Neues Raaw Jibb V2 im ersten Test: Der kurzhubigste Vertreter im Raaw-Universum hört auf den klangvollen Namen Jibb. Mit leicht reduziertem Federweg am Heck und einigen Detail-Änderungen für mehr Anpassbarkeit will das neue Jibb V2 weiterhin als verspieltes, aber abfahrtslastiges Trail-Bike brillieren. Wie sich die Neuerungen auswirken, konnten wir bereits testen.
Video: Raaw Jibb V2 im ersten Test
Steckbrief: Raaw Jibb V2
Einsatzbereich | Trail |
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Federweg | 150 mm/130 mm |
Laufradgröße | 29ʺ, Mullet (29″/27,5″) |
Rahmenmaterial | Aluminium |
Gewicht (o. Pedale) | 15,8 kg |
Rahmengrößen | S, M, L, XL, XXL (im Test: L) |
Website | www.raawmtb.com |
Preisspanne | ab 2.790 € |
Das Jibb ist der kurzhubigste Vertreter im überschaubaren Raaw-Universum. Während sich das Yalla! primär an Downhiller richtet und das Madonna inzwischen eine echte Enduro-Instanz ist, will das neue Jibb mit neuerdings 130 mm Federweg am Alu-Heck vor allem als verspieltes Trail-Bike brillieren. Vom knappen Federweg sollte man sich aber nicht irreführen lassen, denn Raaw-typisch soll im Jibb V2 jede Menge Abfahrtspotenzial stecken. Von den beiden großen Geschwistern hat das neue Jibb nun das sogenannte Toolbox-System übernommen, bei dem man dank austauschbarer Dämpferaufnahme allerlei Parameter nach den eigenen Vorlieben anpassen kann. Erhältlich ist das neue Raaw Jibb V2 ab sofort als Rahmenset für 2.790 € oder als Rolling Chassis.
Die wichtigsten Neuerungen
- Toolbox-System Anpassbare Tretlager-Höhe und Progression durch austauschbare Dämpferaufnahme
- Reduzierter Federweg Minimal reduzierter Federweg am Heck von ehemals 135 auf 130 mm
- Rocker 50 und Rocker 55 Zwei verschiedene Umlenkwippen für optimale Hinterbau-Funktion je nach Körpergewicht
- LT-Variante Durch Kombination aus Rocker 50-Umlenkwippe und Dämpfer mit 55 mm Hub auch LT-Variante mit 160 / 141 mm Federweg möglich
- Mullet-Kompabilität Optional erhältliche MX-Dämpferaufnahme macht das neue Jibb V2 auch mit 27,5″-Hinterrad kompatibel
Im Detail
Organische Rohrformen aus Carbon, knallige Farben und durch den Steuersatz verlegte Leitungen: All das gibt es beim neuen Raaw Jibb V2 nicht zu bestaunen. Stattdessen bleibt die kleine Bike-Schmiede, die inzwischen in der Pfalz ihre neue Heimat gefunden hat, dem hauseigenen Ansatz treu und hat einmal mehr unverkennbar ein Raaw auf die schicken Aluminium-Beine gestellt. Doch trotz typischem Look hat die zweite Generation des verspielten Trail-Bikes einige Neuerungen und Veränderungen zu bieten. Der Teufel jibbt schließlich im Detail!
Im Vergleich zum Vorgänger hat Raaw den Federweg am Jibb um 5 mm reduziert: 130 mm am Heck werden mit 150 mm an der Front kombiniert. Schwere Fahrerinnen und Fahrer dürften vom neuen Rocker 55 profitieren. In Kombination mit einem Dämpfer mit 55 mm Hub soll der Rocker 55 eine Progression von 19 % bieten und einen weniger hohen Luftdruck im Dämpfer erfordern. Der Rocker 50 hingegen ist für Gewichte bis 90 kg optimiert und bietet zusammen mit einem Dämpfer mit 50 mm Hub eine minimal höhere Progression. So sollen alle Gewichtsklassen von einer optimalen Hinterbau-Performance profitieren.
Aus den verschiedenen Rocker-Optionen ergibt sich beim Jibb V2 die Möglichkeit, eine LT-Variante auf die Alu-Beine zu stellen. Dazu kombiniert man den eigentlich auf 50 mm Hub ausgelegten Rocker 50 mit einem Dämpfer mit 55 mm Hub. Daraus ergeben sich 141 mm Federweg am Heck, die am besten mit einer 160 mm-Gabel gefahren werden sollten. Das Jibb V2 in der LT-Ausführung positioniert sich gewissermaßen zwischen dem normalen Jibb und dem Madonna – früher hätte man dazu wohl All Mountain gesagt.
Generell ist das Jibb V2 darauf ausgelegt, dass man sich möglichst intensiv mit dem Rad beschäftigt und herumtüftelt. Raaw implementiert am Trail-Bike nämlich neuerdings das sogenannte Toolbox-System, das man bereits vom Yalla! und der Madonna V3-Neuauflage (zum Artikel: Raaw Madonna V3 im ersten Test) kennt. Dabei handelt es sich um eine austauschbare Dämpferaufnahme, mit der man sowohl Progression als auch die Höhe des Tretlagers ganz nach den eigenen Vorstellungen anpassen kann.
Durch den Austausch der Aufnahme kann das Tretlager um 3 mm erhöht oder abgesenkt werden. Auch die Progression lässt sich um 3 % steigern oder reduzieren. Standardmäßig wird das Raaw Jibb V2 mit neutraler Dämpferaufnahme ausgeliefert. Außerdem kann man im Raaw-Webshop eine Aufnahme speziell für 27,5″-Hinterräder erwerben und so dem Alu-Boliden einen modischen Mullet verpassen. In Kombination mit der variablen Kettenstreben-Länge (sofern man aufs SRAM UDH verzichten kann) und dem 56 mm-Steuerrohr ergeben sich so praktisch unendlich viele Konfigurations-Möglichkeiten, um das Jibb V2 perfekt an die eigenen Vorlieben anzupassen.
Ansonsten bleibt Raaw dem hauseigenen Ansatz treu: Das Jibb soll möglichst haltbar und zuverlässig sein – und dazu mit einer hohen Servicebarkeit glänzen. So sind etwa alle Leitungen komplett extern verlegt, was in Zeiten von Kabelsalat im Steuersatz erfrischend retro und praktisch ist. Neu gestaltet ist die Lagerung des Hauptlagers und der Umlenkwippe. Wie schon beim neuen Madonna sind die verbauten Lager nun breiter und die Achse läuft direkt durch die inneren Lagerringe. Diese Bauweise ist weniger komplex als am Vorgänger, was das Potenzial für Knarzen deutlich reduzieren soll.
Gewichtstechnisch spielt das Raaw Jibb V2 in derselben Liga wie das Enduro-Pendant Madonna. Soll heißen: Das Trail-Bike aus Aluminium ist wahrlich kein Fliegengewicht, sondern boxt eher in der Schwergewichts-Klasse um die Wette. Raaw gibt das Rahmengewicht in Größe M mit kompletter Hardware, aber ohne Dämpfer mit 3,9 kg an. Unser Testbike in Größe L mit grundsolider und eher abfahrtslastiger Ausstattung ohne besonderen Fokus auf Leichtbau hat stolze 15,8 kg auf die Waage gebracht. Aber: Wer sich für Leichtbau interessiert, interessiert sich eher nicht für Raaw – was umgekehrt natürlich genauso gilt.
Geometrie
Raaw bietet das neue Jibb V2 in fünf verschiedenen Größen von S bis XXL an und knüpft geometrietechnisch an die firmeneigene Philosophie nahtlos an: Ein moderat langer Reach trifft hier auf einen hohen Stack und ein niedriges Tretlager. Je nach Rahmengröße misst das Heck zwischen 445 und 455 mm. Außerdem kann man das Heck um ± 5 mm in der Länge verstellen, sofern man auf ein SRAM UDH-Schaltauge verzichten kann. Der Sitzwinkel ist Raaw-typisch steil, während der Lenkwinkel moderat flache 64,5° misst.
Rahmengröße | S | M | L | XL | XXL |
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Laufradgröße | 29″ | 29″ | 29″ | 29″ | 29″ |
Reach | 420 mm | 445 mm | 470 mm | 495 mm | 520 mm |
Stack | 621 mm | 635 mm | 649 mm | 662 mm | 662 mm |
STR | 1,48 | 1,43 | 1,38 | 1,34 | 1,27 |
Lenkwinkel | 64,5° | 64,5° | 64,5° | 64,5° | 64,5° |
Sitzwinkel, effektiv | 76° | 76° | 77° | 77° | 77° |
Sitzwinkel, real | 72° | 72° | 74° | 74° | 74° |
Oberrohr (horiz.) | 577 mm | 607 mm | 620 mm | 648 mm | 673 mm |
Steuerrohr | 100 mm | 115 mm | 130 mm | 145 mm | 145 mm |
Sitzrohr | 395 mm | 420 mm | 445 mm | 470 mm | 470 mm |
Kettenstreben | 445 mm | 445 mm | 450 mm | 455 mm | 455 mm |
Radstand | 1.192 mm | 1.224 mm | 1.260 mm | 1.296 mm | 1.321 mm |
Tretlagerabsenkung | 35 mm | 35 mm | 35 mm | 35 mm | 35 mm |
Tretlagerhöhe | 335 mm | 335 mm | 335 mm | 335 mm | 335 mm |
Einbauhöhe Gabel | 567 mm | 567 mm | 567 mm | 567 mm | 567 mm |
Gabel-Offset | 44 mm | 44 mm | 44 mm | 44 mm | 44 mm |
Federweg (hinten) | 130 mm | 130 mm | 130 mm | 130 mm | 130 mm |
Federweg (vorn) | 150 mm | 150 mm | 150 mm | 150 mm | 150 mm |
Raaw Jibb V2: Ausstattungen und Preise
Komplettbikes gibt es im Angebot von Raaw nach wie vor nicht – das Jibb V2 setzt diese Tradition fort. Stattdessen haben potenzielle Kundinnen und Kunden die Wahl zwischen Rahmensets mit Dämpfern von Fox oder Öhlins sowie Rolling Chassis. Preislich geht’s bei 2.790 € fürs Rahmenset los. Fans von knalligen Farben schauen beim Jibb V2 in die Röhre, denn die Rahmen werden ausschließlich in den sehr schicken Nicht-Farben Mattschwarz und Raw angeboten.
Auf dem Trail
Wer beim Namen Jibb mit einem äußerst leichtfüßigen, wendigen und vor Spieltrieb nur so strotzendem Trail-Bike rechnet, das auf flowigen Strecken und in wenig anspruchsvollem Gelände seine Kernkompetenz hat, der dürfte enttäuscht werden: Auch in zweiter Generation ist das Raaw Jibb weiterhin ein Heavy-Duty-Trail-Bike. Trotz nochmals reduziertem Federweg begeistert das Jibb V2 nämlich mit beeindruckenden Nehmerqualitäten und fühlt sich auch in hartem Gelände richtig wohl.
Um aus eigener Kraft ebenjenes Gelände zu erreichen, muss man das Jibb nach oben befördern – und das gelingt sehr solide. Der Hinterbau bietet viel Traktion, ohne zum Wippen zu neigen. Einen Griff an den gut erreichbaren Climb Switch kann man sich also sparen. Durch den steilen Sitzwinkel sitzt man auch bei ausgefahrener Sattelstütze sehr zentral und aufrecht. Das kann zu ungewohnt viel Last auf den Händen führen, bedeutet umgekehrt aber auch, dass man selbst in steilem Gelände viel Traktion und kaum Probleme mit einer steigenden Front hat. Nicht wegdiskutieren lässt sich das hohe Gewicht von 15,8 kg. Allerdings wird man sich wohl kaum ein Raaw zulegen, wenn man bergauf auf KOM-Jagd geht.
Die Kernkompetenz hat das Jibb V2 aber ganz klar in der Abfahrt, und hier ist wirklich erstaunlich, wie souverän das Raaw auch mit zornigem Gelände umgeht. Auf dem Papier mag das Jibb mit seinen 130 mm am Heck nicht so extrem wirken. Auch der 64,5°-Lenkwinkel ist zwar auf der flachen Seite, schreit aber nicht unbedingt Downhill oder Enduro Race. Dennoch fühlt sich das Jibb bergab definitiv nach Mini-Enduro mit beeindruckenden Nehmerqualitäten an und bietet auch bei hohen Geschwindigkeiten eine ausgezeichnete Laufruhe.
Dabei ist das Jibb V2 keineswegs eine leblose Dampfwalze, sondern kann auch ganz wunderbar aktiv gefahren werden. Dafür ist etwas mehr Körpereinsatz gefordert als auf einem leichten Trail-Bike – allerdings gewöhnt man sich schnell daran. Auf großen Sprüngen fühlt sich das Jibb ebenso wohl wie in technischem oder steilem Gelände. Außerdem sind die Balance zwischen Front und Heck sowie die Fahrposition mit der Kombination aus tiefem Tretlager und hoher Front aus unserer Sicht gerade für die Abfahrt sehr gelungen.
Leider nicht testen konnten wir die vielfältigen Anpassungsmöglichkeiten, die sich durch das Toolbox-System nun ergeben. Wir sind das Jibb V2 im neutralen Setting, also mit 29″-Laufrädern, ohne Tretlager- oder Progressions-Anpassung und im mittleren Kettenstreben-Setting gefahren und haben im kurzen Testzeitraum kein Bedürfnis verspürt, hieran etwas zu verändern. Wer aber ganz exakte Vorstellungen von der optimalen Performance seines Trail-Bikes hat, hat dank des modularen Ansatzes am Jibb V2 aber nun die Option, diese zu realisieren.
Das ist uns aufgefallen
- Unkompliziert So ziemlich alles am Raaw Jibb V2 ist unkompliziert und auf Service-freundlichkeit ausgelegt. Gerade in Zeiten von proprietären Lösungen an vielen neuen Bikes und fragwürdigen Kabelverlegungen gefällt uns der Raaw-Ansatz noch besser.
- Toolbox-System Kaum ein Trail-Bike bietet wohl so vielfältige Anpassungsmöglichkeiten wie das Raaw Jibb V2. Wer gerne tüftelt: Bitte schön, hier ist das passende Rad!
- Balance Das Jibb V2 bietet eine sehr gelungene Balance und vermittelt dank hoher Front und niedrigem Tretlager viel Sicherheit. Dadurch steht man bergab eher aufrecht und hat ein richtiges Im-Bike-Gefühl, muss aber in flachen, losen Kurven mitunter sein Gewicht bewusst nach vorne verlagern. Das mitwachsende Heck ist ein schönes Detail.
- Gewicht 15,8 kg für ein Trail-Bike mit 130 mm Federweg sind natürlich eine Ansage. Bergab ist uns das Gewicht nicht negativ aufgefallen, aber das Jibb V2 ist definitiv weit davon entfernt, irgendwelche Gewichtsrekorde zu brechen. Ohne Dämpfer wiegen Jibb und Madonna gleich viel. Gerade, wenn man das Jibb mit noch stabileren Reifen aufbauen will, muss man sich im Klaren darüber sein, dass man am Ende einen Trail-Bike-Federweg mit einem eher hohen Enduro-Gewicht kombiniert. Wie sinnvoll das ist, muss jeder für sich selbst entscheiden.
Erster Eindruck: Raaw Jibb V2
Das Raaw Jibb V2 knüpft da an, wo der Vorgänger aufgehört hat, und ist nach wie vor ein exzellentes Trail-Bike, das vor allem bergab sehr viel auf dem Alu-Kasten hat. Die durchdachten und praxisnahen Detaillösungen gefallen und kaum ein Rad dürfte so anpassbar sein wie das neue Jibb. Wer über das hohe Gewicht hinwegsehen kann, bekommt mit dem neuen Raaw Jibb V2 eine sehr solide, schnelle und spaßige Abfahrts-Maschine.
Wie gefällt dir das neue Raaw Jibb in zweiter Generation?
Testablauf
Wir konnten das neue Raaw Jibb mehrere Tage lang auf den harten, steinigen und anspruchsvollen Trails in Südfrankreich in der Nähe von Nizza testen. Die meisten Höhenmeter wurden dabei per Shuttle zurückgelegt – auf dem Programm standen aber auch einige Uphills.
Hier haben wir das Raaw Jibb V2 getestet
- Mandelieu, Frankreich: Abwechslungsreiche und anspruchsvolle Trails auf überwiegend steinigem, trockenem Untergrund.
- Fahrstil
- verspielt
- Ich fahre hauptsächlich
- Downhill, Trail Bikes
- Vorlieben beim Fahrwerk
- ausbalanciert, Gegenhalt über die Feder, Druckstufe eher offen, mittelschneller Rebound
- Vorlieben bei der Geometrie
- eher kurz, hoher Stack, ausgewogener Sitz- und Lenkwinkel
- Fahrstil
- Räder auf dem Boden, saubere Linienwahl
- Ich fahre hauptsächlich
- Trail, Enduro
- Vorlieben beim Fahrwerk
- relativ straff mit viel Dämpfung, Heck eher langsam
- Vorlieben bei der Geometrie
- mittellanges Oberrohr, hoher Stack, lange Kettenstreben, flacher Lenkwinkel
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