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000 Schabernack im Graben
000 Schabernack im Graben
Die Karte leistete schon vor und während der Tour 2013 gute Dienste - damals noch ganz ohne GPS.
Die Karte leistete schon vor und während der Tour 2013 gute Dienste - damals noch ganz ohne GPS.
Perfektes Wetter für eine laaange Busfahrt
Perfektes Wetter für eine laaange Busfahrt
Sitzt, passt, wackelt - wird schon schiefgehen!
Sitzt, passt, wackelt - wird schon schiefgehen!
Ein Buckelwal im Fjord von Akureyri
Ein Buckelwal im Fjord von Akureyri
Nach Regen und Wind auf hoher See muss die Wäsche an die Leine.
Nach Regen und Wind auf hoher See muss die Wäsche an die Leine.
Wikingerboot am Fjord von Akureyri – Eine ähnliche Skulptur befindet sich auch in Reykjavik.
Wikingerboot am Fjord von Akureyri – Eine ähnliche Skulptur befindet sich auch in Reykjavik.
Zum Auftakt zeigt sich das isländische Wetter freundlich.
Zum Auftakt zeigt sich das isländische Wetter freundlich.
Zwischenstopp am Goðafoss
Zwischenstopp am Goðafoss
Euphorie dank einer Portion Kitsch mit viel Vitamin D
Euphorie dank einer Portion Kitsch mit viel Vitamin D
Hier fällt uns erstmals auf: Schafe sind auf Island immer zu dritt unterwegs.
Hier fällt uns erstmals auf: Schafe sind auf Island immer zu dritt unterwegs.
Farbenspiel im Geothermiepark am Myvatn: An der Farbe der Steine lässt sich die Zusammensetzung …
Farbenspiel im Geothermiepark am Myvatn: An der Farbe der Steine lässt sich die Zusammensetzung …
… erkennen. Rötliche Steine beispielsweise enthalten Eisen, gelbe Steine Schwefel.
… erkennen. Rötliche Steine beispielsweise enthalten Eisen, gelbe Steine Schwefel.
Quatsch mit Schwefel – Fabian versucht sich als Postkartenmotiv.
Quatsch mit Schwefel – Fabian versucht sich als Postkartenmotiv.
Unterwegs in Richtung Vulkan
Unterwegs in Richtung Vulkan
Blick in die Caldera des Vulkans Hverfjall.
Blick in die Caldera des Vulkans Hverfjall.
Ananas auf der Pizza: Für manche endet die Zivilisation schon an diesem Punkt.
Ananas auf der Pizza: Für manche endet die Zivilisation schon an diesem Punkt.
Fragile Lavasteinformationen in Dimmuborgier (dt. dunkle Burgen)
Fragile Lavasteinformationen in Dimmuborgier (dt. dunkle Burgen)
Ein Vorgeschmack auf die Hochlandpisten
Ein Vorgeschmack auf die Hochlandpisten
Warnschild: Das schlechte Wetter versetzt auch die Ranger des Vatnajökull Nationalparks in erhöhte Alarmbereitschaft.
Warnschild: Das schlechte Wetter versetzt auch die Ranger des Vatnajökull Nationalparks in erhöhte Alarmbereitschaft.
Pause im Auenland
Pause im Auenland
Im Lavafeld in Richtung Botni Hütte
Im Lavafeld in Richtung Botni Hütte
Die Botni Hütte
Die Botni Hütte
Eine Kerze sorgt für Heimeligkeit im Hauptraum der Hütte.
Eine Kerze sorgt für Heimeligkeit im Hauptraum der Hütte.
Landschaft kurz nach der Botni Hütte
Landschaft kurz nach der Botni Hütte
Mittagspause an der Dyngjufell Hütte
Mittagspause an der Dyngjufell Hütte
Frische Spuren im Sand
Frische Spuren im Sand
Findlinge entlang der Strecke
Findlinge entlang der Strecke
Karge Weite auf der Hochebene
Karge Weite auf der Hochebene
Wer hier von einem Wettersturz überrascht wird, hat schlechte Chancen.
Wer hier von einem Wettersturz überrascht wird, hat schlechte Chancen.
Gelbe Pfosten bieten neben den Spuren meist die einzige Orientierung im Hochland.
Gelbe Pfosten bieten neben den Spuren meist die einzige Orientierung im Hochland.
Sebastian am Herd in seiner „Römersiedlung“
Sebastian am Herd in seiner „Römersiedlung“
Abend auf dem Mond
Abend auf dem Mond
Morgendlicher Ausblick in die Lavasandwüste
Morgendlicher Ausblick in die Lavasandwüste
Straßenschild im Hochland
Straßenschild im Hochland
Beinahe unberührte Wege
Beinahe unberührte Wege
Es ist faszinierend, wie sich das Leben doch immer wieder durchsetzen kann - hier als ein Farbtupfer in grau-brauner Einöde.
Es ist faszinierend, wie sich das Leben doch immer wieder durchsetzen kann - hier als ein Farbtupfer in grau-brauner Einöde.
Da, wo der Ranger runter kommt, müssen wir rauf!
Da, wo der Ranger runter kommt, müssen wir rauf!
Endlich - das erlösende Hinweisschild!
Endlich - das erlösende Hinweisschild!
Von der Kistufell Hütte blicken wir zurück auf die große Senke mit dem Vatnajökull im Hintergrund.
Von der Kistufell Hütte blicken wir zurück auf die große Senke mit dem Vatnajökull im Hintergrund.
Eine Aufgabe der Nationalpark-Ranger ist es, die Notvorräte in den Hütten zu pflegen.
Eine Aufgabe der Nationalpark-Ranger ist es, die Notvorräte in den Hütten zu pflegen.
Auch, wenn das Schmelzwasser höchstens knöcheltief ist - kleinere Steine reißt die Strömung hier schon problemlos mit sich.
Auch, wenn das Schmelzwasser höchstens knöcheltief ist - kleinere Steine reißt die Strömung hier schon problemlos mit sich.
Nach dem Erreichen des höchsten Punktes der Tour dürfen sich die Räder auch mal für einen Moment hinlegen.
Nach dem Erreichen des höchsten Punktes der Tour dürfen sich die Räder auch mal für einen Moment hinlegen.
Steinskulpturen am Wegesrand
Steinskulpturen am Wegesrand
Private Hütte am Gæsavötn
Private Hütte am Gæsavötn
Zeltplatz hinter der Gæsavötn Hütte
Zeltplatz hinter der Gæsavötn Hütte
Essen auf Rädern - Island Edition!
Essen auf Rädern - Island Edition!
Abendessen im ehemaligen Feuerwehrfahrzeug
Abendessen im ehemaligen Feuerwehrfahrzeug
Das Rezept für ewiges Eheglück? Viele Kalorien!
Das Rezept für ewiges Eheglück? Viele Kalorien!
Ordnung ist das halbe Leben.
Ordnung ist das halbe Leben.
Reifenreparatur - leider nicht von Erfolg gekrönt
Reifenreparatur - leider nicht von Erfolg gekrönt
Da gehts lang! Wegweiser in Richtung Nyidalur
Da gehts lang! Wegweiser in Richtung Nyidalur
Eine der größten Furten auf dem Weg zur F26, der Sprengisandur - spätestens jetzt sind wir sehr froh darüber, dass die wichtigsten Gepäckstücke wasserdicht verstaut sind.
Eine der größten Furten auf dem Weg zur F26, der Sprengisandur - spätestens jetzt sind wir sehr froh darüber, dass die wichtigsten Gepäckstücke wasserdicht verstaut sind.
Nyidalur Hütte an der Sprengisandur
Nyidalur Hütte an der Sprengisandur
Extrem-Uno: Besondere Bedingungen erfordern besondere Kartenspiele.
Extrem-Uno: Besondere Bedingungen erfordern besondere Kartenspiele.
Menü in der Nyidalur Hütte
Menü in der Nyidalur Hütte

Was tun, wenn das Reisen wieder einigermaßen unkompliziert möglich ist und man nach zwei Jahren Pandemie den Kopf mal wieder so richtig freibekommen möchte? Für unseren Autor Fabian und seinen Kindheitskumpel Sebastian lautete die Antwort: „Einmal Island mit allem, bitte!“ Auf den Spuren der Iceland Divide Route durchquerten sie im August 2022 die Insel im Nordatlantik von Nord nach Süd. Wie es den beiden dabei ergangen ist, erfahrt ihr in ihrem ausführlichen Reisebericht. 

Prolog

000 Schabernack im Graben
# 000 Schabernack im Graben
Diashow: Über den Mond vom Polarkreis ans Meer:  MTB-Bikepacking durch Island – Teil 1
Frische Spuren im Sand
Perfektes Wetter für eine laaange Busfahrt
Zeltplatz hinter der Gæsavötn Hütte
Ein Vorgeschmack auf die Hochlandpisten
Essen auf Rädern - Island Edition!
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Als Sebastian, seit Grundschultagen einer meiner besten Freunde, mir von einem Buch über Bikepacking-Routen berichtete, das er von seiner Schwester zum Geburtstag geschenkt bekommen hatte, wurde ich neugierig. Aus dieser Neugierde wurde Hellhörigkeit, als er mir erzählte, dass ihn die Tour auf Island – eine Längsquerung des Hochlands – reizen würde. Ohne großartig darüber nachzudenken, entgegnete ich ihm: „Wenn du das zeitlich so machst, dass das zu meiner Urlaubsplanung passt, dann bin ich mit dabei.“ So begannen wir damit, uns näher mit dieser Route auseinanderzusetzen. 2013 war ich nach dem Abschluss meines Studiums für vier Wochen mit dem Rad auf Island unterwegs und wusste daher um die positiven Effekte einer solchen Reise nach einer anstrengenden Zeit. Genau so etwas konnte ich jetzt auch wieder gut gebrauchen – die Corona-Pandemie hatte im Job für eine hohe Belastung gesorgt und auch im privaten Bereich ihre Spuren hinterlassen. Die Island-Idee blieb präsent, aber je mehr wir uns mit der Tour aus dem Buch beschäftigten, desto deutlicher wurde, dass diese nicht ohne Unterstützung von außen machbar sein würde. Als Alternative schlug ich vor, die Route der Iceland Divide als Grundlage zu nehmen, diese im südlichen Teil etwas umzugestalten und im Norden einen Abstecher zum See Myvatn einzuplanen. Sebastian stimmte zu. Damit hatten wir einen Plan, an dessen Ausarbeitung wir uns alsbald machten. Wir studierten Karten, diskutieren mögliche Wegführungen, erstellten Packlisten, die wir miteinander verglichen, recherchierten zu den Themen Wassertransport sowie Verpflegung und setzten uns nicht zuletzt intensiv damit auseinander, wie wir das denn alles überhaupt unterbringen wollten. Schließlich galt es, neben Kleidung, Schlafsack und Zelt jeweils auch Proviant für zehn Tage zu transportieren.
Der Flug wurde gebucht und ein gemeinsamer Freund stellte den Kontakt zu einer Bekannten in Reykjavik her, bei der wir unsere Radkoffer lassen konnten und die uns zu Beginn und am Ende unseres Trips beherbergte.

Die Karte leistete schon vor und während der Tour 2013 gute Dienste - damals noch ganz ohne GPS.
# Die Karte leistete schon vor und während der Tour 2013 gute Dienste - damals noch ganz ohne GPS.

Das Abenteuer beginnt – mit einem Vulkanausbruch, schlechten Nachrichten und gutem Timing

Es war also alles angerichtet für einen Sommerurlaub, an den wir uns noch lange erinnern werden und schon im Landeanflug auf Keflavik präsentiert uns Island seine Naturgewalt: Der Vulkan Fagradalsfjall schleudert sein Magma in den Nachthimmel – was für ein spektakulärer Auftakt, bei dem wir für Fotos aber leider auf der falschen Seite des Fliegers sitzen. Mit dem FlyBus fahren wir in den frühen Morgenstunden zu einem Campingplatz am Stadtrand von Reykjavik. Dort verbringen wir die erste kurze Nacht und machen uns anschließend mit dem Bus auf den Weg zu Katas Wohnung, wo wir im Garten unsere Bikes zusammenbauen. Den Rest des Tages nutzen wir, um uns in der Stadt ein wenig umzuschauen. Abends kommt Katas Nachbarin Mariella zu Besuch und beim gemeinsamen Essen erfahren wir, dass wir uns einen selbst für isländische Verhältnisse richtig bescheidenen Sommer für unsere Tour ausgesucht haben. Es ist viel kälter als gewöhnlich im August, die Hochlandpisten sind noch nicht allzu lange offen und kürzlich hat es sogar einen Wintereinbruch nahe der Askja gegeben, einem bekannten Vulkan mit türkisfarbenem Kratersee, an dem auch unsere Route entlangführt – na dann, Prost! Wir entschließen uns auf Anraten der beiden Locals, die Busfahrt an den Startpunkt in Akureyri auf den übernächsten Tag zu verschieben. Hierfür kündigt die isländische Wetter-App Vedur ganztägig Regen an. Ideale Voraussetzungen also für eine knapp achtstündige Busfahrt.

Den folgenden, noch sonnigen Tag verbringen wir in Downtown Reykjavik und an Katas Wohnzimmertisch, wo wir mithilfe der detaillierten Karten in ihrem Island-Atlanten eine Backup-Route planen und noch einmal die Ziele unserer Tagesetappen anpassen.

Am nächsten Morgen machen wir uns früh auf den Weg und radeln die etwa 8,5 km zum Bus-Terminal durch das exakt so vorhergesagte nasskalte Wetter. Am Bus angekommen, sichern wir uns zwei der drei verfügbaren Fahrradplätze. Der Heckträger ist ausgesprochen minimalistisch gestaltet, aber wir vertrauen der Konstruktion insofern, als wir unsere Bikes zusätzlich je mit nur einem Voile-Strap sichern. Pünktlich macht sich der Bus auf den Weg nach Akureyri. Pünktlich ist auch der einsetzende Regen, der stündlich stärker wird.

Perfektes Wetter für eine laaange Busfahrt
# Perfektes Wetter für eine laaange Busfahrt
Sitzt, passt, wackelt - wird schon schiefgehen!
# Sitzt, passt, wackelt - wird schon schiefgehen!

Gegen 15:30 Uhr erreichen wir Akureyri und befinden uns damit am 66. Breitengrad, dem Polarkreis. Ebenfalls anwesend: der Regen. An der Bushaltestelle, die sich direkt am Hafen befindet, treffen wir auf einen Schotten, der mit seinem Bike im Hochland unterwegs war und nun mit dem Bus in Richtung der Westfjorde fahren möchte. Er berichtet uns von Flüssen, die ihm beim Furten bis zur Hüfte reichten, eingeschneiten australischen Bikern an der Askja, stürmischem Wind und peitschendem Regen bei Temperaturen um den Gefrierpunkt. Mit einem „It’s rough out there in the highlands, but you seem to have proper gear with you. Good luck, guys!“ verabschiedet er sich in den Bus und lässt uns mit gemischten Gefühlen zurück. Einerseits beruhigt uns die Tatsache, dass er deutlich kleiner ist als wir und uns damit das Wasser beim Furten wohl höchstens bis an die Oberschenkel reichen würde, andererseits fragen wir uns aber, wie übel das Wetter eigentlich sein muss, wenn sich selbst ein Schotte darüber beschwert. Nach ein wenig Beratschlagen entschließen wir uns, die räumliche Nähe zum Hafen zu nutzen und auf Whale-Watching-Tour zu gehen. Unser Ausharren an Deck des Schiffes bei Wind und Regen wird belohnt und nach gut einer Stunde taucht tatsächlich ein Buckelwal auf!

Ein Buckelwal im Fjord von Akureyri
# Ein Buckelwal im Fjord von Akureyri
Nach Regen und Wind auf hoher See muss die Wäsche an die Leine.
# Nach Regen und Wind auf hoher See muss die Wäsche an die Leine.

Während der Rückfahrt flaut der Regen ab und hört schließlich ganz auf. Gegen Abend öffnet sich sogar die dichte Wolkendecke, als wir uns auf den Weg zum Campingplatz machen. Der kurze Schauer vor dem Schlafengehen ist nicht der Rede wert und Vedur sagt für morgen einige Sonnenstunden voraus – scheint, als hätten wir mit dem Regentag im Bus alles richtig gemacht!

Etappe 1 (Akureyri – Myvatn): Euphorie in der Abendsonne

Zum Auftakt unserer Tour bestätigt sich das, was sich bereits am Vorabend angedeutet hatte: Die isländische Sonne lacht uns vom blauen Himmel aus zu – kein Vergleich mit der nassen Tristesse, in die wir gestern stundenlang aus dem Busfenster geblickt haben. Den Start um 24 Stunden zu verschieben und noch eine Nacht bei Kata zu bleiben, hatte sich also mehr als gelohnt. Damit wir uns aber auch ja nicht zu sehr über das gute Wetter freuen, spricht uns ein deutsch-französisches Pärchen an, das ebenfalls mit dem Fahrrad unterwegs ist und das Hochland über die Sprengisandur in Süd-Nord-Richtung überquert hat. Die beiden berichten von Gegenwind, bei dem man selbst bergab mittreten muss, um einigermaßen voranzukommen. Auch sie wünschen uns viel Glück – was soll da also noch schiefgehen? Das Wetter ist jedenfalls traumhaft und schon kurz nachdem wir Akureyri hinter uns gelassen haben, genießen wir die ersten schönen Ausblicke.

Wikingerboot am Fjord von Akureyri – Eine ähnliche Skulptur befindet sich auch in Reykjavik.
# Wikingerboot am Fjord von Akureyri – Eine ähnliche Skulptur befindet sich auch in Reykjavik.
Zum Auftakt zeigt sich das isländische Wetter freundlich.
# Zum Auftakt zeigt sich das isländische Wetter freundlich.

Dennoch ist das Vorankommen – trotz Teerstraße – kein Zuckerschlecken: Weil der Tunnel durch den Berg für Fahrräder gesperrt ist, müssen wir einige Höhenmeter machen. Bei der folgenden Abfahrt merken wir dann erstmals, was der Wind hier so bewirken kann. Gemütlich rollen lassen ist nicht und unsere Framebags freuen sich bei seitlichen Böen über ihren Nebenjob als Segel. Geradeaus fahren war auch schon mal einfacher. Wir nehmen uns vor, am Goðafoss und damit nach etwa der Hälfte der heutigen Strecke eine Mittagspause einzulegen.

Zwischenstopp am Goðafoss
# Zwischenstopp am Goðafoss

Inzwischen hat sich der Himmel etwas zugezogen und die Temperaturen sind merklich gesunken. Da kommt der Anstieg nach dem Touristencafé zum Aufwärmen gerade recht, kostet aber auch einige Körner. Die Abfahrt können wir diesmal ohne Krafteinsatz bewältigen, der nachfolgende Abschnitt nagt jedoch ordentlich an der Moral. Immer wieder setzen kurze Schauer ein, wir haben Gegenwind und zu allem Überfluss geht die Straße permanent kaum sichtbar, aber deutlich spürbar bergauf. Unsere Reisegeschwindigkeit leidet sichtlich unter diesen Umständen und trotz der langen Tage kommen leise Zweifel auf, ob wir es noch vor Einbruch der Dunkelheit zum Myvatn schaffen. Zäh und mühselig geht es voran und schließlich windet sich die Straße auch noch einen ganz und gar nicht subtilen Anstieg hoch. In der Einfahrt zu einem Bauernhof machen wir Pause, bevor es nach unten geht. Von dort aus sehen wir, dass sich die Landschaft in etwas Entfernung verändert. Wir erkennen kleine Wasserläufe in den Wiesen mit ihren sanft geschwungenen Erhebungen. Dieser Anblick hat etwas Magisches und als wir uns nähern, blitzt plötzlich auch wieder die Sonne zwischen den Wolken hervor. Die Strahlen wärmen und verleihen uns neue Energie. Als wir das Ufer des Myvatn erreichen, ist die gesunkene Moral großer Euphorie gewichen und die mittlerweile tief stehende Sonne verwöhnt uns mit einer fast schon kitschigen Szenerie.

Euphorie dank einer Portion Kitsch mit viel Vitamin D
# Euphorie dank einer Portion Kitsch mit viel Vitamin D
Hier fällt uns erstmals auf: Schafe sind auf Island immer zu dritt unterwegs.
# Hier fällt uns erstmals auf: Schafe sind auf Island immer zu dritt unterwegs.

Am Campingplatz angekommen, bauen wir rasch das Zelt auf und essen im Aufenthaltsraum zu Abend. Morgen werden wir ausschlafen – zum einen, weil wir uns das nach dem heutigen Tag mehr als verdient haben und zum anderen, weil Vedur den Vormittag über Regen ansagt.

Farbenspiel im Geothermiepark am Myvatn: An der Farbe der Steine lässt sich die Zusammensetzung …
# Farbenspiel im Geothermiepark am Myvatn: An der Farbe der Steine lässt sich die Zusammensetzung …
… erkennen. Rötliche Steine beispielsweise enthalten Eisen, gelbe Steine Schwefel.
# … erkennen. Rötliche Steine beispielsweise enthalten Eisen, gelbe Steine Schwefel.
Quatsch mit Schwefel – Fabian versucht sich als Postkartenmotiv.
# Quatsch mit Schwefel – Fabian versucht sich als Postkartenmotiv.

Und Vedur liegt richtig: Den verregneten Vormittag verbringen wir im Aufenthaltsraum und laden noch einmal unsere Elektronik auf. Mittags verlassen wir den Campingplatz und erkunden die Gegend rund um den Myvatn. Wir stoßen nach dem Einkauf im Supermarkt auf Charlie, einen Engländer aus Brighton. Er ist mit dem Rad auf der Ringstraße unterwegs, wegen Schmerzen im Knie ist er das Stück von Akureyri bis zum Myvatn allerdings getrampt. Anschließend machen wir uns auf den Weg zum nahe gelegenen Geothermiepark und fahren danach zum Vulkan Hverfjall, den wir nach oben wandern.

Unterwegs in Richtung Vulkan
# Unterwegs in Richtung Vulkan
Blick in die Caldera des Vulkans Hverfjall.
# Blick in die Caldera des Vulkans Hverfjall.

Abends treffen wir Charlie wieder und verbringen den Abend gemeinsam am Campingplatz. Sebastian und ich genießen in der Pizzeria noch einmal die Annehmlichkeiten der Zivilisation, bevor es am nächsten Tag in Richtung Hochland geht.

Ananas auf der Pizza: Für manche endet die Zivilisation schon an diesem Punkt.
# Ananas auf der Pizza: Für manche endet die Zivilisation schon an diesem Punkt.

Etappe 2 (Myvatn – Botni Hütte): Geisterstunde all’ italiana

Nachts wecken uns dicke Regentropfen und das Flattern des Zeltes im starken Wind. Ich stehe auf, ziehe noch einmal die Abspannpunkte fest und schlafe kurz danach wieder ein. Morgens bleiben wir etwas länger liegen als ursprünglich geplant, in der Hoffnung, dass der Regen sich verziehen würde. Leider wird uns dieser Wunsch nicht erfüllt und so machen wir uns wohl oder übel gegen 11 Uhr bei Wind schräg von vorne und Nieselregen auf den Weg. Trotz des Wetters lassen wir uns einen kleinen Abstecher nach Dimmuborgir nicht nehmen und fahren anschließend einen Teil der Strecke von vorgestern wieder zurück.

Fragile Lavasteinformationen in Dimmuborgier (dt. dunkle Burgen)
# Fragile Lavasteinformationen in Dimmuborgier (dt. dunkle Burgen)

Wir folgen der Hauptstraße bis kurz hinter die Ortschaft Laxá, die eigentlich nur aus einem Hotel besteht und von wo aus eine Piste in Richtung Süden abzweigt. Inzwischen hat sich der Regen verzogen, der Himmel ist etwas aufgeklart und der seitliche Gegenwind hat sich in Rückenwind verwandelt. Wir kommen gut voran und treffen auf den Abzweig zur F26, der Spengisandur. Diese Strecke hatten wir als Backup eingeplant, falls das Wetter zu schlecht werden würde. Auf der wichtigsten Verbindung durch das Hochland, so unser Hintergedanke, würden wir hier im Ernstfall eher Hilfe von vorbeikommenden Fahrzeugen erhalten. Nach kurzer Abwägung entscheiden wir uns für den Rückenwind und nehmen auf der ursprünglich geplanten Route Kurs auf die Botni Hütte, dem Ziel unserer heutigen Etappe.

Nach einiger Zeit passieren wir einen Pferdehof am Sandvatn. Kurz nach der Ausfahrt aus dem Hof teilt sich die Wegführung. Hier zieht ein Schild unsere Aufmerksamkeit auf sich. Die Ranger des Vatnajökull Nationalparks weisen darauf noch einmal eindringlich darauf hin, wie ungewöhnlich harsch die Bedingungen in diesem Sommer sind und bestätigen damit das, was wir schon von Kata, Mariella und dem schottischen Biker gehört haben. Wir fragen uns erstmals, ob es angesichts dieser Umstände nicht vernünftiger wäre, den Umweg zur Askja auszulassen.

Ein Vorgeschmack auf die Hochlandpisten
# Ein Vorgeschmack auf die Hochlandpisten
Warnschild: Das schlechte Wetter versetzt auch die Ranger des Vatnajökull Nationalparks in erhöhte Alarmbereitschaft.
# Warnschild: Das schlechte Wetter versetzt auch die Ranger des Vatnajökull Nationalparks in erhöhte Alarmbereitschaft.

Wir setzen unsere Fahrt fort und finden uns urplötzlich in einer Umgebung wieder, die rein gar nichts mit einer kargen Schotterlandschaft gemein hat. Neben uns plätschert ein Flusslauf und das kräftige Grün der Vegetation erinnert eher an das Auen- denn das Hochland.

Pause im Auenland
# Pause im Auenland
Im Lavafeld in Richtung Botni Hütte
# Im Lavafeld in Richtung Botni Hütte

Doch ebenso rasch, wie das Grün gekommen ist, verschwindet es auch wieder und der weitere Weg zur Botni Hütte führt uns nun durch ein Lavafeld. Das Gestein ist brüchig und schroff, das Fahren dementsprechend anspruchsvoll. Es gilt, scharfe Kanten zu vermeiden und das Gewicht gut zu verlagern, um die Last auf den Reifen möglichst gering zu halten. Gar nicht so einfach mit voll beladenen Bikes! Immerhin ist der Untergrund ausgesprochen griffig und erlaubt so immerhin ein präzises Manövrieren. Als wir die Botni Hütte erreichen, treffen wir auf zwei deutsche Wanderer, die allerdings noch ein Stück weitergehen und nicht in der Hütte übernachten möchten. Wir beziehen die Hütte, machen uns einen Tee, löffeln noch eine gefriergetrocknete Mahlzeit zum Abendessen und legen uns früh schlafen.

Die Botni Hütte
# Die Botni Hütte
Eine Kerze sorgt für Heimeligkeit im Hauptraum der Hütte.
# Eine Kerze sorgt für Heimeligkeit im Hauptraum der Hütte.

Um Punkt Mitternacht werden Sebastian und ich zeitgleich wach. Wir hören Stimmen vor der Hütte und sehen durch das Fenster den hellen Schein von Lampen, die sich hektisch bewegen. Unser erster Gedanke gilt dem Warnschild der Ranger und einer nächtlichen Evakuierungsaktion. Die Stimmen kommen näher und wir erkennen, dass sich mehrere Personen auf Italienisch unterhalten. Und tatsächlich: Vier Italiener haben sich mit ihren Gravelbikes in der Dunkelheit durch das Lavafeld geschlagen. Sie packen aus und beginnen im Vorraum zu kochen. An ein Weiterschlafen ist jetzt ohnehin nicht mehr zu denken und so beschließen wir, aufzustehen und uns kurz mit ihnen zu unterhalten. Nach etwa eineinhalb Stunden legen sich die vier schlafen – einer von ihnen schnarcht dabei so fürchterlich, dass wir uns trotzdem beinahe über jeden weiteren Schnarcher freuen. Er röchelt, als würde er jeden Moment ersticken. Ist diese schlaflose Nacht samt Geräuschkulisse wie aus einem Horrorfilm etwa die Rache Italiens für die Pizza Hawaii am Vortag?

Etappe 3 (Botni Hütte – Abzweig Piste F910): Ausflug zum Mond

Morgens gibt es uns noch ein wenig Smalltalk mit den vier Italienern und machen uns unmittelbar nach dem Frühstück auf den Weg. Dabei entscheiden wir uns dafür, noch einmal etwa drei Kilometer zurückzufahren. Dort befindet sich der nächste Abzweig vom Wanderpfad auf die Jeepstrecke und nachdem wir uns noch mitten im Lavafeld befinden, erhoffen wir uns auf dieser ein leichteres Vorankommen. Der Umweg lohnt sich. Bald lassen wir das Lavafeld hinter uns und fahren eine einigermaßen glatte Piste entlang.

Landschaft kurz nach der Botni Hütte
# Landschaft kurz nach der Botni Hütte

Für die Mittagspause haben wir einen Stopp an der Dyngjufell Hütte eingeplant.
Aufgrund der starken Regenfälle in diesem Sommer und der vorherigen Tage führt das für gewöhnlich ausgetrocknete Bachbett nahe der Hütte Wasser und zwischen uns und der Hütte liegt somit die erste, jedoch sehr überschaubare Furt der Tour. In trockenen Sommern gibt es ab hier auf den nächsten etwa 50 Kilometern kein Wasser mehr. Auch wegen dieses Teilstücks haben wir beide Kapazität, um insgesamt gut zehn Liter Trinkwasser mit uns führen zu können.

Kurz, nachdem wir unseren Mittagssnack verspeist haben, betritt eine dreiköpfige Wandergruppe aus Frankreich die Hütte. Sie kommen aus Richtung der Askja und erzählen von tiefen Schneefeldern. Wir beschließen, am heutigen Abend zu besprechen, ob wir uns zur Askja aufmachen werden oder nicht.

Mittagspause an der Dyngjufell Hütte
# Mittagspause an der Dyngjufell Hütte

Gestärkt setzen wir unsere Fahrt fort und tauchen dabei immer tiefer ein in eine surreal anmutende Landschaft. Die harte, eher steinige Piste weicht zunehmend einem sandigen Untergrund, auf dem der Wind die wenigen Reifenspuren der Jeeps teils völlig verweht hat und wir über eine frische Oberfläche fahren.

Frische Spuren im Sand
# Frische Spuren im Sand
Findlinge entlang der Strecke
# Findlinge entlang der Strecke

Dabei bewegen wir uns stetig nach oben und die Farben des Untergrunds sowie der Umgebung verändern sich fast unentwegt. Auch, wenn uns hier nur Sand, Kies und Steine umgeben: Diese Landschaft ist so anders als all das, was wir kennen und was uns vertraut ist, dass wir uns an der Ödnis schier nicht satt sehen können. Nicht ohne Grund schickte die NASA in den 1960er-Jahren Astronauten in diese Gegend, damit sie sich bestmöglich auf die Gegebenheiten auf dem Mond vorbereiten können. Wir genießen das langsame Tempo, das der Sand vorgibt und rufen uns permanent zu, wie unfassbar krass es ist, hier mit dem Rad unterwegs zu sein. Hier gibt es nichts mehr – keine Insekten, keine Vögel und erst recht keine Schafe. Wenn wir anhalten, trennen uns lediglich der Wind und das leise Flattern unserer Jacken von absoluter Stille. Das Gefühl, es mit Muskelkraft an einen Ort, der gefühlt unendlich weit weg ist von allem, geschafft zu haben, ist überwältigend. Irgendwann verschwinden die Hügel, die uns links und rechts umgeben und geben – fast wie ein Theatervorhang die Bühne – eine Hochebene frei. Die Weite, die sich vor uns geöffnet hat, beeindruckt uns unheimlich und vermittelt zudem ein Gefühl tiefer Demut, denn im Fall der Fälle wäre man der Natur und ihren Elementen hier schutzlos ausgeliefert. Doch die Natur meint es heute glücklicherweise gut mit uns und lässt sogar die Sonne zwischen den Wolken hervorblinzeln.

Karge Weite auf der Hochebene
# Karge Weite auf der Hochebene
Wer hier von einem Wettersturz überrascht wird, hat schlechte Chancen.
# Wer hier von einem Wettersturz überrascht wird, hat schlechte Chancen.

Als wir die Hochebene durchquert haben, verwandelt sich der Sand zunehmend wieder in eine gut erkennbare und feste Piste. Es wird langsam kühler und wir entscheiden uns dafür, langsam einen geeigneten Ort für unser Zelt zu suchen. Zwischen Hügeln aus Lavasand werden wir fündig. Es weht nur eine leichte Brise, als wir das Zelt aufbauen. Dennoch sichern wir die Heringe, Abspannleinen und den Abstand zwischen Boden und Außenzelt mit zahlreichen Lavasteinen.

Gelbe Pfosten bieten neben den Spuren meist die einzige Orientierung im Hochland.
# Gelbe Pfosten bieten neben den Spuren meist die einzige Orientierung im Hochland.
Sebastian am Herd in seiner „Römersiedlung“
# Sebastian am Herd in seiner „Römersiedlung“

Sebastian übernimmt einen großen Teil dieser Arbeit, um sich mit dem Suchen und Tragen von Steinen aufzuwärmen, während ich ein paar Fotos schieße. Abschließend errichtet er noch eine Kochstelle und freut sich über seine „Römersiedlung“. An diesem Abend treffen wir die Entscheidung gegen einen Abstecher zur Askja. So gern wir den Kratersee gesehen hätten: Aufgrund der Bedingungen, die uns auf dem Weg dorthin erwarten würden, ist es eine Entscheidung im Sinne der Vernunft.  Die Nacht über ist es komplett windstill und am nächsten Morgen wachen wir auf, weil die Sonne das Zelt so sehr aufgewärmt hat, dass wir in unseren dicken Schlafsäcken beinahe anfangen zu schwitzen.

Abend auf dem Mond
# Abend auf dem Mond
Morgendlicher Ausblick in die Lavasandwüste
# Morgendlicher Ausblick in die Lavasandwüste

Etappe 4 (Abzweig Piste F910 – Gæsavötn): Von hier an geht’s bergab … irgendwann …

Leider ist die Freude über das freundliche Wetter schnell wieder Geschichte. Bereits kurz nach dem Verlassen unseres Übernachtungsplatzes zieht sich die Wolkendecke zu und wir sind froh, den beim Frühstück geäußerten Worten, dass wir heute ja eigentlich auch mit kurzen Hosen fahren könnten, keine Taten haben folgen lassen. Der zunächst noch feste Untergrund geht nach und nach wieder in weichen Sand über und das Vorankommen wird mühseliger. Noch machen wir uns aufgrund der lediglich knapp 50 Kilometer, die für heute auf dem Programm stehen, wenig Sorgen um das Tagesziel.

Straßenschild im Hochland
# Straßenschild im Hochland
Beinahe unberührte Wege
# Beinahe unberührte Wege
Es ist faszinierend, wie sich das Leben doch immer wieder durchsetzen kann - hier als ein Farbtupfer in grau-brauner Einöde.
# Es ist faszinierend, wie sich das Leben doch immer wieder durchsetzen kann - hier als ein Farbtupfer in grau-brauner Einöde.

Dieser Optimismus erhält jedoch einen Dämpfer, als wir in eine große Senke hineinfahren. Mittlerweile hat Nieselregen eingesetzt, der Sand ist nochmals tiefer geworden und der Wind weht kalt vom nahe gelegenen Vatnajökull, dem größten Gletscher Islands und zugleich Europas, in unsere Richtung. Zeitweise haben wir das Gefühl, auf dem Grund eines ausgetrockneten Meeres unterwegs zu sein. Die Kombination aus Witterung und Streckenverhältnissen sorgt dafür, dass wir uns die Kistufell Hütte herbeisehnen, in der wir die heutige Mittagspause verbringen wollen. In der Theorie ist die Hütte nicht mehr weit entfernt, praktisch befindet sich zwischen der Hütte und uns noch der Urðarháls, ein etwa 1000  Meter hoher Vulkan, den es zu überwinden gilt. Der Weg, über den wir entlang der Flanke des Berges in Schrittgeschwindigkeit unsere Räder hinauf pedalieren, besteht aus groben, aber immerhin überwiegend abgerundeten Steinen. Lediglich gelbe Pfosten bieten eine Orientierung über den Verlauf der Strecke. Wir staunen nicht schlecht, als wir weiter oben am Berg ein weißes Fahrzeug entdecken, das sich als der Pickup eines Nationalpark-Rangers entpuppt.

Da, wo der Ranger runter kommt, müssen wir rauf!
# Da, wo der Ranger runter kommt, müssen wir rauf!

Der Ranger hält an, fragt uns nach unserer Tour sowie unserem Tagesziel und erkundigt sich, ob wir genügend Lebensmittel sowie eine gute Ausrüstung dabeihaben. Als wir ihm sagen, dass unser Proviant noch für eine Woche reicht und unsere Schlafsäcke auch bei Minustemperaturen genug Wärme spenden, ist er beruhigt. Er teilt uns mit, in der Kistufell Hütte gerade die Wasservorräte aufgefüllt zu haben und bietet uns an, uns jetzt noch einmal die Flaschen vollzumachen. Auch wenn wir je noch gut 1,5 Liter Wasser haben, nehmen wir sein Angebot gerne an. Je weiter wir nach oben kommen, desto schlechter wird die Sicht. Starker Seitenwind weht uns kalten Regen ins Gesicht, macht es uns noch schwerer, unsere Bikes auf Kurs zu halten, als es aufgrund des Schritttempos und der teils kindskopfgroßen Steine ohnehin schon der Fall ist. Kurz gesagt: Der Anstieg auf den Urðarháls gleicht einer Tortur. Umso erleichterter sind wir, als wir endlich die Hütte sehen.

Endlich - das erlösende Hinweisschild!
# Endlich - das erlösende Hinweisschild!
Von der Kistufell Hütte blicken wir zurück auf die große Senke mit dem Vatnajökull im Hintergrund.
# Von der Kistufell Hütte blicken wir zurück auf die große Senke mit dem Vatnajökull im Hintergrund.
Eine Aufgabe der Nationalpark-Ranger ist es, die Notvorräte in den Hütten zu pflegen.
# Eine Aufgabe der Nationalpark-Ranger ist es, die Notvorräte in den Hütten zu pflegen.

An der Hütte angekommen, kochen Sebastian und ich uns sofort eine warme Nudelsuppe und einen Kaffee mit heißer Schokolade. Einigermaßen aufgewärmt genießen wir den Blick auf die weitläufige Senke mit dem Vatnajökull im Hintergrund, die uns schon vor dem Urðarháls auf eine ziemlich harte Probe gestellt hat.

Wir verlassen die Hütte und fahren noch ein Stückchen bergauf, bevor wir nach dem Durchqueren eines „Schmelzwasserdeltas“ den auf 1.140 Metern gelegenen höchsten Punkt der Route passieren und damit auf dem Papier das Gröbste hinter uns gebracht haben. Offensichtlich teilt das Wetter diese Ansicht und belohnt uns mit einigen großzügigen Flecken blauen Himmels und Sonnenschein.

Auch, wenn das Schmelzwasser höchstens knöcheltief ist - kleinere Steine reißt die Strömung hier schon problemlos mit sich.
# Auch, wenn das Schmelzwasser höchstens knöcheltief ist - kleinere Steine reißt die Strömung hier schon problemlos mit sich.
Nach dem Erreichen des höchsten Punktes der Tour dürfen sich die Räder auch mal für einen Moment hinlegen.
# Nach dem Erreichen des höchsten Punktes der Tour dürfen sich die Räder auch mal für einen Moment hinlegen.
Steinskulpturen am Wegesrand
# Steinskulpturen am Wegesrand

Die Erde ist uns leider nicht so wohlgesonnen wie der Himmel, denn Sebastian bemerkt schleichenden Luftverlust an seinem Hinterreifen. Eine nähere Untersuchung bringt die Diagnose, dass die scharfen Kanten der Lavasteine die Reifenflanke aufgerieben haben. Es gelingt uns, den Schaden mit einer Tubeless-Wurst zumindest so zu beheben, dass wir es mit dreimaligem Nachpumpen bis zur privaten Hütte am Gæsavötn schaffen, wo wir die Nacht verbringen wollen. Nachdem wir unser Zelt aufgestellt und zu Abend gegessen haben, bemerken wir ein großes Fahrzeug, das auf dem geräumigen Parkplatz vor der Hütte hält.

Private Hütte am Gæsavötn
# Private Hütte am Gæsavötn
Zeltplatz hinter der Gæsavötn Hütte
# Zeltplatz hinter der Gæsavötn Hütte

Wenig später hören wir eine Stimme, die uns ruft. Es ist die Stimme von Susanne, einer Österreicherin, die mit ihrem isländischen Mann und der gemeinsamen Tochter im selbst ausgebauten ehemaligen deutschen Feuerwehrfahrzeug auf dem Weg zum Myvatn ist. Sie lädt uns zum Abendessen ein – für uns das zweite an diesem Tag. Es gibt gebratenen Kabeljau, Kartoffelsalat, Gemüse und zum Abschluss sogar noch Kekse mit einer Tasse Swiss Miss. Ein versöhnlicher Abschluss für einen Tag, der im Rückblick der härteste der gesamten Tour gewesen sein sollte: Für knapp 48 Kilometer und etwas unter 1.000 Höhenmeter haben wir insgesamt über neun Stunden gebraucht.

Essen auf Rädern - Island Edition!
# Essen auf Rädern - Island Edition!
Abendessen im ehemaligen Feuerwehrfahrzeug
# Abendessen im ehemaligen Feuerwehrfahrzeug

Etappe 5 (Gæsavötn – Nyidalur): An der Hauptschlagader des Hochlands

Der nächste Tag beginnt mit strahlendem Sonnenschein und wir starten mit einem Frühstück auf der Veranda der Hütte. Susanne und ihr Mann kommen noch einmal kurz vorbei, um sich zu verabschieden. Auch der Besitzer der Hütte und seine Familie inklusive Enkelkind, die noch spät am Vorabend angekommen sind, sind ausgesprochen freundlich. Sie bitten uns auf einen Kaffee hinein, wir können die Sanitäranlagen nutzen, unseren Müll in der Hütte lassen und bekommen sogar noch ein Stück vom „Kuchen für eine glückliche Ehe“, einer isländischen Spezialität, die im Wesentlichen aus den Zutaten Butter, Zucker, Streuseln und Rhabarbermarmelade besteht. Das Gewicht des kleinen Stückes ist ebenso beachtlich wie der vermutete Brennwert der Köstlichkeit. Nachdem wir unser Gepäck und den Proviant einer Bestandsaufnahme unterzogen und uns noch einmal um Sebastians Hinterreifen gekümmert haben, machen wir uns auf den Weg.

Das Rezept für ewiges Eheglück? Viele Kalorien!
# Das Rezept für ewiges Eheglück? Viele Kalorien!
Ordnung ist das halbe Leben.
# Ordnung ist das halbe Leben.
Reifenreparatur - leider nicht von Erfolg gekrönt
# Reifenreparatur - leider nicht von Erfolg gekrönt

Leider zwingt uns der defekte Reifen schon recht bald wieder zum Anhalten, da er erneut Luft verliert. Offenbar ist der Cut in der Seitenwand so groß, dass er zwar im Stillstand von der Wurst verschlossen werden, diese aber im Fahrbetrieb die Walkbewegung des Reifens nicht ausgleichen kann. Nach einem weiteren erfolglosen Versuch, den Reifen dicht zu bekommen, entschließen wir uns schließlich, einen Schlauch einzuziehen.

Da gehts lang! Wegweiser in Richtung Nyidalur
# Da gehts lang! Wegweiser in Richtung Nyidalur

Der Rest des Tages verläuft recht unspektakulär. Allerdings sorgen der so nicht vorhergesagte Gegenwind sowie die teils recht tiefen Furten auf dem Weg zur direkt an der Sprengisandur gelegenen Nyidalur Hütte dafür, dass keine Langeweile aufkommt und das Fahren ja nicht zu flüssig läuft. Angesichts der Strapazen vom Vortag sind wir froh über die kurze Etappe und freuen uns über eine Ankunft an der Hütte ohne weitere Zwischenfälle.

Eine der größten Furten auf dem Weg zur F26, der Sprengisandur - spätestens jetzt sind wir sehr froh darüber, dass die wichtigsten Gepäckstücke wasserdicht verstaut sind.
# Eine der größten Furten auf dem Weg zur F26, der Sprengisandur - spätestens jetzt sind wir sehr froh darüber, dass die wichtigsten Gepäckstücke wasserdicht verstaut sind.

Dort treffen wir auch wieder auf einen der vier Italiener, der sich von einem Jeep zur Hütte hat mitnehmen lassen. Wir unterhalten uns kurz und er berichtet uns, dass auch seine drei Mitfahrer heute hier ankommen werden. Diesmal sind wir jedoch vor dem Schnarchen sicher – während die Italiener sich eine der Cabins einquartiert haben, schlagen wir unser Zelt auf der Wiese hinter der Haupthütte auf. Dort entdecken wir zwei Fatbikes. Deren Besitzer, zwei Schweizer, berichten uns, dass sie zuvor in Norwegen unterwegs gewesen und dann mit der Fähre über die Färöer Inseln nach Island gekommen sind. Wir unterhalten uns ein wenig und spielen später in der großen Hütte ein paar Runden Uno. Die beiden sollten wir im weiteren Verlauf unseres Aufenthalts noch einige Male wiedersehen.

Nyidalur Hütte an der Sprengisandur
# Nyidalur Hütte an der Sprengisandur
Extrem-Uno: Besondere Bedingungen erfordern besondere Kartenspiele.
# Extrem-Uno: Besondere Bedingungen erfordern besondere Kartenspiele.

Im Gespräch mit der Hüttenwartin erzählt sie uns, dass sie ursprünglich aus Brandenburg komme und den Sommer nun schon seit einigen Jahren im Auftrag der Nationalparkverwaltung in Nyidalur verbringe. Den Rest des Jahres lebe sie in Reykjavik, wo sie als Künstlerin arbeitete. Sie fragt uns, ob wir etwas von dem gekochten Kabeljau haben möchten, den ihre isländischen Kollegen gestern zubereitet haben. Wir nehmen dankend an – zusammen mit den Haferkeksen, die wir im Küchenregal für alle finden und einer Buchstabensuppe ist der gekochte Fisch die zweite willkommene Abwechslung zu den gefriergetrockneten Mahlzeiten in Folge.

Bevor wir uns zum Schlafen ins Zelt legen, nutzen wir noch die Gelegenheit und gönnen uns eine Dusche.

Menü in der Nyidalur Hütte
# Menü in der Nyidalur Hütte

weiterlesen in Teil 2!

Bikepacking durch Island – wär das etwas für dich?

Text: Fabian Baum – Fotos: Fabian Baum und Sebastian Eisner
  1. benutzerbild

    Fabeymer

    dabei seit 07/2005

    Ja, da gebe ich dir recht.
    Der Wind bestimmt zum größten Teil das Reisetempo mit seiner An- bzw. Abwesenheit und der Richtung, aus der er weht.
    Auch sind die Steigungen meistens eher knackig und der Untergrund trägt seinen Teil zur gefühlten Steigung bei. smilie

  2. benutzerbild

    bMerry

    dabei seit 12/2012

    Hach, Island smilie Schöner Bericht smilie
    Ich war 2014 da und es war einer meiner besten Radurlaube ever.

    Allerdings hatte ich nachher länger Probleme mit den Füssen. Im Zusammenhang mit der Berichterstattung über den Krieg in der Ukraine gehe ich in der Zwischenzeit davon aus, dass ich nach 2 Wochen in nassen Schuhen die Vorstufe eines (Schützen-)Grabenfusses entwickelt hatte.
    ….. dabei ist dort doch allenthalben Fußbodenheizung smilie
  3. benutzerbild

    olev

    dabei seit 07/2008

    die merkt man tatsächlich, wenn man am richtigen Ort ist.

  4. benutzerbild

    Fabeymer

    dabei seit 07/2005

    Den Reisebericht gibt’s seit heute auch als Hörbuch, oder wie das heißt… smilie

    @BTGMartin hat uns in seinen Podcast eingeladen und wir haben ebenso angenehm wie ausgiebig miteinander geplaudert.

    https://open.spotify.com/episode/72ZX4oucLSGVsGXvcnqWDb?si=qqZwjespR0Gqd24usf63Ww
    Viel Spaß! ✌️🙂

  5. benutzerbild

    singletrailer67

    dabei seit 03/2004

    Letzter!
    Ist irgendwie an mir vorübergezogen...
    Vielen Dank für den tollen Bericht und die beeindruckenden Bilder!
    Ich liebe Island...war jedoch bisher nur mit dem Auto im Februar dort unterwegs.
    Da muss ich unbedingt nochmal hin...🥰

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