Kürzlich haben wir das neue Forbidden Dreadnought vorgestellt. Ein Rad, das mich persönlich sehr stark interessiert, vor allem aufgrund seiner Geometrie am – für mich passenden – XL-Rahmen. Vor allem im vergangenen Jahr bin ich mit einem neuen Bike in meinem Besitz einen ähnlichen Weg gegangen. Für mich persönlich ein überschaubares Risiko, aber dennoch eine gewisse Unsicherheit beim Kauf. Wie fährt sich eine so lange Kettenstrebe und kann ich als extrem leichter XL-Fahrer damit überhaupt noch Bremskräfte auf den Boden bekommen? Die Rechnung ging auf – die Unsicherheit wich, aber ein Thema rückte stärker in den Vordergrund: Wieso sehen wir nicht mehr solcher Räder auf dem Markt?
Im Vorlauf einer Bike-Vorstellung ein Interview zu führen, ist nicht ganz einfach – trotzdem war es uns möglich, dem Forbidden-Gründer Owen Pemberton einige Fragen zur durchaus spannenden kanadisch-britischen Firma zukommen zu lassen. Darauf hat er tatsächlich auch interessante Antworten, die wir in einem weiteren Interview gerne vertiefen würden. Zudem sind wir nun natürlich auf einen Test des Eingelenker-Enduros gespannt und stehen deshalb weiter mit Forbidden in Kontakt. Nun aber viel Spaß mit dem Interview.
Interview mit Owen Pemberton
MTB-News.de: Wir haben gerade den zweiten Produkt-Launch von Forbidden Bikes erlebt. Als frischer Spieler auf dem Markt kennt euch vielleicht noch nicht jeder. Kannst du euch kurz vorstellen?
Owen Pemberton: Forbidden Bike Co. hat seine Zentrale auf Vancouver Island, BC, in Kanada. Inspiriert durch das Gelände, das unsere Heimat Cumberland umgibt, haben wir uns sogar nach einem unserer Riding-Spots, dem Forbidden Plateau, benannt – das sollte Erklärung genug für unsere Vorhaben als Mountainbike-Marke sein. Bei Bedingungen, die uns erlauben, das ganze Jahr Fahrrad zu fahren, und der großen Auswahl an Trails haben wir eine ideale Grundlage, um hervorragende Mountainbikes zu designen und zu entwickeln. Wir haben uns 2019 gegründet und unser Team wird stetig durch Veteranen aus der Industrie erweitert. Mit dem Druid, unserem ersten Produkt, haben wir die Richtung für unsere Marke vorgeben. Forbidden ist eine Marke, die auf einer starken Vision basiert. Wir wollen darüber hinaus gehen, den Status Quo einfach zu akzeptieren, und den Trends des Massenmarkts nicht stur hinterherlaufen. Wir sind stolz darauf, klein, agil und frei zu sein, um die Ideen zu verfolgen, die uns letztendlich zu wirklich einzigartigen Produkten führen und uns nicht nur als Unternehmen definieren, sondern auch als Fahrer. Dieser Ansatz hat es uns ermöglicht, uns vor allem auf die Fahrqualität und Performance zu konzentrieren, sei es bei der Federung, der Geometrie, den Materialien oder den Techniken bei der Konstruktion.
Eure Wurzeln sind britisch und kanadisch – gibt es da Unterschiede zwischen den Fahrern? Beeinflusst das die Platzierung und die Entwicklung eines Produkts?
Das stimmt, einige Team-Mitglieder sind in Großbritannien geboren und aufgewachsen, einige davon sind vor einigen Jahren nach Kanada ausgewandert. Andere sind in Großbritannien geblieben und betreuen unser europäisches Hauptquartier. In unserem kleinen Unternehmen, egal ob in Kanada, Großbritannien oder bei unseren Partnern auf der ganzen Welt, verbindet uns eines: Wir sind alle Mountainbiker mit einer ähnlichen Vision davon, was Mountainbiken für uns bedeutet. Beim Mountainbiken geht es uns darum, draußen in den Wäldern und den Bergen Spaß auf zwei Rädern zu haben. Wir bekennen uns alle schuldig, mehr Wert auf die unserer Meinung nach spaßigere Seite des Sports zu legen. Da, wo die Schwerkraft überhandnimmt. Obwohl sich die Trails auf der ganzen Welt unterscheiden, finden wir, dass dieser Spaß-orientierte und schnelle Fahrstil überall zu finden ist.
Abgestützte Eingelenker haben eine lange Geschichte im Fahrwerks-Design von Fahrrädern. Die Erfolgsgeschichte des hohen Eingelenkers, beziehungsweise High-Single-Pivot (im folgenden: HSP) mit Umlenkrolle hat allerdings eine Weile gedauert. Warum hat dieses System eurer Meinung nach erst in den letzten Jahren so starkes Interesse auf sich gezogen?
Der Erfolg von HSP-Plattformen auf den World Cup-Strecken hat gezeigt, wie gut das Design funktioniert, wenn es darum geht, anspruchsvolles Gelände zu bewältigen. Die Akzeptanz von HSP-Bikes mit Umlenkrolle innerhalb des Trail- und Enduro-Segments ist jedoch auf eine Entwicklung zurückzuführen: der Untergang des Umwerfers. Solange wir auf Umwerfer angewiesen waren, war es einfach nicht möglich, ein stärker aufs Pedalieren maßgeschneidertes Bike mit Umlenkrolle herzustellen. So leistungsfähig das System in der Vergangenheit auch war, außerhalb der DH-Szene war es nicht anwendbar.
Euer Forbidden Druid war eines der ersten HSP-Bikes mit starkem Fokus darauf, auch den Uphill aus eigener Kraft zu bewältigen. Vermutlich war es sogar das erste Trailbike. Was hat euch dazu motiviert, als erstes Produkt kein Enduro, sondern ein Trailbike auf den Markt zu bringen?
Wir sind der Meinung, dass ein Bike in der mittleren Federwegsklasse wie das Druid eine großartige Option für viele Menschen auf der ganzen Welt ist. Viele denken vielleicht, dass HSP-Bikes „One-Trick-Ponys“ sind, die sich ausschließlich für heftige Trails eignen. Aber das stimmt so nicht. Von vielen Kunden bekommen wir Feedback, dass unser Druid das beste Bike für technische Uphills ist, auf dem sie je gesessen haben. Zurückführen lässt sich das auf die einzigartige Kombination aus hohem Anti-Squat, geringem Pedal-Rückschlag und dem aktiven Fahrwerk. Mit herkömmlichen Antriebs-Systemen ist diese Kombination nicht erreichbar.
Es gibt eine große Fülle an Fahrwerks-Designs. Was hat für euch den Ausschlag gegeben, das HSP-System auf ein Trailbike zu adaptieren?
Es ist die gerade angesprochene Kombination hohem Anti-Squat, geringem Pedal-Rückschlag und dem aktiven Fahrwerk. Bevor wir Forbidden gegründet haben, war unser Team an der Entwicklung erfolgreicher HSP-Bikes beteiligt. Während dieser Entwicklung wurde uns klar, dass sich dieses Fahrwerks-Design nicht nur für Downhill-Bikes eignet, sondern auch für Trailbikes. Nach der Gründung von Forbidden haben wir uns alle möglichen Fahrwerks-Designs, die wir verwenden könnten, genau angeschaut. Wir hatten das Gefühl, dass wir mit dem HSP-System mehr persönliche Anforderungen abhaken als mit den anderen Möglichkeiten.
Die meisten HSP-Bikes werden mit sehr kurzen Kettenstreben gebaut, während Forbidden die Streben durch die Rahmengrößen hindurch wachsen lässt. Da das Rad aus Carbon gefertigt wird, scheint es eine sehr große Investition zu sein, für jede Rahmengröße eine Form herzustellen. Oder habt ihr dafür eine besondere Lösung?
Eine unserer grundsätzlichen Philosophien ist, dass jeder, der unsere Bikes fährt – unabhängig von seiner Größe und Statur – ein ähnliches Fahrerlebnis bekommt. Aus diesem Grund haben wir viel Arbeit in die Entwicklung unserer Geometrie und der Größenempfehlung gesteckt. Denn einer der wichtigsten Faktoren für das allgemeine Fahrgefühl ist die Radlastverteilung und -balance. Die Radlastverteilung bezieht sich auf den Zusammenhang zwischen hinterem und vorderem Rahmendreieck und der resultierenden Schwerpunktlage des Fahrers zwischen den Reifen-Kontaktflächen. Wie stark jeder Reifen belastet wird, wirkt sich direkt auf den Grip des Bikes aus.
Diese Gewichts-Verteilung wird auch einen großen Einfluss auf das Handling und die Fahrstabilität haben. Viele Marken sprechen von einer „ausgewogenen Geometrie“, wenn sie über ihre Bikes sprechen. Dabei verwenden sie jedoch nur eine Kettenstrebenlänge für alle Rahmengrößen. Wenn die Länge des Hinterbaus durch alle Größen hinweg konstant bleibt, während sich das vordere Rahmendreieck verändert, ist naheliegend, dass jede Rahmengröße eine andere Gewichts-Verteilung und damit ein anderes Fahrgefühl mitbringt. Bei Forbidden verwenden wir für jede einzelne Rahmengröße eine skalierte Hinterbau-Länge, um ein einheitliches Fahrerlebnis über alle Größen hinweg zu gewährleisten.
Wir verschieben die Position des Tretlagers innerhalb des Hauptrahmens, um die Länge des Hinterbaus anzupassen. Das ist nicht nur aus fertigungstechnischer Sicht einfacher, sondern auch der bessere Weg, da so das Fahrwerks-Design nicht beeinflusst wird.
Mit der Raderhebungskurve eines HSP-Bikes wird die dynamische Kettenstrebenlänge zu einem interessanten Faktor, der oft übersehen wird. Wie gibt Forbidden die Länge des Hinterbaus an? Statisch bei 0 % des Federwegs oder an einem bestimmten Punkt des Federwegs?
Die kurze Antwort ist: beides. Die lange Antwort ist … nun, das würde wahrscheinlich den Rahmen sprengen. Es ist wichtig zu verstehen, in welcher Beziehung sich vorderes und hinteres Rahmendreieck befinden und wie sich diese Beziehung über den gesamten Federwegsbereich dynamisch ändert. Vor allem aber ist es wichtig, zu verstehen, welche Auswirkungen das auf dem Trail haben wird.
Welchen Einfluss haben die Bremseigenschaften eines HSP-Bikes auf die Geometrie – insbesondere auf die Länge der Kettenstrebe und die Gewichtsverteilung?
Ein hoher Eingelenker bringt einen recht hohen Anti-Rise mit sich. Wir sehen das auf dem Trail das als positiven Effekt, da die Federung bei starken Bremsvorgängen etwas zusammengezogen wird. Das ist nützlich, da in diesen Fällen normalerweise die Gewichts-Verlagerung des Fahrers dazu führt, dass die Gabel abtaucht und umgekehrt das Heck ansteigt. So wird der Fahrer in Richtung Vorderrad geworfen, was oft nicht besonders gut ausgeht. Ein höherer Anti-Rise verhindert das. Durch das Komprimieren des Hinterbaus bleibt das Fahrrad in einer stabilen, neutralen Position. Der Nachteil daran ist, dass zu hartes Bremsen dazu führen kann, dass sich die Federung so stark zusammenzieht, dass sie nicht mehr reagiert. Unserer Meinung nach überwiegen bei richtiger Fahrtechnik und modernen Trails aber klar die Vorteile des Systems.
In der Vorstellung des Dreadnought geht ihr darauf ein, dass für euch ein längerer Reach und flacherer Lenkwinkel alleine nicht der richtige Weg sind. Das lässt sich nur bei wenigen anderen Herstellern beobachten. Was hat euch dazu gebracht, diesen Weg einzuschlagen?
Meistens Tests: Benchmarking mit Produkten unserer Mitbewerber und sorgfältige Überlegungen darüber, wie sich unsere Bikes fahren sollen. Gleichzeitig überprüfen wir unsere Überlegungen stetig und haben unsere Philosophie auf den Kern beschränkt. Wir haben auch von einigen Fahrern gehört, die den Trends zu immer längeren Fahrrädern gefolgt sind, nur um später wieder zu einer zentrierten Fahrposition zurückzukehren. Das war für uns ein Beweis dafür, dass wir mit unseren Ansätzen auf dem richtigen Weg sind. Zumindest für einige Fahrer, denn es ist auch wichtig zu verstehen, dass nicht jeder Fahrer auf der Welt genau die gleichen Fahreigenschaften möchte. Das wäre ja auch langweilig. Wenn wir ein Produkt entwickeln, das für uns – ein Team engagierter Fahrer – funktioniert, wird es bei anderen Fahrern auf der ganzen Welt gut ankommen.
Warum scheint ein großer Teil der Branche nur an der Länge des Hauptrahmens interessiert zu sein, anstatt auch den Hinterbau mit der Rahmengröße anzupassen?
Weil das der einfachere Weg ist.
Ihr seid wahrscheinlich das einzige Unternehmen, dessen realer Sitzwinkel tatsächlich steiler als der effektive Sitzwinkel ist. Auf welcher Höhe messt ihr ihn?
Wir messen unsere Sitzwinkel auf einer unterschiedlichen Sattelhöhe pro Größe. Diese Höhen haben wir als reale Durchschnittswerte für jede Rahmengröße bestimmt. Wir sind sehr stolz über den Aufwand, der in jeden einzelnen Aspekt unserer Geometrie geflossen ist. Für uns sind das die Eckpfeiler unseres Ziels, gleiche Fahreigenschaften und Passformen für alle zu erzielen. Wir zerbrechen uns über die Zahlen den Kopf, fahren Fahrrad, zerbrechen uns wieder den Kopf und wälzen die Zahlen noch einmal. Wir folgen nicht einfach nur wild irgendwelchen Trends.
Während der Launch des neuen Dreadnought bereits stattgefunden hat, wartet ihr noch darauf, die Komplettbikes auf den Markt zu bringen. Verzögerungen und lange Vorlaufzeiten betreffen derzeit die gesamte Branche. Wie spürt ihr als eher kleiner Hersteller die Auswirkungen?
Es ist eine sehr aufregende und potenziell auch erfolgreiche Zeit für die gesamte Branche. Aufgrund der von dir erwähnten Probleme in der Lieferkette ist es gerade auch äußerst stressig. Als kleines Unternehmen sind wir in gewisser Weise größeren Unternehmen der Branche ausgeliefert, können aber auch unsere geringe Größe zu unserem Vorteil nutzen. Zum Beispiel haben wir uns mit EXT und Push Industries zusammengetan, um die ersten Rahmen-Kits schon jetzt auf den Markt zu bringen. Diese beiden Hersteller sind auch kleiner und können daher schneller auf Markt- und Lieferdruck reagieren. Es war schon immer ein längerfristiges Ziel von uns, unseren Kunden eine Auswahl an hochwertigen Boutique-Produkten wie denen von EXT und Push anzubieten. Aufgrund der zusätzlichen logistischen Komplexität haben wir uns darauf aber noch nicht vorbereitet gefühlt. Die aktuelle Situation hat uns dann dazu gezwungen, dies schneller als ursprünglich geplant anzugehen. Am Ende haben wir jetzt eine Situation, aus der wir alle als Gewinner herausgehen. Wir sind begeistert von den neuen Partnerschaften, die wir geschlossen haben, und freuen uns auf weitere davon in der Zukunft.
Hat euch diese Situation dazu gezwungen, in Bezug auf die Ausstattung einen völlig anderen Weg einzuschlagen?
Zu einem gewissen Grad, ja. Mit dem Bestücken der Rahmen mit Dämpfern von EXT und Push Industries, zwei teuren Boutique-Herstellern, wollten wir, wie gesagt, noch nicht so früh beginnen. Angesichts erheblicher Verzögerungen bei anderen Fahrwerks-Zulieferern – denen wir uns immer noch sehr verpflichtet fühlen – waren wir gezwungen, zu handeln, und haben beschlossen, mit diesen beiden neuen Möglichkeiten unseren Launch im Februar zu beschleunigen. Damit haben wir zwei der gefragtesten Fahrwerks-Hersteller auf dem Markt an Bord. Die Zusammenarbeit mit unseren Kollegen dort bei der Entwicklung von individuellen Abstimmungen war ein Vergnügen und die Ergebnisse umwerfend. Unseren Kunden einen Rahmen oder ein Fahrrad mit einer unterdurchschnittlichen Abstimmung anzubieten, die nicht mit den einzigartigen Fahreigenschaften und der Kinematik unseres Bikes harmoniert, würde niemandem einen Gefallen tun. Deshalb nehmen wir und unsere Partner das sehr ernst. Wir testen derzeit außerdem noch Produkte von Öhlins und werden diese sowie Fox- und RockShox-Dämpfer zu gegebener Zeit auf Lager haben.
Was kommt als Nächstes für Forbidden Bikes?
Als Fahrradhersteller arbeiten wir natürlich kontinuierlich an neuen Projekten, von denen sich einige derzeit in einem frühen Entwicklungsstadium befinden. Abgesehen von einigen aufregenden, neuen Produkten haben wir unseren Kader an Athleten und Team-Fahrern erweitert und werden in den kommenden Wochen neben unserem Ambassador-Programm auch unser neues, dreiköpfiges Factory-Renn-Team bekannt geben. Wir werden diese Programme zunächst in der Nähe unserer Stützpunkte in BC und Großbritannien entwickeln und dann ab 2022 in neue Gebiete expandieren – einschließlich Deutschland. Der Brexit war natürlich für die Logistik problematisch, insbesondere für unsere deutschen Händler. Wir sind damit beschäftigt, verschiedene Möglichkeiten zu prüfen, um auch hier die Dinge zu beschleunigen, bevor wir unsere neue Bekleidungs-Serie auf den Markt bringen und in einigen Monaten mit einer großen Ladung vollständiger Druid- und unserer ersten Dreadnought-Komplettbikes loslegen können.
Danke vielmals für das Interview!
Was wollt ihr noch von Forbidden und Owen Pemberton wissen? Wo sollen wir im Interview Runde 2 tiefer bohren?
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