MTB-News.de

Auf großem Fuß
Surly „Moonlander“ im IBC-Fahrbericht

„Rollt das überhaupt noch?“„Hahaha, äh was…? Wie geil!“ … „Gib her, lass mal probieren!“„Kann man sowas kaufen?“

Vollständigen Artikel lesen …

Die Bandbreite der Reaktionen auf das Surly Moonlander könnte breiter nicht sein. Während die Einen spontan voller Abscheu auf sonderliche Bike mit den riesigen Reifen reagieren, wollen die Anderen nichts sehnlicher, als eine Runde darauf drehen. Fest steht: Ob sündhaft teurer Carbon-Renner oder fettes Downhill-Bike – kein Rad das wir bisher in der Redaktion gehabt haben hat Zuschauer auf dem Trail oder in der Innenstadt so in Aufruhr versetzt. Wie bei einem echten Promi schauen die Leute dem Surly hinterher, zeigen breit grinsend mit dem Finger darauf oder schütteln ungläubig den Kopf, wenn das überbereifte Gefährt an ihnen vorbei brummt.

4,7″ – nicht weniger messen die Reifen des Moonlanders in der Breite und sind damit auch für hartgesottene Sun Double Wide / 3,0″ Gazzaloddi – Fahrer ein unübersehbares Merkmal. In Kombination mit den 100mm breiten Clown Shoe Felgen könnten diese Reifen einem Gelände-Motorrad gut zu Gesichte stehen, doch zwischen den riesigen Rädern ist ein schlanker Stahlrahmen montiert. Das Beste ist jedoch: Surly meint den Moonlander voll und ganz ernst.


4,7″ Reifenbreite und ein Haufen spezieller Komponenten, um dem ganzen Gummi Herr zu werden – Surly setzt das Konzept „Fat Tire Biking“ konsequent in die Tat um.

Genau deshalb kommen wir ins Spiel. Das Surly Moonlander ist im Grunde genommen ein Mountainbike, aber es ist alles andere als ein normales. Keine Federung, überdimensionierte Reifen und dazwischen ganz gewöhnliche MTB-Komponenten. Wie würde sich so ein Rad fahren? Was ist überhaupt der richtige Einsatzbereich für das Moonlander? Mondlandschaften sind reichlich rar gesägt und doch soll es laut Information von Distributeur Daniel von Cosmic Sports einen Einsatzbereich für das Monster-Bike geben.


Fatties Fit Fine – Der spezielle Hinterbau am Moonlander könnte auch das Motto der amerikanischen Fastfood Gesellschaft sein.

Für deutsche Verhältnisse ist das Moonlander in etwa so normal wie Schnee im Sommer. Die meisten Menschen werden noch nie ein Bike dieser Art gesehen zu haben und auch unter regelmäßigen Lesern der gängigen Bike-Zeitschriften ist ein Fahrrad dieser Art alles andere als bekannt. Genau das wollen wir ändern: hier kommt der Fahrbericht zum Surly Moonlander.

Technische Daten


Surly Moonlander Geometrie

Im Stand

Was für ein Ungetüm. Die große Aufmerksamkeit, die das Moonlander erweckt, ist ganz klar auf die Reifen zurückzuführen. Sie dominieren die Erscheinung des Bikes und machen den Unterschied zu einem normalen Bike. Aufgepumpt mit kaum mehr als einem halben Bar Luftdruck sitzen sie bereits hinreichend gut auf der Felge und sollen dafür sorgen, dass der Fahrkomfort nicht zu kurz kommt.

Abseits der Ballonreifen kommen viele hauseigene Produkte von Surly zum Einsatz, um die breiten Reifen zu beherbergen. Besonders auffällig sind einerseits das Vorderrad mit 135mm-Nabe und andererseits der Hinterbau. Er ist stark asymmetrisch ausgeführt und ermöglicht so eine Kettenlinie, bei der trotz der mächtigen 100mm-Felge die Kette nicht mit dem Hinterreifen kollidiert. Interessanterweise wandert durch diese Konstruktion die Hinterradbremse vollständig in den Schutzbereich des Reifens, so dass auf der linken Seite des Laufrades kein Bauteil weiter absteht als der Reifen selbst.

Tricksen muss Surly auch beim Umwerfer. Während ein 100mm-Innenlager genügend Breite zur Verfügung stellt, muss der Umwerfer des 2x Antriebs mit einem extrabreiten Träger montiert werden, um weit genug vom schlanken Stahl-Sitzrohr abzustehen. Typisch Amerika: ein Schriftzug „No Step“ warnt davor, den Umwerfer fälschlicherweise als Fußabstellplatz zu benutzen.


Je nach Perspektive kommen die Rundungen des Moonlanders besonders gut zum Ausdruck.


No Step – Alles klar. Dank Sattel ist die Trittstufe am Umwerfer auch wirklich nicht nötig.

Was fällt noch auf? Mechanische Scheibenbremsen müssen am Komplettrad reichen, die Übersetzung mit 36/22 Zähnen vorne entspricht im Grunde der eines normalen Mountainbikes und der Lack in Spezialfarbe Space Black kann sich sehen lassen – zumindest wenn man auf glitzernde Farbpartikel steht. Ein letztes Detail sind die Daumenschalter für die Schaltung: Sie sind deutlich kompakter als die gewohnten Träger / RapidFire Schalthebel und geben dem Shimano XT Antrieb einen individuellen Touch.


Kompakt und von der Funktion her sehr gut: Die Daumenschalter sind die einfachste Schaltmöglichkeit aber verrichten zuverlässig und sauber ihre Arbeit.

Bemerkenswert ist, dass zur Gewichtseinsparung ein doppelt konifizierter Rohrsatz zum Einsatz kommt. Surly präsentiert sich damit als technisch anspruchsvoller Hersteller, der seine Produkte von Jahr zu Jahr besser machen und weiterentwickeln will. Die Bikes – so scheint es – sollen nicht nur anders, sondern auch wirklich gut sein. Doch wer denkt an diesem Bike an banale Dinge wie das Gewicht? Mit 16,3kg (inkl. Pedalen) liegt es ohnehin fernab jeglicher Gewichtsideale. Und das ist gut so. Denn dieses Bike will einfach nicht normal sein – und sollte deshalb auch gar nicht so behandelt werden.


Surly Big Fat Larry mit 4,7″ Breite – ein Garant für Fahrspaß und -komfort?

Auf dem Trail

Bereits auf dem Weg von der Haustüre zum Trail zeigt das Moonlander, dass es kein gewöhnliches Bike ist. Trotz des relativ hohen Gewichts lässt es sich gar nicht so schlecht beschleunigen und einmal in Fahrt bleibt die Fuhre gut in Schwung. Aber wo könnte ein solches Rad sinnvoll eingesetzt werden? Auf einem ersten Streifzug durch München sind uns zuallererst Kinderspielplätze aufgefallen. Auf Teer braucht das Rad gehörigen Nachdruck am Lenker, um Richtungsänderungen vorzunehmen. Die breiten, weichen Reifen verkeilen sich beim Lenken mit dem Untergrund und bereiten hier nur wenig Freude. Dafür sind Bordsteinkanten selten umspektakulär und jegliche Bodenunebenheit bis 10cm Höhe verliert ihren Schrecken.

Doch nun zum Kinderspielplatz. Auf Sand sieht die Welt des Moonlanders schon anders aus. Sand gibt es auf dem Mond; hier fühlt sich das Bike zu Hause; hier kann es seine Qualitäten ausspielen. Die Reifen sinken im weichen Sand nicht ein, sondern bieten gute Traktion und geringen Rollwiderstand. So nimmt das Rad schnell Fahrt auf, steuert sicher und lässt sich leicht dirigieren. Da der Untergrund sich nun nicht mehr mit dem breiten Profil verzahnen kann, sind die eben auf Teer beschriebenen Probleme Schnee von gestern. Apropos Schnee – auch auf Neuschnee sollte das Moonlander überzeugen können.


Mit dem Surly Moonlander lässt es sich vorzüglich im Wasser plantschen.

Was lernen wir daraus? Das Surly Moonlander ist kein Rad für alle Tage. Auf einem gewöhnlichen Singletrail gibt es schnellere, wendigere und komfortablere Bikes. Während die dicken Reifen auf leichten Bodenunebenheiten noch positiv zum Komfort beitragen, wirkt sich bei Wurzeln, größeren Gegenständen und anderen Hindernissen das Fehlen einer Zugstufe für die Luft im Reifen negativ aus. Je schneller und ruppiger es wird, desto mehr springt das Bike umher und macht deutlich: „Ich bin kein Mountainbike wie du es kennst.“


Solange der Boden weich und flexibel bleibt, ist das Moonlander in seinem Element. Alles abseits von Teer und festem Boden ist perfekt, solange es nicht zu ruppig ist.

Das Surly ist mehr ein Rad für ausgedehnte, gemütliche Touren entlang der Isar. Es hat nichts gegen Sand und Steine; zur Not würde es wohl auch schwimmen können (siehe Video am Ende des Artikels). Und es macht Spaß. Von der Fortbewegung her ist das Surly eine ganz neue Erfahrung, die gar nicht so verkehrt ist. Es ist puristisch. Es macht in gewisser Art und Weise Spaß. Aber es gehört auch ein Lifestyle dazu. Wer ein Moonlander sein Eigen nennen will, der verzichtet bewusst auf einige der Bequemlichkeiten, die sich viele Ingenieure über viele Jahre haben einfallen lassen. Und gewinnt damit ungefilterten Spaß.


Denn die Reifen bieten nur dann genügend Komfort ohne hin und her zu springen.

Fazit

Das Surly Moonlander ist kein Mountainbike im Sinne eines Hightech Produktes, sondern ungefilterte Verbindung zum Boden über außergewöhnliche dicke Reifen. Aber inwiefern das Spaß macht, muss jeder für sich selbst entscheiden. Unsere Meinung: Wer nicht gerade am Strand wohnt oder schon sieben Bikes in der Garage stehen hat, der braucht das Surly nicht. Es sei denn, er sucht genau ein Bike wie das Moonlander.

Weitere Informationen

Bildergalerie

Bilder von Tobias Stahl und Hannah Szwarc

[DDET Mehr Bilder? Hier zum Aufklappen!] [/DDET]

Video

Was das Moonlander auf Schnee, Sand und Wasser so alles kann ich auf youtube hinreichend dokumentiert. Hier ein kleiner Überblick.

Backflip auf dem Surly Moonlander

Wasserradfahren – zwar nicht olympisch aber definitiv spannend und erfrischend. Hoffen wir, dass der Stahlrahmen sich genau so freut wie der Fahrer ;).

Sandfahren – der Klassiker.

Schneetouren – Auch das scheint mit dem Moonlander kein Problem zu sein.

Die mobile Version verlassen