Ein kompletter Medaillensatz bei insgesamt fünf Olympiateilnahmen, dazu zwei Weltmeistertitel und eine unglaubliche Zahl an 19 deutschen Meistertiteln im Cross-Country und Marathon. Die sportliche Karriere von Sabine Spitz ist eine Ansammlung an Superlativen. Darüber hinaus engagiert sich Spitz seit vielen Jahren für sozial benachteiligte Kinder und positionierte sich in ihrer gesamten Laufbahn konsequent zu einem harten Anti-Doping-Kampf. Wir wollen im Zuge des Karriereendes von Spitz zurückblicken auf die Geschehnisse rund um die Person, die den deutschen Mountainbikesport prägte wie wohl niemand zuvor.
Wer an die zurückliegende Geschichte der Cross-Country- und Marathon-Disziplinen im Mountainbikesport denkt, wird unweigerlich auch mit der Person Sabine Spitz konfrontiert werden. Die heute 48 Jahre alte Südschwarzwälderin war mehr als zwei Jahrzehnte an der Weltspitze des MTB-Sports vertreten und darüber hinaus von ihrem ersten internationalen Erfolg mit dem Gewinn der WM-Bronzemedaille 2001 bis zu ihrem Karriereende im vergangenen Jahr stets bei internationalen Meisterschaften und Weltcuprennen auf dem Podium zu finden.
Disziplinübergreifend (Marathon, Cross-Country und auch Cyclocross) konnte Spitz zwei Weltmeistertitel, vier Europameistertitel und 22 weitere internationale Medaillen gewinnen. Über alledem steht jedoch die erfolgreichste Bilanz einer Mountainbikerin bei Olympischen Spielen: Der historische Triumph in Peking 2008 und die beiden Medaillengewinne bei den Spielen in London 2012 und Athen 2004 machen Spitz unweigerlich zu einer der erfolgreichsten, wenn nicht sogar der erfolgreichsten Mountainbikerin in der Geschichte des Sports.
Der Motor läuft zunächst nur langsam an
Den ersten großen Erfolg ihrer Karriere konnte Spitz im Jahr 2000 feiern, als sie sich für die Olympischen Spiele in Sydney qualifizieren konnte. Erst sechs Jahre zuvor begann Spitz mit dem Wettkampfsport und startete zunächst bei lokalen Rennen. Mit dem Ziel der Weltmeisterschaft vor heimischem Publikum in Kirchzarten 1995 vor Augen forcierte Spitz das Training und qualifizierte sich schließlich auch für das dortige Rennen. Als echte Newcomerin belegte Spitz schließlich von rund 170 Starterinnen einen beachtlichen 35. Platz. Die Stimmung und die vielen Zuschauer vor Ort jedoch sorgten für eine Initialzündung der Karriere von Spitz: Sie begann strukturiert zu trainieren und etablierte sich immer weiter in der Rennszene.
Die Erfahrungen vor Ort im Umfeld von Olympia bewirkten bei Spitz einen weiteren Leistungssprung, der sie letztlich in die absolute Weltspitze hievte.
Der letztendliche Durchbruch an die Weltspitze hängt unmittelbar mit den ersten olympischen Spielen von Spitz im Jahr 2000 in Sydney zusammen. Nur mit Mühe konnte Spitz sich für die Spiele erst qualifizieren und landete dort dann auf einem zu diesem Zeitpunkt der Karriere sehr beachtlichen neunten Rang. Die Erfahrungen vor Ort im Umfeld von Olympia bewirkten bei Spitz einen weiteren Leistungssprung, der sie letztlich in die absolute Weltspitze hievte.
Mit Konstanz zum WM-Titel und zur ersten Olympiamedaille
Im Jahr 2001 sicherte sich Spitz erstmals den deutschen Meistertitel in der Cross-Country-Disziplin, landete in den Weltcuprennen mehrfach auf dem Podium und sicherte sich dann auch ihre erste internationale Medaillen bei den Weltmeisterschaften in Vail (USA) und bei den Europameisterschaften vor heimischem Publikum in St. Wendel. In den folgenden Jahren war Spitz dann omnipräsent an der Spitze von Weltcup- und WM-Rennen vertreten. Der erste Weltcupsieg folgte 2002 in Vancouver (Kanada), kurz darauf holte sie 2003 ihren ersten und einzigen Weltmeistertitel in der Cross-Country-Disziplin. In Lugano, wo heute immer noch Rennen des Swiss Cups durchgeführt werden, konnte Spitz sich in einem Duell gegen die Kanadierin Alison Sydor durchsetzen.
Im selben Zeitraum wie Spitz arbeitete sich auch die Norwegerin Gunn-Rita Dahle-Flesjå in die Weltspitze vor. Ähnlich wie Spitz begann Dahle-Flesjå einige Jahre vor der Jahrtausendwende mit dem Rennsport, doch erst zu Beginn der 2000er-Jahre ging ihr Stern so richtig auf. Über Jahre hinweg prägten Dahle-Flesjå und Spitz von nun an den MTB-Sport der Damen. Und so war es auch Dahle-Flesjå, die 2004 bei den Olympischen Spielen Gold gewann und Spitz sich als Drittplatzierte ihre erste Olympiamedaille sichern konnte.
Die Sternstunde des deutschen MTB-Sports – das Gold-Märchen in Peking
Im Jahr 2005 wendete sich Spitz verstärkt der Cyclocross-Disziplin zu, um bei den heimischen Weltmeisterschaften in St. Wendel erfolgreich zu sein. Mit dem Gewinn der Silbermedaille hinter ihrer Landsfrau Hanka Kupfernagel wurden diese Mühen schließlich auch belohnt. Unabhängig von einigen weiteren internationalen Erfolgen in den Folgejahren wie dem Gewinn des EM-Titels 2007 richtete sich bei Spitz der Fokus immer mehr auf die Olympischen Spiele in Peking 2008. Ein großes Selbstvertrauen durch den Sieg bei den Europameisterschaften wenige Wochen zuvor vor heimischem Publikum in St. Wendel und eine Strecke, die ihr in weiten Teilen auf den Leib geschneidert war, boten beste Voraussetzungen, um eine erneute Olympiamedaille erobern zu können.
Vom Start weg dominierte Spitz das Rennen in Peking und fuhr über das komplette Rennen hinweg ungefährdet der Goldmedaille entgegen.
Was dann am 23. August 2008 geschah, lässt sich als eine der Sternstunden des deutschen MTB-Sports bezeichnen: Vom Start weg dominierte Spitz das Rennen in Peking und fuhr über das komplette Rennen hinweg ungefährdet der Goldmedaille entgegen. Ihre größten Konkurrentinnen wie Gunn-Rita Dahle-Flesjå, die Spanierin Margarita Fullana oder die Kanadierin Marie-Hélène Prémont waren an diesem Tag nicht in der Lage mit ihr mitzuhalten und schieden allesamt aus dem Rennen aus.
Sturz verdirbt möglichen zweiten Olympiacoup
Auch vier Jahre später bei den folgenden Olympischen Spielen war Spitz eine der Fahrerinnen, die von Beginn an das Rennen bestimmten. Bis zur Rennhälfte war Spitz gemeinsam mit der späteren Siegerin Julie Bresset aus Frankreich und der Amerikanerin Georgia Gould als Trio an der Spitze, ehe sich Bresset leicht absetzen konnte. Die zunächst kleine Lücke zu den beiden Verfolgerinnen wurde dann aber schlagartig größer: In einer längeren Steinpassage stürzte Spitz unglücklich – ein Schreckmoment für alle mitfiebernden Fans. Doch Spitz rappelte sich auf, kämpfte sich an die wenig später vorbeigezogene Gould im Laufe des Rennens wieder heran und distanzierte diese in der letzten Runde.
Doch Spitz rappelte sich auf, kämpfte sich an die wenig später vorbeigezogene Gould im Laufe des Rennens wieder heran und distanzierte diese in der letzten Runde.
Auch wenn Sabine Spitz in den Jahren zwischen den Olympischen Spielen mit weiteren Medaillengewinnen bei Welt- und Europameisterschaften in vielerlei Hinsicht erfolgreich war, rechneten einige Kritiker nicht unbedingt mit einer erneuten Medaille bei Spitz. Im damaligen Alter von 40 Jahren schien Spitz für einige bereits den Zenit ihrer Karriere überschritten zu haben. Wie bereits in den Jahren 2004 und 2008 schaffte sie es jedoch wie keine Zweite, pünktlich zum Höhepunkt der Olympischen Spiele topfit zu sein.
Turbulente Jahre bis zu den fünften Olympischen Spielen
Wer glauben durfte, dass die Südschwarzwälderin sich nach ihrem erneuten Erfolg in London zur Ruhe setzen würde, täuschte sich. Vielmehr erlebte Spitz in den Folgejahren beinahe einen zweiten Frühling ihrer Karriere: In einem Jahr voller Höhen und Tiefen sicherte sie sich in Andorra ihren zweiten Weltcuperfolg ihrer Karriere, zog sich aber bei zwei Stürzen am Anfang und am Ende des Jahres jeweils eine Schultereckgelenksprengung zu. Und selbst im Alter von 44 Jahren schien Spitz 2016 erneut in der Lage zu sein, bei den Olympischen Spielen um Edelmetall kämpfen zu können.
Mit dem Gewinn einer erneuten Bronzemedaille bei den Cross-Country-Europameisterschaften und vor allem dank eines bemerkenswerten Auftritts bei den Weltmeisterschaften wenige Monate vor den Spielen in Rio im tschechischen Nove Mesto zeigte Spitz eindrucksvoll, dass sie weiterhin zur absoluten Weltspitze dazugehörte. Über lange Strecken auf dem Bronzerang liegend, warf sie in Nove Mesto damals ein Reifendefekt in der letzten Runde äußerst unglücklich aus den Medaillenrängen.
Das „Knie der Nation“ durchquert die Karrierepläne
Eigentlich hätten die Olympischen Spiele 2016 in Rio mit dem durchaus möglichen Gewinn einer weiteren Medaille der krönende Abschluss der Karriere von Spitz werden sollen. Doch diese Pläne wurden durch einen scheinbar harmlosen Trainingssturz vor einem Weltcuprennen im kanadischen Mont-Sainte-Anne zunichtegemacht. Eine Entzündung im Knie entpuppte sich kurz vor dem Olympischen Rennen als derart problematisch, dass Spitz vor Ort operiert werden musste und ein Start lange Zeit fraglich schien. Spitz konnte schließlich bei ihren insgesamt fünften Olympischen Spielen starten, landete aber sichtbar gehandicapt nur auf dem 19. Rang.
Auf diese Art und Weise wollte Spitz nicht ihre Karriere beenden, sodass sie sich entschloss, weiterhin im Wettkampfgeschehen aktiv zu bleiben. Und das mit Erfolg: 2017 konnte Spitz abermals als Zweitplatzierte in Nove Mesto das Podium eines Weltcuprennens erklimmen. Zudem sicherte sie sich weiteres Edelmetall auf internationaler Ebene als Vizeweltmeisterin in der Marathon-Disziplin auf heimischem Boden in Singen. 2018 folgte dann ihr letztes Jahr in der Cross-Country-Rennszene und im vergangenen Jahr kündigte Spitz dann an, mehr oder weniger gänzlich dem Rennsport den Rücken zu kehren. Doch dies scheint ihr nur bedingt zu gelingen: Als Ersatzfahrerin für eine verletzte Südafrikanerin sprang Spitz im Vorfeld des geplanten Cape Epic, das kurz vor dem Start abgesagt wurde, in diesem Jahr spontan ein und bereitete sich unter anderem mit einem Renneinsatz beim Tankwa Trek-Etappenrennen auf den Einsatz beim Cape Epic vor. Auch mit nun 48 Jahren konnte Spitz dort in weiten Teilen mit besten Fahrerinnen mithalten und wird vermutlich nicht das letzte Mal auf der Rennstrecke unterwegs gewesen sein.
Courage und soziale Verantwortung – ein Vorbild des Sports
Nicht ohne Grund wurde Spitz im vergangenen Jahr im Rahmen der Wahl zum Sportler des Jahres der Sonderpreis „Vorbild des Sports“ verliehen, welcher ihr Engagement im Rahmen ihres Sportlerdaseins auszeichnen sollte.
Während ihrer gesamten Karriere galt Sabine Spitz stets als sehr mündige Athletin. Vielmehr noch: Spitz sprach aus, was sie als Sportlerin kritisch beobachtete und welche Änderungen im Umfeld des Sports geschehen sollten. Insbesondere im Zusammenhang mit der Dopingproblematik im Radsport forderte Spitz immer wieder verschärfte Kontrollen und schärfere Strafen für Dopingsünder. Unter anderem plädierte Spitz stets dafür, dass gedopte Athleten strafrechtlich verfolgt werden sollten.
Darüber hinaus engagiert sich Spitz seit vielen Jahren als Botschafterin für IN VIA, einen Verband, der benachteiligte Jugendliche und Frauen in vielen Lebensbereichen unterstützt. Mit einem eigenen Stiftungsfonds unterstützt sie darüber hinaus die Arbeit der IN VIA finanziell. Nicht ohne Grund wurde Spitz im vergangenen Jahr im Rahmen der Wahl zum Sportler des Jahres der Sonderpreis „Vorbild des Sports“ verliehen, welcher ihr Engagement im Rahmen ihres Sportlerdaseins auszeichnen sollte.
Meinung @ MTB-News.de
Von einer Rennsportpionierin zur endlosen Medaillensammlerin: Die Erfolge auf und neben der Rennstrecke von Sabine Spitz sind eine besondere Leistung, die wohl nicht so schnell jemand im deutschen Radsport wieder erreichen wird. Der Mountainbikesport in Deutschland würde ohne Spitz vermutlich anders aussehen, als wir es heute kennen und die Fußstapfen für alle Nachwuchstalente sind überwältigend groß. Das Lebenswerk von Sabine Spitz ist ein wahres Meisterstück.
In den kommenden Tagen werden wir Sabine Spitz auch noch selbst in einem ausführlichen Interview zu Wort kommen lassen. Wir haben gemeinsam mit ihr die erfolgreiche Karriere Revue passieren lassen und darüber hinaus über ihre Zukunft und die Entwicklungen im deutschen MTB-Sport gesprochen. Seid gespannt!
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