enduro-Piloten, die auf Zeit fahren, sind so wirklich noch auf eine Kettenführung angewiesen.

Zwei weitere Vorteile lassen sich für die Antriebe mit nur einem Kettenblatt und ohne Umwerfer machen: einerseits entfällt der Umwerfer als einzustellendes Schaltelement, was OEM und Endbenutzer gleichermaßen freuen dürfte. Durch langsame und häufig unpräzise Schaltvorgänge ist der Umwerfer stets ein Dorn im Auge gewesen und auch wenn der zunehmend weit verbreitete Direct Mount Standard die Ausrichtung gegenüber dem Rahmen vereinfacht, ist das Problem der Schaltvorgänge damit nicht gelöst. Der zweite große Vorteil bezieht sich eher auf die Entwicklung und ist bislang eher verhalten umgesetzt worden: Wer in der Entwicklung keinen Umwerfer berücksichtigen muss, gewinnt neue Freiheiten für eine bessere Geometrie und mehr Gestaltungsspielraum. In der Entwicklungsphase des neuen ICB2 hat sich einmal mehr gezeigt, wie arbeitsintensiv das Yoke an einem Mountainbike – insbesondere einem Fully – zu entwickeln ist. Reifenfreiheit, Lage der Drehpunkte und Platz für Kette und Kettenblatt wollen berücksichtigt werden. Und der Umwerfer will seinen Baumraum sowie seine Befestigungspunkte finden. Gerade die letzten beiden Punkte können so manchen Strich durch die Rechnung machen und es zeigt sich, dass die wirklich radikalen Konzepte in den letzten Jahren jeweils nur auf ein Kettenblatt an der Front ausgelegt gewesen sind. 29+ Laufräder mit gerade einmal 420 mm kurzen Kettenstreben wie beim neuen Trek Stache Hardtail [Vorstellung / Erster Test]? Nur ohne Umwerfer machbar. Aggressives 29“ Race-Bike mit steifen, kurzen und leichten Kettenstreben wie das Specialized Epic World Cup [Erster Test]? Nur ohne Umwerfer machbar. Die weitreichende Verbreitung von Direct Mount-Aufnahmen für den Umwerfer mag die fehlerbehaftete Montage per Schelle vereinfacht haben, doch es spricht viel für den Umwerfer.

Kurzum: Mit dem Wegfall des Umwerfers gewinnen Produktmanager und Ingenieure viel Spielraum rund um das Innenlager, der gern gesehen ist und den Kunden am Ende des Tages bessere Bikes bescheren könnte. Allein an der Umsetzung mangelt es noch, denn bislang sind die meisten Rahmen nach wie vor kompatibel mit Umwerfern. So hat sich beispielsweise in der Abstimmung für das Trail-Bike ICB2 gezeigt, dass 61,3 % der Benutzer keinen Umwerfer benötigen. Das ist eine beachtliche Anzahl, doch im Umkehrschluss wollen die verbleibenden fast 40 % einen Umwerfer an ihrem Bike. So richtig tot ist er also noch nicht. Mit Blick auf die Wortspielkasse ist man fast geneigt zu sagen: der Umwerfer ist in seiner Existenz nicht so leicht umzuwerfen. Neben der Spende für besagte Kasse deutet diese Feststellung darauf hin, dass am Ende des Tages die Übersetzungsbandbreite von Antrieben mit einem Kettenblatt noch nicht für alle Kunden ausreichend groß dimensioniert ist. Und dass sich die Frage stellt, wie die Abstufung entlang der Bandbreite gestaltet ist.

Mittel und Wege für mehr Übersetzungsbandbreite bei 1x Antrieben

Wenn wir aus den oben genannten, guten Gründen auf die Verwendung eines Umwerfers verzichten wollen – wie können wir dennoch das Gangspektrum von 1x-Antrieben erweitern? Der Umwerfer ermöglichte es, die Bandbreite der Kassette (z.B. 327 % für eine 11–36er 10-fach Kassette) doppelt zu nutzen und so das Gesamtspektrum zu vergrößern (wie weit hängt jeweils von der gewählten Kettenblattgröße ab, da sich einige Gänge überschneiden). Die Frage ist dabei stets: Wie viel Bandbreite wird benötigt? Welche Übersetzungen ins Schnelle und ins Langsame müssen vorliegen? Die Antwort auf diese Frage hängt stark von den individuellen Präferenzen, der Leistungsfähigkeit und des angestrebten Einsatzbereiches ab.

Wer eine feine Gangabstufung sucht und im Marathon genau weiß, welche Trittfrequenz wann am besten ist, der wird sich mit den großen Gangsprüngen bei 1×11 Antrieben kaum abfinden wollen. Wer auch die steilsten Steige in den Alpen erklettern, aber bergab auch bei über 30 km/h noch mittreten will, wird ebenfalls den Wunsch nach größeren und kleineren Gängen verspüren. Hier reicht die 420 % Spreizung, die eine 11-fach Kassette von SRAM bietet, häufig nicht aus. Die offensichtliche Lösung für diese beiden Probleme wäre, auf zwei Kettenblätter zu wechseln. Während wir der Meinung sind, dass man in der Regel in den Mittelgebirgen oder als sehr fitter Fahrer ohne Ansprüche an die Feinheit der Gangabstufung jederzeit mit 420 % Übersetzungsbandbreite auskommen müsste, sind dennoch Einsatzbereiche denkbar, in denen es einfach ein bisschen mehr sein muss. Und es gibt Optionen!

SRAM MTB X01 Cassette md
# SRAM MTB X01 Cassette md

Vergrößerung der Spreizung der Kassette

Von Herstellern wie Absolute Black, e-thirteen, Hope oder Leonardi Factory („General Lee“) sind seit einiger Zeit Ritzel oder Kassettenadapter verfügbar, über die bestehende 10-fach Kassetten für mehr Bandbreite getuned werden können. Einige dieser Lösungen hatten wir bereits im Frühjahr 2013 als Alternativen zur Sram XX1 für 10-fach Antriebe vorgestellt. Während die Spreizung mit diesen Kassettenadaptern steigt, kommt man jedoch noch nicht über die Bandbreite der Sram 11-fach Kassetten mit 420 % hinaus. Doch die Entwicklung geht weiter und so hat zum Beispiel e-thirteen auf dem Sea Otter Classic Festival eine Kassette mit einem kleinen 9er Ritzel gezeigt, das die Bandbreite nach unten hin erweitert. Von OneUp ist ein 44er X Cog genanntes Ritzel verfügbar, das man an Stelle des 42ers einer SRAM-Kassette montieren kann. In Kombination würde eine 9–44er Kassette mit 11 Gängen eine Spreizung von beachtlichen 489 % bieten (zum Beispiel die neue e-thirteen TRS+). Und es sind bereits 45er Ritzel in der Entwicklung, die zu vollen 500 % verhelfen könnten.

Noch ein Prototyp
# Noch ein Prototyp - aber hoffentlich bereits im Winter erhältlich: Die eigenen Kassetten von Hope. Hier im Bild die oberen vier Ritzel, die aus einem Block Aluminium gefräst werden. Kompatibel nur mit einem eigenen Freilaufkörper. Zwei Varianten werden verfügbar sein: 10-fach mit 10-40 Zähnen und 11-fach mit 10-44 Zähnen

Doch die Sache hat einen Haken: Wer die Spreizung einer einzelnen Kassette zwischen dem größten und dem kleinsten Ritzel immer weiter vergrößert, der vergrößert zwangsläufig auch die Gangsprünge zwischen den nach wie vor nur 11 Gängen. Das bedeutet, dass der Fahrer mehr Anpassungsarbeit leisten muss, wenn er in die Pedale tritt und die Kraftentfaltung negativ beeinflusst wird. Nicht umsonst setzen Rennradfahrer – ihres Zeichens sehr fokussiert auf eine bestmögliche Kraftentfaltung – auf 11 Gänge zwischen 11 und 25 Zähnen an der Kassette. Und wir Mountainbiker sprechen hier von 10–42 oder sogar 9–45 Zähnen. Kann das gut gehen? Für XC oder Marathon-Fahrer scheiden diese Systeme an sich aus und wer lange, steile Anstiege in den Alpen bewältigen will, der wird nach einigen 100 Höhenmetern ebenfalls feststellen müssen, dass die Sprünge teilweise einfach zu groß sind und sich kein richtiger Gang finden lässt. Insbesondere dann nicht, wenn vom vorletzten in den letzten Gang volle 8 Zähne übersprungen werden (Beispiel: Sram XX1 Kassette mit OneUp 44er X Cog Ritzel, Sprung von 36 auf 44 Zähne). Dieser Gang ist über 15 % kürzer übersetzt als der vorige. Dennoch wird zum Beispiel im XC World Cup auf 1×11-Systeme zurück gegriffen. Hier überwiegen die Vorteile durch den Wegfall des Umwerfers offenbar die Nachteile der größeren Gangsprünge; die Kollegen sind jedoch auch entsprechend fit. Die Lösung, wenn man einfach keinen Umwerfer montieren will? Für eine feinere Stufung brauchte man mehr Gänge an der Kassette…

Kritischer Blick vor der ersten Ausfahrt: Kann die GX mit den teureren Schwestern mithalten oder bezahlt man den niedrigen Preis mit Leistung und Qualität?
# Kritischer Blick vor der ersten Ausfahrt: Kann die GX mit den teureren Schwestern mithalten oder bezahlt man den niedrigen Preis mit Leistung und Qualität? - © Adrian Marcoux

Montage eines zweiten Kettenblatts

Eine im Forum zuweilen verwendete Alternative führt die Idee von einem einzelnen Kettenblatt ein wenig ins Absurde – zumindest auf den ersten Blick. So gibt es ein stark frequentiertes Diskussionsthema in der Internet Bike Community, in dem diskutiert wird, ob man nicht mit zwei Kettenblättern ohne Umwerfer das Problem lösen könnte. Die Idee: Je nach vorliegender Fahrsituation wird auf ein großes oder ein etwas kleineres Kettenblatt umgeschaltet, so dass sich zwei kombinierbare Übersetzungsbandbreiten ohne Kettenblattwechsel ergeben. Das Schalten erfolgt dabei von Hand oder per Fuß (bei entsprechender Übung) und wird nicht regelmäßig, sondern gezielt je nach längerfristiger Fahrsituation vorgenommen. Ergibt das Sinn? Für mich persönlich nicht, doch die lange Diskussion zeigt, dass für einige Mountainbiker die Beschränkung auf 420% Übersetzung scheinbar doch nicht das Gelbe vom Ei ist. Dieses Thema soll dahingehend eure Meinungen abfragen, denn vielleicht bin ich ja auch von der Einfachheit der Einfachantriebe zu sehr überzeugt, um ihre Nachteile entsprechend zu würdigen.

SRAM MTB X01 Chain md
# SRAM MTB X01 Chain md

Wer sollte welche Übersetzung fahren?

Das Ende vom Lied? In der Geschichte haben Mountainbike-Antriebe zuerst an Gängen und Übersetzungsbandbreite hinzu gewonnen. Es ging um Entfaltung, immer den richtigen Gang und nicht zuletzt auch Prestige am Stammtisch. Mehr Gänge waren besser. Dann kippte das Ganze als man erkannte, dass die Anzahl der Gänge nicht direkt mit der Performance korreliert. In der Konsequenz sind wir heute wieder bei magereren 11 Gängen angekommen – nichts im Vergleich zu den möglichen 33 mit 3 x 11… Und doch für viele Mountainbiker besser. Aber für alle? Das kommt wie so oft darauf an. Darauf, wo man unterwegs ist. Darauf, wie die “ganz normale” Tour für einen aussieht. Von dem her gibt es an sich nur die Überlegung, dass man es sich selbst passend machen muss. Die Auswahl ist da und Ansätze wie dass umwerferlose 2 x 11 zeigen, dass es auch abseits der Norm Lösungen gibt.

Der Gesamteindruck: Stimmig
# Der Gesamteindruck: Stimmig - die SRAM GX ist günstiger als X1, X01 oder XX1 und schaltet doch gut und zuverlässig. Einzig beim Gewicht und der Optik müssen Abstriche in Kauf genommen werden.

Ich persönlich freue mich auf weitere Entwicklungen bei den Getrieben direkt im Rahmen. Bis dahin fahre ich weiter 1 x 11, einfach weil es für mich trotz der bekannten Einschränkungen besser ist. Mit der (noch) limitierten Bandbreite und den großen Gangsprüngen muss ich aber leben. Und vielleicht fahren wir ja in fünf Jahren auch 1 x 15 mit überschneidungsfreien und eng gestuften 630% Spreizung… dass Mountainbikes wieder mehr Gänge bekommen werden, scheint so gut wie sicher. Schritt für Schritt, ein Ritzel nach dem anderen…

  1. benutzerbild

    siq

    dabei seit 10/2003

    vorerst 24-36 siehe ein/zwei seiten davor.
    merci
  2. benutzerbild

    tiger6

    dabei seit 12/2006

    Coole Idee, wann kommt denn der Test vorraussichtlich?
    Frage:
    Gibts die Kurbel / Kettenblätter auch für 10fach?
    ^^
    Ja, ist 10-fach und 11-fach kompatibel.
  3. benutzerbild

    ufp

    dabei seit 12/2003

    Sollte es hier nicht um SRAM 11 fach gehen?
    Für Vyro gibts eh auch einen eigenen Threads.

  4. benutzerbild

    P0g0Fr3aK

    dabei seit 03/2005

    Sollte es hier nicht um SRAM 11 fach gehen?
    Für Vyro gibts eh auch einen eigenen Threads.

    Es geht um die Möglichkeit auf Umwerfer zu verzichten. Dass es nur um SRAM geht wäre mir hier absolut neu.

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