Knolly Endorphin im Test: Individuelle Räder gibt es viel zu wenige – das Knolly Endorphin macht zum Glück auf den ersten Blick klar: Es gehört zu den Mountainbikes, die nicht im 08/15-Look daher kommen. Was der einzigartige Kanadier drauf hat, haben wir im Fahrbericht herausgefunden. Besonders neugierig waren wir auf den Knolly-eigenen, recht aufwändig wirkenden 4xFour Hinterbau, den wir passenderweise 4 Monate über die Trails gescheucht haben.

In Rahmengröße M sieht das Rad durchaus aggressiv aus
# In Rahmengröße M sieht das Rad durchaus nach einem aggressiven Trailbike aus

Knolly Endorphin – Aufbau

Als ich das Knolly Endorphin aus dem Karton nehme wird klar: Das ist das leichteste Testbike, das ich persönlich 2013 gefahren bin. Die Waage bestätigt den Verdacht, gerade einmal 11,75kg wiegt unser Test-Exemplar in Größe M. Das überrascht, denn eigentlich hatten wir von den Kanadiern ein einzigartiges Bike erwartet, das dafür aber auch auf die Waage drückt. Das Endorphin wird von Knolly selbst als „aggressives Trailbike“ eingestuft, auf dem deutschen Markt nennt man so etwas wohl All-Mountain oder gar Enduro. Egal wie man es nennt: Das Konzept besteht aus 140 mm Federweg und einer Geometrie, die bergauf und bergab ein Grinsen ins Gesicht zaubern soll.

Sram XX komplett, dazu Joysticks in der Hand und Carbon von RaceFace - nobel nobel
# Sram XX komplett, dazu Joysticks in der Hand und Carbon von RaceFace – nobel nobel

Für das geringe Gesamtgewicht ist natürlich auch der Aufbau verantwortlich, den man kurz und knapp als „vom Feinsten“ beschreiben kann. Alles andere wäre an einem Rahmen dieser Preisklasse [der Einzelpreis liegt mit Dämpfer bei 2248€] auch ein bisschen wie ein Porsche mit Stoffsitzen. Um bei den Auto-Vergleichen zu bleiben: Tri-Cycles schickt uns ein Knolly mit Vollausstattung: Fox Kashima Luftfahrwerk, eine komplette SRAM XX-Gruppe, RaceFace-Carbon Kurbel und Lenker, Thomson-Vorbau und Stütze, Stans Naben mit ZTR Flow Felgen Tubeless aufgebaut… da bleibt für den Tuner nicht viel Luft.

Umwerfer und Kettenblätter machten 2X10 zu einer wahren Freude
# Umwerfer und Kettenblätter machten 2X10 zu einer wahren Freude

Ein Detail störte uns an diesem Aufbau für den angedachten Einsatzzweck dann aber doch: Für schnelle Touren und maximalen Fahrspaß bergauf und bergab schätzen wir Teleskopstützen. Glücklicherweise war gerade eine in die Redaktion geflogen gekommen, die wir gleich verbauten. Schön gelöst ist die Zugführung, die mit eigenen Plastikclips (durch Kabelbinder ersetzbar, falls man so will) unter dem Oberrohr entlang führt und für jede Variante bis hin zu 3×11 mit verstellbarer Sattelstütze die Züge bändigt.  Damit landet das Gewicht bei 11,95kg – immer noch ein klasse Wert. Um das Gewicht besser einschätzen zu können: Der Rahmen allein wiegt mit Dämpfer in Größe M 2950g – nicht rekordverdächtig, aber in Anbetracht der vielen Lager und Umlenkungen irgendwie überraschend leicht.

Neben dem hier gezeigten Blau sind auch noch Anthrazit und Neon Farben verfügbar
# Neben dem hier gezeigten Blau sind auch noch Anthrazit und Neongelb verfügbar

Außerdem fällt sofort auf, dass am Knolly Endorphin einige für Trailbikes unübliche Maßnahmen umgesetzt wurden: Es findet sich eine abschraubbare ISCG05-Aufnahme für Kettenführungen am Bike und konsequenterweise ist deshalb auch die Umwerfer-Zugführung abschraubbar. So behält das Rad bei jedem Aufbau eine aufgeräumtere Optik.

So sprang es aus dem Karton - 11,75kg leicht und schon im Stand schnell Glückshormone Wer wert darauf legt, wird eine Schnellspannachse am Heck vermissen Mittig im Bild die entfernbare Zugführung - und eine ganz schlecht zu putzende Stelle am Rad Schön sauber gemacht und aufwändig ausgefräst zeigt sich die Umlenkung In Kanada entwickelt, in Taiwan geschweißt - und zwar erstklassig Viel luxuriöser kann ein Rad wohl nicht ausgestattet werden Die Schlammpackung Farbe Januar gehört nicht zum Lieferumfang
Diese Fotos im Fotoalbum anschauen

Jetzt wollen wir wissen, ob das Endorphin seinem Namen gerecht wird und jede Menge Glückshormone freisetzen kann – also Luft in die Federelemente (am Hinterbau fahren wir 25-30% Sag), die Reifen aufgepumpt, Pedale montiert und ab geht die Testfahrt.

Ausfahrt

Ab der ersten Kurbelumdrehung wird klar: Dieses Rad ist eine Rakete. Hätten wir vorher mal auf den Reifen geschaut, wäre das keine Überraschung, denn da steht es ja, weiß auf schwarz: „Rocket Ron“. Tatsächlich bildet der sehr leichte und leicht rollende Schwalbe Tubeless-Reifen die Grundlage dafür, doch ein schneller Reifen allein erklärt den starken Vortrieb nicht. Dafür signifikant mit verantwortlich: Die Sitzposition. Denn dank fast 600 mm effektiver Oberrohrlänge und dem 70 mm langen Vorbau, der dann auch noch einen 780 mm breiten Lenker klemmt, sitzt man ordentlich sportlich auf dem Rad. Leicht gestreckt und zentral kriegt man ordentlich Druck auf die Pedale, genießt die sagenhaft schnellen Schaltvorgänge und los geht die Tour.

Da war es noch warm - eine der ersten Ausfahrten letzten Herbst
# Da war es noch warm – eine der ersten Ausfahrten letzten Herbst

Uphill

Auf geht’s bergauf: Schnell sammelt man Höhenmeter um Höhenmeter. Trotz recht kurzer Kettenstreben und nicht absenkbarer 150er-Gabel steigt die Front erst spät, der langen Front sei Dank. Und der 4xFour-Hinterbau? Der präsentiert sich als einer, der gut zwischen Antriebskräften und Schlägen unterscheiden kann. Denn während das Pedalieren ihn weitestgehend kalt lässt, werden zur gleichen Zeit Stöße absorbiert. Die ersten ca. 40% des Federwegs sind bemerkenswert feinfühlig, die Traktion ist klasse. Vor allem auf dem kleinen Kettenblatt neigt er zudem nicht dazu einzusacken: ein weiterer Punkt, der die nicht absenkbare Gabel rechtfertigt. So konnten wir den RP23-Dämpfer eigentlich immer offen fahren, nur auf Asphalt haben wir uns mit der Plattform ein komplett ruhiges Heck verschafft.

Selbst bei extremer Steigung sackt der Hinterbau kaum ein, und das ohne Lockout
# Selbst bei extremer Steigung sackt der Hinterbau kaum ein, und das ohne Lockout

Flowtrails

Wenn das Gelände flacher wird und die Trittfrequenz nach dem zweiten Kettenblatt verlangt, begeistert einmal öfter der XX-Umwerfer. Ich hatte es fast vergessen, aber diese Kombination aus Umwerfer und Kettenblättern ist wahrhaftig die beste 2-fach Kombination, die ich kenne. So schnell, so sanft geht der Gangwechsel von statten, dass man sich fragt, ob 1X11 erfunden worden wäre, wenn alle Umwerfer so funktionierten – aber das ist eine andere Geschichte. Das agile Lenkverhalten und das geringe Gesamtgewicht machen Richtungswechsel auch bei hoher Geschwindigkeit zum Kinderspiel.

Klarer Vorteil des fetzigen Fahrwerks - auch ohne Absprung kann man spielen
# Klarer Vorteil des fetzigen Fahrwerks – auch ohne Absprung kann man spielen

Die Frage, die sich hinter dem breiten Grinsen im Gesicht versteckt: Wie kann dieses Fahrrad so agil sein, wo es doch gleichzeitig nicht nervös und mit einer gestreckten Fahrposition aufwartet? Die Antwort liegt im kurzen Heck, aber auch der Federungscharakteristik. Denn während das Fahrwerk zu Beginn agil und sanft zu Werke geht, leistet es ab dem mittleren Bereich spürbar Widerstand. Der Effekt: Man rauscht nicht durch den Federweg, sondern bleibt oben auf. Das Erlebnis: Spritzig, verspielt und schnell.

Das breite Cockpit sorgt maßgeblich für Kontrolle und die richtige Sitzposition auf dem Rad
# Das breite Cockpit sorgt maßgeblich für Kontrolle und die richtige Sitzposition auf dem Rad.

Abfahrt

Nächste Disziplin: Abfahrt. Kann das agile Knolly hier die Kontrolle behalten? Es kann. Zwar liegt es nicht so satt auf Wurzelteppichen wie ein reines Enduro, doch das wäre bei unter 12 kg auch ein mittleres Wunder. In der nassen Jahreszeit gibt es sicher griffigere Reifen als den Rocket Ron, doch dank seines großes Volumens schlägt er sich bergab akzeptabel (und bergauf so gut, dass wir ihm das kleine Defizit gern verziehen haben). Der Lenkwinkel liegt mit 67° genau richtig, um mit dem unten externen Steuersatz und dem flachen Cockpit für eine gut ausbalancierte Abfahrtshaltung zu sorgen. Auch in steilerem Gelände fühlten wir uns sicher, den meisten Spaß machte das Knolly aber in kurvigen Wurzeltrails mittleren Gefälles.

Das Endorphin ist ein fahrendes Plädoyer für leichte 26%22 Trailbikes
# Das Endorphin ist ein fahrendes Plädoyer für leichte 26″ Trailbikes

Bei dicht aufeinander folgenden Schlägen bergab außerdem eine löbliche Tugend: Das Knolly präsentiert sich weitestgehend bremsneutral. Stichwort Bremsen: Die XX-Bremse mit 180 mm und 160 mm Scheiben ist sicher kein Abfahrtsgerät, war für uns – außerhalb alpiner Teststrecken – aber absolut ausreichend und zeigte einen schön definierten Druckpunkt bei guter Dosierbarkeit. In Sachen Fahrwerk konnte die Fox 34 Float dem Hinterbau nicht ganz das Wasser reichen. Auch wenn sie ordentlich funktionierte, gingen von Zeit zu Zeit Fantasien mit uns durch, in denen an der Front eine 150mm Pike ihre Arbeit verrichtet.

Da fliegen die Fetzen - auch bergab werden Endorphine freigesetzt
# Da fliegen die Fetzen – auch bergab werden Endorphine freigesetzt

Ein Eindruck, den jeder bestätigen konnte, der das Endorphin Probe fahren durfte: Weniger ist mehr. Die 140 mm am Heck konnten Piloten, die sonst mit +/- 160 mm unterwegs sind, voll überzeugen. Als Gründe wurden am häufigsten Attribute wie „agiler“, „aggressiver“ oder „schneller“ genannt. Dafür ist natürlich nicht allein der niedrigere Federweg verantwortlich, aber wir halten fest: Auch für abfahrtsorientierte Touren reichen 150/140 mm gut aus, solange sie mit der richtigen Kennlinie verknüpft sind.

Da braucht es den Fuß am Boden - Rocket Ron macht die Rakete seitwärts Da fühlt sich das Knolly fast zuhause - North Shores in der Schweiz Freude am Rasen und Strecke machen Es gibt Reifen, die mehr Grip haben
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Knolly Endorphin – Geometrie

Geometrie S M L XL Details
Kettenstrebenlänge 425mm Max. Reifenbreite 26″ x 2.5″
Steuerrohrlänge 106 118 125 125 Hinterachsmaß 142mm x 12mm Thru Axle
Schritthöhe 719 729 742 763 Steuersatzmaß 44mm Zero Stack (1.125″ and 1.5″ Taper)
Sitzrohrlänge 381 428 483 518 Innenlagerhöhe 340 mm
Effektive Oberrohrlänge 570 598 625 644 Sitzwinkel (tatsächlich) 69°
Radstand 1113 1141 1168 1187 Effektiver Sitzwinkel 73.5°
Gabellänge 533mm Lenkwinkel 67.0° bei einer 150mm Gabel
Stack  572mm 583mm 583mm  589mm
Reach 395mm 420mm 447mm 462mm

4xFour – Braucht es gar so viele Gelenke?

Werfen wir doch einen näheren Blick auf den Hinterbau, den alle Knolly Bikes gemein haben. Dabei handelt es sich zunächst einmal um einen Viergelenker im Stile des Horst-Link (FSR), auch wenn das Gelenk in der Kettenstrebe weiter oben sitzt. Die Lage dieses Drehpunktes ist wichtig für die Antriebsneutralität, bestimmt sie doch gemeinsam mit dem Hauptdrehpunkt die Kettenlängung und ob der Kettenzug hier ein Einfedern herbeiführen kann. Während die Kinematik bis hier ähnlich zu vielen 4-Gelenkern daher kommt, beginnen die Unterschiede bei der Abstützung der Sitzstrebe. Denn anstatt mit dieser über eine einzelne Umlenkung den Dämpfer zu betätigen, wird zwar die Sitzstrebe über eine solche geführt, die Kraft in Richtung Dämpfer aber nochmals umgelenkt. Erst über eine weitere Abstützung wird die Wippe betätigt, auf der der Dämpfer gelagert ist.

Da wurde es Winter - wir haben die Lager wahrlich nicht geschont
# Da wurde es Winter – wir haben die Lager wahrlich nicht geschont

Man darf fragen: Braucht es diese zusätzliche Umlenkung? Sagen wir es einmal so: Sie verschafft dem Konstrukteur zumindest eine nochmals gesteigerte Auslegungsfreiheit. Denn während er normalerweise an der Wippe einen Kompromiss aus Dämpfer-Anlenkung und Sitzstreben-Führung (wichtig für die Bremsneutralität) finden muss, kann er mit der zusätzlichen Umlenkung beides relativ unabhängig voneinander anpassen.

Schön sauber gemacht und aufwändig ausgefräst zeigt sich die Umlenkung
# Schön sauber gemacht und aufwändig ausgefräst zeigt sich die Umlenkung und trägt damit zum Look nur Gutes bei.

Unabhängig davon steht aber fest: Die zusätzliche Umlenkung ergibt insbesondere mit den wunderschön ausgeführten Frästeilen eine tatsächlich einzigartige Optik. Und auf dem Trail konnte die Konstruktion auch noch überzeugen. Ob die Lager in übermäßigem Wartungsaufwand ausufern? Wir haben vier schmutzige Monate ohne Putzen verbracht und am Ende mal die Luft aus dem Dämpfer gelassen: Alle 7 Drehpunkte liefen noch sanft und geräuschlos. Scheint, als hätte Knolly seine Hausaufgaben gemacht und alle verwendeten Gleit- und Kugellager gut gegen die Witterungseinflüsse abgesichert.

Test-Fazit zum Knolly Endorphin

Unser Erstkontakt mit der Firma Knolly verlief äußerst erfreulich. Das Testbikes rief bei uns Erinnerungen an den Flair vergangener Tage bei Rocky Mountain Bikes hervor: Eigenständiges Design und liebevoll gestaltete Frästeile.  Doch das individuelle Image ist nur das I-Tüpfelchen: In erster Linie konnte uns das Knolly Endorphin auf dem Trail überzeugen. Die Kombination aus sportlicher Geometrie, spritzig-straffem Fahrwerk und erstklassigem Aufbau überzeugt absolut. Der eigenwillige Hinterbau überzeugt mit Effizienz und Traktion, beim Beschleunigen und Bremsen gleichermaßen. Gibt es da überhaupt was zu nörgeln? Na klar: Das Knolly nach dem Spielen im Dreck wieder sauber zu bekommen war das Gegenteil von leicht und hätte so fast noch den sehr guten Gesamteindruck getrübt, und das Hinterrad werkzeuglos demontieren zu können wäre auch sehr nett.

Video zum Knolly Endorphin

Weitere Informationen zum Knolly Endorphin

Der Deutschland-Vertrieb für Knolly Bikes ist Tri-Cycles aus Wiesbaden. Über ihn ist der Endorphin-Rahmen mit Fox-Dämpfer für 2248€ in vier Rahmengrößen und diversen Farben zu beziehen: Dezent anthrazit oder grau, knallig neon oder blau. Komplettbikes werden ab März verfügbar sein, die Ausstattung hierfür steht jedoch noch nicht fest. Anfragen dazu an Tri-Cycles.

Tri-Cycles-Homepage zum Testbike
Hersteller-Homepage

  1. benutzerbild

    tool

    dabei seit 04/2002

    ich hätte es gern in 650B
    Warte -so wie ich- auf das Warden.
  2. benutzerbild

    bentho

    dabei seit 11/2009

    heee hoooo.... ein knolly...
    diese hobel sind jeden cent wert... ich bin letzte saison immer mit nem grinsen umhergefahren...

  3. benutzerbild

    Rider_888

    dabei seit 06/2013

    schöner Bericht

  4. benutzerbild

    Ibisrider

    dabei seit 01/2012

    Das Teil geht super hoch und noch superer wieder runter.

  5. benutzerbild

    fusi85

    dabei seit 04/2007

    Was ist das für eine geile GoPro Halterung für den Rucksack?

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