Der Downhill World Cup in Les Gets war das dritte aufeinander folgende Rennen in drei Wochen für unseren Race-Blogger Andi Kolb. Entsprechend lädiert war der österreichische Vize-Weltmeister. Wie er es geschafft hat, seine Saison inmitten frenetisch jubelnder Franzosen herumzudrehen, warum er so einen wilden Run hatte und ob er zufrieden mit Platz 2 ist, erfahrt ihr im Rennbericht.
Les Gets, letzter Stopp in Europa – nach zwei Rennen, die eindeutig nicht nach meinen Wünschen gelaufen sind, war ich auf jeden Fall mental etwas am Boden. Die Pace war jedoch jedes Mal da und ich wusste, was möglich ist – bis auf Loudenvielle vielleicht, wo im Rennlauf der Speed nicht da war, durch die vielen Stürze vorher. Für mich war aber klar, wenn ich wieder genauso weiter arbeite, wie ich es sonst mache, immer alles hinterfrage und hart dran arbeite, dann kommt die Pace sicher auch an diesem Wochenende wieder. Ich habe dann auch eine Session mit meiner Mental-Trainerin gemacht und viel mit dem Pekoll Markus drüber gesprochen.
Trackwalk – geile Strecke
Sobald ich die Strecke gesehen hatte, war mir klar: Das kann nur ein gutes Wochenende werden! Les Gets war bereits im Vorjahr schon eine meiner Lieblingsstrecken, nur minimal zu schnell. Dieses Jahr war es tendenziell noch schneller, aber mir ist es flowiger vorgekommen. Es war cool gesteckt, da wurde gute Arbeit gemacht und es war von oben bis unten einfach nur eine geile Strecke.
Mein Knöchel war leider immer noch nicht so gut, aber das wollte ich die Woche über einfach ignorieren. In Loudenvielle habe ich gemerkt, dass mich das mental runterzieht und durch das Tape, das wir drauf geklebt haben und das zwar geholfen hat, denkt man auch noch die ganze Zeit daran. Deshalb habe ich versucht, das einfach zu ignorieren, obwohl mir natürlich klar war, dass das ein Problem sein wird.
Trainings-Tag – lange Schlangen am Lift
Das Training war von Anfang an mega cool, bis auf das Anstehen am Lift. Man fährt mit der Gondel 5 min hoch und dann 20 min mit einem Sessellift. Momentan gibt es einfach zu viele Rennfahrer, finde ich – es gab wieder 180 Elite-Herren. Die sind alle in der Gruppe A, was das Anstehen am Lift schwierig macht. Am Ende habe ich nur etwa 3,5 Runs reinbekommen. Einen Lauf habe ich nur von oben bis zu Mitte gemacht, da mir dieser Teil schwerer gefallen ist und es mehr Linien gab. Mehr Trainingsläufe hätte ich einfach nicht reinbekommen. Trotzdem war es vom ersten bis zum letzten Meter am Trainingstag mega gut. Auch von den Leuten an der Strecke habe ich gutes Feedback bekommen, dass ich gut am Bike stehe und auch körperlich habe ich mich bis auf den Knöchel gut gefühlt. In den größeren Kompressionen hat es schon geschmerzt, aber auf der Strecke gab es zum Glück nicht zu viele Problemzonen.

Quali-Tag – die Pace ist da
Am Quali-Tag war das Ziel, gleich ordentlich Gas zu geben, da es einfach wichtige Punkte für die Gesamtwertung sind. Außerdem kann ich, wenn ich in der Quali schon schnell fahre, die Pace besser ins Semi-Finale und Finale mitnehmen. Im Training habe ich wieder alle Linien gut erwischt und hatte, denke ich, von Beginn an eine perfekte Linienwahl. Ich habe nie die Linie wechseln müssen, vom Trackwalk weg hat das gepasst. In der Quali habe ich im Kopf etwas gestrugglet und habe den Punkt nicht gefunden, an dem man nur ans Radfahren denkt. Teilweise habe ich ganz andere Sachen im Kopf gehabt, die mit dem Rennen fast nichts zu tun haben.

Nach circa der Hälfte oder Dreiviertel der Strecke war ich dann im Flow und hatte Spaß am Fahren. Leider bin ich komisch ausgeklickt mit beiden Füßen, es hat mich ums Bike herumgedreht, ich bin halb gestürzt – das Knie hat den Boden berührt, also kann man es als Sturz zählen – und habe einen ziemlich wilden Rodeo-Ritt hingelegt in der letzten steilen Sektion, saß allerdings schnell wieder am Bike drauf und konnte weiterfahren. Der Sattel war jedoch ungefähr 70° verdreht und ich bin mit der Hose zwei Kurven später in der letzten super staubigen Sektion hängen geblieben und eine steile Links-Kurve heruntergefallen. Damit war es dann ziemlich vorbei.

Das hat mich sehr geärgert und ich bin ganz weit hinten als 111. oder so reingefahren. Die Pace war aber da, bis zur dritten Split vor Schluss war ich 3. hinter Benoit Coulanges und das habe ich mitgenommen. Mental war das allerdings ein kleiner Dämpfer.
Final-Tag – von Anfang an Vollgas
Am Final-Tag standen zwei Trainingsläufe auf dem Plan. Ich habe die Intensität noch mal sehr erhöht, den Rat habe ich von meinen beiden Teammanagern, Tom und Dan bekommen. Sie haben das bei mir beobachtet in der Vergangenheit, dass ich, wenn ich total Vollgas gebe, und nur ans Radfahren denke – etwas anderes geht dann auch nicht mehr – dann hole ich das Beste aus mir raus. Genau das habe ich auch gemacht, so schnell bin ich diese Saison im Training noch nie gefahren. Ich habe mich so gut wie noch nie gefühlt und mein Bike-Setup war auch mega gut. Ich habe die Gabel immer härter eingestellt, so hart wie noch bei keinem Rennen. Ich bin jetzt knapp bei 100 psi mit 6 Tokens, das ist für mich schon ziemlich straff.
Im Semi-Finale war mein Plan, einfach einen schnellen Lauf runterzubringen, der aber nicht am oder über dem Limit ist. Ich bin es eher etwas locker angegangen, vor allem in der Sektion, in der ich zweimal in der Quali gestürzt bin. Die habe ich ziemlich gemütlich genommen. Ich bin dann mit etwa 2,9 s Rückstand auf Platz 6 gefahren. Damit war ich eigentlich happy, aber der Sieg war dann erst mal abgeschrieben. Fast 3 Sekunden – das war ein ordentlicher Dämpfer. Von den anderen habe ich aber die Info bekommen: Sag niemals nie – im Training warst du mit Abstand der Schnellste. Das ist zwar schön zu hören, aber man muss es dann auch umsetzen können. Ich hatte aber einfach nicht das Gefühl, dass heute noch etwas geht.
Ich bin dann hoch zum Warm-up vorm Finale. Dabei kam in mir dann das Gefühl auf, dass ich heute richtig pushen kann. Das bekommt man nicht immer, dafür muss man vielleicht einfach einen guten Tag haben. Da gehört viel Arbeit dazu, damit alles so gut zusammenspielt. Als ich vom Warm-up-Bike abgestiegen bin und mich angezogen habe, da war mir klar: Jetzt geht alles, ich kann um den Sieg mitfahren. An den Sieg selbst denkt man an dem Moment zwar nicht, aber ich wusste, ich kann ans Limit gehen heute. Das habe ich dann auch ganz eindeutig so gemacht.
Ich bin aus dem Starthaus raus, die ersten Kurven sofort alles was geht! Vorm ersten Split habe ich fast einen Anlieger zerstört, aber leider abseits der Live-Kameras zwei große Fehler bis zur nächsten Zwischenzeit gemacht. Da war ich recht weit neben der Linie unterwegs. Kurzzeitig dachte ich schon: „Lass das sein, das ist zu sehr am Limit, was du hier machst!“ Vor der zweiten Zwischenzeit fährt man am See vorbei und hat mal eine Sekunde zum nachdenken. Und da dachte ich dann: „Ne, egal, sche*ß drauf, push, push, push!“ Von dort weg war ich weiterhin sehr loose unterwegs. Ich bin einmal fast aus der Strecke raus, unten war ich zweimal kurz davor, den Grip an der Front zu verlieren. Einen ziemlich großen Fehler gab es, den man auch im Recap sehen konnte. Da habe ich in einer Kurve eine Sekunde verloren. Da waren schon sehr große Schnitzer dabei.
Ich bin durchs Ziel durch und habe erstmal den Kopf geschüttelt, weil ich dachte, mit den Fehlern kann ich nicht gut dabei sein. Die französische Crowd hat mich im Ziel auch nicht so sehr angefeuert (an der Strecke schon, aber im Ziel nicht), dass ich dachte, ich bin sicher nicht vorne. Aber ich glaube, wenn man Loïc Bruni in Frankreich vom Hotseat stößt, dann sind sie einfach nicht happy. Das war aber der Fall und ich habe im Ziel ordentlich gefeiert. Halbe Sekunde vorne! Ich bin rauf zum Hotseat und dann wurde es richtig kriminell.

Ein Fahrer nach dem anderen ist knapp hinter mir rein. 0,2 s hinter mir Jackson Goldstone, Vergier auch wieder. Der letzte Fahrer war Benoit Coulanges und der war auf einem mega Run unterwegs. Bei der dritten Zwischenzeit war er nur noch 0,2 s hinter mir und hat zwar minimal Zeit auf mich verloren in dem Sektor, aber ich wusste, das wird heute kein Sieg für mich. Im letzten Sektor habe ich einfach zu viele Fehler gemacht und auch leicht Luft verloren, während der Benoit einfach on point ist und an dem Tag keine Fehler gemacht hat. Dann ist es noch einmal knapp geworden – nur 0,1 s im Ziel.
Die Menge ist komplett durchgedreht und ins Ziel reingerannt. Das war super schön anzusehen, auch wenn ich in dem Moment etwas traurig war. Aber Benoit verdient den Sieg wie fast kein anderer! Ich würde sagen, noch mehr als ich es in Leogang verdient habe. Es ist schön zu sehen, wenn sich harte Arbeit für jemanden auszahlt und das ist beim Benoit eindeutig der Fall. Ich bin happy, Zweiter in Les Gets ist richtig fett! Mit dem Gefühl nach Amerika zu fahren, ist auf jeden Fall sehr gut. Ich bin immer noch 6. im Gesamt-World Cup – alles ist wieder etwas enger geworden. Da kann man sehr zufrieden sein.
Danke für alle Nachrichten, die ich bekommen habe. Das hat mich alles sehr gefreut! Ich freue mich schon auf die letzten zwei Blogs, die ich in den kommenden Wochen schreiben darf!
Was sagst du zum unglaublichen Finallauf von Andi Kolb?
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