Ghost SL AMR 9 LC im Test: 22 Gänge, 27,5”-Laufräder und ein leichter Carbon-Rahmen: Das Ghost SL AMR 9 LC ist ein Topmodell alter Schule, ein Allrounder mit nur 11,4 kg Kampfgewicht. Ob das heutzutage noch konkurrenzfähig ist? Wir haben es im Vergleich zu seinem großen Bruder, dem SL AMR 10 LC, getestet!
Ghost SL AMR 9 LC – kurz & knapp
“Du willst dich nicht auf ein Einsatzgebiet beschränken, aber für dein neues All-Mountain-Bike auch nicht den Sparstrumpf plündern? Dann ist das tourenorientierte SL AMR LC 27 genau dein Ding!” – so beschreibt Ghost das SL AMR. Für das hier gefahrene Testmodell stellt sich aber die Frage, wo 5.499 € herkommen sollen, wenn nicht aus dem Sparstrumpf. Wir haben das Ghost SL AMR 9 LC getestet.
- Einsatzbereich All-Mountain, Trail
- Federweg 130 mm / 130 mm
- Laufradgröße 27,5″
- Rahmenmaterial Carbon, Aluminium-Hinterbau
- Gewicht 11,4 kg
- Größen S / M (getestet) / L
- ghost-bikes.de
Preis: 5.499 € (UVP) | Bikemarkt: Ghost SL AMR 9 kaufen
Geometrie
Ghost bietet das SL AMR 9 LC in drei Rahmengrößen von S bis L an. Das All Mountain-Modell mit 130 mm Federweg vorne und hinten bietet einen relativ langen Reach-Wert und einen eher steilen Lenk- und Sitzwinkel. Das soll für einen guten Kompromiss auf Kletterfähigkeiten und Fahrspaß bergab sorgen.
Rahmengröße | S | M | L |
---|---|---|---|
Reach | 416 mm | 438 mm | 461 mm |
Stack | 585 mm | 594 mm | 604 mm |
Überstandshöhe | 725 mm | 740 mm | 775 mm |
Oberrohrlänge | 576 mm | 602 mm | 628 mm |
Sitzrohrlänge | 440 mm | 470 mm | 500 mm |
Kettenstrebenlänge | 430 mm | 430 mm | 430 mm |
Tretlagerabsenkung | -16 mm | -16 mm | -16 mm |
Lenkwinkel | 68° | 68° | 68° |
Sitzwinkel | 74.5° | 74.5° | 74.5° |
Radstand | 1126 mm | 1152 mm | 1178 mm |
Ausstattung
- Federgabel Fox 34 Float Factory Kashima (130 mm)
- Dämpfer Fox Float DPS Factory Kashima (130 mm)
- Antrieb Shimano XTR
- Bremsen Shimano XTR
- Laufräder DT Swiss XRC 1200 Spline
- Reifen Schwalbe Nobby Nic Evo / Schwalbe Racing Ralph
- Cockpit Race Face Next Carbon (760 mm) / Race Face Turbine 35
- Sattelstütze Kind Shock LEV Integra
SL AMR 9 | |
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Rahmen | SLAMR 27.5 Lightweight Carbon LC / Alloy AL |
Gabel | Fox 34 Float Factory Kashima 130 mm 15 mm |
Federbein | Fox Float DPS Factory Kashima 130 mm |
Schalt-/Bremsgriffe | Shimano XTR |
Bremsen | Shimano XTR Disc 180 mm |
Kurbel | Race Face Next 36-26 |
Umwerfer | Shimano XTR High Direct Sideswing |
Kette | Shimano XTR |
Innenlager | Race Face Next |
Schaltwerk | Shimano XTR |
Zahnkranz | Shimano XTR 11-40 |
Laufräder | DT Swiss XRC 1200 Spline 15 / 12 mm Steckachse |
Reifen | Schwalbe Nobby Nic Evo 2.35 / Schwalbe Racing Ralph 2.25 |
Cockpit (Lenker/Vorbau) | Race Face Next Carbon 760 mm 35 mm Lenker / Turbine 35 mm Vorbau |
Sattelstütze | Kind Shock LEV Integra 31.6 mm adjustable SP internal routing |
Sattel | SDG Circuit |
erhältliche Farben | Microchip / Nightblack |
Preis | 5499 € |
Im Detail
Als erstes fällt das kantige Design des Ghost SL AMR 9 LC ins Auge: Vor allem am Steuerrohr erinnert er mit seinen eckigen Profilen und überlaufenden Flächen ein wenig an einen Stealth-Jet. Der Hauptrahmen des grauen Geräts mit 130 mm Federweg vorne und hinten besteht aus Carbon, der Hinterbau ist hingegen aus Aluminium gefertigt. Laut Ghost soll der leicht flexende Hinterbau für ein Plus an Komfort sorgen, während der steife Hauptrahmen eine sehr gute Lenkpräzision und Spurtreue bieten soll.
Am Steuerrohr verfügt der Hauptrahmen über Ein- und Ausgänge, um die Züge durch den Rahmen zu verlegen. Das Innenlager wird per PressFit montiert, die Dämpferaufnahme ist ein separates Teil aus Aluminium. Dadurch lassen sich unterschiedlich lange Dämpfer montieren. Im Hauptrahmen hat eine Trinkflasche Platz. Per High Direct Mount-Aufnahme ist ein Umwerfer montiert.
Als wir das Ghost SL AMR 9 LC das erste Mal aus dem Transporter laden, fällt direkt das geringe Gewicht auf: 11,4 kg sind schon ein guter Wert! Erreicht wird das durch den konsequent hochwertigen Komponentenmix, der unter anderem aus Carbon-Kurbeln von Race Face, einer Shimano XTR-Schaltung und -Bremsen, DT Swiss XRC 1200Laufräder und einem hochwertigen Fox-Luftfahrwerk besteht. Schade ist, dass einer der Torx Werkzeugeingriffe bereits ab Werk leicht vermackelt ist und wir den Steuersatz nachstellen müssen, damit kein Spiel zwischen Gabel und Rahmen besteht. Davon abgesehen lässt sich das Bike schnell auf den Fahrer einstellen, auch wenn an den Fox-Federelementen weiterhin keine Sag-Maße markiert sind.
Auf dem Trail
Für ein halbes Jahr sind wir das Ghost SL AMR 9 LC mit seinem großen Bruder, dem 29er SL AMR 10 LC, im Wechsel gefahren. Rein optisch sieht man beiden Bikes die enge Verwandtschaft an. Schaut man näher hin, entdeckt man jedoch nicht nur die unterschiedlichen Laufradgrößen, sondern auch unterschiedliche Ausstattungsansätze.
Uphill
Offen gesagt ist es schon eine kleine Weile her, dass ich das letzte Mal ein Fahrrad mit 22 Gängen gefahren bin. 2×11! Wenn es ums Klettern geht, hat das aber natürlich nach wie vor seinen Charme: Kurz auf das kleine 26er Kettenblatt vorne geschaltet und entspannt selbst steilste Anstiege erklimmen – das kann man schon mal machen! Die Schaltperformance der Shimano XTR-Schaltgruppe ist wie zu erwarten sehr gut und das Ghost SL AMR 9 klettert entspannt. Der Hinterbau wippt ganz leicht, lässt sich mit der Plattform des Dämpfers aber ruhig stellen. Der serienmäßig verbaute Hinterreifen verliert in steilem, groben Schotter jedoch deutlich früher den Grip, als es die Übersetzungsbandbreite erlauben würde.
Wird es richtig steil, profitiert man vom steilen Sitzwinkel. Durch den real flacheren Lenkwinkel kommt es aber stark auf die Auszugshöhe des Sattels an, wie weit das Heck einsackt. Um technische, steile Anstiege zu erklimmen, muss man sich schon heftig nach vorne legen, damit man durch den hohen Lenker nicht schnell den Druck auf dem Vorderrad verliert. Das geringe Gesamtgewicht des Ghost SL AMR 9 LC und die richtig leichten DT Swiss-Laufräder sorgen aber insgesamt für schnelle Uphills.
In gemäßigtem, flachem Uphill komme ich – mit einigen Erinnerungen an früher – doch immer wieder in Konflikt mit den 2 Kettenblättern: Auf dem 36er Blatt alles fahren? Oder auf dem 26er? Trotz nur 10 Zähnen Unterschied ist (mir) der Sprung immer noch zu groß und rau, um wirklich gern und häufig den Umwerfer zu benutzen.
Im Wiegetritt fallen das steife Cockpit und der ruhige Hinterbau auf. Wäre die Front noch etwas tiefer, könnte man mit dem Bike richtig gut sprinten. Das Heck gehört nicht zu den steifsten, für ein Trailbike geht das aber allemal klar. Die verbaute Kind Shock-Variostütze hat für meinen Geschmack zu wenig Verstellweg und bleibt von Zeit zu Zeit stecken, braucht also einen kleinen Ruck, um wieder in die gewünschte Position zu fahren.
Downhill
Ein All Mountain-Bike mit 130 mm Federweg ist natürlich kein Enduro – dennoch soll das SL AMR 9 LC ein Alleskönner sein, weshalb wir nach der soliden Uphill-Performance auf die Abfahrt gespannt sind. Durch seine recht konservative Geometrie (68° Lenkwinkel) ist das Ghost ganz schön auf der agilen Seite unterwegs. Soll heißen: Bei hohen Geschwindigkeiten fühlt es sich recht nervös an. Beim zweifellos nicht alltäglichen Start der Schnitzeljagd mit Geschwindigkeiten von bis 80 km/h habe ich auf jeden Fall mal wieder erlebt, wie sich ein vergleichsweise kurzer Radstand anfühlt. Auf der Hausrunde treten solche Situationen freilich nicht auf, und hier ist das agile Verhalten des Ghost SL AMR 9 LC leicht zu handeln.
Das Fahrwerk lässt sich bergab so beschreiben: Saubere Arbeit der Federgabel, viel Federweg nutzendes Heck. Dadurch wird der effektive Lenkwinkel auf dem Trail flacher, das Tretlager tiefer. So tief, dass wir den Luftdruck etwas erhöhen, um nicht häufig Bodenkontakt aufzunehmen – woraufhin allerdings nicht mehr der gesamte Federweg genutzt wird. Insgesamt liegt das Fahrwerk aber vernünftig und entlastet den Fahrer in den allermeisten Situationen sehr gut. Insgesamt würden wir den Hinterbau als Komfort-orientiert bezeichnen. Wer Performance in Steinfeldern sucht, der wird ihn aber als zu früh zu viel Federweg freigebend empfinden. Daraufhin verhärtet das Heck bei schnell folgenden Schlägen.
In steilem, alpinen Gelände fühlt sich das 27,5″-Bike nicht so richtig wohl. Zwar liefern die Shimano XTR-Bremsen eine sehr souveräne Vorstellung. Doch sobald die Gabel unter Last in steilen Passagen einsinkt geht die Geometrie von „recht steil“ in „sehr steil“ über. Wer häufig technisch bergab fährt, wird so nicht glücklich. Dass in ruppigem Gelände die Kette mehrfach vom großen Kettenblatt gerüttelt wurde, kam für nicht ganz unerwartet – ärgerlich ist das trotzdem.
Auf einfachen Abfahrten kann man dagegen voll und ganz die Vorzüge des Ghost SL AMR 9 LC ausspielen. Schnell aus Kurven beschleunigen, einfach die Richtung wechseln, zuverlässig verzögern, hier und da ein kleiner Sprung von der nächsten Wurzel: das beherrscht das Trailbike sehr gut.
Dickere Reifen, ein 1-fach Antrieb und ein flacherer Lenkwinkel würden dem Carbon-Flitzer zu deutlich mehr Bergab-Performance verhelfen. Genau das bietet Ghost auch direkt ab Werk an: Das SL AMR X geht genau in diese Richtung, für einen Durchschnittskunden aber wahrscheinlich sogar zu weit –Stahlfederdämpfer und Kettenführung sprechen eine klare Enduro-Sprache, die nicht jeder sucht.
Haltbarkeit
Die Reifenfreiheit am Heck fällt mit e13 TRS+ Reifen in 2,35“ Breite sehr gering aus, was zu starken Lackschäden geführt hat. Auch der Kettenstrebenschutz reicht nicht aus, weshalb auch hier Lackschäden zu beklagen sind. Abgesehen hiervon gibt es jedoch keine Beanstandungen.
Fazit – Ghost SL AMR 9 LC
Mit 27,5″-Laufrädern, einer 2×11-Schaltung und dem eher steilen Lenkwinkel präsentiert sich das Ghost SL AMR 9 LC so, wie es auch ist: Ein gemäßigter Allrounder, der für eher sanfteres Gelände wie typischen Hausrunden oder dem klassischen Alpencross gemacht ist. Für unseren Geschmack könnte Ghost dem SL AMR 9 LC mit ein paar kleinen Änderungen an Geometrie und Hinterbau noch mehr Sicherheit verleihen, ohne dass das Rad schlechter klettert.
Stärken
- klettert auch steile Anstiege leichtfüßig bergauf
- sehr agiles Bike, wechselt spielend leicht die Richtung
Schwächen
- Hinterbau gerät in ruppigem Gelände an seine Grenzen, Geometrie nicht für Steilgelände
- Lack platzt leicht ab
Testablauf
Das Bike wurde uns von Ghost für die Dauer des Tests zur Verfügung gestellt.
Hier haben wir das Ghost SL AMR 9 getestet
- Schnitzeljagd Sölden (gebaute und Naturtrails)
- Shuttle-Runden in Finale Ligure
- Hausrunde München, Voralpen
Testerprofil
- Testername: Stefanus Stahl
- Körpergröße: 177 cm
- Gewicht (mit Riding-Gear): 70 kg
- Schrittlänge: 82 cm
- Armlänge: 65 cm
- Oberkörperlänge: 63 cm
- Fahrstil: Verspielt, sauber und mit vielen Drifts
- Was fahre ich hauptsächlich: Trail, Enduro
- Vorlieben beim Fahrwerk: Die richtige Mischung aus Komfort und Popp macht’s
- Vorlieben bei der Geometrie: Relativ niedrig, relativ lang
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