Nach einer grandiosen Saison hatte Andi Kolb schon vor dem Rennen in Val di Sole die Vorahnung, dass hier noch sein absolutes Highlight bevorstehen könnte. Wie man sich als letzter Mann im Starthaus fühlt und wie man sich mental darauf vorbereitet, erfahrt ihr im extrem spannenden Blog von Andreas Kolb!
Downhill World Cup 2022 – Val di Sole
Endlich war’s soweit – Zeit, nach Val di Sole zu fahren. Ich glaube, ich habe mich noch nie so sehr auf ein Saison-Finale, auf das letzte Downhill World Cup-Rennen des Jahres, gefreut. Dann auch noch in Val di Sole, was mit Abstand meine Lieblingsstrecke ist. Es gibt auf dem Planeten keine andere Strecke, die so hart ist. Es ist von oben bis unten brutal, macht meiner Meinung nach jedoch extrem viel Spaß. Viele Fahrer sehen das vielleicht ein bisschen anders – aber für mich ist es das beste, was es gibt.
In den letzten Jahren hatte ich in Val di Sole schon Top-Ergebnisse, bin 2016 das erste Mal in die Top 30 und letztes Jahr 11. bei der WM geworden. Dort als Fünfter im Gesamt-World Cup anzutreten, war einfach ein gutes Gefühl. Ich wusste, dass da Gutes passieren und ich vielleicht sogar meinen Top-5-Platz behalten kann.
Mittwoch – Trackwalk
Beim Trackwalk waren die meisten Fahrer, glaube ich, ziemlich enttäuscht – es war zu 99 % dieselbe Strecke wie im Vorjahr. In Val di Sole wird die Strecke eher wenig geshaped. Wenn eine Sektion vom Vorjahr schon kaputt ist, dann werden einfach noch mehr Steine reingepflanzt, damit die Löcher ausgefüllt sind. Das macht die Sache allerdings nicht einfacher – eher im Gegenteil. Daher war beim Trackwalk bereits klar, dass wir wohl wieder einmal das bis dato härteste Val di Sole-Rennen erleben werden.
Ich habe mich allerdings nicht beschweren können und war ziemlich happy über die Linienführung. Teilweise war es etwas langsamer – beispielsweise die erste Waldeinfahrt oder eine neue Kurve im Mittelstück, die sich allerdings noch als recht schwierig herausstellen sollte. Ich war insgesamt allerdings ziemlich, ziemlich motiviert, aufs Rad zu steigen!
Donnerstag – Training
Nach dem Trackwalk lag ich abends im Bett und dachte: „Morgen geb’ ich im Timed Training schon alles und probier von Tag 1 an das Level hochzusetzen!“ Das hab ich schon bei Amaury Pierron oder auch Finn Iles in Mont-Sainte-Anne gesehen. Ich dachte, wenn ich das wo machen kann, dann in Val di Sole. Mein Ziel war, das Timed Training schon zu gewinnen und entsprechend bin ich in den Tag gestartet.
Die erste zwei, drei Läufe muss man in Val di Sole gemütlich angehen, da es einfach so dermaßen hart ist – wenn man da zu früh pusht, endet man meistens mit einem Sturz. Man muss sich einfach dran gewöhnen und das Bike-Setup adaptieren. Hinten haben wir den Rebound etwas verlangsamt, vorne die Front noch mal minimal höher als in Les Gets gebaut. Ab Run vier und fünf hab ich dann gemerkt, dass es sich langsam gut anfühlt und im Timed Training entsprechend ordentlich Gas gegeben. Anfangs war ich damit 6 s vorne, bis Remi Thirion 3 s hinter mir reinkam und dann ist es passiert: Ich hab das Timed Training gewonnen – damit war ich mehr als happy! Cool war, dass ich oben zwei, drei spezielle Linien hatte und genau in den zwei Splits die meiste Zeit gut gemacht habe. Ich hatte also das Gefühl, alles richtig gemacht zu haben.
Freitag – Qualifikation
Natürlich hatte ich vor der Qualifikation hohe Erwartungen an mich. Ich bin deshalb ziemlich verbissen gestartet, hab zu viel probiert und hatte zum Trainingsbeginn direkt einen meiner schlechtesten Runs – nur Probleme und Fehler. Den zweiten Run vor der Quali wollte ich deshalb sauber fahren und mich auf die Schlüsselstellen konzentrieren. Das erste Stück hab ich auch direkt gut erwischt und wollte das Segment danach gemütlich fahren, da ich dort am Vortag schon gepusht habe. Doch wie ich den Entschluss gefasst habe, hat die „Black Snake“ (so heißt die Strecke) zugebissen und hat mich ziemlich brutal über den Lenker geworfen. Ich glaube, ich hatte dabei Glück, dass ich mir keine Verletzung zugezogen habe – es war ein ähnliches Manöver an derselben Stelle, wo sich Laurie Greenland im Rennlauf die Hand gebrochen hat. Das Bike war auch ziemlich zerstört: Laufräder kaputt, Lenker verbogen, Bremshebel abgrissen, etc. Da war vor der Quali einiges auszutauschen und auch der Kopf war kurzzeitig ziemlich am Boden. Der erste Run war zu verbissen, der zweite zu gemütlich … da lief nicht viel gut.
Im Pit haben die Mechaniker alle zusammen an meinem Bike gearbeitet, damit es für die Quali fertig wird. Da hat mein Mindset wieder geswitcht: Die Mechaniker haben gute Musik aufgelegt, wir hatten zusammen viel Spaß und ich hab mich erinnert, warum ich das Ganze machen – wegen des Spaßes! Da wusste ich, du gehst jetzt hoch und hast richtig Spaß in der Quali und alles andere ist egal! Auch der Sturz hat mich nicht mehr gestört, da ich wusste, dass ich einfach nicht 100-prozentig fokussiert war. Wenn man weiß, warum man einen Fehler gemacht hat, ist das mental immer eine große Hilfe.
In der Quali hab ich dann mega gut andrücken können, bin befreit gefahren und konnte mich das erste Mal in meiner Karriere als Erster qualifizieren. Über die 2 s Vorsprung auf Loris Vergier war ich selbst mehr als überrascht, da manche Sektionen sogar noch besser hätten laufen können. Einerseits war die Freude groß … andererseits war ich fast etwas schockiert und dachte: „Warum hab ich das jetzt gemacht?“ Ich wusste natürlich – morgen werde ich als Letzter aus dem Starthaus gehen und das wird mental nicht einfach!
Danach hab ich noch einen Trackwalk gemacht, der ziemlich lustig war: Loïc Bruni, Danny Hart, Trummer David, Greg Minnaar und ein Haufen weiterer Leute waren immer neben mir im oberen Teil, wo ich viel Zeit gut gemacht hatte, und haben mich nach meinen Linien gefragt. Ob meine Antworten immer so ganz gestimmt haben, möchte ich hier nicht offenlegen … aber die Franzosen schenken mir ja auch nichts! Ich konnte allerdings noch mal gute Linien finden. Auf Strecken wie Val di Sole ist es immer wichtig, auf der smoothesten Line unterwegs zu sein, und da konnte ich noch ein paar Kleinigkeiten entdecken.
Samstag – Finale
Der Renntag war für mich ganz schön hektisch. Ich bin in der Früh aufgewacht und war mental schon ziemlich durcheinander. Einerseits habe ich mich extrem gefreut, beim letzten Rennen mit Red Bull TV und Rob Warner als letzter zu starten, andererseits habe ich auch Druck verspürt. Die Erwartungshaltung war nach den beiden ersten Plätzen im Timed Training und in der Quali einfach ganz schön hoch. Ich habe unzählige Nachrichten bekommen, worüber ich mich zwar freue, aber zu viele Gedanken darüber erzeugen eben auch Druck. Teilweise sind mir Tränen gekommen, weil ich so happy war, teilweise stand ich auch total neben mir.
Das Training lief dann ziemlich gut – ich habe fast etwas zu wenig angedrückt und war eher auf der sicheren Seite. Ich wollte auf keinen Fall stürzen und wusste, dass ich den Speed fürs Finale habe und im Training nichts riskieren muss. Danach hieß es noch fast vier Stunden herumzuhängen … da war dann wieder viel Zeit zum Überlegen. Bis zum Warm-up auf dem Berg war ich ziemlich entspannt, aber dann war der Druck zurück und ich konnte kaum locker auf dem Rad treten, weil ich innerlich so eine Hitze erzeugt habe, dass ich einfach angefangen habe zu schwitzen. Bis 10 Minuten vor meinem Rennlauf war es auch extrem schwierig, mich zu fokussieren und bei der Sache zu bleiben. Aber dann zum Glück wieder der Gedanke: Hab einfach Spaß, genieße das! Ich bin seit 8 Jahren in der Elite und jetzt ist es endlich so weit, dass ich der letzte Mann auf dem Berg bin und das war einfach ein mega gutes Gefühl. Die letzten Minuten hatte ich ein Grinsen im Gesicht und habe mich mega auf den Run gefreut.
Als ich Starthaus stand, war das einzige, was ich auf keinen Fall machen wollte, in der ersten Kurve zu stürzen. Ich glaube, man hat auch gesehen, wie zögerlich ich da gefahren bin. In den letzten Jahren sind oft Leute, die sich zum ersten Mal als schnellste qualifiziert haben, im Rennlauf gestürzt und ich wollte nicht dazugehören. Bei den Top 30/Top 20 hat es reingeregnet – entsprechend hat’s mich im ersten Wald fast hingelegt, an einer Stelle, an der ich nicht damit gerechnet hatte, dass es rutschig sein könnte.
Von dort an war es etwas komisch: Das Mindset war zwar teilweise „gib Gas“, aber es war schwierig, das umzusetzen, weil es stellenweise so rutschig war und man auf der Strecke einfach nicht stürzen möchte. Je weiter ich nach unten gekommen bin, desto mehr konnte ich die Fans hören. Als ich im letzten Steilstück an der Zwischenzeit war, wurde es laut und ich dachte mir, ob das jetzt wirklich der Lauf ist, mit dem ich meinen ersten World Cup gewinne. Aber ich glaube, im Rennlauf sollte man nicht an sowas denken.
Am Zielsprung konnte ich schon sehen, dass ich hinten dran bin. Zweiter Platz im Ziel … darüber war ich in den ersten 15 Minuten überhaupt nicht happy, muss ich wirklich sagen. Aber im Nachhinein bin ich mehr als glücklich. Ich bin trotz des ganzen Drucks nicht gestürzt, hätte vielleicht manches auch besser machen können – aber das weiß ich nun für die Zukunft. Zweiter in Val di Sole, Vierter im Gesamt-World Cup – da ist einfach ein mega Traum in Erfüllung gegangen! So wie ich in die Saison gestartet bin, hätte ich niemals glauben können, dass es sich in diese Richtung entwickeln könnte. Mein Ziel war, einmal aufs Podium zu kommen … jetzt hat es fünfmal geklappt und dazu noch das Podium im Gesamt-World Cup. Das ist mega cool und schwer zu beschreiben, wie glücklich ich darüber bin.
In diesem Sinne noch mal ein riesengroßes Danke an alle Fans und speziell an euch MTB-News-Leser. Wenn ich im Nachhinein die ganzen Videos sehe, wie viele sich mit mir mitgefreut haben, ist das einfach mega cool! Ich hoffe, das ändert auch in Österreich und im deutschsprachigen Raum etwas an der Motivation, Rennen zu fahren und dass ich zeigen kann, wie viel Spaß das macht! Ich bin wirklich sehr dankbar für alles – vielen lieben Dank!
Red Bull Hardline 2022
Warum habe ich da bloß zugesagt? Das war schon Anfang der Saison – da war ich ziemlich zuversichtlich und dachte, dass ich das auf jeden Fall hinbekomme. Dann habe ich mir allerdings an einem kleinen Sprung in England den Ellenbogen gebrochen. Seitdem hatte ich die Saison über etwas Probleme mit Sprüngen – ich hatte einfach Angst vor Stürzen. Dann war es aber so weit. Nach dem World Cup-Finale auf der super harten Strecke in Val di Sole wusste ich: Jetzt kommt noch etwas Härteres! Ich war sogar schon Wochen davor, in Les Gets etwa, nervös vor der Red Bull Hardline.
Trackwalk
Als ich dann dort war zum Trackwalk, war es schon heftig. Man fährt mit dem Pickup fast 40 Minuten auf den Berg hoch und sieht dann erst mal, wie steil der Berg ist und wie fett die Sprünge schon aus 300–400 m Entfernung wirken. Das gibt’s doch nicht! Das erste Feature, das man aus der Nähe sieht, ist der Roadgap. Da fährt man unten durch und denkt nur … puh! Die Bilder zeigen einfach gar nicht, wie abnormal groß alles ist.
Die alten Features sind alle monströs – vor allem der Roadgap – aber man sieht, dass das möglich ist. Wenn der Speed passt, ist das nicht der größte Stress. Als wir dann aber weiter runter zu den 90-Footern sind, ist mir allerdings schon schwummrig geworden. Davor haben sie einen On-Off gebaut, an dem nichts schiefgehen darf und an dem sich Dan Atherton beim Testen eine Gehirnerschütterung zugezogen hat. Bei den großen Doubles war ich mir gar nicht sicher, ob das überhaupt möglich ist, ob man mit dem Speed so weit springen kann. Darunter, die Zielsprünge und so, sahen dann schon fast klein aus – obwohl einige meinten, im letzten Jahr war das das Größte und Härteste für sie. Das ist schon krass, wie sehr der Sport mit der Hardline weitergetrieben wird. Auch die technischen Sektionen finde ich als World Cup-Fahrer ziemlich anspruchsvoll.
Training
Wir waren schon sehr früh da, weil es wettertechnisch so unbeständig ist und man Wind-Pausen nutzen muss, um ausreichend Training zu haben. Es ging dann Schlag auf Schlag: Sofort hoch zum Roadgap, von dort bis ins Ziel alles trainieren. Ich hab auf dem ersten Run alles darunter abgehakt: den Bonerlog aus dem Wald raus und den Zielkicker sowie die Flatdrops in der Mitte. Allerdings bin ich am Zielsprung sehr frontlastig geflogen, weil ich zu sehr gezogen habe, was bei einem 70-Foot-Sprung (21 m) ganz schön angsteinflößend war. Außerdem war es extrem stressig, da bis auf 4, 5 Leute alle schon mal da waren und den richtigen Speed wussten. Die sind dann gleich drauflos, so schnell konnte ich gar nicht schauen. Während zu Beginn alle gemeinsam den Roadgap gesprungen sind, stand ich nur obendrauf und habe schockiert geschaut. So habe ich mich gemeinsam mit Phil Atwill und Jess Blewitt zunächst nicht getraut.
Wir sind dann direkt hoch zum Start und haben den Cannonball und den Renegade-Metall-Sprung geübt. Das hat gut funktioniert und auch die technischen Sektionen gefielen mir gut. Das war der Moment, in dem ich anfing, Spaß zu haben – bis dann der Regen kam und wir runtermussten. Ich bin dabei allerdings Gee hinterhergefahren und der hat mich dann zum Glück über den Roadgap gezogen. Ich bin es am Wochenende dann noch 5–6 Mal gesprungen, wenn keiner da war. Mit Zuschauern auf so großen Sprüngen ist es für mich einfach schwierig, da ich mich dann gezwungen fühle. Alleine hingegen mache ich das eigentlich ganz gerne.
Red Bull organisiert immer ein cooles Rahmenprogramm – an dem Tag war das Paintball spielen. Wir haben uns dann zwei Stunden dermaßen mit Paintball-Kugeln abgeballert, dass jeder blaue Flecken hatte. Das war ein mega Spaß. In der Zwischenzeit ist eine Crew mit Kerr, Gee, etc. hoch zu den großen Doubles und hat die eiskalt gemacht, wobei es allerdings Bernard Kerr übel erwischt hat. Da hat man gesehen, wenn da etwas schiefgeht, ist es auf jeden Fall nicht schön anzusehen.
Am nächsten Tag dachte ich, wenn der Wind passt, dann springe ich die Geräte – am besten wieder, wenn es keiner erwartet. Ich bin oben noch den Felsdrop gesprungen, der auch nicht gerade klein ist, aber eher ein Race-Feature, also mein Style. Danach bin ich den On-Off gesprungen und ein paar Jungs nach auf die 90-Footer zu … aber das hat sich für mich nicht gut angefühlt. Dann hat es auch noch Kaos Seagrave ziemlich aufgestellt, der war zu kurz beim zweiten Double. Das war für mich der Moment, wenn sich Kaos und Bernard verschätzen und sich George Brannigan am On-Off, den ich noch einfach fand, das Schlüsselbein bricht … da passieren Dinge, die man nicht kontrollieren kann. Wenn ich auch auf einer World Cup-Strecke Dinge habe, die ich nicht kontrollieren kann, dann lasse ich das, das ist zu gefährlich. Und so habe ich mich auch entschieden, nicht mitzufahren.
Ich hab bis zum Renntag dann trotzdem noch ein paar Sessions mitgemacht und hatte Spaß und hab mich wohlgefühlt. Das war eine schwierige Entscheidung – ich wäre richtig gerne mitgefahren. Aber für mich war das Verletzungsrisiko zu hoch, ich wollte die Saison gerne unverletzt beenden und meinen baldigen Urlaub genießen. Ich habe einen mega Respekt vor jedem, der da mitfährt und kann nur raten, dort mal hochzufahren und sich das Rennen anzuschauen. Nächstes Jahr soll es noch mal härter werden – laut Gee Atherton war es zu einfach! Ich möchte gerne noch mal mitfahren und hab das nicht abgehakt … aber mal sehen, ob es schon nächstes Jahr so weit ist!
Was sagst du zu Andis Saisonabschluss – wird der Österreicher im nächsten Jahr wieder um den Sieg mitfahren?
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