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Fit auf dem Bike #1
Errichte dein Fundament!

In unserem ersten Artikel zum Thema „Fit auf dem Bike“ geht es um das grundlegende Fundament: Dieses wird oft außer Acht gelassen, obwohl es die wichtigste Grundlage dafür ist, während und vor der Saison fit auf dem Bike zu sein.

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Direkt die erste Frage an dich: Was meinst du, ist wichtig für deinen Körper, damit er fit ist und funktioniert? Die meisten antworten darauf mit „Cardio“ – also Ausdauer-Training. Diese Antwort ist nicht direkt falsch, jedoch fallen dabei viele Faktoren weg, die mindestens genauso wichtig sind. Der Körper ist eine Einheit, bei der mehrere Faktoren zusammen spielen: Beweglichkeit, Koordination, Stabilität, Balance, Reaktionsfähigkeit. Um diese in eine Einheit zu bringen, bedarf es mehr als nur Ausdauertraining. Um seine Ausdauer auszubauen, müssen die vielen anderen Faktoren, die deinen Körper ausmachen, ebenso berücksichtigt werden.

„Trainier sie oder verlier sie“

Konzentriert man sich nur auf Ausdauer-Training, passieren verschiedene Dinge im Körper:

Durch ständig einseitige Belastung geht zum Beispiel Beweglichkeit verloren. So bekommt der Körper beim Mountainbike fahren ständig den Impuls, in einer gebeugten Position zu verharren, ähnlich wie beim Frühstück am Esstisch, beim Autofahren zur Arbeitsstelle, dem Bürostuhl-Alltag am PC, dem Nachhause fahren, dem auf der Couch relaxen und selbst beim Schlaf in der Fötus-Haltung. Der Körper adaptiert diese ständig gehaltene Position. Beweglichkeits-Defizite z.B. im Brustwirbel- und Hüftbeuger-Bereich ist die Folge.

Diese Kompensation und die daraus resultierenden Defizite äußern sich in Form von fehlender Beweglichkeit im Brustwirbel-Bereich und zu viel Bewegung in den vermeintlich stabilen Lendenwirbel-Bereich. Die Aufgabenteilung der Gelenke wurde verdreht und ein Nährboden für Rückenbeschwerden ist gelegt. Unser Körper ist quasi ein Kompensations-Wunder – Er kann sehr viele falsche Impulse weg stecken, doch irgendwann „knallts“ und unser Körper reagiert mit Schmerz und Verletzungen.

Trainiere deine Beweglichkeit oder verlier sie! Eine gute Beweglichkeit ist die Grundlage für alle weiteren Konditionen.

Ähnlich sieht es bei deinen anderen Konditionen aus – wenn sie nicht regelmäßig abgerufen werden, adaptiert dein Körper, dass er sie nicht mehr gebrauchen kann und so gehen sie allmählich verloren. So auch mit der überlebenswichtigen Muskulatur: Ab dem dreißigsten Lebensjahr beginnt unser Körper Muskulatur abzubauen, im Durchschnitt 1 % pro Jahr. Das sieht erstmal nach wenig aus, doch mit 80 Jahren sind dann 50 % verloren gegangen. Studien zeigten auf, wie es bei Ausdauersportlern aussieht: trotz regelmäßigen Laufens, Bikens etc. kann die Muskelabnahme nicht gestoppt werden, es geht sogar mehr verloren! Im Durchschnitt sollen es um die 1,5 % pro Jahr sein.

Doch wie kann es sein, dass ich durch Ausdauer-Sport mehr Muskulatur verliere?

Hier spielen verschiedene Faktoren mit ein, unter anderem ist die Reizsetzung beim Ausdauersport in der Muskulatur nicht groß genug. Um Muskelwachstum hervorzurufen, muss ein hoher Widerstand mit wenigen Wiederholungen bewegt werden. Zum Beispiel bei Kniebeugen mit der Langhantel; wobei das Gewicht auf der Langhantel so gewählt ist, das min. 6 Wiederholungen bis maximal 12 Wiederholungen sauber und in voller Bewegungsamplitude (Anm. d. Red.: Die größte Auslenkung einer körperlichen Bewegung) bewältigt werden können. Dies ist im Ausdauersport weniger der Fall, da wir auf eine Lange Zeit eine gleiche Belastung aufrechterhalten. Mehr zum Thema Reizsetzung und Wiederholungszahlen wird es im nächsten Artikel geben.

Des weiteren „verstoffwechselt“ man bei ausgeprägten Ausdauer-Einheiten seinen Körper. Das lässt sich vergleichen mit einem Auto, das man viel fährt. Wenn ein Auto viel gefahren wird, passieren zwei Dinge:

1. Man muss ständig und viel tanken, um genügend Brennstoff zu haben. Ohne Sprit können wir nicht fahren, das ist klar.
2. Je mehr ein Auto gefahren wird, desto schneller verschleißt es. Inspektionen werden häufiger nötig, Verschleißteile müssen schneller ausgetauscht werden.

# Pyramide 2

Übertragen auf unseren Körper bedeutet das Folgendes:

Unsere Ernährung ist unser Sprit: je ausgewogener sie ist, umso mehr Energie liefert sie uns. Bei vielen Ausdauer-Einheiten braucht dein Körper umso mehr hochwertige Nahrung. Dies wird oft sehr unterschätzt. Als Energieträger stehen uns Kohlenhydrate, Fette und Proteine zur Verfügung. Bekommt der Körper trotz der Ausdauer-Einheiten zu wenig Energie zugeführt, wird der Körper dazu gebracht, seine eigenen Energie-Quellen anzuzapfen. Da haben wir einmal die Fettzellen, aber auch unsere Muskeln, welche aus Aminosäuren bestehen, also Eiweiß-Bausteinen. Je länger und intensiver die Einheiten, umso wahrscheinlicher ist in diesem Fall, dass dein Körper seine eigenen Eiweißspeicher angreift, die Muskulatur. Ein extremes Beispiel hierfür sind Marathon-Läufer.

Deswegen ist es wichtig, ein regelmäßiges Krafttraining in sein Leben als Mountainbiker einzubauen. Das kann mit oder ohne Gewichte geschehen, Hauptsache der Faktor Kraft bekommt einen größeren Stellenwert.

Auch Mountainbikefahren besteht nicht nur aus Ausdauer. Krafttraining und die o.g. Faktoren sind das, was deinen Körper zu einem ausgeglichenen, allzeit bereiten Sportgerät, auf das du dich verlassen kannst, machen. Functional Training ist das „Tuning“, das dich zu deiner erwünschten Leistungssteigerung bringen kann. Bei einem getunten Sportwagen würde man nie auf die Idee kommen, lediglich einen leistungsstarken Motor einzubauen, es werden auch dickere Reifen montiert, um die Power des Motors auf die Straße zu bringen. Ein gut abgestimmtes Getriebe wird verbaut, um geschmeidig zu schalten. Desweiteren werden starke Bremsen verbaut, um bei Spitzengeschwindigkeiten gut und sicher bremsen zu können.

Deine Bremsen und Stoßdämpfer ist die Beweglichkeit. Eine gute Grundbeweglichkeit ist eine solide Basis. Die Reifen stehen für deine Stabilität, nur mit dieser kannst du die gewünschte Kraft entfalten. Das Getriebe steht für deine motorische Fähigkeit, wie du fundamentale Bewegungsmuster durchführst. Das funktionelle Krafttraining ist der leistungsstarke Motor. Und erst dann sollte man mit dem Feintuning, bzw. dem Sportart-spezifischen (Mountainbike) Training beginnen. Diese 5 Faktoren bauen aufeinander auf. Damit man „rundum“ funktioniert, sollte man zunächst damit beginnen, sein Fundament aufzubauen. Oder baust du ein Haus auf einen Strand ohne festes Fundament?

Mobilität und Stabilität bilden das Fundament, deswegen sind sie rot markiert. Bike-spezifisches Training findet man jedoch erst ganz an der Spitze der Pyramide, wird also erst in den Trainings-Plan aufgenommen, wenn man nicht nur sein Fundament, sondern auch Ausdauer und funktionelle Kraft in Einklang gebracht hat.

Wenn man nicht weiß, wo die eigenen Defizite sind, lässt sich auch schlecht an diesen arbeiten. Ein Functional Movement Screen ist ein guter Anfang um heraus zu finden, wo deine Einschränkungen oder Asymmetrien liegen. Sobald man die am stärksten ausgeprägten Asymmetrie oder Schwäche gefunden hat, kann man sich mit diesen auseinander setzen und verbessern. Dein Training kann effizienter auf dich abgestimmt werden, damit dein Körper wieder ins Gleichgewicht kommt. Du kannst dich bei verschiedenen Personal Trainern und Fitness-Studios informieren, ob sie ein Functional Movement Screen anbieten. Auch unser Trainer Joel hat vor kurzem seine Fortbildung für ein umfassendes Functional Movement Screen abgeschlossen und ist ein guter Ansprechpartner dafür.

Klein anfangen!

Nicht nur das Training, sondern auch kleinere Veränderungen im Alltag helfen schon, sich auf dem Bike wohler zu fühlen. Viele von euch fahren bestimmt schon mit dem Bike zur Arbeit – die, die es noch nicht tun, können sich überlegen, ob es machbar ist. Oder öffentliche Verkehrsmittel nutzen und einfach mal stehen statt sitzen – Unser Körper liebt Variationen in seinen Bewegungen, bewege ihn, denn das viele Sitzen beim Arbeitsweg und dem eventuellen Bürojob sorgen für die ersten Defizite. Durch die vorgebeugte Haltung verkürzt sich die vordere Muskelkette sowie die Hüftbeuger. Die Folgen sind Verspannungen und Rückenschmerzen. Auch die vorgebeugte Haltung auf dem Bike kann das fördern, deswegen ist ein ausgeglichenes Training umso wichtiger für uns. Darauf werden wir aber im nächsten Artikel näher eingehen.

Fünf Übungen für deine Beweglichkeit

Es gibt ein paar grundlegende Übungen, mit denen man beginnen kann, sein Training zu erweitern. Als ersten Schritt kannst du zunächst herausfinden, wie gut deine Beweglichkeit ist. Die Hocke und der Toe-Touch sind Basis-Übungen für Beweglichkeit und ein erster Anhaltspunkt, der dir dabei helfen kann heraus zu finden, woran du arbeiten musst.

Hocke

Versuch in der Hocke deinen Rücken so gerade wie möglich zu halten und dein Gleichgewicht auf den Fersen zu halten.

# Behalte deinen Rücken gerade. Je nach Beschaffenheit der Hüfte musst du die Beine weiter auseinanderstellen, um stabil stehen zu bleiben.
# Wenn du es noch nicht schaffst, dein Gleichgewicht zu halten, stütz dich zunächst an einer Wand ab

Toe-Touch

Mit dem Toe-Touch findest du heraus, wie gut deine Hüftansteuerung funktioniert und ob dort Beweglichkeits-Defizite sein könnten. Solltest du Probleme damit haben, deine Hände an deine Füße zu reichen, weißt du, dass etwas gemacht werden muss.

# Neutrale Position – Schultern nach hinten, Hüfte nach vorne, Beine geschlossen
# Das Becken nach hinten kippen, die Arme nach unten, den Rücken zunächst gerade lassen
# Wirbel für Wirbel beugen und mit den Händen versuchen, den Boden zu berühren...
# ...Sebastian zeigt einen guten Toe Touch, er hat zu Beginn sein Becken gut nach hinten verlagert und weist eine gleichmäßige Beugung in der ganzen Wirbelsäule auf.

2. Beweglichkeits-Übungen

Couch-Stretch

Übungen für die Oberschenkel-Vorderseite und den Hüftbeuger:

# Lehne dein Bein an die Wand. So weit, bis es leicht zieht...
# ...das andere Bein im 90 Grad-Winkel abstellen.
# Langsam nach hinten lehnen, bis man den vorderen Oberschenkel-Muskel spürt. Die Hüfte nach vorn schieben, das Gesäß anspannen...
# Darauf achten, dass die Hüfte vorn und das Gesäß angespannt bleibt. 30 Sekunden halten.

Armstrecker

Beweglichkeits-Übung für den Brustwirbelsäulen (BWS)-Bereich:

# Die Beine anwinkeln, in einer Linie mit dem Rücken...
# ...den oberen Arm nach vorn schieben, nur der Bereich der Brustwirbelsäule bewegt sich, Hüfte und Knie nicht
# Zurück in die Ausgangsposition
# Und wieder strecken. 30 Sekunden halten.

3. Aktivierungs-Übungen

Um die Muskeln wieder in Schwung zu bringen, die vielleicht auf dem Bürostuhl eingeschlafen sind, zeigen wir hier zwei Beispiel-Übungen, die ihr ausprobieren solltet.

Katze-Kuh

Eine lokale Aktivierungs-Übung für den Bauch und den Rücken.

# Katze – Rücken so weit es geht nach oben strecken, Beine und Arme nach innen drücken.
# Kuh – Rücken so weit es geht durchdrücken, Arme und Beine nach außen drücken.

Bridge

Eine Aktivierungsübungen fürs Gesäß. Was erstmal einfach aussieht, ist eine komplexe Übung, die oft nur halbherzig ausgeführt wird. Gesäß und Rücken werden fest angespannt. Die Beine werden so stark in den Boden gedrückt, dass eine zweite Person dich an den Füßen nicht mehr anheben kann.

# Schulterblätter auf den Boden, Arme ausgestreckt, die Beine angewinkelt.
# Drück deine Hüfte nach oben. Die Füße und Schulterblätter stemmen sich in den Boden, Gesäß und Bauch sind angespannt. 3 Sekunden halten und wieder absetzen.

Nicht geklappt? Obwohl du alle Kraft eingesetzt hast, die dir zur Verfügung steht? Nicht unüblich, aber definitiv unpraktisch. Folgendes solltest du nun tun, um dein Gesäß wieder mit ins Boot zu holen, andernfalls bekommt dein Körper wieder falsche Impulse und adaptiert dementsprechend falsche Muster.

Gebe deinem Trainingspartner, der dich gerade eben getestet hat, folgende Anweisung: „Stelle dir vor, unter deinen Fersen, hier und hier (mit den Fingern an den Fersen antippen), liegen jeweils 100 €. Wenn ich es wieder schaffe, deine Füße hochzuheben, dann gehören Sie mir. Also halte Sie fest!“

Geklappt? Wichtig ist, dass eine zweite Person genau dies tut, um die richtige Information für die richtige muskuläre Ansteuerung hervorzuholen.

# Hol dir eine zweite Person dazu, die testet, ob sie dich an den Füßen anheben kann.

4. Stabilität & Koordination

Die Standwaage

Eine Koordinationsübung, die Stabilität und Gleichgewicht im ganzen Körper fordert

# Die Beine zusammenstellen, ein Bein im 90° Grad Winkel anheben. Die Arme mittig vor der Brust platzieren...
# Langsam nach den Oberkörper nach vorne hin öffnen, während man das angehobene Bein nach hinten streckt.
# Daumen nach oben strecken, den Rücken gerade halten.
# Das Gleichgewicht mit dem Standfuß halten – Beide Positionen je 10 Sek. halten, dann das Bein wechseln

Jede dieser Übungen sollte jeden Tag 2 Mal je 2 Sätze mit je 8 Wiederholungen absolviert werden, um Resultate zu generieren. Du schaffst das!


Weitere Informationen

Fit auf dem Bike Prolog: Startklar für die Saison
Fit auf dem Bike #1: Errichte dein Fundament!
Fit auf dem Bike #2: Die Zutaten für deinen Trainingsplan

www.functional-training-magazin.de/mobilitaetstraining | www.functionalmovement.com


Text & Redaktion: Jana Zoricic & Joel Pitzer
Fotos: Moritz Zimmermann

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