Schwalbe Magic Mary & Rock Razor im Test: Es ist gar nicht lange her, da verkündete man bei Schwalbe, einen speziellen Reifen für Enduro-Fahrer zu präsentieren und über den Namen (ohne Details zum Produkt bekannt zu geben) bei Facebook abzustimmen. Zur großen Überraschung aller Beteiligten wurde es weder Gundula Gause noch Klaus Kleber. Stattdessen entschieden sich die Online-User und Team-Fahrer für Rock Razor – erst danach offenbarte Schwalbe, um was für einen Reifen es sich eigentlich handeln würde: Einen Spezialisten für trockene Bedingungen nämlich.

Auf den meisten Böden, solange trocken, kommt Rock Razor am Hinterrad sehr gut klar
# Wie speziell ist Rock Razor wirklich? Und wie magisch Magic Mary? Ausprobiert.

Zeitgleich stellte man einen zweiten neuen Reifen vor, bei dem der zuvor irreführende Name angepasst wurde: Magic Mary, die Nachfolgerin von Muddy Mary, weiterhin eine Allrounderin, nur dass sie jetzt nicht mehr mit einem Matschreifen verwechselt werden sollte. Namen sind aber ohnehin nur Schall und Rauch, auf das Produkt kommt es an! Und auch da hatte sich was getan: Fort an führte Schwalbe nämlich die “Super-Gravity” Karkasse flächendeckend ein und verabschiedete sich größtenteils von konventionellen DH-Reifen mit Doppelkarkasse. Mit insgesamt vier Modellen sollen so Racer und Freerider für jede Witterungsbedingungen bedient werden: Magic Mary und Hansdampf als Allrounder; Dirty Dan für nasse Tage und neu Rock Razor für trockene Bedingungen.

Nicht mehr Muddy, sondern Magic - passt auch besser zum Einsatzbereich
# Nicht mehr Muddy, sondern Magic – passt auch besser zum Einsatzbereich

Schnell kristallisierte sich heraus, dass Rock Razor sich vor allem am Hinterrad großer Beliebtheit bei Rennfahrern erfreut: Hier ist der Grip wegen des stabilisierenden Verhalten beim Wegrutschen nicht ganz so entscheidend, und der Rollwiderstand wegen der höheren Radlast in Tretpassagen umso entscheidender. Zwar setzen vereinzelt Enduro-Racer auch am Vorderrad auf den flach profilierten Spezialreifen, wirklich alltagstauglich ist diese Besetzung aber sicherlich nicht. Am Vorderrad fuhren Schwalbe-Fahrer im Renneinsatz stattdessen verbreitet den Neuling Magic Mary – wir haben genau diese Kombination deshalb ausprobiert. Da wir außerdem noch gespannt waren, wie tourentauglich die neue Karkasse wirklich ist, haben wir die beiden Reifen jeweils einmal mit herkömmlicher Einfach-Karkasse und einmal mit Super-Gravity-Karkasse ausprobiert.

Gewicht

700g weniger verspricht Schwalbe Downhillern durch Super Gravity – an rotierender Masse. Das erreicht man, wenn man an beiden Reifen einen DH-Reifen mit Doppelkarkasse demontiert und die Super Gravity Reifen schlauchlos montiert. Für Enduristi, die bisher mit Schlauch und Einfachkarkasse unterwegs waren und auf Tubeless-SG umsteigen, ändert sich am Gewicht eigentlich wenig, und für Enduristi, die weiterhin mit Schlauch fahren, bedeutet die dicke Seitenwand etwa 400g Mehrgewicht pro Satz Reifen.

Wenig Profil, dünne Karkasse - der Rock Razor ohne SG ist der leichteste der vier Reifen Gleiche Karkasse, aber wesentlich mehr Gummi - ganze 160g wiegt Magic Mary mehr. Für nochmals 180g mehr gibt es die Super-Gravity-Karkasse, die auch besser schlauchlos gefahren werden kann. Im Falle unseres Rock Razor schlägt die SG-Karkasse sogar mit 220g mehr zu
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Magic-Mary

Ein Allround-Reifen soll sie sein, die neue Mary. Dafür sieht der Reifen ganz schön böse aus, mit seinen groben Stollen auf Lauffläche und Schultern. Am Vorderrad haben wir uns für die Gummimischung “Trailstar” entschieden, die einen Kompromiss aus Rollwiderstand und Grip bieten soll. Bei der Nagelprobe ist sie spürbar weicher als die Pace-Star-Mischung, welche wir am Hinterrad wählen, um den Rollwiderstand zu senken. Denn unser Einsatzbereich soll nicht Downhill, sondern Enduro-Touren und nur vereinzelt Freeriden im Bikepark sein.

Grobian - Magic Mary mit deftiger Profilierung
# Grobian – Magic Mary mit deftiger Profilierung

Was kann man sagen? Der Reifen rollt zunächst einmal nicht überragend, aber mit Rücksicht auf die massiven Stollen voll akzeptabel. Der leicht erhöhte Rollwiderstand fällt vor allem auf Überführungsetappen über Schotter und Asphalt auf. Erreicht man erst einmal weicheres Geläuf stört das kaum noch. Der Grip ist, das muss man auch sagen, vor allem auf tiefem und losen Grund erstklassig. Auf hartem Untergrund merkt man die hohen Stollen, die für eine etwas indirektere Übertragung der Lenkbefehle sorgen, aber dennoch zuverlässig greifen. Auch auf Wiesen und matschigen, tiefen Böden fräst die Schwalbe Magic Mary sicher ihre Bahn – sicher nicht magisch, aber auf einem Top-Niveau. Das gilt für den Kurvenhalt, aber auch für die Bremstraktion, die auch in steinigem Geläuf voll zu überzeugen weiß.

In so alpinem Gelände macht erst die Kombination aus weichem Gummi und dicker Karkasse richtig Laune
# In so alpinem Gelände macht erst die Kombination aus weichem Gummi und dicker Karkasse richtig Laune

Auf grobem Schotter, wie hier am Parpaner Rothorn, wird man mit den normalen Reifen und dem folgenden Luftdruck ordentlich durchgeschüttelt...
# Auf grobem Schotter, wie hier am Parpaner Rothorn, kann Magic Mary (in der weicheren Gummimischung) einen starken Eindruck hinterlassen und ist dem zweiten Allrounder in der Schwalbe-Kollektion, dem Hansdampf, ganz deutlich überlegen.

Die von Schwalbe häufig als „wichtig“ vermarktete Dämpfung ist gut, aber nicht ganz so satt wie an einem ehrlichen Downhill-Reifen, aber dazu mehr im Kapitel “Super-Gravity”. Die Variante ohne verstärkte Seitenwand würden wir auch All-Mountain-Piloten empfehlen, die einen robusten Reifen mit viel Grip suchen. Den bezahlt man jedoch auch mit einem erhöhten Rollwiderstand verglichen mit enorm leicht laufenden Reifen wie Ardent, Nobby Nic und Konsorten.

Magisch vielleicht nicht, aber doch ein richtig guter Allrounder - Magic Mary in der neuen 2,35er Breite
# Magisch vielleicht nicht, aber doch ein richtig guter Allrounder – Magic Mary in der neuen 2,35er Breite

Auch zum Volumen der neuen Reifen sollte ein Wort verloren werden: Bisher war Schwalbe dafür bekannt, enorm fette 2,4” Schlappen anzubieten. Das ist nun vorbei, jetzt gibt es nichts über 2,35”, und obwohl nur 0,05” verloren wurden: Der Unterschied ist sicht- und spürbar. Der Verschleiß der Trailstar-Gummimischung hält sich auch für Tourenfahrer in erträglichen Grenzen. Wer ein Maximum an Grip sucht wird auch die mittlere Variante als noch zu stark auf Haltbarkeit und Rollwiderstand optimiert empfinden, dann lohnt der Blick auf das Vertstar-Compound.

Rock Razor

Der neue im Bunde ist, wie gesagt, ein Spezialist für trockene Böden. Das sieht man ihm sofort an: Kleine, flache Stollen auf der Lauffläche würden in weichem, nassen Untergrund kaum tief genug eindringen um Halt finden zu können. Stattdessen knicken sie aber auch nicht so stark um, wie es größere Stollen tun, und lassen so weniger Energie verpuffen. Auffällig sind aber auch die – anders als bei anderen Reifen dieser Gattung wie den Maxxis Larssen TT – sehr massiven Seitenstollen. Profiltechnisch ähnelt Rock Razor somit vielleicht am meisten einem Lopes Bling Bling oder einem Highroller Semi Slick.

Greifen ordentlich zu: Die massiven Seitenstollen
# Greifen ordentlich zu: Die massiven Seitenstollen des Schwalbe Rock Razor

Viele Akronyme, klare Einteilung: Leichte Seitenwand, hartes Gummi
# Viele Akronyme, klare Einteilung: Leichte Seitenwand, hartes Gummi

Die flache Lauffläche geht rund in die Schulterstollen über
# Die flache Lauffläche geht rund in die Schulterstollen über

Wie fährt sich das? Ganz klar: Angenehm leise und leicht. Mit dem Rock Razor lässt es sich gut Gas geben, egal ob Schotterstraße oder bockelharte Steilkurve auf dem Hometrail. Die feine Verzahnung sorgt dabei stets für guten Halt, vor allem auch auf sandigen Böden oder auf Brechsand. Schwalbe hat hier, ob wissentlich oder nicht sei dahin gestellt, auch einen hervorragenden Reifen für viele Bikepark-Strecken in Deutschland geschaffen, z.B. den Freecross in Winterberg oder die 4X-Strecke in Wildbad. Denn wenn man den guten „Rock“ auf die Probe (auf die Kante) stellt, dann zeigt er, dass seine Seitenstollen nicht nur Show sind, sondern auch solide zupacken können. Dank des gleichmäßigen Überganges von Lauffläche zu Schulterstollen neigt man sich sanft in Kurven und surft in Schräglage auf dem Hinterrad durch Anlieger.

Ein Traum: Rock Razor auf Brechsand.
# Ein Traum: Rock Razor auf Brechsand.

Bremstraktion darf man unterdessen nicht wirklich erwarten, obwohl sich hier im direkten Vergleich schön erfahren ließ, wie viel besser das selbe Profil in der weicheren Gummimischung sich zu halten vermag. Für wirklich steile Strecken ist der Reifen also nur im Vollgas-Modus was, Bremsen können viele andere Reifen besser. Positiv bleibt hingegen der Eindruck auf Steinen in Erinnerung: Viel Kontaktfläche sorgt hier für viel Grip, und das ganz ohne Schieben über wegknickende Stollen – wird er seinem Namen also doch noch gerecht.

Je nach Geschmack ist bei Regen, Laub und Herbst entweder Schluss mit Lustig oder der Spaß fängt gerade erst an. Fakt ist in jedem Fall: Bei solchen Bedingungen reichen stabile Seitenstollen nicht mehr aus, Rock Razor rutscht fröhlich durch die nassen Tage. Der Verschleiß hält sich auch hier in Grenzen, allerdings ist mit den flachen Stollen auch nicht wirklich viel wegzureiben, bevor man einen reinen Semi-Slick fährt.

Konnten die Facebook-Nutzer nicht wissen. Rock Razor ist ein Park-Spezialist.
# Konnten die Facebook-Nutzer nicht wissen. Rock Razor ist ein Park-Spezialist.

Super Gravity

Das beste aus zwei Welten soll es sein: Geringer Rollwiderstand dank flexibler Lauffläche, gute Dämpfung und Durchschlagschutz dank dicker Seitenwand. Wir haben den unmittelbaren Vergleich angestellt und müssen sagen: Jain, stimmt nur fast. Denn tatsächlich rollt der Super Gravity Reifen deutlich besser als ein purer Downhill-Reifen und nur etwas schlechter als der Reifen mit Einfach-Karkasse, doch Mountainbiken wäre nichts ohne Geschwindigkeits- und Richtungswechsel. Und bei denen merkt man die 400 Gramm mehr (pro Fahrrad, ehrlicher Vergleich Schlauch-Schlauch oder Tubeless-Tubeless) dann eben doch, ganz genau so wie bei einem Twentyniner. Die größeren Kreiselkräfte sorgen einfach für Trägheit, aber auch Spurtreue.

Spürbar mehr Dämpfung, ziemlich wie klassische DH-Reifen mit Doppel-Karkasse
# Spürbar mehr Dämpfung, ziemlich wie klassische DH-Reifen mit Doppel-Karkasse

Heißt konkret: Man kann mit Super Gravity wirklich einen dickeren Reifen mit auf Touren nehmen – am Abend merkt man es aber weiterhin. Was man dafür bekommt? Nicht ganz die Eigenschaften eines vollwertigen Downhill-Reifens bergab, aber doch eine gute Portion davon. Man kann geringeren Reifendruck fahren, ohne Durchschläge zu bekommen, die Dämpfung ist spürbar stärker, aber eben doch nicht ganz so satt wie von den noch schwereren, noch weicheren Reifen bekannt. Heißt: Auch Schwalbe kocht nur mit Wasser, aber der Kompromiss gelingt: Das mehr an Abfahrtsperformance fällt nämlich definitiv größer aus als der Verlust an Tourentauglichkeit.

Die gesteigerte Trägheit der SG-Reifen kann bergauf sowohl helfen als auch ausbremsen
# Die gesteigerte Trägheit der SG-Reifen kann bergauf sowohl helfen als auch ausbremsen

Die Reifen lassen sich auch sehr gut Tubeless aufbauen, was dann im direkten Vergleich zu vollen DH-Reifen am Komplettrad 700g spart und von den Eigenschaften nah dran kommt – super Tuning-Maßnahme. Für Enduro-Fahrer, die bisher mit Einfach-Karkasse unterwegs waren, bedeutet Super Gravity jedoch meist ein Mehrgewicht von ca. 300-400g am Fahrrad. Mehrgewicht, das jedoch sicher gut investiert ist, da man sich mit mehr Dämpfung und niedrigerem Reifendruck einfach sicherer fühlt und schneller über Wurzeln und Steine rasen kann.
Enduristi und Freeridern würden wir Super Gravity daher guten Gewissens empfehlen – doch wie sieht es mit Downhillern aus? Hier kommt es absolut auf die Vorliebe an. Wer gern an rotierender und ungefederter Masse sparen will, um schneller zu beschleunigen und sein Rad agiler zu machen, der wird jubeln. Wer aber gerade schätzt, dass sein Rad gnadenlos gut die Spur hält, der wird die verringerte Trägheit und leicht verringerte Dämpfung wohl nicht schätzen.

Weniger Platten? Können wir bestätigen, auch wenn Mathias Marschner von Trailexperience hier die Luft aus ging - ohne Super Gravity.
# Weniger Platten? Können wir bestätigen, nur Mathias ging hier die Luft aus – ohne Super Gravity.

Bleibt noch eine Frage: Hat man mit der dünneren Lauffläche auch ein erhöhtes Pannenrisiko? Theoretisch können Dornen, Scherben und scharfe Steine natürlich leichter durch die Lauffläche dringen – in der Praxis haben wir jedoch auch bei Aufbau mit Schlauch keinen solchen Plattfuß gefahren, obwohl es genügend Gelegenheit dazu gegeben hätte. An sich schreit die Tubless-Fähigkeit aber natürlich danach, genutzt zu werden, womit auch dieses Risiko gemindert wird. Der Durchschlagschutz liegt wohl ziemlich nah an dem eines Reifen mit vollständiger Doppelkarkasse.

– Für wen von euch kommt ein eher spezieller Reifen wie der Rock Razor überhaupt in Frage? Oder werden die Reifen nur gewechselt, wenn sie runter sind?

  1. benutzerbild

    21XC12

    dabei seit 10/2011

  2. benutzerbild

    criscross

    dabei seit 06/2009

    zieh den erstmal auf....das passt schon....

  3. benutzerbild

    Enginejunk

    dabei seit 03/2010

    sind die nagelneu vom händler? würds reklamieren.

  4. benutzerbild

    21XC12

    dabei seit 10/2011

    Hab die Reifen bei Wiggle bestellt, aber in der Super Gravity Variante. Geliefert wurde leider die normale Snakeskin. Hätte mir auch gereicht, aber die Verarbeitung hat mich nicht überzeugt. Tja, wie beim Wein. Vielleicht einen schlechten Jahrgang erwischt. Egal, hab beide zurückgeschickt und halt zwei Maxxis beim Kollege gekauft.

  5. benutzerbild

    LarsBush

    dabei seit 04/2016

    Hey Hey, der Beitrag ist zwar schon bisschen älter, aber vielleicht liest ja noch jemand mit:
    Habe gestern verzweifelt versucht eine MM 29" 2.4 Super Gravity auf eine 29" 30mm DT Swiss Felge zu bekommen. Habe nach ner Stunde aufgegeben und den "alten Assgai wieder installiert.
    Und ja Reifen war komplett im Felgenbett ;-)

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