Biken im Winter? Das ist bekleidungstechnisch anspruchsvoll – so anspruchsvoll, dass manche es gar ganz sein lassen. Und sich einfach bis nächsten Frühling vertrösten. Das muss nicht sein, denn mit ein paar Tipps lässt sich auch die kalte Jahrezeit gut überstehen. Nach Tipps für Regen und Hitze geht’s jetzt also um Kälte – wir stellen euch den Artikel aus dem letzten Winter 2020/2021 mit allen Tipps an dieser Stelle noch einmal vor.
Dieser Artikel erschien ursprünglich am 06. Dezember 2020.
Das Problem
Das Problem besteht darin, dass Mountainbiken eine phasenweise hochpulsige Aktivität ist – phasenweise aber eben auch nicht. Bei Kälte spazieren gehen stellt ja beispielsweise kein Problem dar: Richtig warm anziehen und zufrieden sein. Beim Biken aber wärmt sich der Körper dann doch auf, und die richtig warme Bekleidung wird plötzlich viel zu warm. Man schwitzt. Und nasse Bekleidung macht alles nur noch schlimmer. Was also tun?
Die Lösung
Ich möchte meine Tipps in zwei Abschnitte aufteilen: Die richtige Bekleidung einerseits und wie man sie richtig trägt andererseits. Nicht falsch verstehen: ich will niemandem vorschreiben, wie er sich anzieht. Doch es gibt ein paar Sachen, die durchaus entscheidend dafür sind, ob Funktionsbekleidung auch wirklich funktioniert. Von selbst macht diese gern auch als technische Bekleidung bezeichnete Klamotte nämlich gar nichts. Was auch immer technisch hier eigentlich heißen soll.
Die richtige Bekleidung
Nachdem es im Winter bei uns kälter ist als im Sommer (das liegt an der Schrägstellung der Erdachse), empfiehlt sich eine zusätzliche Isolation, um eine konstante Körpertemperatur zu ermöglichen. Wichtig ist neben der Temperatur aber die Frage, ob es gerade regnet. Denn wenn es einfach „nur“ Kalt ist, kann man sich den Wasserschutz häufig sparen und damit angenehmere Kleidungsstücke wählen.
Obenrum
In aller Regel trage ich im Winter drei Lagen. Als Base Layer, sprich direkt auf der Haut, braucht es etwas, das angenehm und warm auf der Haut liegt – und jedes bisschen Schweiß schnell wegtransportiert. Deshalb trage ich eigentlich immer das 7Mesh Desperado Merino Henley T-Shirt. Nur wenn ich weniger als – 5° C erwarte, ziehe ich lange Skiunterwäsche von Craft mit hohem Kragen aus dem Schrank. Der Punkt ist jedenfalls: Die Mischung aus Merino und Polyester riecht weniger und wärmt besser als reine Polyester-Shirts – und trocknet gleichzeitig schneller als Merino.
Die zweite Lage ist auch ziemlich eindeutig: Jetzt braucht es etwas Isolation. Isolation erzeugt man in aller Regel durch Luft. Unbewegte Luft. Die mittlere Lage soll einfach nur Abstand zwischen Haut und Umgebung bringen. Gleichzeitig soll etwaiger Schweiß nicht aufgehalten werden. Deshalb hat sich hier Gewirk aus Polyester, beispielsweise von Polartec, sehr bewährt. Naturfasern würden für die benötigte Dicke zu schwer und würden tendenziell Feuchtigkeit aufnehmen, woraufhin die Isolation leidet. Also hier bitte: Polyester, zum Beispiel den fantastisch klein komprimierbaren und dennoch angenehm warmen Gryphon Crew Longsleeve Pullover. Hier könnte grundsätzlich auch ein Fleece zum Einsatz kommen, doch man muss sagen: Die modernen Hardfleece-Textilien sind dem Fleece in mehrerer Hinsicht überlegen. Ihre glatte Außenseite ist weniger winddurchlässig und sammelt Feuchtigkeit, beispielsweise bei Nebel, bei weitem nicht so stark ein.
Die dritte Lage
Als dritte Außenlage wird im Bergsport häufig fast selbstverständlich eine Hardshell, also eine dünne, wasserdichte Lage, verwendet. Das halte ich für häufig verkehrt. Stattdessen nutze ich die Außenlage, um mich dem Wetter anzupassen. Ist es wirklich kalt, ziehe ich hier eine isolierte Jacke an. Die sollte jetzt gerade nicht wasserdicht sein, sondern lieber mehr Luft durchlassen können als es die laminierten Membranen vermögen. Wasserschutz braucht es jetzt eh nicht, denn wenn es wirklich kalt ist, liegt Wasser als Eis vor … Eine winddichte Außenseite vermeidet Auskühlen auch bei höheren Geschwindigkeiten.
Bei weniger kalten, aber trockenen Bedingungen ziehe ich einfach nur eine Windjacke oder eine Softshell als äußerste Lage an. Die ist bei einem Sturz günstiger als eine echte Regenjacke, atmet meist besser und vermeidet Auskühlen durch Fahrtwind exakt genau so effektiv. Nur sofern es zur Kälte auch noch nass ist, ist eine Hardshell die richtige Wahl. Das kann, das soll jetzt einfach die Regenjacke aus dem Sommer sein. Bei Temperaturen unter 0° C ist Nässe quasi kein Problem mehr. Wenn ihr bei Schneeregen Fahrrad fahren wollt, empfiehlt sich eine wasserdichte und eine wärmende Jacke – aber bei solchen Bedingungen bleiben die meisten eh zu Hause …
Mix and Match
Ergebnis: Mit fünf Kleidungsstücken lässt sich quasi jeder Witterung begegnen. Vier der Fünf lassen sich auch in anderen Jahreszeiten sehr nützlich einsetzen – und die Kombinationsmöglichkeiten eignen sich tatsächlich für fast jede Bedingung. Wichtig ist eins: Bitte keine Daune auf dem Mountainbike verheizen. Daunen eignen sich besonders für niedrigpulsige Aktivitäten: Spaziergänge. Camping. Beim Klettern im Stand. Bei der Gipfelpause – egal wie ihr hochgekommen seid. Aber auf dem Mountainbike, also während der Fahrt? Da würde der quasi zwangsläufig auftretende Schweiß von den Daunen aufgenommen, wodurch sie leiden: Sie verlieren an Volumen und liefern irgendwann nicht mehr die nötige Fillpower, um vernünftig zu isolieren. Dafür sind Daunen zu wertvoll – und synthetische Isolierung wie Polartec Primaloft, insbesondere in der neuen Alpha Gold-Ausführung, zu gut.
Hände
Handschuhen kommt im Winter eine wichtigere Rolle zu als im Sommer: Neben Schutz und Halt sollen sie jetzt auch noch Wärme bieten. Für Temperaturen bis knapp über dem Gefrierpunkt ist der 100% Brisker Glove mit seinem isolierenden Neopren-Material eine günstige und gute Lösung. Wenn es unter den Nullpunkt geht, sind Handschuhe mit mehrlagigem Aufbau Pflicht. Hier kann wieder eine winddichte Außenschicht (meist Gore Windstopper) mit einem wärmenden Futter kombiniert werden – worunter aber zweifelsohne die Feinfühligkeit leidet.
Gut fahren lässt sich mit einer Kombination aus dünnem Innenhandschuh, der bspw. in der Abfahrt viel Feinfühligkeit bietet, und einem dickeren Überhandschuh, mit dem man sich in entspannten Passagen vor kalten Fingern bewahrt. Der Handschuh-Bund sollte zum Ärmelbündchen passen; wer außen liegt, ist eigentlich irrelevant. Wasserdichte Handschuhe sind meiner Erfahrung nach nur selten notwendig. Für die paar Tage tut es dann auch ein Eiskletter- oder Ski-Handschuh mit den offensichtlichen Einschränkungen hinsichtlich der Feinfühligkeit.
Dem Kopf lässt sich mit einem Buff oder einer Unterhelmmütze unterm Helm zu mehr Wärme verhelfen. Mir persönlich gefällt das Frilufts Blöndulon Beanie. Merinowolle wärmt auch angeschwitzt noch gut und überzeugt mit seinen geruchshemmenden Eigenschaften.
Untenrum
Auch hier kann man die Sommerklamotte gut nutzen – beispielsweise indem man sie durch Tights wärmer gestaltet. Wer nur in Lycra unterwegs ist, kann die wind- und wasserabweisenden Tights einfach über die Short ziehen. Grundsätzlich ist eine Baggy-Short aber auch im Winter von Vorteil, denn Matschbeschuss gehört ja zum Standard-Programm einer Biketour in der dunklen Jahreszeit.
Treffen wir auf die unangenehme Kombination aus Kälte und Nässe, so ist eine wasserdichte Hose unerlässlich. Hier kann man die wasserdichte Regenhose aus dem Sommer auch einfach mit einer Tight ergänzen. Meist genügt eine 3/4 lange wasserdichte Hose. Nachdem die Beine in aller Regel weniger Schwitzen – einfach weil sie weiter vom Rumpf entfernt sind – und warme Waden auch warme Füße unterstützen, ist aber eine lange Hose absolut angebracht. Bei Nässe sollte sie natürlich wasserdicht und mit Lüftungsreißverschlüssen versehen sein. Die 7Mesh Thunder Pant zeigt beispielhaft an dieser Stelle, wie die Hose selbst am Schuh exzellent abdichten kann und genügend Bewegungsfreiheit auch ohne Stretch-Material bietet. Wenn es wenig bis gar nicht regnet, kann die gute alte MX- oder Enduro-Pant diese Aufgabe hervorragend übernehmen.
Schuhe
Füße haben es im Winter beim Biken auch nicht einfach: übers Pedal wird ihnen Wärme entzogen, vom Herz kommt warmes Blut nur verzögert und abgekühlt an. Gegen Nässe kann man mit wasserdichten Socken etwas machen, aber isolieren können die auch nicht so richtig. Abhilfe schaffen Winterschuhe, die leider ziemlich teuer gehandelt werden, oder Überschuhe, die über die MTB-Schuhe gezogen werden. Die sind zwar optisch nicht der Hit, aber in Sachen Preis-Leistung und Schutz vor Matsch und Nässe eigentlich nicht zu schlagen. Wer sich auch Optik-Gründen nicht dazu hinreißen lassen kann, muss frieren oder eben tiefer in die Tasche greifen. Bei langen, kalten Ausfahrten bleibt aber auch mit Überschuhen das Problem des Cleats, weshalb einige Biker*innen im Winter auf Flat-Pedals umsteigen. Eine ebenso einfache wie effektive Lösung.
Fazit: Die passenden Klamotten für den Winter
Im Winter Sport mit unterschiedlicher Intensität zu treiben, stellt hohe Anforderungen an die Bekleidung. Doch mit cleverer Kombination lässt sich auch für widrige Bedingungen ein passendes Outfit zusammen stellen. Weil es aber auch stark auf die Nutzung der Bekleidung ankommt, haben wir noch einen weiteren Artikel in petto – der erklärt dann, wie ihr das Maximum aus eurer Garderobe rausholt!
Was sind eure Lifehacks für den Winter? Wärmende Einlegesohlen, Lenkerhandschuhe, Griffheizung – oder einfach ein hoher Puls?
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