Jubiläen wollen gebührend gefeiert werden! Insbesondere, wenn es sich um Ikonen des Radsports handelt. Das dachte sich auch Cannondale und präsentiert zum 25. Geburtstag ihres Racehardtails das aktuelle F-Si im Retrolook. Um die limitierten Rahmen nicht einfach mit irgendwelchen Parts aufzubauen, klappert Philipp Martin dafür ein paar der edelsten deutschen Hersteller von Bikeparts ab. Viel Spaß bei der Fotostory über den Aufbau der Unikate!
Intro
Es gibt Fahrräder, die – eine gewisse Affinität zum Radsport vorausgesetzt – jeder kennt. Cannondale ist es in der langen Firmengeschichte gleich mehrmals gelungen, solche Ikonen des Sports hervorzubringen. Unvergessen etwa das Gemini von Cedric Gracia, die Rennräder von Mario Cippolini oder eben das blaue Hartail von Tinker Juarez vom damaligen Offroad-Rennteam. Um dieses Rad und sein rotes Pendant, das seit 1994 hergestellt wird, zu ehren, gibt es das aktuelle F-Si im Retrolook.
Philipp Martin von Cannondale nutzt diese Gelegenheit, um die Träume unserer Kindheit und Jugend mit exklusiven Parts von deutschen Herstellern aufzubauen. Quasi top-aktuelle Technik im Kleid von 1995.
Freiburg
Unser Roadtrip beginnt in Freiburg. Freiburg hat sich nicht nur dank eines sehr aktiven Vereins und einer lebendigen Szene den Ruf der deutschen Mountainbike-Hauptstadt erarbeitet, sondern ist auch Heimat mehrerer Hersteller der Bikeindustrie.
Cannondale
Cannondale hat eine große Zweigstelle in Freiburg. Übrigens perfekt gelegen zwischen den traildurchzogenen Hausbergen Rosskopf und Kybfelsen. Dass die ortsansässige Brauerei direkt um die Ecke liegt, ist zudem eine glückliche Fügung. Mit der Entwicklung von E-Bikes, Rennradrahmen, City-Bikes und dem ganzen Suspensionbereich ist die Zeit der Freiburger Ingenieure zwischen den Lunch-Ausfahrten allerdings immer gut gefüllt.
Die Augen aller Beteiligten werden größer, als Philipp die beiden Schätze aus den Kartons holt. Tatsächlich, auf den ersten Blick sieht der Rahmen aus wie das Original. Fehlt nur noch der wuschelhaarige Tinker, der um die Ecke spaziert. Bei genauerer Begutachtung wird anhand der Form und der Zugführung aber schnell klar, dass es sich um einen modernen Carbonrahmen handelt.
Dirk Lüde, seines Zeichens verantwortlich für den Bereich Suspension bei Cannondale, hat dann die große Ehre, uns sein Baby in extra 90’s Lackierung zu präsentieren: Die neue Lefty Ocho im passenden Rot bzw. Blau. Normalerweise gibt es sie nur im schlichten Schwarz, für die Jubiläumsmodelle jedoch wurden weder Kosten noch Mühen gescheut. Vorteil der Singlecrown-Upsidedown-Gabel ist, dass sie selbst der legendären gelben Fatty optisch nicht nachsteht.
”Freiburg ist für uns als Tätige in der Radbranche ein wahres Paradies: Wir können hier unsere entwickelten Produkte direkt beim täglichem Lunchride auf den genialen Strecken auf Herz und Nieren testen.“ – Dirk Lüde
Doch bevor die Gabeln eingebaut werden, geht es noch schnell zu einem weiteren Hersteller in der Nachbarschaft …
Trickstuff
Ein edles Rad braucht natürlich standesgemäße Bremsen. Gut, dass auch Trickstuff direkt vor Ort sitzt. Und da Freiburg nur etwas größer ist als ein Dorf, befinden wir uns wenige Minuten später in der Werkstatt von Trickstuff. Dag Freudenhammer empfängt uns ganz hibbelig und möchte die Rahmen sehen.
Innerhalb kürzester Zeit spricht sich in der kleinen Firma rum, dass jetzt die Jubiläumsrahmen da sein. Selbst Klaus Liedler, Chef von Trickstuff, unterbricht seine Arbeit und betrachtet bewundernd die Carbonschönheiten, während Dag die schwarz-silbernen Piccola montiert. Bremsen, für deren Gewicht und Leistung die Rennfahrer in den 90ern vermutlich einiges gegeben hätten.
„Warum wir dieses Projekt unterstützen? Sowohl Klaus‘ wie auch mein erstes Bike waren Cannondales. Und da die erste Liebe ja doch immer etwas Besonderes ist und man zudem seinen Nachbarn immer aushelfen sollte, freuen wir uns sehr, einen kleinen Teil bei diesen besonderen Rädern beitragen zu können. “ – Dag Freudenhammer von Trickstuff
Bremsen montiert, schon hocken wir wieder im Auto. Schnell wieder zu Cannondale. Hier wartet gleich der nächste hohe Besuch.
Intend
Cornelius Kapfinger, aufsteigendes Sternchen der Bikeszene und Forumslegende, bringt zwei seiner edlen Intend Vorbauten vorbei. Vermutlich gibt es wenige Menschen weltweit, die eine solche Begeisterung für Fahrradparts teilen wie Cornelius (siehe auch unseren Hausbesuch bei Intend BC). Angesichts der beiden Rahmen fühlt selbst er sich direkt 20 Jahre jünger.
„Die Cannondale Hardtails mit Fatty waren mein Jugendtraum … Jetzt bei der Neuauflage mit meinem eigenen Vorbau dabei zu sein erfüllt einen Erwachsenentraum!“ – Cornelius Kapfinger
Mit Hilfe von Christian montiert Philipp die ersten Teile. Gabel und Vorbau sind schnell angeschraubt. Mit den Kurbeln enthüllt Philip einen weiteren Schatz: Diese Hollowgram SI sind so nämlich gar nicht mehr erhältlich, machen optisch aber einiges her und erinnern an die Originalräder. Selbst Cannondale hat keine mehr auf Lager. Doch zum Glück gibt es die endlose Fundgrube des Internets. Und siehe da, bei einem Händler kann Philipp gleich zwei der seltenen Exemplare ergattern. Da Cannondale über all die Jahre beim selben Kurbellagerstandard BB30 geblieben ist, passen tatsächlich die alten Kurbeln.
Die Räder nehmen zwar immer mehr Form an, doch ein paar entscheidende Teile fehlen noch. Zeit, den Roadtrip richtig zu starten!
Würzburg
Bike Ahead Composites
Frühmorgens um 5:30 Uhr geht die Fahrt los in Richtung Nord-Ost. Genauer gesagt in den kleinen Ort Veitshöchheim direkt bei Würzburg. Denn hier sitzt geballte Kompetenz, möchte man sein Rad leichter und stabiler bekommen: Die Carbonspezialisten von Bike Ahead spendieren den beiden Jubiläumsmodellen Laufräder, Lenker und Sattelstützen.
„Dass Philipp diese beiden Schmuckstücke mit hochwertigen Teilen möglichst vieler deutscher Hersteller bestücken will, finden wir natürlich super. Selbstredend, dass wir dieses Projekt unterstützen. Er sollte aber eigentlich mehr Zeit mitbringen, denn auch Würzburg ist ein ausgezeichnetes Bikerevier. Wir haben hier super Trails und beispielsweise mit SRAM ebenfalls große Bikefirmen in direkter Nähe.“ – Holger Göpfert von Bike Ahead
Während das Original auf bzw. mit Alu rollte, bekommen die F-SI also Anbauteile nach heutigem Maßstab. Philipp schraubt zudem noch mit Holger die fehlenden Kleinteile an. Der roten Rakete werden extra Dreh-Schaltgriffe spendiert, um noch etwas mehr 90er Flair aufkommen zu lassen. Mit dem Selle Italia Flite kommt das Teil ins Spiel, das sich vermutlich am wenigsten geändert hat. Den Flite gibt es tatsächlich seit 1991. Aufgrund dessen Beliebtheit hat sich in den 27 Jahren kaum etwas geändert.
Die Räder sind nun komplett aufgebaut und können schnell für ein Foto herhalten. Jetzt muss man verstehen, dass Jungs, die gerne leichte Carbonteile bauen, auch insgesamt sehr gerne (sehr) leichte Fahrräder bauen. Klar, Holger will das Rad unbedingt wiegen. Gewichte sind aber bei Philipp, der eigentlich der bergorientierten Radsportfraktion angehört, eher zweitrangig. Seine Meinung tut er auch gleich lachend kund.
„Jetzt scheiß doch mal auf das Gewicht, genießt einfach die Räder“ – Philip Martin
Doch es hilft nichts, Leichtbauer müssen tun, was Leichtbauer eben so tun. Ob die gewogenen 8,38 Kilo des roten Rades in Größe M jetzt schwer oder leicht sind, müsst ihr selbst beurteilen.
Nach letzten wehmütigen Blicken der Würzburgfraktion packt Philipp die Räder aber auch schon wieder ein, denn mit Eighty Aid sitzt noch eine weitere Firma in direkter Nähe, die besucht werden will.
Eighty Aid Headshok Clinic
Kurze Zeit später biegen wir auf den Hof von Eighty Aid (88+) ein. Hier sitzt nämlich das Servicecenter von Headshok. Dies ist der Überbegriff für alle von Cannondale gefertigten Gabeln, darunter etwa die Fatty oder natürlich die Lefty.
Zudem hängt im hauseigenen Museum von 88+ eine Version von jeder jemals von Cannondale hergestellter Gabel. Mehr Wissen über Gabeln und deren Feinabstimmung findet man nicht so schnell. Perfekt, um die Ocho noch einmal genauer zu untersuchen und auf Philipp perfekt anzupassen.
„Die Ocho funktioniert tatsächlich von Haus aus so gut, dass man sie nicht mehr tunen muss. Eine perfekte Abstimmung optimiert natürlich dennoch die Leistung und wir können wirklich die Gabeln individuell auf Kundenwünsche anpassen. So wird aus einer sehr guten Gabel eine perfekte.“ – Markus Dellinger von Eighty Aid
Nach getaner Arbeit kündigt der ebenfalls anwesende Larry Westney – auch ein Cannondale-Urgestein – eine Überraschung an und verschwindet wohlwissend grinsend. Nur um kurz darauf im Originalrennanzug des Volvo-Cannondale-Teams auf einem original CAD3 in Volvo-Teamlackierung um die Ecke zu biegen.
Irgendwo auf der A5
Der lange Tag neigt sich langsam dem Ende zu. Nach einem kurzen Zwischenstopp in Schweinfurt, wo die beiden Räder in der Fleischerei (kein Witz) von Mike (Barista von SRAM) standesgemäß kurz geshootet werden, geht es wieder zurück nach Freiburg. Die beiden Schönheiten auf zwei Rädern liegen wohl verpackt im Kofferraum des Autos. Zeit, die Aktion Revue passieren zu lassen.
Wir haben einen kleinen Ausflug durch 25 Jahre Bikegeschichte gemacht. Ziel war natürlich nicht, ein Rad nur mit Originalteilen aufzubauen, sondern eines, das dem aktuellem Stand der Technik entspricht und mit vielen deutschen Komponenten aufgebaut ist. Dabei soll es den Ikonen aus den 90er Jahren aber möglichst ähnlich sehen.
Ob das gelungen ist? Nach den Reaktionen aller Beteiligten auf die Lackierung der Rahmen würden wir auf jeden Fall sagen: Ja! Erstaunlich, wie emotional die Leute reagieren, wenn sie die Retrofarben sehen. Und das, obwohl bisher jeder der involvierten Leute auch im Alltag ständig mit schönen oder sogar außergewöhnlichen Rädern zu tun hat. Man fühlt sich anscheinend tatsächlich in der Zeit zurückversetzt und kann sich an die vielen schönen Dinge erinnern, die man dank seines Fahrrades schon erlebt hat. Jeder, der die Räder sieht, beginnt direkt, von seinen ersten Bikes zu erzählen, von seinen ersten Ausfahrten, von ersten Rennversuchen und vielen weiteren Abenteuern, die man mit seinen Schätzen auf zwei Rädern so erlebt hat. Denn letztendlich geht es ja darum. Völlig egal, auf welchem Fahrrad man sitzt.
Wie gefallen euch die beiden Räder und welche Räder lassen euch direkt in der Vergangenheit schwelgen?
Anmerkung der Redaktion: Cannondale lud uns auf diesen Trip ein und spendierte dem Autor Lebkuchen und zwei Cappucini.
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