Dass man auf Madeira biken kann, haben schon einige Videos gezeigt – dass es dort auch Enduro-Rennen gibt, war vielleicht noch nicht allen bekannt. Die beiden deutschen Enduro-Profis Max Schumann und Ines Thoma waren beim „Sandokan Enduro“ auf der Insel dabei: Bei dem zweitägigen Enduro-Rennen gilt es, pro Tag etwa 25 km und insgesamt etwa 1100 Höhenmeter zu überwinden. Dank Shuttle geht es auf den 10 verschiedenen Stages 2800 Tiefenmeter bergab. Ines sicherte sich den Sieg bei den Frauen, Max landete auf Platz fünf. Die beiden haben einen spannenden Rennbericht mitsamt einer tollen Fotostory mitgebracht. Viel Spaß:
Madeira: Trail-Geheimtipp am Atlantik?
Was früher Mallorca war ist jetzt Madeira, oder wie war das? Die Hotspot-Insel mit vulkanischem Ursprung, über 700km westlich Marokkos gelegen, ist dem gemeinen Wander- und Kreuzfahrschiffurlauber vor allem als „Blumeninsel“ bekannt. Dass man dort auch vorzüglich gut Radfahren kann, kursiert seit einiger Zeit in etlichen Bikemagazinen und auf Social-Media-Plattformen. Was ist nun mit Madeira? Will man dort als nächstes hin?
11 Europäische Enduro Profis wurden vom Tourenanbieter „Bikulture“ eingeladen, um die Insel kennenzulernen und sämtliche Trails zu testen. Und natürlich beim alljährlichen „Sandokan Enduro“ Rennen teilzunehmen, das ähnlich wie das bekannten Megavalanache-Rennen auf La Réunion eine ideale Gelegenheit bietet, in der „Offseason“ Enduro-Rennaction mit Bike-Reise zu verbinden.
Neben uns deutschen Startern Max Schumann und Ines Thoma, reisen die beiden italienischen Life Cycle Fahrer Manuel Ducci und Valentina Macheda an. Von der Französischen Enduro Elite ist niemand anderes als der 10fach-Downhill Weltmeister Nicolas Vouilloz, der nebenbei auch schon die IRC Auto Rallye auf Madeira gewonnen hat, vor Ort. Begleitet wird er vom 4. Platzierten der diesjährigen Megavalanche, Nico Quéré, und Jérémy Arnould. Eine weitere Downhill-Legende aus Spanien, David Vazquez, der nun als Downhill Koordinator der UCI tätig ist, darf auch nicht fehlen. Zu guter Letzt wird die Truppe von einer lustigen Gruppe aus Slowenien vervollständigt. Robert Kordez, Primoz Gams und die mehrfache Cross County Welt- und Europameisterin Tanja Zakelj sind dabei.
Jérémy und Joselino von Bikulture kümmern sich super um uns. Gleich nach der Ankunft wird uns in einem typisch madeirischen Restaurant „Espada“ vorgesetzt. Der schwarze Degenfisch wird aus über 1500m Tiefe geangelt, ist eine der lokalen Spezialitäten und wird wie die meisten Speisen hier mit einer Menge Knoblauch verfeinert, die ohne Probleme eine ganze Vampirbande für immer von der Insel vertreiben würde. Die Madeirer sprechen einen sehr außergewöhnlichen portugiesischen Dialekt, sind super freundlich und auffallend gut gelaunt. Von Anfang an kommt uns die Insel nicht super touristisch vor. Die Straßen sind gut ausgebaut und es gibt einige Hotels, keine Frage. Trotzdem ist der ursprüngliche Charme geblieben und die Preise sind meist günstig. So zahlt man für einen Galao (Milchkaffe) häufig weniger als 1 Euro. Eine wichtige Kleinigkeit für uns kaffeeabhängige Mountainbiker.
Shuttle-Training mit durchwachsenem Wetter
Gut verköstigt starten wir alle gemeinsam in die zwei Trainingstage, die uns bleiben, bevor das „Sandokan Enduro“ Rennen beginnt. Insgesamt gilt es 10 Stages zu trainieren. Ein straffer Zeitplan, möchte man meinen. Doch die Madeirer sehen das recht entspannt und gemütlich starten wir gegen halb 11 Uhr unseren ersten Shuttle-Tag. Das Wetter ist, um es gelinde auszudrücken, mies. Es regnet wie aus Kübeln und die Sicht ist gleich null. „Eine absolute Ausnahme!“, versichert uns der gut gelaunte Joselino. Nicht einmal, als dann auch noch der Kühlerschlauch des Shuttleautos gleich bei der ersten Auffahrt streikt, hört diese Frohnatur auf zu grinsen, einfach unglaublich.
Mit Nicolas Vouilloz zu fahren ist einfach nur cool. Er ist absolut bescheiden, entspannt und gut drauf. Die Trails auf vulkanischem Boden sind im Regen abartig rutschig, aber trotzdem gut fahrbar. Und es macht Spaß zu driften und sliden, da die Temperaturen trotz Novemberregen bei über 15 Grad Celsius liegen. So schreckt das Wetter die Meute nur bedingt ab und wir besichtigen bereits am ersten Tag acht der zehn Rennstrecken. Wobei „besichtigen“ sich nur auf die nähere Umgebung beschränkt, der Nebel macht jegliche Orientierung unmöglich.
Als der zweite Trainingstag mit einem Sonnenstrahl beginnt, strahlen auch wir. Der Regentag war okay, muss aber sicherlich nicht gleich wiederholt werden. Endlich sehen wir auch etwas von der Landschaft auf Madeira. Wir befinden uns im Südwesten der Insel bei Prazeres, wo auch Bikulture ihren Bikeshop haben und die Touren mit einem Galao im Glas beginnen, an dem man sich die Finger verbrennt. Die Insel ist steil, unfassbar steil. Wie man dort Straßen, Tunnel und Häuser am Hang bauen kann ist wirklich unvorstellbar. Die Trails befinden sich in den höheren Lagen. Man shuttlet bis auf über 1500 Meter und ist dann auf dem Bike in den oberen 600-700 Höhenmetern unterwegs. Nur wenige Biketrails gehen runter bis an die Küste, denn das Gelände ist dort meist zu steil. Beeindruckend sind die grünen Wälder. Viele Lorbeerbäume und ein frischer Eukalyptus-Geruch. Vom Startpunkt der Trails hat man meist einen wundervollen Ausblick auf’s Meer hinunter, bevor sich der Trail in den Tiefen der Wälder verliert.
Los geht´s: Das Rennen beginnt
Matschreifen sind montiert, Rucksäcke gepackt, Räder geputzt und die Spannung ist in der Gruppe deutlich zu spüren. Zwar ist es für uns ein reines Spaß-Rennen zum Ende der Saison, trotzdem gibt man als Rennfahrer eben immer alles. Liegt wahrscheinlich in unserer Natur. Bis wir endlich am Start der ersten Stage stehen, vergehen Stunden. Es wird sich am Bikeshop getroffen, dann Kaffee, äh sorry Galao getrunken, und gemütlich runter zum Start an der Küste gefahren, Startnummern holen, Fotos machen, es erfolgt der „offizielle“ Start vor dem Rathaus, dann laden alle 75 Starter ihre Räder auf den Hänger, schließlich fahren alle mit dem Reisebus bis zum Startpunkt oben am Berg.
Wir entspannen uns und passen die deutsche Mentalität eben an hiesige Verhältnisse an. Was soll’s. Am Start der ersten Stage angekommen, ist dann auch Rennstimmung eingekehrt. Die Profis wollen zeigen, dass sie die besten sind. Die Locals wollen zeigen, dass ihnen auf ihren Hometrails keiner was vormachen kann. Die Amateure wollen zeigen, dass sie zumindest schneller als die Frauen sind und die Veranstalter wollen zeigen, dass sie es mit einem Großevent aufnehmen können.
Trotz schlammiger Verhältnisse läuft der Tag super ab und zum Feierabend gönnen wir uns neben Bier und Oktopus-Sandwich einen erfrischenden Sprung in den Atlantik. Für Sonntag ist nochmal ein ähnliches Soll geplant. Erneut wird einmal zum Gipfel geshuttlet und dann werden 5 Stages pedalierend zurückgelegt. Ein super Format wie ich finde!
Renntag 2: Dauerregen
Ein super Format, wenn… ja, wenn es nicht regnet. Am Sonntag regnet es wie aus Kübeln. Und ohne Übertreibung, es regnet den ganzen Renntag. Die Stimmung ist heute auf jeden Fall gedrückt. Wir ziehen alle Tricks: Mud Guards, komplette Regenkleidung, Schlammreifen nun auch hinten, es wird ohne Brille gefahren und so wenig Pause wie möglich gemacht. Nun beginnt gar Großmeister Vouilloz zu jammern: Auch er habe das Gefühl, nicht mehr radfahren zu können, was wir ihm allerdings nur bedingt abnehmen.
Es ist aber wirklich unglaublich rutschig auf diesem Untergrund, der von den Einheimischen liebevoll „Black Ice“ genannt wird. Einzig Emanuel Pombo, einer der einheimischen Downhill-Racer, ist das Grinsen gar nicht mehr aus dem Gesicht zu kriegen. „I love these conditions“, strahlt er und hofft auf einen Podestplatz, nachdem er nach dem ersten Renntag auf einem respektablen vierten Rang liegt.
Wir kämpfen uns durch den Schlamm und stellen uns ab und zu vor, wie die Sicht im Moment sein könnte. Nach fünf Stages sind wir nass bis auf die Knochen. Doch als wir zu unseren Appartementhäusern kommen und gerade frisch geduscht sind, klart es auf und die Sonne scheint. Unglaublich, das Wetter hier. Während oben in den Bergen die Wolken hängen, kann es unten an der Küste das schönste Wetter haben.
Die Siegerehrung ist für die Abendstunden in einer netten kleinen Strandbar direkt am Meer geplant. Aufgrund der schwierigen Rennbedingungen hat jeder ein mulmiges Gefühl, da man sich einfach nicht so richtig schnell auf dem Bike gefühlt hat. Umso erfreulicher, wenn das Ergebnis gut ausfällt. Bei den Frauen gewinnt Ines vor Tanja Zakelj und Valentina Macheda. Ines ist besonders stolz, eine der derzeit besten Cross Country-Fahrerin auch in den reinen Pedalier-Stages bezwingen zu können.
Auf dem Männerpodium thront ein überraschter Nicolas Vouilloz, der nach seinen vielen Verletzungen in dieser Saison überglücklich scheint. Zweiter wird sein Landsmann Nicolas Quéré, gefolgt vom Schlammrennen-Fanatiker Emanuel Pombo. Max belegt den 5. Platz. Und ist mehr als zufrieden. In einer Stage immerhin konnte er Sieger Nicolas Vouilloz hinter sich lassen. Die Stimmung wird immer ausgelassener, es wird (zu)viel Bier getrunken und mehrerer Gläser der lokalen Spezialität „Poncha“ gekostet: ein gefährlich süßes, aber brutal starkes Rum-Mixgetränk, auf das die Madeirer so stolz sind wie auf ihre Trails. Die Party geht bis in die frühen Morgenstunden. Und Nicolas Vouilloz beweist nicht nur auf dem Bike, sondern auch an der Bar beeindruckende Qualitäten…
Was folgt, ist ein relaxt-touristischer Sightseeing Tag mit vielen Fotos, Kopfschmerztabletten, Meeresfrüchten, Fleisch am Spieß und einer weiteren kurzen Nacht. Nach einer knappen Woche im Atlantik geht unser Flieger um fünf Uhr morgens über Lissabon zurück nach Deutschland. Als wir abheben und einen letzten Blick auf die Lichter der Hauptstadt werfen, ist uns klar: Wir wollen wiederkommen. Hoffentlich haben wir dann mehr Glück mit dem Wetter. Denn Trails, Landschaft und Lifestyle verbinden hier genau das, was wir uns von einem feinen Biketrip wünschen!
Fotostory
Ergebnisse
Fotos: Motion Studios, Max Schumann
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