Vor etwas über zwei Jahren haben wir euch von der Gründung eines Mountainbike-Vereins in Stuttgart berichtet. Mittlerweile hat sich im Kessel einiges getan und der Verein ist auf über 1.400 Mitglieder angewachsen. Doch das eigentliche Ziel – die Legalisierung eines attraktiven Streckenangebots – benötigt immer noch viel Arbeit. Um dieser gerecht zu werden, sucht man nun einen fest angestellten Geschäftsführer, der die vielen Termine mit Stadt und Forst wahrnehmen kann. Wir haben mit Fabian Scholz vom MTB-Verein in Stuttgart über die aktuelle Lage gesprochen. Viel Spaß mit dem Interview.
MTB-News.de: Hey Fabian. Wir haben zuletzt Anfang 2020 über euren Verein geredet. Was hat sich seitdem getan?
Fabian Scholz: Vereins-seitig ist die Lage super, wir haben mittlerweile über 1.400 Mitglieder und gehören damit zu den größten MTB-Vereinen Deutschlands, obwohl wir uns erst vor 2,5 Jahren gegründet haben. Das ist natürlich mega. Man muss ja auch ganz klar sagen: Theoretisch braucht man zum Mountainbiken keinen Verein – die meisten sind einfach eigenständig im Wald unterwegs. Dennoch hilft ein Beitritt in einem Verein immens, gerade in Städten wie Stuttgart, wo es oft kein Bewusstsein für unsere schöne Sportart gibt. Mittlerweile ist den meisten Verantwortlichen in Stuttgart aber bewusst, dass Mountainbiken keine Trend- oder Extremsportart ist, sondern schlicht und einfach Breitensport für alle Altersklassen. Daher auch unsere Forderung: eine Entkriminalisierung unserer Sportart, Angebote statt Verbote!
Ihr habt die Stadt bei der Erarbeitung eines Freizeitkonzepts für den stadtnahen Wald unterstützt. Wie ist hier die Lage?
Zwei Jahre wurde am Freizeitkonzept gearbeitet und mittlerweile können die Ergebnisse eingesehen werden. Darin haben sich Ämter, Naturschutz, Umweltschutz, Jugendhäuser etc. darauf geeinigt, ein attraktives, legales Angebot an Trails zu schaffen. Zudem gibt es derzeit einen „Bikefrieden“, der alle bereits bestehenden Trails umfasst. Diese werden vom Forst nicht zugelegt, lediglich „Einbauten“ (quasi alles, was mit Hilfsmitteln erschaffen wurde) werden unregelmäßig eingeebnet. Das ist an einigen Stellen völlig kontraproduktiv und führt zu Alternativlinien. Damit ist weder den Bikern noch dem Naturschutz gedient. Leider dürfen wir die Trails auch nicht pflegen oder anlegen, haben das der Stadt aber mehrfach angeboten. Positiv ist, dass sich alle bewusst sind, dass es ein legales Angebot geben muss – leider gestaltet sich die Umsetzung mehr als sperrig.
Inwiefern sperrig?
Derzeit werden 3 Trails als Pilotprojekte versucht zu legalisieren. Das bedeutet, dass ein Artengutachten durchgeführt wird. Das dauert ein ganzes Jahr, da alle Brut- und Setzzeiten von allen dort lebenden Tieren beobachtet werden. Die anschließende Auswertung zeigt dann, ob der Trail legalisierbar wäre. Dieser gesamte Prozess dauert über 2 Jahre – und das wären gerade einmal 3 Trails, die zwar sehr beliebt sind, aber natürlich nur einen Bruchteil der vorhandenen Trails darstellen. Zudem ist die Untere Naturschutzbehörde in Stuttgart der Meinung, dass im Landschaftsschutzgebiet in Stuttgart gar kein Trail legalisierbar ist. Diese Haltung hat die Landesverwaltung aber mittlerweile revidiert. Es gibt jedoch große Hürden, in solchen Gebieten Trails zu legalisieren. In Stuttgart ist quasi alles Landschaftsschutzgebiet oder hat einen höheren Schutzstatus. Genau das ist der Knackpunkt an der ganzen Geschichte.
In Baden-Württemberg gilt ja auch die berüchtigte 2-Meter-Regel …
Es wird sich immer schnell auf die 2-Meter-Regel berufen. Was aber im Gesetz definiert ist, war nicht ganz klar. Daher wurde eine Anfrage an das Land gestellt, mit der Bitte um Aufklärung der Gesetzeslage. Wie gesagt, ist die Untere Naturschutzbehörde der Meinung, dass im Landschaftsschutzgebiet keine Legalisierung möglich ist. Das sieht das Gesetz aber anders: Eine Befreiung von einer Schutzgebietsverordnung ist durchaus möglich, wenn zum Beispiel das Schutzziel „den Erholungswert zu steigern“ erfüllt wird, ohne dass andere Schutzziele wesentlich gefährdet werden. Dann wäre eine Erlaubnis zu erteilen.
Das klingt, als ob es für euch noch einige Hürden gäbe?
Klingt kompliziert, aber zusammenfassend kann man sagen, dass es durchaus möglich ist … wenn man denn will! In einigen Nachbarkommunen von Stuttgart will man: Zum Beispiel in Fellbach gibt mittlerweile ein legales Trailnetz. Dort wirken wir mit unserer Ortsgruppe mit, zusammen mit der DIMB IG Rems die Trails weiter zu bauen und zu pflegen. Das zeigt ganz klar, dass es sehr wohl funktionieren kann. In Stuttgart beruft sich die Naturschutzbehörde auf Paragrafen, statt eine pragmatische Lösung für Natur und Radler zu suchen. In der Zwischenzeit wächst die Zahl der Biker natürlich weiter.
Das führt uns zum Grund des Interviews – du hast erzählt, dass ihr gerne eine*n Geschäftsführer*in für den Verein anstellen wollt. Was hat es damit auf sich?
Da die Legalisierung in Stuttgart Leuchtturm-Charakter hat und wegweisend für das ganze Land Baden-Württemberg steht, müssen wir mit Nachdruck dran bleiben. Das können wir Vorstände in unserer Freizeit nicht mehr leisten. Die meisten Termine mit der Stadt, Forst etc. sind logischerweise tagsüber, in deren Arbeitszeit. Daher haben wir uns dazu entschieden, eine*n Geschäftsführer*in einzustellen (Stellenbeschreibung auf der Jobs-Seite). Dazu haben wir das Glück, dass Stuttgart und Umgebung ein regelrechter Hotspot der Fahrradindustrie ist und wir über Sponsorengelder die Stelle finanzieren können. Andernfalls wäre ein gesicherter Arbeitsplatz nicht zu realisieren, da wir unseren Mitgliedsbeitrag bewusst gering gehalten haben, trotz nicht vorhandener legaler Trails.
Eine legale Strecke gibt es doch schon – den Woodpecker. Lässt sich hierauf nicht aufbauen?
Das ist die nächste Baustelle. Der Woodpecker hat seit ca. 2 Jahren keine Genehmigung mehr und wird quasi nur geduldet. Außerdem werden kaum Instandhaltungsmaßnahmen durchgeführt. Wir haben dem Sportamt angeboten, den Woodpecker zu pflegen. Allerdings nur unter der Voraussetzung, dass wir die Strecke auch umgestalten dürfen, denn die hat durchaus Potenzial … auch hier warten wir nach wie vor auf eine Antwort.
Vielen Dank für das Interview und viel Erfolg bei euren Legalisierungs-Bestrebungen.
Du fühlst dich qualifiziert für den Job als Geschäftsführer*in des Mountainbike Stuttgart e. V.? Alle Infos findest du auf der MTB-News-Jobs-Seite.
Was sagst du zur Lage in Stuttgart und den Problemen bei der Legalisierung?
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