Raaw Madonna im Test: Mit Raaw tauchte 2017 plötzlich eine neue Marke auf dem deutschen Markt auf. Hinter ihr steckt kein Unbekannter: Ruben Torenbeek, ehemaliger Entwickler bei Ghost und Scott und einer der Köpfe hinter Produkten wie der Hixon Lenker-Vorbaukombination des Scott-Komponentenherstellers Syncros. Mit dem Enduro-Modell Madonna, dem ersten Produkt der eigenen Marke Raaw, hat er ein Bike ganz nach seinen Vorstellungen entwickelt. Aluminiumrahmen, langer Reach, ein flacher Lenkwinkel und diverse Extras – wir haben es auf die Probe gestellt!
Steckbrief: Raaw Madonna
Einsatzbereich | Enduro, Freeride |
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Federweg | 160-170 mm/160-160 mm |
Laufradgröße | 29ʺ |
Rahmenmaterial | Aluminium |
Rahmengrößen | M, L, XL |
Website | www.raawmtb.com |
Als das Raaw Madonna offiziell das Licht der Welt erblickte, war die erste Resonanz in der Szene sehr positiv: Vor allem große Fahrer konnten den Eckdaten und der Geometrie viel abgewinnen. Mit 29″-Laufrädern, 160 mm Federweg an der Front und am Heck sowie einer eher modernen Geometrie, viel Reach und langen Kettenstreben konnte das Madonna viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen.
Auch der zweite, prüfende Blick sorgte für Begeisterung. Einige praktische Features, die sich auf dem Trail und in der Werkstatt bezahlt machen sollen, sind ins Rahmenkonzept des Enduro-Bikes integriert – von gedichteten Lagerabdeckungen über den nochmals gedichteten Industrielagern, Stauraum für Werkzeug und Schlauch bis hin zur Verwendung von nur zwei Lagergrößen am gesamten Hinterbau. Der Alu-Rahmen wirkt sehr stimmig und soll eine perfekte Basis für individuelle Custom-Aufbauten sein. Inzwischen sind die Rahmen der ersten Charge auf den Trails unterwegs, der nächste Schwung durchläuft gerade die Produktion.
Geometrie
Bei der Wahl der Geometrie liegt Raaw im Trend: viel Reach, ein flacher Lenkwinkel und vor allem ein steiler Sitzwinkel. Doch damit nicht genug: Trotz der bisher sehr kleinen Stückzahl wird am Madonna eine mit der Rahmengröße mitwachsende Kettenstrebe realisiert. Ein Feature (und eine Philosophie), welches sich sonst nur wenige Hersteller leisten. Durch die Verwendung eines steilen Sitzwinkels sollen die langen Reach-Werte ideal funktionieren, ohne Abstriche bei der Sitzposition machen zu müssen. Für den Weg ins Tal generiert man so laut Raaw ausgeglichene Verhältnisse zwischen Front und Heck für Stabilität und Sicherheit in jeder Lage. Mit einem 65°-Lenkwinkel liegt das Raaw Madonna nicht ganz an der Speerspitze, wenn es um flache Lenkwinkel geht, unterstreicht aber durchaus, dass kleinere Hersteller sich gerne mehr trauen als die großen Marken.
Im Testfeld ähnelt das Madonna durchaus dem YT Industries Capra: Beim Reach liegen die beiden Räder gleichauf an der Spitze, allerdings ist das Raaw am Heck ganze 10 mm länger, bietet 4 mm mehr Stack und kann im Vergleich zum hoch eingestellten Capra einen 2,2° steileren Sitzwinkel verbuchen. Etwas tiefer ist auch das Tretlager: -10 mm im Vergleich zur Low-Einstellung am Capra.
M | L | XL | |
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Sitzrohrlänge | 420 mm | 455 mm | 470 mm |
Sitzwinkel | 77° | 78,2° | 78,2° |
Lenkwinkel | 65° | 65° | 65° |
Steuerrohrlänge | 110 mm | 120 mm | 130 mm |
Radstand | 1.212 mm | 1.256 mm | 1.291 mm |
Oberrohrlänge | 585 mm | 609 mm | 636 mm |
Kettenstrebenlänge | 440 mm | 445 mm | 450 mm |
Tretlagerabsenkung | -35 mm | -35 mm | -35 mm |
Reach | 440 mm | 475 mm | 500 mm |
Stack | 627 mm | 639 mm | 648 mm |
Ausstattung
Raaw verkauft selbst im Moment nur Rahmenkits über den eigenen Webshop. Im Set enthalten ist ein FOX DPX2 Factory Dämpfer, ein Steuersatz von Acros und eine hintere Steckachse aus dem Hause DT Swiss. Zudem sind eine kleine Tasche für das Oberrohr, ein Klett-Strap für den Schlauch sowie 3M-Folie für Rahmen und Kettenstreben im Lieferumfang dabei.
Für 150 € Aufpreis gibt es Upgrades in Form von Fox Float X2 oder einem DHX2 Dämpfer. Auch Fans von schwarzen Stealth-Aufbauten werden glücklich – anstelle des Factory DPX2 wird auch ein schwarzer Performance Elite DPX2 angeboten, der mit den gleichen Verstellmöglichkeiten aufwartet. Für unseren Test haben wir von Raaw ein Madonna mit Custom-Aufbau zur Verfügung gestellt bekommen:
- Federgabel Fox 36 Grip2 (160 mm)
- Dämpfer Fox Float DPX2 (160 mm)
- Antrieb Shimano XT, Hope Kassette
- Bremsen Hope Tech 3 E4
- Laufräder Stans NoTubes Flow MK3
- Reifen Maxxis Minion DHF/DHR2
- Cockpit Race Face Carbon (800 mm) / Hope AM/Freeride (35 mm)
- Sattelstütze Fox Transfer Factory (150 mm)
Im Detail
„Die Ideen, die ich gerne ins Design integrieren wollte, zielen stark auf Haltbarkeit und Funktionalität ab. Es war von Anfang an nicht mein Ziel, das Rad komplett neu zu erfinden. Ich bin zum Beispiel sehr überzeugt von klassischen Viergelenker-Hinterbauten. Stattdessen wollte ich alles bis ins kleinste Detail richtig und nach meinen Vorstellungen ausführen.“ – Ruben Torenbeek, Raaw
Wie in der Vorstellung des Bikes bereits angedeutet – das Raaw Madonna hat einige elegante Detaillösungen für Werkzeug und Gepäck parat. Daneben ist Papa Ruben bekennender Fan von Viergelenk Horst-Link-Hinterbauten. Somit ist es nicht verwunderlich, dass am Madonna ein solcher zum Einsatz kommt. Dabei gibt es jedoch eine Besonderheit: Anstatt an jedem Lagerpunkt andere Schrauben und Lager zu verwenden, war hier eine Priorität, möglichst häufig die gleichen Bauteile zu verwenden. Zwar kommen im Hinterbau insgesamt 12 Standardlager zum Einsatz, davon sind aber abgesehen von den zwei im Hauptdrehpunkt alle identisch.
An den Hauptdrehpunkt kommt man mit dem Maulschlüssel, alle anderen Lagerabdeckungen lassen sich per Inbusschlüssel abnehmen. Beim Öffnen dieser fällt auf: Auch in der Abdeckung ist eine Dichtung angebracht. Mit vierfacher Dichtung verspricht der Hinterbau somit recht lange Wartungsintervalle – vor allem den Schraubern-Muffeln in der Redaktion hat dieses Konzept gut gefallen.
Überall am Rahmen finden sich kleine Überraschungen. In das nach unten geöffnete Oberrohr ist zum Beispiel eine Tasche integriert, in der man Werkzeug mitführen kann. Per Druckknopf ist dieser kleine Beutel im Rahmen gegen Herausfallen gesichert. In der Ausbuchtung des Unterrohrs finden zum Beispiel ein kompakter Tubolito Schlauch, eine kleine Pumpe sowie eine CO₂-Kartusche Platz. Optional wäre auch eine kleine Regenjacke möglich. Dieses Gepäck kann mit einem Klettband gespannt werden, welches zwischen unterer Dämpferaufnahme und Tretlager an zwei kleinen Bügeln angebracht wird.
Rohes Aluminium hat nach wie vor einen gewissen Charme. Neben einer knallroten und einer schwarzen Farboption kann der Rahmen auch unbeschichtet von Raaw erworben werden. Unseren kritischen Blicken hält der Rahmen Stand: Die Qualität der Schweißnähte fürs Serienrad wagen wir zwar nicht zu beurteilen, da der Testrahmen aus der Vorserie entstammt, doch bereits hier sind die Nähte durchaus gleichmäßig und sauber gezogen. In Summe macht der Rahmen einen vernünftigen Eindruck – nichts steht über, die extern verlegten Züge sind sinnvoll und sauber verlegt und Slappertape schützt die Kettenstrebe vor Bearbeitung durch den Antrieb. Oft kommt uns die Verarbeitung nicht ganz dem Preis entsprechend vor – nicht so am Raaw Madonna. Der Preis ist zwar knackig, dafür glänzt es aber auch beim Blick aufs Detail noch.
Technische Daten
Alle technischen Daten, Details und Standards des Raaw Madonna findet ihr in der folgenden Tabelle zum Ausklappen:
Kinematik | Viergelenk Hinterbau | |
---|---|---|
Verschiedene Lager-Größen | 2 | im Hinterbau |
Gesamtzahl Lager im Hinterbau | 12 | Anzahl |
Lagerbezeichungen | 2 x 61808-2RS1 (52*40*7) & 10 x 91903-2RS1 (28*15*7) | Herstellerangabe |
Hinterbau Einbaumaß | 148 mm x 12 mm | Einbaubreite x Achsdurchmesser |
Maximale Reifenfreiheit Hinterbau | 84mm (2.6" max, oder 66mm max, für genug Reifenfreiheit) 84mm ist viel, sehr viel. | |
Dämpfermaß | 205 mm x 60 mm | Gesamtlänge x Hub |
Trunnion-Mount? | Ja | |
Dämpferhardware erstes Auge | Trunnion | Bolzendurchmesser x Einbaubreite |
Dämpferhardware zweites Auge | Eigene Alu Spacer und Kugellager anstatt Gleitlager | Bolzendurchmesser x Einbaubreite |
Freigabe für Stahlfederdämpfer | Ja | |
Freigabe für Luftdämpfer | Ja | |
Empfohlener Dämpfer-SAG | 25–30% – 15–18 mm | In % oder mm |
Steuerrohr-Durchmesser | ZS 44 mm, ZS 56 mm | oberer Durchmesser, unterer Durchmesser |
Maximale Gabelfreigabe | 170 mm | Federweg bzw. bis zu welcher Einbauhöhe |
Tretlager | BSA 73 mm | welcher Standard, Durchmesser, Breite |
Kettenführungsaufnahme | ISCG05 Mounts | |
Umwerferaufnahme | Nein | |
Schaltauge | RAAW; 14,95 € | Typ, Kosten in € |
Optimiert auf welches Kettenblatt | 30t; 28 bis 34t funktioniert gut | Zahnzahl |
Bremsaufnahme | 180 mm Direct Mount, 160 und 203 mm Aufnahmen optional erhältlich | welcher Standard |
Maximale Bremsscheibengröße | 203 mm | |
Sattelrohrdurchmesser | 31,6 mm | |
Sattelklemmendurchmesser | 35 mm | |
Maximale Stützen-Einstecktiefe | M: 240 mm, L-XL: 275 mm | |
Kompatibel mit Stealth-Variostützen? | Ja | |
Messung Sitzwinkel | Tretlager zu Oberkante Sitzrohr | |
Flaschenhalteraufnahme | Ja | Eine, Oberseite des Unterrohrs, bei M-Rahmen maximal 500 ml |
Andere Extras, Werkzeugfächer | Tasche im Oberrohr, Band unten im Unterrohr, für Turbolito Schlauch/ 25g CO2 | |
Gewicht Rahmen | 3,7 kg | Rahmengröße M, "nackt" |
Gesamtgewicht Bike | 14,7 kg | Rahmengröße L, mit solidem Aufbau |
Garantie/Service | 2 Jahre Garantie, Details zu Crash Replacement wird es bald geben. |
Aufgrund seiner passenden Kennlinie wird das Madonna auch optional mit einem Stahlfederdämpfer angeboten. Wir bekamen zum Test einen Fox X2 sowie einen DPX2 zur Verfügung gestellt. Allerdings mussten wir unseren Testeindruck primär mit dem Luftdämpfer sammeln, da die 500er Feder unter Paul und Jens noch für zu viele Durchschläge sorgte und die 550er aufgrund ihrer Länge nur mit Vorspannung und Spanngurten in den Dämpfer gepasst hätte.
Im späteren Testverlauf erweiterten wir unsere Eindrücke für die schweren Fahrer um einen auf der Zugstufenseite härter abgestimmten DPX2 und einen Fox Float X2 des Modelljahrs 2019.
Auf dem Trail
Selten liegen die optischen Eindrücke über ein Bike und dessen Fahrgefühl derart weit auseinander wie am Raaw Madonna. Glaubt das Auge noch, man habe es mit einem langen Schlachtschiff zu tun, so zeigt sich beim Aufsitzen ein komplett anderes Bild. Mit dem steilen Sitzwinkel und dem kurzen Vorbau sitzen unsere 1,90 m langen Tester Chris und Jens fast schon kompakt auf dem Bike. Aufrecht und ohne Spannung im Rücken pedaliert man vor sich hin. Selbst auf steilen Rampen hat man selten das Gefühl, den Schwerpunkt nach vorne verlagern zu müssen, um das Vorderrad am Steigen zu hindern.
Gibt es hierbei Nachteile auf dem Weg zum Gipfel? Nun: Wer gerne kurz etwas stärker in die Pedale tritt, um das Vorderrad über eine Wurzel zu heben oder auf matschigen Trails gerne viel Traktion am Heck hat, wird sich etwas umgewöhnen müssen – die Front muss etwas aktiver angehoben werden, für mehr Traktion am Hinterrad bei feuchtem Untergrund sollte der Schwerpunkt etwas mehr Richtung Heck verlagert werden.
Wer sich die Lage der Drehpunkte am Hinterbau ansieht, wird es bereits vermuten: Kettenzug hat am Madonna ein leichtes Ausfedern zur Folge, was das Bike ebenfalls zu einem extrem fleißigen Kletterer macht. War sich das Testteam in der Bergaufwertung noch sehr einig und gleichermaßen sehr angetan von der Leistungsfähigkeit des Raaw Madonna, so gingen die Meinungen in der Abfahrt mit dem Fox DPX2 stark auseinander. Paul war mit der Hinterbauleistung in Kombination mit dem DPX2 zufrieden. Jens wechselte erst auf einen neu abgestimmten Dämpfer und dann auf den Float X2. Genauere Informationen findet ihr im Bereich Tuning. Wir möchten euch auf jeden Fall beide Eindrücke schildern.
Testeindruck Paul – DPX2:
Selten habe ich mich auf einem Rad derart wohl und sicher gefühlt, wenn es in die Abfahrt ging. Egal wie steil es wurde oder auch auf Sprüngen, die in ihrer Größe eher an den Grenzen meiner Fahrtechnik und Mut liegen, hatte ich immer ein gutes Gefühl. In grobem Gelände kann man mit dem Bike mit Gewissheit über alle Hindernisse hinweg rollen, dennoch standen dem Fahrer genügend Reserven zur Verfügung. Der steife Rahmen bestätigt dieses Gefühl, gibt einem aber auch den einen oder anderen Schlag mit. Entsprechend anstrengend können lange Abfahrten in hartem Gelände werden, selbst wenn das Fahrwerk fleißig unter einem wegbügelt.
Gewöhnungsbedürftig waren anfangs der erhöhte Input für das Heben der Front während der Fahrt und der höhere Aufwand bei einer bewussten Linienwahl. Hier funktionierte für mich die Methode besser, es eher dem Fahrwerk zu überlassen und weiter nach vorn zu schauen. Das Bike wird es schon richten.
Testeindruck Jens:
Das Raaw Madonna ist nicht das erste Bike, welches ich in dieser Größe fahre und dennoch bot es einige Überraschungen für mich.
Vom Kletterverhalten ist das Madonna eines der angenehmsten Bikes der Enduro-Kategorie die ich kenne. – Jens, MTB-News Tester
Bergauf effizient auch im offenen Modus und von der Sitzposition sehr entspannt. Man sitzt so kompakt, dass es den Anschein erweckt, auf einem kleineren Rahmen zu sitzen. Trotz des Radstandes von fast 1300 mm und des langen Reach-Wertes von 500 mm wollte dieses Gefühl auch im Stehen in der Abfahrt bei mir nicht verschwinden. Beim Switch vom Fox DHX2 (minimal zu weiche Feder) auf den passenderen Luftdämpfer wurde das Bike durch den nun ideal passenden Sag weniger nach hinten geneigt und somit wieder etwas länger – mein Sicherheitsempfinden stieg.
Der großzügige Reach ermöglicht eine sehr zentrale Sitzposition und somit eine weniger hecklastige Fahrweise, die den Dämpfer sonst stärker in Anspruch nehmen würde als die Gabel. Lässt man sich auf das Madonna ein, marschiert es ziemlich unbeeindruckt durch jedes Gelände. Allerdings sorgte eine aktive Fahrweise für leichte Probleme. So schluckte das Heck meinen aktiven Input von oben etwas weg, was eine exakte Linienwahl schwierig machte. Weniger Sag und mehr Dämpfung brachten zwar Besserung, machten das Rad aber auch sehr schnell unsensibel. Auch verschiedene Tests mit Volumenspacern konnten nicht den gewünschten Gegenhalt generieren.
Ein Wechsel auf den Fox Float X2 brachte dann den gewünschten Effekt: Mit mehr Dämpfung und nur zwei Volumenspacern ließ sich der Hinterbau für ein berechenbareres Fahrgefühl etwas linearer gestalten. Input von oben für Richtungswechsel wurde direkter umgesetzt. Dennoch gilt auch in diesem Setup auf dem Madonna eher die Devise, das Rad machen zu lassen, anstatt es zu sehr in eine Spur zu zwingen.
Lässt man es dann entsprechend laufen, weckt die steife Rahmenkonstruktion durchaus Vertrauen. Zumeist steht man mit dieser Geschwindigkeit über den Löchern und peilt schlicht die nächste Kurve an. Springen erfordert, wie auch die bereits beschriebenen Kurvenfahrten, etwas mehr Nachdruck. Eine Lösung ist, die notwendige Dynamik aus der Geschwindigkeit zu generieren – dann klappt es auch mit der Flugweite und die Kinematik bietet auch bei harten Landungen noch ausreichend Reserven.
Das ist uns aufgefallen
- Bergaufwertung Man ist mit dem Raaw nicht als erster oben auf dem Berg, denn es gibt sicher vortriebsstärkere Räder in dieser Kategorie. Dennoch waren durch die Bank alle Tester begeistert von der angenehmen Sitzposition und dem steileren Sitzwinkel. Der höher angelegte Anti-Squat tut sein Übriges und lässt den Griff zum Lockout quasi überflüssig werden. Somit erreicht man den Gipfel vielleicht etwas später, aber dafür sehr viel entspannter.
- Agilität In engen Kurven und technischen Abschnitten muss man sehr genau seine Linie planen, um nicht am Ende zu verhungern und Schwung einzubüßen. Das Madonna mag die Strecken gerne etwas offener statt verwinkelt.
- Steifigkeit des Rahmens Der Ansatz von Raaw ist es, sehr stabile und langlebige Rahmen zu bauen. Viel Material bedeutet aber auch eine höhere Steifigkeit: Die Stans Flow Laufräder nahmen zwar einiges der Vibrationen weg, dennoch reichte das Madonna auf längeren Abfahrten einiges an den Fahrer durch. Lässt man es im groben Gelände extrem laufen, fällt eine leichte Dysbalance zwischen der Steifigkeit der Fox 36 und dem Rahmen auf. Wer sich an sowas stört, kann entweder auf die E-Bike-Variante der Gabel wechseln (sie verfügt über ein steiferes Chassis) oder über eine Marzocchi Z1 nachdenken. Diese Gabel fällt zwar auch etwas schwerer aus, ist aber auch eine Ecke steifer.
- Schwere und aktive Fahrer Wer eine sehr genaue Vorstellung davon hat, was das Bike unter einem zu tun hat und welche Linie man auf dem Trail verfolgen möchte, benötigt bei der Abstimmung des Raaw Madonna etwas mehr Zeit. Mit seinem Gewicht riss Jens am DPX2 gerade so die 300 psi-Marke. Durch diesen extrem hohen Druck und die damit verbundene Rückstellkraft, die auf die Zugstufe wirkt, bekam er Schwierigkeiten bei der Ausfeder-Geschwindigkeit. Diese war bei einem tiefen Schlag so schnell, dass es ihn von den Pedalen hob. Eine externe Einflussnahme ist am DPX 2 nur auf die Lowspeed-Zugstufe möglich. Um hier zu optimieren, trafen sich das Testteam mit Ruben mit einem von Fox angepassten DPX2 im Gepäck. Dieser Dämpfer verfügte über einen stärkeren Zugstufen-Tune als der aus dem Serienrad. Eine Lösung für das unsichere Gefühl des ungedämpften Hinterbaus war er für die Fahrweise von Jens dennoch nicht – erst ein weiterer Test mit einem Float X2 Dämpfer mit mehr Möglichkeiten zur Einflussnahme auf beide Zugstufen konnte den Hinterbau auf seine Bedürfnisse abstimmen. Im Test mit diesem Dämpfer verringerten wir die Anzahl der Volumenspacer auf zwei Stück. Gleichzeitig erhöhten wir die Low- und Highspeed Kompressions-Dämpfung. Dadurch konnten wir bei einem Luftdruck von knapp unter 300 psi hoch genug im Federweg stehen, ohne beim Input von oben das Fahrwerk zu weit zu komprimieren.
Feedback von Ruben von Raaw zur Dämpferabstimmung unter schweren und aktiven Fahrern:
Für eine optimale Hinterbauperformance ist das perfekte Zusammenspiel aus Kinematik und Dämpfer essenziell. Gleichzeitig ist die perfekte Abstimmung auch immer ein Kompromiss, schließlich muss das Fahrwerk für eine sehr breite Nutzergruppe mit sehr unterschiedlichem Gewicht super funktionieren. Der Hinterbau der Raaw Madonna hat ein Übersetzungsverhältnis, das sich sehr konstant von 2,9 auf 2,3 absenkt (entspricht 20 % Progression, 2.67 im Schnitt). Das ist ein relativ hohes Übersetzungsverhältnis, das ich bewusst so gewählt habe, damit der Hinterbau sehr gut anspricht und sich auch für leichte Fahrer optimal abstimmen lässt.
Beim Fox DPX2 wird in der Raaw Madonna durch die EVOL-Luftkammer ein hoher Luftdruck benötigt, was bei den Testern von MTB-News für Herausforderungen sorgte. Der Dämpfer darf bis 350 psi aufgepumpt werden, das ist kein Problem, allerdings wünschten sich Jens dann auch mehr Dämpfung. Diese lässt sich leider nicht extern zufriedenstellend einstellen. Eine Lösung für ist hier der Griff zum Float X2 in unserem Konfigurator. Dieser besitzt eine deutlich größere Luftkammer, braucht damit weniger Druck und wäre so in diesem Fall die bessere Wahl gewesen.
Um die Thematik weiterhin noch kundenfreundlicher zu lösen, plane ich in Zukunft die Umlenkhebel, wie bereits die Kettenstreben, an die Rahmengrößen anzupassen, um so das Übersetzungsverhältnis zu senken. Allerdings müssen hier noch Muster gebaut und getestet werden. Bis hier etwas veröffentlicht wird, dauert es also noch etwas. Sollten Kunden aktuell Probleme mit ihrem Dämpfer haben (bisher hat sich noch keiner gemeldet) sind wir natürlich gemeinsam mit Fox an einer Lösung interessiert.
Fazit – Raaw Madonna
Mit dem Raaw Madonna hat sich ein neuer, spannender Ansatz im breit gefächerten Enduro-Segment auf den Markt positioniert: Besonders Fahrer, die sich die Abfahrt gemütlich selbst verdienen wollen, dürften die entspannte Sitzposition im Uphill schätzen. Bergab wartet der Rahmen mit viel Steifigkeit und Reserven für harte Landungen auf. Beim Setup sollte man sich Zeit lassen und die ab Werk angebotenen Dämpfer-Optionen mit den persönlichen Vorlieben abwägen. Ist alles passend abgestimmt, verträgt das Madonna auch hartes Gelände ohne jegliches Murren.
Pro / Contra
Pro
- Schöne Detaillösungen am Rahmen für Werkzeug und Ersatzteile
- Vertrauenerweckende Rahmenkonstruktion
- Harte Landungen werden sehr gut weggesteckt
Contra
- Präzise Linienwahl erfordert viel Aufwand vom Fahrer
- Übersetzungsverhältnis für schwere Fahrer etwas hoch
Testablauf
Im Rahmen unseres Tests der drei Bikes waren wir ein paar Monate mit unterschiedlichen Testern unterwegs. Sämtliche Abfahrten wurden aus eigener Muskelkraft erarbeitet. Neben individuellen Anpassungen wie Griffen und Pedalen, wurden auch Laufräder, Reifen und teilweise Dämpfer und Gabeln getauscht. Im Fahrwerk legten wir besonderen Wert auf die Abstimmung je nach Vorliebe des jeweiligen Testers. Dementsprechend wurden neben dem Standardprocedere der Sag-Anpassung auch Anpassungen an Dämpfung und Luftkammervolumen durchgeführt. Im jeweiligen Einzeltest sprechen wir Empfehlungen aus die sich an verschiedene Fahrertypen richten und helfen sollen ein eigenes, passendes Setup zu erarbeiten.
Hier haben wir das Raaw Madonna getestet
- Anspruchsvolle, schnelle Strecken mit ruppigen Streckenabschnitten und technischen Sektionen. Lose, offene Untergründe und harte Böden, Naturtrails und gebaute Strecken.
- Fahrstil
- Schnellste Linie, auch wenn es mal ruppig ist
- Ich fahre hauptsächlich
- Singletrails, sprunglastiger Local Spot, Freeride, DH
- Vorlieben beim Fahrwerk
- Straff, gutes Feedback vom Untergrund, viel Druckstufe, moderat progressive Kennlinie
- Vorlieben bei der Geometrie
- Kettenstreben nicht zu kurz (ca. 430 mm oder gerne länger), Lenkwinkel tendenziell eher flacher
Hier findest du alle weiteren Artikel unseres Vergleichstests:
- YT Industries Capra, Orbea Rallon und Raaw Madonna im Test: 29er Enduros – die besten Alleskönner?
- YT Industries Capra 29 CF Pro Race im Test: Fränkischer Silberpfeil mit Dampflok-Qualitäten
- Orbea Rallon im Test: Strammes spanisches Chamäleon
- Raaw Madonna im Test: Roher Stern am Enduro-Himmel
Wie beurteilt ihr das Konzept vom Raaw Madonna – wäre das Rad etwas für euch?
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