Die Epic-Veranstaltungen in Südafrika und in der Schweiz gehören zu den bekanntesten Events in der Mountainbikeszene – Holger Schaarschmidt hat dieses Jahr einen der begehrten Startplätze beim Swiss Epic bekommen und tritt das Abenteuer zusammen mit seiner Freundin Franziska im Mixed-Team an. Hier gibt den Rennbericht – on top hat Holger alle Strecken getrackt und für euch hochgeladen!
Über das Swiss Epic
Das Swiss Epic gehört wie das Cape Epic zur bekannten Epic-Rennserie. Der für seine Sportevents bekannte Veranstalter Ironman Group ist verantwortlich für die Austragung und Organisation der spektakulären Challenges. Im Gegensatz zum legendären Cape Epic in Südafrika erwarten die Rennteilnehmer im Schweizer Kanton Graubünden deutlich längere Anstiege und schier endlose Trails im alpinen Gelände. Was die Events in ihrem Charakter verbindet, sind imposante Landschaften, anspruchsvolle Routen und eine fesselnde Rennatmosphäre, die Teilnehmer und Zuschauer gleichermaßen begeistert.
Die gastgebenden Ortschaften des Swiss Epic 2022 sind Arosa, Laax und Davos. Jeder Austragungsort präsentiert an einem Play Day, was er an panoramareichen Strecken, knallharten Anstiegen und an Trails zu bieten hat. Damit sind schon drei Etappen gesetzt. Die zweite und vierte Etappe sind jeweils Transferstrecken von Arosa nach Laax und von Laax nach Davos. Trotz der etwas längeren Distanzen sind diese nicht weniger spannend als die Play Days und vollgepackt mit Trails, soweit es die Routenführung zulässt.
Das Swiss Epic ist ein reines Team-Rennen. Der maximale Zeitabstand zwischen den beiden Teampartnern darf nur maximal zwei Minuten betragen. Damit ist das Event grob umrissen. In den folgenden Zeilen erfährst du, wie wir das Rennen als Mixed Team erlebt haben. Wir sind Franziska Stolz und Holger Schaarschmidt und haben uns als Team „Laax – Bike Romantik“ gemeinsam mit 420 anderen Teams aus 50 Ländern den fünf Etappen, 359 Kilometern und 11.700 Höhenmetern des Swiss Epic gestellt.
Franzi – Ihre Rennerfahrung geht gegen null. Lässt sich nicht gern stressen und lässt gern vermeintlich schnelleren Fahrern den Vortritt. Mit ihrem stetigen Fahrstil sind diese rückblickend meist rasch wieder eingesammelt.
Holger – ich habe etwas Rennerfahrung auf einigen Etappenrennen gesammelt und bin zum dritten Mal beim Swiss Epic dabei. Dafür gab’s sogar ein paar feine Socken als Zeichen der Anerkennung. Fahrstil konstant und in den Trails für die Teampartnerin selbstverständlich sehr rücksichtsvoll geduldig. Solltest du am letzten Punkt zweifeln, kannst du gern Franzi um ihre Meinung fragen.
Die Vorgeschichte
Als mich mein Freund und Gelegenheits-Teampartner bei Etappenrennen, Sönke Wegner, im Frühjahr fragt, ob ich wieder Bock habe zum bereits dritten Mal am Swiss Epic teilzunehmen, muss ich nicht lang überlegen. Logisch: Ich bin dabei. In der Euphorie der Vorfreude entgeht Sönke leider, dass er in der Woche des Events seinen Verpflichtungen als Lehrer nachkommen muss. Die Kids gehen vor.
Voller spontanem Übermut erklärt sich meine Freundin Franzi bereit, mit mir im Mixed-Team zu fahren. Wie geil, denke ich und bin überwältigt von der Idee. Zu viel hatte ich über die genialen Strecken und die traumhaften Trails beim Swiss Epic erzählt. Als Jugendliche hatte Franzi zweimal beim Eifelbike-Marathon teilgenommen. 2016 startete sie als eine der wenigen Damen beim MTB Himalaya Race und zeigte, was in ihr steckt. Mehr gibt es ihrem Renn-Lebenslauf nicht hinzuzufügen. Im normalen Leben sind Franzi und ich das perfekte Team und seit Jahren ein Herz und eine Seele. Als Renn-Team betreten wir neuen Boden.
Mit Sönke hatte ich einen sehr ambitionierten Team-Partner und wir sind für unsere Verhältnisse immer relativ sportlich unterwegs gewesen. Vollgas, wie mit Sönke, wird es in diesem Jahr für mich nicht geben, stellen wir schon einmal im Voraus klar. Franzi bezeichnet sich selbst als Genuss-Tante. Stress ist keine Option. Unsere Devise ist maximaler Spaß, die Strecken genießen und auf gar keinen Fall verletzen. Schließlich arbeiten wir beide als Mountainbike Guides und würden somit unsere gesamte Saison gefährden.
Franzis letzte Zweifel an meiner beschworenen Gelassenheit sind spätestens nach der ersten Rennetappe verschwunden: Der zugegebenermaßen völlig kitschige Teamname „LAAX – Bike Romantik“ passt wie Arsch auf Sattel… Wer sensationslüstern Eskalation und Streit in diesem Bericht erwartet, den muss ich leider enttäuschen. Wir hatten eine geniale Zeit und ich hoffe, es ermutigt einige, einmal ein ähnliches Abenteuer gemeinsam zu erleben. Besten Dank an die Region Flims Laax Falera sowie das Team vom Swiss Epic, dass wir diese romantische Bike-Woche in Graubünden genießen durften.
Die Vorbereitung
Dieses Thema ist schnell abgehandelt: Wir arbeiten beide im Sporttourismus und führen von Mai bis September Transalp-Touren. Damit bleibt man fit und ein zusätzliches Training ist schon rein aus zeitlichen Gründen während der Saison nicht möglich. Das Swiss Epic ist für uns Erholungsurlaub. Klingt komisch, ist aber so. In dieser Woche sind wir Teilnehmer und haben außer Fahrrad fahren, Essen, Relaxen und Schlafen nix tun. Herrlich. Verglichen zu unserem normalen Tagesablauf im Arbeitsalltag als Verantwortliche für Mountainbike-Gruppen ist das die reinste Entspannung und wir können ein wenig das Gefühl nachempfinden, das unsere Gäste während und vor einer Transalp haben.
Inklusive aller Zweifel: Was einpacken? Welches Material ist das Richtige? Bin ich trotz Trainingsdefizit gut vorbereitet? Was tun, wenn das Wetter schlecht wird? Was essen? Wird sich schon irgendwie ergeben! Wir haben zwar keine Rennroutine, dafür viel Erfahrung in Bezug auf Etappentouren. Wir sind bereit für die Mission Swiss Epic.
Registration Day – Von Davos nach Arosa
Montag, 15. August – Nachdem ich Franzi nach ihrer letzten Transalp in Silvaplana abgeholt habe, düsen wir noch am Sonntagabend nach Arosa. Müde von der Fahrt bleiben wir nur wenige Kilometer vor dem Ziel auf einem ruhigen Stellplatz stehen, um bis zum kommenden Morgen unsere Fahrtüchtigkeit wiederherzustellen.
Unser erstes Etappenhotel befindet sich aus Sicht des Dorfzentrums ganz oben am Berg in Innerarosa. Das kleine gemütliche Hotel mit seiner wettergegerbten Holzfassade hat eine super Aussicht auf die umgebende Bergkulisse und bietet neben top Küche völlige Ruhe. Bevor wir diese genießen können, wartet noch etwas Arbeit auf uns. Wir stellen das Gepäck ab und düsen mit dem Auto nach Davos, dem Ziel des diesjährigen Swiss Epic. Dort stellen wir es auf den reservierten Parkplatz für die Rider, verschlingen noch rasch einen Kaffee, ein Brot vom Bäcker und ein paar Bananen. Kurz darauf sitzen wir auf unseren Bikes.
Nach knapp 750 sportlichen Höhenmetern erreichen wir den Höhenweg-Trail mit top Aussicht auf Davos. Zu diesem Zeitpunkt wissen wir noch nicht, dass wir am finalen Renntag nochmals das Vergnügen haben werden, diese steile Rampe hinaufzustrampeln. Im Gegensatz zum Rennverlauf halten wir uns am Höhenweg links und gelangen über den Strelapass weiter über den Felsenweg-Trail zum Latschüelfurgga. Von dort geht es abwärts nach Arosa. Nach einem flowigen Singletrail erwartet uns der „Tritt“. 220 Eisenstufen führen durch eine Felswand. Kurz darauf wird der Trail wieder super fahrbar und wir gelangen schließlich über die abgelegene Alpsiedlung Medergen, durch den Tiejer Wald bis zum Stausee Arosa. Nach ein paar Höhenmetern und den ersten Regentropfen seit Wochen erreichen wir im Zentrum von Arosa das Race Village, wo wir unsere Startunterlagen und eine riesige Tasche in Empfang nehmen, in der das komplette Gepäck für die Woche verschwinden soll. Wir freuen uns über zahlreiche bekannte Gesichter, aber auch auf das Abendessen und ein gemütliches Bett.
Hier findest du unsere Tour von Davos zum Start in Arosa:
Etappe 1 – Von Davos nach Davos
Dienstag, 16. August – Die Regenwolken des Vortages sind verschwunden. Ein klarer Sternenhimmel erwartet uns, als wir um fünf Uhr morgens aus dem Bett steigen und zum Frühstück gehen. Früh aufstehen macht mir nix, doch sich so zeitig bereits den Bauch vollschlagen, ist nicht trainiert. Franzi steht weder gern kurz nach – gefühlt – Mitternacht auf, noch mag sie zu dieser Uhrzeit frühstücken. Das Buffet sieht superlecker aus. Mit dem Wissen, dass wir für das Rennen eine gute Grundlage benötigen, geht erstaunlicherweise doch mehr rein, als wir vorher glaubten. Die morgendliche Völlerei resultiert in zehn Minuten Verdauungsruhe, die wir uns vor einer kleinen morgendlichen Aktivierung mit ein paar Fitness-Übungen gönnen.
Das Wetter verspricht grandios zu werden. Als wir unseren Startblock nach mehrfachen Toilettenbesuchen, die wohl jeder aufgeregte Sportler vor dem Start kennt, erreichen, sind die Elite-Fahrer bereits abgedüst und haben den nachrückenden Startblöcken Platz gemacht. Die Stimmung wirkt gelassen und als der Startschuss für uns ertönt, geht es deutlich weniger hitzig zu, als ich es von früheren Rennen mit Sönke kenne. Nach einem ersten Anstieg von 250 Höhenmetern hat sich das Fahrerfeld schon etwas auseinandergezogen und wir fliegen die ersten Trails hinab zum Stausee Arosa.
Es folgt ein längerer Anstieg zur Alpsiedlung Janetsch Boden, auf dem wir Team um Team überholen. Mehr als 650 Höhenmeter geht es daraufhin auf schönen Naturtrails hinab nach Langwies. Anfangs noch rutschig auf der vom Regen der letzten Nacht angefeuchteten Wiese verschwindet der Weg schließlich im Wald. Die querliegenden Wurzeln und der Waldboden sind weniger rutschig als befürchtet. Zwar gehören ein paar grotesk anmutenden Moves mit partiellen Berührungen und hin und wieder Ganzkörperkontakt mit dem weichen Waldboden bei einigen Fahrern dazu, doch schwingen sich alle schnell wieder aufs Rad oder lassen uns nach kurzer Nachfrage passieren.
Mit guter Grundgeschwindigkeit und recht sauberer Fahrweise erreichen wir die Straße. Ein langer Anstieg von fast 900 Höhenmetern führt zu den Sandböden-Trails oberhalb von Arosa und schließlich nochmals 450 Höhenmeter weiter rauf zum Hörnli. Hörnli hört sich niedlich an, hat’s aber ziemlich hart in sich! Je weiter die steile Schotterrampe ansteigt, desto gnadenloser wird sie. Zahlreiche Fahrer schieben ihr Bike bereits und sehnen sich nach einem Sauerstoffzelt, als ganz oben die Alphornbläser mit voller Inbrunst ihre Lungen in ihre riesigen Instrumente entleeren. Doch die Tortur hat sich gelohnt. Vom Gipfel der Bergstation des Hörnli-Express auf 2.482 Metern schlängelt sich der Hörnli-Trail über eine Länge von 6,8 Kilometern ins Tal. Franzi kann sich einen Freudenschrei nicht verkneifen, als wir die endlose Murmelbahn hinabrollen. Im Ziel angekommen, freuen wir uns über einen überraschenden 5. Rang unter den Mixed-Teams.
Hier findest du unsere Tour vom Play Day in Arosa:
Etappe 2 – Von Arosa nach Laax
Mittwoch, 17. August – Der Tagesablauf der nächsten Tage verändert sich kaum: Frühstück, Verdauungsnickerchen, Morgen-Aktivierung, Aufwärmrunde, Start. Einziger Unterschied am heutigen Morgen ist die Abgabe unserer Rider-Bags an den dafür vorgesehenen Trucks, die in Summe mindestens 840 Taschen plus das Gepäck der Helfer und des Swiss Epic Teams von Arosa nach Laax bringen müssen. Als Reiseveranstalter für Mountainbike Transalptouren wissen wir genau, wieviel Aufwand und Logistik sich hinter solch einer Veranstaltung verbirgt. Respekt! Und entschuldigt, dass ich so viel Werkzeug und Ersatzteile herumgeschleppt habe.
Laax habe ich vor mehr als zehn Jahren zum ersten Mal besucht. Der flowige Runca Trail hat sich seitdem neben dem legendären Neverend Trail als absolutes Highlight eingebrannt. Dafür muss ich mich zwar noch einen Tag gedulden, doch die heutige Route verheißt wieder eine top Auswahl an Trails in einer imposanteren Landschaft. Mit frischen Beinen und mit einem schönen Singletrail abgelenkt und vertröstet, werden wir zum Auftakt der Tour erneut zur fiesen Rampe auf das Hörnli gelotst. Irgendwie müssen wir ja über den Berg und weiter nach Laax.
Erstaunlicherweise fühlt es sich nicht mehr so heftig wie am Vortag an, als wir oben ankommen. Ein technischer Trail mit einigen Aufs und Abs führt weiter zum höchsten Punkt der Swiss Epic 2022, dem 2.546 Meter hohen Urdenfürggli. Der historische Passübergang wurde bereits im 14. Jahrhundert genutzt. Deutlich neuer ist der folgende acht Kilometer langer Trail hinunter nach Lenzerheide, den ich schon beim Swiss Epic Rennen 2019 gefahren bin und teilweise auch schon beim Trek Bike Attack kennenlernen durfte. Da kommt Freude auf! Franzi hingegen hat Respekt an diesem Morgen und geht die Abfahrt sehr entspannt an. Ich übe mich in Geduld und freu mich darüber, wie elegant ihr Fahrstil im Vergleich zum hektischen Abwärtsgepolter zahlreicher anderer Fahrer wirkt.
Unsere Devise war schon vor dem Rennen klar, weshalb ich mich mit der Situation arrangierte und die Trails, wie den Urdenfürggli Twister, Motta Express und schließlich die Flowline viel bewusster wahrnahm. Die ruhige Taktik sollte aufgehen. Schon im abwechslungsreichen Auf und Ab zwischen Trails und Wirtschaftswegen in Richtung Chur trafen wir die ersten Teams wieder, die uns vorher überholt hatten. Die letzten 35 Kilometer sind ein Wechsel aus Uphills- und Downhills, wobei die Anstiege überwiegen. Mehr und mehr Teams überholen wir auf dem Weg durch die faszinierende Rheinschlucht. Der letzte Anstieg von etwa 600 Höhenmetern bis zum Ziel in Laax führt uns am türkisfarbenen Caumasee vorbei, der sich inmitten des dichten tiefgrünen Waldes verbirgt. Auf einer grünen Wiese im Zielbereich erwarten uns Liegestühle, leckere Zielverpflegung und frischer Kaffee aus der Siebträgermaschine der Vertical Coffee Roasters, die uns jeden Nachmittag damit verwöhnten.
Hier findest du unsere Tour von Arosa nach Laax:
Etappe 3 – Von Laax nach Laax
Donnerstag, 18. August – Der Wetterbericht kündigt Regen an. Doch noch ist Petrus gnädig und beschert uns zum Start einen Regenbogen und danach einen wunderbaren Sonne-Wolken-Mix, während wir unterwegs sind. Der zweite Play Day steht an und wir freuen uns auf die Trails um Laax. Los geht es mit herrlichen Nadelteppich-Waldwegen von Falera nach Ladir und weiter in die Rheinschlucht bei Illanz. Dort kommen wir am Dominikanerinnenkloster vorbei, rollen drei Kilometer dahin und schon steigt die Route wieder an. Durch den Flimser Wald geht es, eher mehr als weniger, stetig bergauf in Richtung Caumasee, den Dörfern Fidaz und Alp Foppa bis nach Startgels.
Über 1.000 Höhenmeter stehen kurzen 300 aufsummierten Tiefenmetern gegenüber. Zwar sind die Anstiege gnädigerweise meist sanft ansteigend, doch hauen am Ende selbst die kleinen Rampen ganz ordentlich rein. Immerhin wissen wir, dass sich die Schufterei lohnen wird. Kaum oben angekommen, schwingen wir uns den lässigen Runca-Trail hinab. Sogar Franzi sammelt ordentlich Air-Time auf den Wellen, Doubles und Tables der schier endlosen acht Kilometer langen Flowline hinab nach Flims. Diese Abfahrt ist sicher eines der großen Highlights der Woche. Das Grinsen bekommen wir an diesem Tag nicht mehr aus dem Gesicht.
Hier findest du unsere Tour vom Play Day in Laax:
Etappe 4 – Von Laax nach Davos
Freitag, 19. August – Nachdem wir am Vortag vom Regen glücklicherweise verschont wurden, gibt es heute keine Gnade. Die Königsetappe von Laax nach Davos steht an: 100 Kilometer und 2.800 Höhenmeter erwarten uns. Und Dauerregen. In allen möglichen Nuancen. Ab der Hälfte der Strecke wurde schauerartiger Regen mit leichten Nieseleinlagen durch Starkregen mit Bindfaden-Optik abgelöst. Doch, wie man so schön sagt: „Es gibt, kein schlechtes Wetter, nur schlechte Kleidung.“ Getreu diesem Motto haben einige mutige Athleten die schlechte Kleidung gleich weggelassen und stehen am Start, als ob es strahlenden Sonnenschein hätte. Chapeau!
Immerhin sind die Temperaturen noch im erträglichen Maß bei etwa 12 bis 15° Celsius. Ich ziehe trotzdem ein Thermounterhemd an, Armlinge und Regenjacke. Franzi ist ähnlich ausgerüstet, jedoch ohne die Regenjacke. Die Kleidungswahl stellt sich am Ende als perfekt heraus. Diese Meinung teilen am Ende nicht alle Teilnehmer. Schlotternd und zitternd werden die im Ziel ankommenden Teilnehmer in Empfang genommen. Es werden Plastik-Regenponchos verteilt und Rettungsdecken zu fantasievollen Kleidungsstücken geformt. Glücklich darüber, endlich im Ziel angekommen zu sein, schlürfen blasse von ihren Entbehrungen gezeichnete Frauen und Männer ihre Suppe und schütteln sich in unregelmäßig wiederkehrenden Zitteranfällen, wie zu einer Melodie. Irgendwie hat der Kleidungsstil etwas mit einer Rave-Party aus den 90ern gemein, denke ich mir, muss grinsen und verteile bei einem kurzen Zitteranfall den halben Becher Kaffee über meine eiskalten Hände.
Die Strecke von Laax nach Davos kann trotz Regen überzeugen. Ein Mix aus herrlichen Singletrails, Schotterwegen und kurzen Ortsdurchfahrten führt über 20 Kilometer lang immer wieder durch kurze Gegenanstiege unterbrochen bis in die Rheinschlucht. Aufreißende Wolken geben den Blick auf die hellen, schroffen Felsen frei und verleihen der wilden Landschaft einen spektakulären Charakter. Nach einer rasanten Fahrt im Belgischen Kreisel entlang des Hinterrheins folgt ein teils knackiger 500 Höhenmeter Aufstieg zum „Alten Schin“, einem in die Felswand gemeißelten historischen Wanderweg. Wolken hängen dicht am Felsen und geben nur zögerliche Blicke über dem Fluss Albula frei. Mehrere Tunneldurchfahrten geben der Passage einen mystischen Charakter.
Nach einem erneuten Wechsel aus Trails und Schotterwegen gelangen wir bei Tiefencastel ans Ufer des Albula. Da unsere GPS-Geräte mit der Feuchtigkeit nicht klarkommen, sind wir der Meinung, noch etwa 1.800 Höhenmeter vor uns zu haben. Wir gehen es ruhig an, machen einen etwas längeren Stopp an der Verpflegungsstation und werden nach längerer einsamer Fahrt durch die magische Bergwelt bei Filisur von der Verfolgergruppe eingeholt. Im Gespräch stellt sich heraus, dass nur noch 1.000 Höhenmeter fehlen. Das gibt einen gewaltigen Motivationsschub bei Franzi. Genug ausgeruht, sagte sie, und schon sind wir wieder weg.
Nach den lässigen Flowtrails an der Zügenschlucht und der spektakulären Brücke darüber wird die Strecke aufgrund der Witterungsverhältnisse durch den Landwassertunnel geleitet. Nicht schön, aber wahrscheinlich eine vernünftige Lösung, um ein paar Höhenmeter und Kilometer zu sparen. Gerüchtweise bestand auf der Originalroute Steinschlaggefahr. Die letzten Kilometer vergehen wie im Flug. Trotz der Distanz und des Transfercharakters der Etappe haben die Scouts des Swiss Epic an diesem Tag einen super Mix aus großartigen Trails und Wegen gefunden, der keine Langweile aufkommen ließ. Selbst nicht bei Dauerregen – wenn man sich denn richtig kleidet.
Hier findest du unsere Tour vom Rain Day von Laax nach Davos:
Etappe 5 – Von Davos nach Davos
Samstag, 20. August – „You Conquered the Alps“ brüllt der Moderator in Davos ins Mikrofon. Überglücklich und überwältigt von unseren Erlebnissen als Team „LAAX – Bike Romantik“ stehen wir am finalen Tag sogar noch auf dem Treppchen für die Mixed-Teams, nachdem uns am Vortag nur fünf Sekunden davon getrennt haben. Franzi hat unglaublich Selbstvertrauen gesammelt und ich könnte platzen vor Stolz auf meine Freundin.
Der letzte Tag des Swiss Epic hat auf der Strecke so viele Singletrails, wie möglich sind. Play Day. Das Wetter ist perfekt und die meisten Trails bereits wieder abgetrocknet. Der erste steile Anstieg verursacht ein Déjà-vu. Doch so beschaulich wie an unserem Anreisetag nach Arosa geht es heute nicht zu. Irgendwie will sich der zähe, kaugummiartige Verband aus Menschen nicht auflösen. Erst am Höhenweg trennen sich Biker um Biker wie Tropfen aus der Masse und düsen beglückt durch den ersten Panoramatrail in Richtung Klosters. Es folgt der wurzelige Gotschnaboden-Trail, auf dem sich einige sensationelle Szenen abspielen.
Hochmotiviert, teils hektisch, stürzen einige Teams mit überschwänglichem Enthusiasmus dem Tal entgegen. Immer wieder kommt es vor uns zu Stau, weil Biker mit athletischen Dehnungübungen das Bike vor dem Wegrutschen hindern wollen und dabei selbst noch auf dem rutschigen Boden ausrutschen. Das sorgt in den hinteren Reihen für lautstarken Unmut. Wahrscheinlich, weil sie nichts von den Übungsreihen sehen konnten. Franzi gebietet dem Tumult mit strengen Worten Einhalt. Das beeindruckt nicht nur mich, sondern die ganze Meute um uns herum. Von nun an war Ruhe und auch der Fahrfluss wieder tipptopp.
Am beschaulichen Davoser See vorbei gelangen wir auf spannenden Waldwegen zur Flüela-Passstraße, die mit moderater Steigung etwas Erholung für die Beine bietet, bevor es über den natürlichen Flüela-Trail wieder zurück in Richtung Davos hinab geht. Mit so viel Natürlichkeit haben wohl zahlreiche Biker nicht mehr gerechnet, nach so vielen Flowtrails an den Vortagen. Im Abstand von nur wenigen Metern mühen sich mindestens fünf Teams mit Platten ab, die sie sich an den zahlreichen verblockten Felsabschnitten zugezogen hatten.
Die letzten Kilometer sind nochmals wunderbar abwechslungsreich. Aus dem Dischmatal heraus folgen wir großartigen Naturtrails durch das Unterholz bis zum letzten Anstieg zur Ischalp, wo uns am Ende die spaßige Murmelbahn-Abfahrt mit Anliegern und Sprüngen unglaublich viel Flow und Air-Time bietet und ein breites Grinsen in die Gesichter zaubert. Auf den letzten Kilometer zum Ziel ist entspanntes Ausrollen durch Davos angesagt. Stolz und überglücklich beenden Franzi und ich unsere Premiere als Rennteam auf Platz fünf in der Gesamtwertung der Mixed-Teams.
Hier gibt es alle Ergebnisse des Swiss Epic 2022.
Unsere Tour vom Play Day um Davos:
Fazit
Das Swiss Epic ist ein Hammer-Rennen, das als Komplettpaket keine Wünsche offen lässt. Natürlich ist die Teilnahmegebühr kein Schnäppchen, doch zugegebenermaßen bekommt man dafür einiges geboten: traumhafte Strecken und top Hotels zum Relaxen und super Verpflegung. Der Support an der Strecke ist gewaltig. Die Helfer auf Zack und mega motiviert. Nach Zieleinfahrt wird das Bike professionell geputzt und in eine gesicherte Bike-Garage gebracht. Wenn nix zu reparieren ist, dann reichen ein paar Tropfen Öl auf die Kette und das Renngeschoss ist wieder bereit für die nächste Etappe. Falls doch einmal etwas defekt sein sollte, dann helfen dir top ausgebildete und erfahrene Mechaniker bei ziemlich jedem Problem am Bike.
Als Team haben Franzi und ich trotz vorangegangener Zweifel perfekt harmoniert. Auch wenn es für einige verrückt klingen mag, haben wir uns sogar super erholt. An das Frühstück um etwa 5 Uhr haben wir uns rasch gewöhnt. Danach ging es täglich zu einer lässigen Bike-Runde mit vielen motivierten und nur wenigen übermotivierten Menschen, die unsere Leidenschaft am Biken teilen. Nach der Zielankunft gab’s leckeres Essen, Käffchen, Biker-Kaffeeklatsch und schließlich Mittagsschlaf im Hotel. Gut ausgeruht ging’s zum Abendessen und mit vollem Bauch um 21 Uhr ins Bett. Acht Stunden Schlaf sind phänomenal! Im nächsten gemeinsamen Rennen werden wir uns dann wahrscheinlich von „LAAX – Bike Romantik“ in „LAAX – Bike Wellness“ umtaufen. In diesem Sinne viel Spaß beim nächsten Rennen und lasst euch nicht stressen! Es geht nur in zweiter oder dritter Linie um Platzierungen, vor alledem solltet ihr eine gute Zeit unter Gleichgesinnten auf sensationellen Trails genießen!
Hier findest du die gesamte Route zur Swiss Epic 2022.
Wäre das Swiss Epic was für euch?