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Hausbesuch Einhorn Bikes
Rahmenbau in Europa

Einhorn Bikes ist ein kleiner Betrieb in Oberbayern, der exklusive Maßrahmen in Stahl, Titan, Aluminium und Carbon konzipiert und komplettiert. Ich habe mich vor Ort mit Christoph Lindner, dem „Züchter“ der Einhörner, getroffen und mich mal im „Stall“ umgesehen.

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Ich habe Einhorn vor bereits 6 Jahren auf einer exklusiven Messe für handgebaute Fahrradrahmen kennengelernt. Das kleine Unternehmen hat sich in dieser Zeit in seinen Möglichkeiten weiterentwickelt, ist aber immer noch ein kleiner Betrieb, der Rahmen auf Kundenwunsch fertigt. Im vergangenen Herbst habe ich einen Wochenendabstecher nach Samerberg in Oberbayern gemacht, um mir Einhorn Bikes einmal genauer anzusehen. Ich habe mit Christoph über die Entstehung, Möglichkeiten und Grenzen von Einhorn Bikes gesprochen.

Anfahrt und erster Eindruck

Samerberg liegt direkt an der A8 zwischen München und Salzburg, kurz hinter dem Autobahndreieck Inntal und kurz vorm Chiemsee. Direkt nach der Autobahnabfahrt geht es bergauf, und nach 4 Kilometern und einigen Serpentinen erreicht man den Ortsteil Samerberg. Der Stall, wie sich Werkstatt und Verkaufsraum der Einhorn Bikes passend nennt, liegt direkt an der Hauptstraße.

# Der Einlass in den Einhorn-Stall.

Ich betrete saubere und aufgeräumte Räumlichkeiten, alles gut ausgeleuchtet. Ich treffe auf viel Holz, viel Metall, viele Bauteile, und es finden sich verschiedenste Räder aus den unterschiedlichsten Materialien.

# Viele Materialien und Anbauteile liegen vor Ort bereit - so kann der Kunde einen guten Eindruck davon gewinnen, was er sich zusammenstellen kann
# Viele verschiedene Vorführräder unterschiedlicher Materialen zeigen...
# .. was machbar ist und wie es umgesetzt werden kann
# Kundenwünsche können in unterschiedlichen Materialien umgesetzt werden, in Aluminium, wie dieser einhorn 151 29+ Rahmen...
# ...oder sehr exklusiv in Titan, wie dieser in Italien gefertigte Pinion Rahmen: einhorn 131 mit 650b Laufrädern.
# einhorn 125 und 126: zwei 29er Stahlrahmen
# Das einhorn in den Bayerischen Alpen.
# Der außergewöhnliche Aufbau des einhorn 125, fertig mit Lefty und Rotor 2fach Kurbel.
# Geschmackssache, aber sicher einzigartig: das einhorn 116 29er im bayerischen Gewand

Im Einhorn Stall erwartet mich Christoph Lindner, Geschäftsführer und einer der Gründer von Einhorn Bikes.

Interview

MTB-News: Hallo Christoph, schön dich hier im Einhorn Stall zu treffen. Erzähl den Lesern auf MTB-News.de etwas mehr über Einhorn: Mit welcher Idee seid ihr gestartet und woher kommt dieser außergewöhnliche Name?

Christoph: Als wir im Herbst 2008 nach dem Namen für unsere Bikes gesucht haben, waren wir in den Berchtesgadener Alpen unterwegs, im Nebel am Untersberg entlang. Wir wollten, dass unsere Bikes etwas Besonderes werden, individuell auf den Nutzer zugeschnitten, jedes Bike ein Einzelstück. Und dann kam uns das Einhorn in den Sinn – ein ungewöhnlicher Name, der aber perfekt zu unserem Unternehmen passt. Wir wollten ein Unternehmen schaffen, das nicht auf Wachstum und Stückzahl ausgelegt ist, etwas diametral Entgegengesetztes zur Bikeindustrie.

Zu eurer Geschichte: Was war euer Antrieb?

Wir waren in 2007/2008 mit dem Studium fertig, meine Freundin und nun bessere Hälfte Solvejg, mein bester Kumpel Georg und ich. Das war die Zeit, als viele kleine Hersteller in Deutschland geschlossen haben und die ganzen Großen auch die letzten Produktionen nach Fernost verlegt haben. Wir wollten hier einen kleinen Gegenpol schaffen. Gleichzeitig wollten wir etwas von der Schnelllebigkeit und dem Jahrgangsdenken der Globalplayer weg. Ein bewussteres, etwas nachhaltigeres Konsumieren lag uns im Sinn. Wer sich bei uns ein Rad bauen lässt, macht sich mehr Gedanken über die eigenen Bedürfnisse und bekommt ein Rad, das zu ihm oder ihr passt und das nicht nach einer Saison zum alten Eisen gehört.

Mit diesen Ideen im Kopf wollten wir sehen ob so ein Unternehmen tatsächlich funktionieren kann. Problematisch war zu Beginn die Produktseite, wir sind selbst keine Rahmenbauer, also haben wir nach kleinen und feinen Rahmenbauern in Deutschland und Italien gesucht, die jeden einzelnen Rahmen nach unseren Vorgaben fertigen. Wir möchten die Handwerkskunst des Rahmenbaus in Europa unterstützen und fördern und sind sozusagen die Bauleiter: Wir arbeiten die Wünsche und Bedürfnisse unserer Kunden heraus und nutzen die Erfahrung und Expertise unserer Rahmenbauer, um sie in Stahl, Alu, Titan und nun auch Carbon zu gießen.

# Chef fährt selbst: Christoph Lindner mit dem Einhorn 175 Ultimate am Gardasee. Detailbilder und mehr Informationen findet ihr bei den Impressionen.

Wie habt ihr euch in der Branche etabliert?

In den ersten Jahren haben wir vor allem viel entwickelt, ausprobiert und selbst getestet. Wir machen eigentlich keine Werbung, aber arbeiten mit spannenden Kooperationen in der Branche, um besondere Bikes entstehen zu lassen. Das einhorn 50 haben wir beispielsweise auf der Eurobike mit Chris King gemeinsam ausgestellt. Andere Kooperationen gibt und gab es aber auch mit Bike Ahead Composites, Hope, Acros, Tune, PMP und B.O.R. Seit kurzem kooperieren wir zudem mit Relo und verbauen auf Wunsch ihre Nachrüstmotoren. Wir probieren einfach gerne Neues aus und rufen dann bei sympathischen Herstellern auch mal an, was wir gemeinsam auf die Beine stellen können. Man muss dazu aber auch sagen, dass wir Räder aus Passion bauen, nebenberuflich, und ohne den Druck, damit unseren Lebensunterhalt finanzieren zu müssen. Natürlich soll es sich auch ein wenig rechnen, aber wir nehmen uns die Freiheit, alles zu versuchen was uns interessiert, Innovationen zu testen, neue Radtypen auszuprobieren, und so weiter. Crossover, Neues wie B+ und 29+ haben wir beispielsweise sofort ausprobiert. Als 27,5 Zoll in unseren Breiten aufkam, waren wir bei den Allerersten dabei, die das Format in eigenen Geometrien umgesetzt haben. Inzwischen haben wir seit unserer ersten Saison 2009 mehr als 180 Räder gebaut, jedes davon ist ein Einzelstück.

Was baut ihr?

Wir haben angefangen mit Mountainbikes, jedoch sind bei den ersten zehn Rädern auch schon ein Rennrad und Trekkingrad dabei gewesen. Angefangen haben wir mit Alu. Wir haben eine ganze Zeit nach dem passenden Rahmenbauer gesucht – da war auch viel Ausschuss dabei – bis wir mit der Qualität zufrieden waren. Unsere Aluminiumrahmen werden in Italien nach unseren Vorgaben geschweißt.

Nach den Alurahmen haben wir mit Stahl begonnen, da haben wir mit einem spannenden Kontakt zu Franz Funk von Cubetto in Regensburg begonnen. Nahezu gleichzeitig haben wir auch mit Titan angefangen, hier arbeiten wir mit einem bekannten südtiroler Titanrahmenbauer zusammen. Mittlerweile haben wir auch vollständig in Italien gefertigte Carbonrahmen im Programm. Uns ist der persönliche Kontakt sehr wichtig! Wir kennen alle unsere Rahmenbauer persönlich und können uns davon überzeugen, dass die Herstellung, die Qualität und die Rahmenbedingungen der Fertigung vernünftig sind.

# Einhorns Interpretation eines 29+ Mountainbikes mit Manitou Magnum und Panaracer Bereifung im Hochries.

Kommt es beim Kontakt mit Kunden, euch und dem Rahmenbauer nicht auch zu Verständigungsproblemen?

Das es im Produktionsprozess Probleme geben kann, kann man nie vollständig ausschließen, aber wir minimieren das erfolgreich. Der Kunde bekommt das Produkt, das er bestellt hat. Wir sind immer direkter Ansprechpartner bei allen Fragen und Problemen und lassen erst locker, wenn der Kunde glücklich ist.

Wie sieht es mit der Fertigung in Carbon aus? Hier ist der Markt mit Maßrahmen ja überschaubar?

Bei Carbon haben wir 2015 unsere ersten Tests mit neuen Rädern abgewickelt. Wir waren sehr skeptisch dem Material gegenüber. Wir haben einen Betrieb gesucht, der mit großer Erfahrung und Kompetenz aufwartet. Die Testräder haben uns überzeugt und wir können nun Rennrad, Crosser, und Hardtails in allen Laufradformaten anbieten. Alle Rahmen werden nach unseren Vorgaben auf Maß in Italien gefertigt.

Ihr baut auch vollgefedert: Was genau habt ihr da im Programm?

Das Alufully steckte bei uns etwa zwei Jahre in der Entwicklung. Wir haben auch da mit einigen verschiedenen Herstellern gesprochen, bis wir schließlich einen deutschen Hersteller gefunden haben, der die Rahmen im eigenen Haus produziert. Es gibt nun einen 120 mm 29er, der vorne Gabeln zwischen 120mm und 140mm verträgt. Zudem gibt es den Rahmen auch für 27,5er Laufräder mit 120 oder 140 mm Federweg am Heck und 120 bis 160 mm vorne. Ein Rahmen für die Aufnahme von B+ Laufrädern ist möglich. Preislich liegt ein solcher Rahmen bei etwa 2400 Euro, mit Dämpfer auf Maß gefertigt und einfarbig pulverbeschichtet.

# Das einhorn 132 , ein rassiges Vollgefedertes mit bis zu 140mm Federweg
# Die Geometrie des Hauptrahmens ist nach Kundenwunsch anpassbar.

Wie läuft ein Bestellprozess bei euch ab?

Der Kunde bekommt zu Beginn eine umfangreiche Beratung, bei der er erläutert, was er möchte und für welchen Einsatzzweck es geplant ist. Er nennt uns zudem seinen Preisrahmen und eventuell die Wunschfarbe. Wir erstellen daraufhin ein erstes Bike CAD Pro Modell und eine Übersicht über Gewichte und mögliche Bauteile. Anschließend werden die weiteren Details und Änderungswünsche besprochen und eingepflegt. Dann geht es in die Fertigung, und sodann erhält der Kunde nach etwas Wartezeit sein individuelles Einhorn.

# Bike CAD Geometriezeichnung mit Silhouette des Rades. Hier für das einhorn 650b AM.

Es klingt so, als könntet ihr fast alles umsetzen – wo sind die Grenzen?

Wir sind sicherlich einer der vielseitigsten Custom-Hersteller: Prinzipiell kommen für alle Bikes die Rahmenmaterialien Aluminium, Stahl, Carbon und Titan in Frage (nur Fullies bieten wir derzeit ausschließlich in Aluminium an). Das führt dazu, dass wir für jeden Kunden auch das zum Einsatzzweck und zur Fahrerpersönlichkeit am Besten passende Material verwenden können. Ebenso bei den Laufradgrößen: für alle Bikegattungen sind 26″, 650b und 29er Laufräder verfügbar, mittlerweile ergänzt um 26+, B+ und 29+. Bei den Antrieben alle Kettenschaltungen, Rohloff, Alfine, Pinion und Schlumpfgetriebe. Die Möglichkeiten sind enorm, und wir bieten mit unserer Erfahrung aus mittlerweile gebauten 180 Einhörnern und unzähligen Materialtests den Kompass durch diese vielen Wahlmöglichkeiten. Am Ende steht ein Unikat, wir haben bisher noch keine zwei identischen Bikes gebaut.

Andererseits beraten wir natürlich auch ehrlich über das was nicht geht oder wir nicht für sinnvoll erachten und kümmern uns um Alternativen. So kann es gut sein, dass man z.B. mit der Vorstellung nach einem Rohloff-Carbon-Randonneur zu uns kommt und wir ihm oder ihr nach ausführlichen Gesprächen und einigen Beispielkonzepten dann einen Titan-Crosser mit 1×11 Schaltung bauen. Da wir nicht weiter wachsen brauchen haben wir auch keinen Verkaufsdruck und empfehlen auch schon mal Kunden an andere Hersteller weiter, wenn wir das Gefühl haben, dass sie dort einfach besser aufgehoben sind.

Ist es euch dann auch möglich, beispielsweise ein Carbonrad mit Pinion zu bauen?

Pinion mit Carbon wäre möglich, hat aber bei den bisherigen Kunden nicht so viel Sinn ergeben. 350 Gramm Gewichtsvorteil gegenüber Alu und 1500 Euro teurer…. da Pinion-Bikes ja zumal fürs etwas robustere Gelände sein sollen, ist dann eher Titan das Material der Wahl. Eventuell würde es bei einem Trekking- oder Rennrad eine gute Wahl sein.

Christoph, ganz herzlichen Dank für deine ehrlichen und umfangreichen Antworten. Wir wünschen weiterhin viel Erfolg mit euren individuellen Einhörnern.

Projekte und Impressionen

Die Möglichkeiten sind vielseitig und auf der Homepage von einhorn und im verlinkten Album finden sich weitere Impressionen. Hier ein paar hervorstechende Aufbauten unterschiedlicher Materialien.

Rahmenmaterial Stahl

# einhorn 175: 29er Ultimate. Christophs Diensteinhorn. - Columbus Spirit Stahlrohr mit XTR Customkurbel 38/26 und 10-42 SRAM Kassette, bike ahead biturbo rs Laufräder und trailtauglichen WTB 2.25er Reifen, Gesamtgewicht 9.79 kg
# Ein Mix aus Stahl und Carbon. - Headbadge und feine Details.

Einzigartiges aus Titan

# einhorn 131: pinion Ti 650b superlite mit 10,38kg - © Fotodesign Pielenz
# einhorn 131: Pinion Ti mit Kette (Riemen ist möglich) - © Fotodesign Pielenz
# einhorn 131: Pinion Ti mit interner Zugführung
# einhorn 131: Pinion Ti mit Carbon, Alu und Titan
# einhorn: 142 Ti - © Fotodesign Pielenz
# einhorn 154: Ti 29er superlite mit 8,32kg - © Fotodesign Pielenz
# einhorn 154: Ti 29er superlite - © Fotodesign Pielenz

Mountainbikes aus Aluminium

# einhorn 156: AM fully mit 11,95kg - © Fotodesign Pielenz
# einhorn 121: 650b lefty mit 8,98 kg - © Fotodesign Pielenz

Edelstes in Carbon

# einhorn 167: Carbon 29er mit 8,38kg (7,97kg mit Schwalbe Racing Ralph 2.1) - © Fotodesign Pielenz

Carbon, in Handarbeit in Italien gefertigt. Christoph gab zu, selbst lange skeptisch mit Carbon gewesen zu sein. Überzeugt hat ihn die Präzision und die Liebe fürs Detail, die die italienischen Rahmenbauer an den Tag gelegt haben. Hier wird fasergerecht gearbeitet und auch Reparaturen sind im Unglücksfalle möglich. So wurde Carbon zur Alternative zum Stahl und Titanrahmen.

# einhorn 163: corsa carbon tune mit 6,1 kg - © Fotodesign Pielenz

E-Bikes mit Relo Nachrüstmotoren

Seit Ende 2015 kooperiert Einhorn zudem mit Relo aus Nürnberg, erste Eindrücke der mit E-Antrieb ausgerüsteten Einhörner fanden sich bereits auf der Berliner Fahrradschau.

# Umfangreiche Ausfahrt des einhorn 100 mit Relo Nachrüstmotor am Lago del Garda.
# Der Motor sitzt in der unteren der beiden abnehmbaren Einheiten.
# Hier an einer Hollowtech II Kurbel angeflanscht.

Der Relo Antrieb kann an die meisten Kurbeln angeflanscht werden, ob nun Vierkant, ISIS, Hollowtech I und II oder GXP Lager. Entsprechende Adapter liefert Relo mit, es verändert sich der Q-Faktor der linken Kurbel geringfügig.


Weitere Informationen

Webseite: www.einhorn-bikes.de
Text & Redaktion: André Joffroy | MTB-News.de 2016
Fotos: Einhorn Bikes, Fotodesign Pielenz

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